youtube stream: Claude Chabrol - Juste Avant La Nuit
Die
Blondine sieht schön aus, vielleicht ein bisschen zu sehr. Sie räkelt
sich auf dem Bett. Sie fordert ihn auf, mit ihr zu spielen - und leckt
sich die Lippen. Michel Bouquet sitzt voller Gram am Fenster. Ein
kleiner Mann, korrekt gekleidet, mit dünnem Haar, dass ihm langsam
ausgeht. Er will überhaupt nicht spielen, tut es dann aber doch. Die
Blonde schliesst ihre Augen und widmet sich ganz ihren
Vergewaltigungs-Fantasien. Natürlich wünscht sie auch, gewürgt zu
werden. Die Leinwand verdunkelt sich, es erscheint der Titel: Juste
Avant La Nuit. In dem Moment, da das Licht zurückkehrt ist die Blonde
tot. Wie so oft in Claude Chabrols Filmen erscheinen seine Charaktere
wie Prototypen der französischen Bourgeoisie. Sie sind furchtbar seriös
und werden von allen respektiert, leben in erhabenen Anwesen und
arbeiten in Schlüsselpositionen. Doch hinter der Fassade verbergen sich
dunkle Fantasien und wohl behütete Geheminisse bis hin zum Mord. Killer
sind sie nicht. Es ist eher so, dass sie sich über die eigene Tat
wundern und erschrecken. Juste Avant La Nuit ist einer der besten
Chabrol Filme zu seinem Lieblingsthema. Wie in seinen besten Werken
verbirgt sich so viel mehr hinter den zunächst glatten Charaktere. So
viel mehr kann Chabroll über sie erzählen! Just Avant La Nuit handelt
von Schuld und Sühne - schliesslich auch von Vergebung. Irgendwann
dachte ich mir, dass ein Mord doch eigentlich jedem passieren könnte.
Doch wären wir genauso vulgär wie Chabrols Figuren, den Mord
anschliessend zu beichten? Die Tote ist die Frau von Charles' (Bouquet)
bestem Freund. Seit mehreren Monaten pflegen sie und Charles eine
Affäre. Eine perverse Beziehung, die auf den Fantasien der Ermordeten
beruht. Im Grunde verachtet Charles sie und ihre Spielchen. Das, was sie
wünscht, ist ihm zuwider! Ich denke nicht, dass er den genauen Grund
kennt, weshalb er sie ermorden will - jedenfalls kehrt er nach der Tat
zurück in sein gewohntes Leben. Niemand verdächtigt ihn. Charles ist
verheiratet mit einer eleganten Frau (Stephane Audran). Er ist Vater von
netten und aufgeweckten Kindern. Während des Begräbnisses erlangt
Charles die absolute Gewissheit, dass die Polizei seine Spur niemals
aufnehmen wird. Nachts aber quält seine Tat ihn, bringt ihn um den
Schlaf. Charls überkommt der Wunsch, sein Verbrechen jemandem zu
beichten: Seiner Frau als auch seinem besten Freund, dem Witwer der
Toten. Und welch Wunder - sie alle vergeben ihm. Niemand verspürt die
Lust auf Rache. Doch genau danach verlangt Charles. Er möchte gerichtet
und bestraft werden. Die Anderen aber verhalten sich nicht anders als
die tote Blondine, ganz so als führten sie ihr Spiel fort. Juste Avant
La Nuit ist eine Meditation über das Thema Schuld. Was ist richtig? Was
ist falsch? Natürlich bedauert man die Tote. Die Polizei zu rufen würde
aber doch etwas zu weit gehen. Wer ausser Chabrol wäre noch in der Lage,
ein Verbrechen wie Mord weniger verachtungswürdig darzustellen? Wer
könnte es noch skandalöser relativieren?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen