Cinema: Adam & Evelyn
Der Damenschneider Lutz Frenzel (Florian Teichtmeister) hat in der DDR sein eigenes Idyll geschaffen. Ein Atelier im Grünen und Kundinnen, denen er sich mit erotischer Konzentration widmet. Es ist der Sommer 1989, doch von Aufbruch spürt Adam wenig. Ganz anders Adams Freundin Evelyn (Anne Kanis), die Urlaub am Plattensee in Ungarn machen will. Evelyn ist eifersüchtig auf Adams Kundinnen und seinen Gleichmut. Sie fährt mit ihrer Freundin nach Ungarn, was wiederum Adam veranlasst, mit seinem Wartburg hinterher zu reisen... Andreas Goldstein folgt mit seinem Debüt Film dem Roman von Ingo Schulze. Wer mal nachliest, dass Goldstein Jahrgang 1964 ist, der wundert sich über ein so spätes Debüt. Was hat dieser Roman bewirkt, dass Goldstein zum Filmemacher wurde? Erzählt wird keine Siegergeschichte. Hier wird kein Staat abgewickelt. Auch keine Requisitenkammer, keine Ausstellung der DDR Marke "Ostalgie". Stattdessen wirken die Erlebnisse von Adam & Evelyn in Ungarn und kurz darauf im wiedervereinigten Deutschland wie ein Tagtraum. Von ganz ernsthafter Komik. Die DDR war ein Anspruch. Offiziell bildete sich die kommunistische Führung ein, dem "Kapitalismus" die Zukunft genommen zu haben. In Wahrheit aber bedeutete die DDR Stillstand. Zumindest während der 70er, spätestens seit den 80er Jahren. Adam lebt am Rande der Gesellschaft. In seinem Leben gibt es nichts Politisches. Einer, der sich zurück gezogen hat. Ich las einmal von der Erkenntnis, dass es die sozialistische Führung der DDR nie verstanden hat, das Potential der Menschen zu nutzen. Nach der Wende lernte ich viele "Ossis" im sagenumwobenen Prenzlauer Berg kennen, die im Grunde Sozialisten waren. Trotzdem hassten sie die DDR. Hätte einer wie Adam auf Dauer so weiter leben können? Wer heute die DDR kritisiert, spricht über uralte Funktionäre um Erich Honecker oder die Stasi. Niemand spricht über die Utopie der DDR. Kein System aber überlebt 40 Jahre nur durch Einschüchterung! Es muss immer auch eine Hoffnung bieten! Deshalb ist Adam & Evelyn ein trauriger Film. Eine traurige Komödie. Im Alltag der DDR gab es so etwas wie einen Zwang zur Bescheidenheit, den man in Bezirken wie Treptow noch heute erleben kann. Welcher "Ossi", der etwas auf sich hält, liebt es schon, selbst darstellerisch zu reden? So zu sprechen, wie ein DDR Bürger damals, das hat etwas mit der sozialen Frage zu tun. Das ist kein Dialekt. Deshalb empfinde ich Adam und Evelyn als ein so erstaunliches Erlebnis! Die Ereignisse damals zugespitzt im Paradies von Adam und Evelyn. Der Mythos einer Zeit der Unschuld, die im konkreten System aber keine Entsprechung findet. Nur in den Träumen der Menschen. Menschen, die bis heute nach "blühenden Landschaften" suchen.
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