Freitag, 29. Dezember 2017

im Kino: Yorgos Lanthimos - The Killing Of A Sacred Deer

Gestern rief mich mein Cinegeek Partner an, nur, um mir mitzuteilen, dass der neue Lanthimos Film nicht mehr so gut ist wie die vorigen. Es ist also soweit: Yorgos Lanthimos, der originellste Auteur der letzten Jahre, wird jetzt zersägt! Natürlich zu Unrecht. Mein Cinegeek Partner sollte lieber seine Brille polieren und The Killing Of A Sacred Deer noch einmal richtig ansehen. Es geht um einen Mann, der Gott spielt und einen Jungen, der sich entscheidet, den Teufel zu geben. Alles ist hier metaphorisch. Lanthimos schafft eine unmögliche Situation, um menschliche Ängste spürbar zu machen, ja zu verdeutlichen. Daraus entsteht ein hypnotisierender Horrorfilm, der Fragen stellt, auf die uns einfach keine guten Antworten einfallen. Ist in dieser bizarren Situation überhaupt so etwas wie ein Happy Ending möglich? Lanthimos vereinigt dafür wirklich grosse Schauspieler vor der Kamera und beweist erneut seine Liebe zum Detail. Von wegen weniger gut als seine vorigen Filme? Unfug, der beste Film des Jahres! Colin Farrell, ein bisschen ergraut, spielt Dr. Steven Murphy, einen respektablen Chirurgen. An Murphys Seite, seine umwerfende Gattin Anna (Nicole Kidman). Zwei Kinder hat er auch. Murphy ist befreundet mit Martin (Barry Keoghan), einem 16jährigen Jungen, dessen Vater vor Jahren auf Murphys Operationstisch verstarb. Nun fühlt sich Murphy als väterlicher Freund des Jungen. Ihre Beziehung wird gleich am Anfang deutlich. Beide wirken seltsam distanziert, dann schenkt Murphy dem Jungen eine teure Uhr. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt nichts von beiden, glauben, dass es vielleicht um sexuelle Dienstleistungen geht. Es ist aber noch viel schlimmer... Wie Martins Vater genau starb, erfahren wir nicht. Lanthimos lässt auch offen, wie sich Murphy und Martin "näher" kamen. Murphy stellt den Jungen als Freund seiner Tochter vor, aber das stimmt nicht. Wahr ist, dass sich Martin mit Murphys Kindern anfreundet und wohl auch Gefühle für die Tochter hegt. Doch auch hier spüren wir einen düsteren Unterton. Irgendetwas in Dr. Murphys Haushalt scheint einfach nicht richtig zu sein. Eines Morgens versucht Murphys Sohn aufzustehen, aber seine Beine funktionieren nicht mehr. Er weigert sich zu essen. Martin klärt den Doktor auf: Gerechtigkeit waltet. Murphy nahm ihm seinen Vater, nun muss im Gegenzug ein Mitglied der Familie des Doktors sterben. Der Doktor darf wählen: Entweder, er tötet ein Mitglied seiner Familie oder ein Fluch trifft alle übrigen. Sie werden die Nahrung verweigern und sogar aus den Augen bluten. Fast scheint es so, als ob hier ein Gleichgewicht zwischen der Wissenschaft und dem Übernatürlichen geschaffen wird. Murphy spielt Gott. Er schafft und er nimmt Leben. Seine Welt ist Schwarz und Weiss. Martin zerstört diese kontrollierte Welt und verlangt etwas, dass nur selten von Göttern verlangt wird: Ein persönliches Opfer. The Killing of a Sacred Deer spielt in einer Welt klarer Linien und weisser Räume. In einer Krankenhaus-Welt. Später wird auch etwas über den Titel des Films verraten, wenn einer der Protagonisten einen Aufsatz über Iphigenie schreibt. Wer kennt das noch aus der Schule? Nun, wir sind ja fast eine griechische Bar, so viele griechische Kollegen arbeiten bei uns. Alle beflissen in der griechischen Mythologie und bereit, kurz auszuhelfen: Es war Artemis, der Gott der Jagd, der Agamemnon auferlegte, seine Tochter Iphigenie zu opfern. Sie soll Agamemnons "Sacred Deer" sein. Agamemnon war der Herrscher von Mykene und Anführer der Griechen gegen Troja. Tatsächlich genoss er einen ähnlichen Status wie Murphy innerhalb seiner Familie. Ist Martin demzufolge Artemis? Doch auch hier fehlen klare Linien. Lanthimos spielt mit dem griechischen Mythos und nutzt seinen schwarzen Humor für seinen Psycho-Horror. Was bleibt am Ende? Ich denke, wenn du dich dafür entscheidest, Gott zu spielen, musst du bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.

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