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Samstag, 25. November 2017
youtube stream: Francois Truffaut Documentary
Jules Et Jim eröffnet mit einer furiosen Karussell-Musiksequenz und einer atemlosen Einführung über zwei junge Männer, Jules und Jim, die sich in Paris um 1912 treffen. Einer ist Franzose, einer Österreicher. Sie bringen einander ihre Sprachen bei und übersetzen sich Gedichte. Jules sucht nach einer Freundin, doch nie klappt es so recht. Die Mädchen, die er "datet", sind entweder zu still oder sie reden zu viel oder es passt sonst etwas nicht. Also versucht ers mit einer Professionellen, aber das ist natürlich auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Truffaut erzählt das alles ausgesprochen überschwänglich und immer so, als wüsste er bereits das Ende der Geschichte... 1962, mitten in der kreativen Explosion der Nouvelle Vague, kam Truffauts dritter Film in die Kinos. Wahrscheinlich der einflussreichste und auch beste Film dieser Reihe, die so radikal mit der Vergangenheit brach! So ungeheuer wirkte dieser Schub der Nouvelle Vague, dass ein paar Jahre später auch das amerikanische Kino mit den Stereotypen der Vergangenheit brechen sollte. Der Legende nach fand Truffaut den Original-Roman von Henri-Pierre Roche in einem Antiquariat. Der wiederum hatte die Dreiecksbeziehung um Jules und Jim nach eigenen Erlebnissen entworfen. Das bedeutet, dass die Original Catherine noch lebte, während der Film in den Kinos anlief. Die Original-Geschichte verlief wohl so, dass Catherine Jules heiratete und Jim erschoss. In Truffauts Umsetzung wird Catherine aber nicht zur Mörderin. Jim (Henri Serre) überlebt und nur einmal richtet Catherine (Jeanne Moreau) eine Pistole auf ihn. Alles beginnt heiter und beschwingt, doch der erste Weltkrieg naht, der nicht nur Europa brechen sollte, sondern auch unser Trio. Jules (Oskar Werner) und Jim wurden dazu geboren, um Freunde zu sein. Beide leben in Paris und beide wählen ein Leben aus Freiheit. Zunächst glaubt Jules in Therese (Marie Dubois) seine ideale Frau gefunden zu haben, nachdem sie einen anarchistischen Slogan an die Wand schreibt und daraufhin von ihrem Freund geschlagen wird. Therese ist eine, die Zigaretten mit dem brennenden Ende in den Mund nimmt, um den Rauch aus dem anderen Ende zu blasen. Letztlich findet Jules allerdings heraus, dass Therese wohl doch nicht die ideale Frau für ihn ist und erklärt es Jim so, dass sie Mutter als auch Tochter für ihn sei. In einer Skulptur entdecken die Freunde ihr Ideal: Ein Antlitz, schön, aber auch undurchschaubar. Diesen Ausdruck sollen sie im Gesicht von Catherine wiederfinden. Normalerweise teilen sich die Beiden ihre Freundinnen, diesmal aber nicht, wie Jules betont. Dennoch gehen die drei überall gemeinsam hin. Nach einem Strindberg Stück versucht Catherine ihren Freunden zu verdeutlichen, wie beeindruckend sie die Heldin fand (ganz anders als die Jungs). Catherine springt dafür einfach in die Seine. Das reicht als Erklärung! Natürlich haben sich beide in sie verliebt. Jules aber nimmt Catherine mit nach Österreich, um sie zu heiraten. Schliesslich trennt sie der Krieg: Jules und Jim stehen sich nun in feindlichen Lagern gegenüber. Erst nach dem Krieg besucht Jim das Ehepaar wieder, die mittlerweile eine Tochter haben. Die Ehe aber verläuft (natürlich) unglücklich. Obwohl Catherine davonläuft und Affären pflegt, bleibt Jules bei ihr - einfach, weil er ihre Natur versteht und sie liebt! Jules würde alles tun, um sie glücklich zu machen! Er würde Catherine nun sogar mit Jim teilen! Vielleicht wäre sogar eine Scheidung das Klügste, damit Jim Catherine heiraten könnte? Auch das würde die Freundschaft überleben! Catherine aber scheint wild entschlossen, sich immer so zu verhalten, wie es niemand erwartet. Sie schockiert die Freunde - wohl auch, um sie zu testen. Truffaut filmt entsprechend und wir müssen seinen Regie-Stil im Jahr 1962 als Offenbarung begreifen! Mit Leichtigkeit springt er durch das Geschehen, niemals verweilt er. Den Krieg erzählt er durch Footage Materialien (ganz so wie Welles' "Citizen Kane"), während sich die Kamera immerzu bewegt. Im Grunde bricht Truffauts Handkamera jede geltende Hollywood Regel. In dem Moment, da keine Zeit bleibt, uns das Geschehen zu zeigen, muss der Erzähler herhalten. Fast hechelt er hinterher. Der Erzähler soll später zu Truffauts Erkennungsmerkmalen werden. So atemlos schildert er die Geschichte, dass wir meinen, das Ende schon zu kennen, bevor es überhaupt begonnen hat. Manchmal frage ich mich, wie Jules Et Jim wohl geworden wäre, hätte Truffaut ihn traditionell gefilmt? Womöglich mit einer Psychoanalyse von Catherine? Besser? Wohl kaum. Im Grunde handelt Jules Et Jim doch von drei Menschen, die nicht akzeptieren wollen, dass ihr kurzer Moment des Glücks vorüber geht. Uns wird dieser kurze Moment in genauso rasanter Geschwindigkeit vorgeführt, so dass wir meinen, eine Komödie zu sehen. Falsch! Was bleibt ist Trauer. Womöglich ist es allein diese Trauer, die uns an das vergangene Glück erinnert.
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