Freitag, 3. November 2017

youtube stream: John Cassavetes - Opening Night


John Cassavetes Opening Night erzählt die Geschichte einer Schauspielerin und Alkoholikerin, auf dem Höhepunkt ihrer Qualen, ihrer Agonie. Umgeben wird sie von Menschen, deren Leben sie im Grunde verhindert. Keiner von denen aber ist so wütend auf sie wie er das eigentlich sein müsste. Verkörpert wird sie von Gena Rowlands, die genau verstanden hat, auf was es in dieser Rolle ankommt: Das Verlangen nach einem Drink! Selbst in den unpassendsten Momenten! Es muss sein! Hier und Sofort! Rowlands Charakter heisst Myrtle Gordon. Wir lernen sie kennen während der Vorbereitung eines Stücks. Gordon ist in grosser Star, verehrt von ihren Fans. Ben Gazzara spielt den Regisseur, der mit der Aufgabe zu kämpfen hat, diese verdammte Produktion irgendwie fertig zu stellen. Cassavetes selbst gibt den Hauptdarsteller. Jeder im Team weiss, dass Gordon eine Trinkerin ist und jeder versucht sich das schön zu reden. Mit etwas Fantasie trinkt sie, um ihr Altern zu ertragen. Oder sie trinkt, weil der Schmerz zu gross ist für sie. Alkoholiker können uns schliesslich stets einleuchtend die Gründe benennen, weshalb sie trinken. Wie aber der Suff und die Probleme miteinander zusammen hängen, das erkennen sie nicht. Opening Night war 1977 der dritte Film, in dem Rowlands die Hauptrolle in einem Cassavetes Film übernahm. Ungewöhnlich, wie klar Cassavetes Film erkennt, dass Alkoholismus der Schlüssel zur Selbstzerstörung ist. Opening Night weiss, dass besonders talentierte Alkoholiker die Fähigkeit besitzen, sich mit "Beschaffern" zu umgeben. Mit Menschen, die ihre Neurosen und ihren Suff unterstützen. Gordon ist so betrachtet eine äusserst talentierte Alkoholikerin: "I’ve never seen anyone as drunk as you who could stand up. You’re great!” Gordon befindet sich in einem Stadium, wo sie bereits beginnt zu halluzinieren (wer ist beispielsweise dieser Fan, der zuvor umkam, sie aber stets umgibt?) - und wird wohl bald eingewiesen werden müssen. Cassavetes vermag diesen Zustand besser darzustellen als jeder andere Filmeacher! Ein Meister der Darstellung von Wahnsinn, in dem Moment, da Gordon innerlich zerbricht, aber nach aussen wie eine Verrückte agiert. Gordon, eine stolze Person, aber nervös und zutiefst unglücklich. Immer näher rückt die Nacht der ersten Vorstellung und sämtliche Charaktere leugnen dass allzu Sichtbare. Und das Publikum? Alle sind Zeugen des psychotischen Chaos während dieser ersten Vorstellung, da Gordon besoffen auf ihr Gesicht stürzt. Der Vorhang fällt, man applaudiert. Stellt das einen Triumph dar? Wird sie weitere Angebote erhalten? Wird sie je aufhören, zu trinken? Wie alle Cassavetes Filme stellt Opening Night einen unaufhaltsamen Zusammenbruch dar. Alle seine Filme stellen die Frage, wie es denn früher einmal war (und was daraus geworden ist)? Eine Frage, die sich auch Alkoholiker oft stellen. Doch natürlich ist nichts so, wie es früher einmal war.

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