youtube: Rudolf Thome - Das rote Zimmer (germ. only)
youtube: Rudolf Thome - Das rote Zimmer (germ. only). Gibt tatsächlich
niemand mehr Geld für einen neuen Thome Film? Armes Deutschland! - Unser
alter Kollege Thomas Groh schreibt im Perlentaucher: Ein vorpommersches
Filmwunder, in dem aller guten Dinge am Schluss drei sind, ist Rudolf
Thomes jüngstes Werk "Das rote Zimmer". Vor einem Jahr ließ Rudolf Thome
im Kino (in "Pink") noch eine Frau unter drei Männern auswählen - am
Ende stand das Glück in trauter Zweisamkeit. Ein Jahr später, in "Das
rote Zimmer", trennt sich nun eine Frau von ihrem Mann, der sich
wiederum in Folge für zwei Frauen entscheidet - auf der Suche nach dem
Glück in trauter Dreisamkeit. Der Mann, um den es geht, ist der Berliner
Kussforscher (!) Fred (Peter Knaack), der zwar zu Prostituierten geht,
aber eigentlich Romantiker ist: Mit seiner liebsten Prostituierten will
er anfangs bei Kerzenlicht Geburtstag feiern, seiner Frau sagt er kurz
vorm Scheidungstermin noch, dass er sie liebt. Zweifel an seiner
Aufrichtigkeit kommen indes ebenso wenig auf wie Zweifel an einer Biene,
die von einer Blüte zur nächsten fliegt. Im Grunde ist Fred kein böser
Mensch, nur die üblichen "Formen der Liebe" (so der Titel eines Zyklus
im Werk des Regisseurs sowie eines gerade erschienenen Buches über seine
Filme) sind nicht die seinen. Auf dem Land, etwas abgelegen in einem
seltsam künstlich blau ins Feld getupften Häuschen, lebt die wenig
beachtete Schriftstellerin Luzie (Katharina Lorenz) mit ihrer jüngeren
Freundin Sibil (Seyneb Saleh). Um ihren ersten Bestseller zu landen,
will Luzie die Seele der Männer erforschen. Der zufällig von Sibil in
Berlin aufgegabelte Fred ist dafür gerade der rechte Kandidat. Für den
von Scheidung und Jobkrise gebeutelten Fred tut sich in dem blauen Haus
mit dem geheimnisvollen roten Zimmer, mit Luzie und Sibil die
Möglichkeit einer Utopie auf. Und wäre nicht Thome verantwortlich, man
müsste Schlimmstes erwarten. Im "Roten Zimmer" tauchen auf: Drogen,
lesbische Beziehungen, Polyamorie, Arbeits- und
Lebenslaufverweigungerungen, Prostitution, ein gelegtes Buschfeuer, eine
junge Kurdin, die nicht für eine Türkin gehalten werden will, Sex
zwischen Menschen, die rund 20 Jahre auseinander liegen, eine Scheidung,
spontaner Sex am Baggersee, Eifersüchteleien, ein mysteriöses
Hinterzimmer, in dem wer weiß was geschieht (und es an dieser Stelle zu
verraten, hieße einem wunderbaren Film Gewalt antun), alles also, was
einem schlechte Roehler- und miese deutsche Problemfilme von der eigenen
Relevanz unbedingt überzeugt um die Ohren hauen. Vom Trara solchen
Filmboulevards ist "Das rote Zimmer" allerdings so weit entfernt wie
_Godard zuletzt von seiner eigenen Oscarverleihung. Es zeichnet den Film
gerade aus, dass er die in jeder Ecke lauernden, oben skizzierten
Fallen mit souveräner Geste noch nicht einmal ignorieren muss. Vielmehr
ist "Das rote Zimmer" ein sanftes, sommerlich entrücktes, von süßer
Musik sacht aus dem Hintergrund umspieltes Kinowunder mit wunderbar
lakonischem Witz, in dem sich nie erahnen lässt, was einen -
buchstäblich - hinter der nächsten Tür erwartet, was in den nächsten
zwei Minuten Spielzeit geschieht. Einmal etwa taucht eine Vorpommersche
Aphrodite aus dem Baggersee auf, ganz einfach so, und verschwindet
wieder. Thome erklärt das nicht - Traum? Günstige Gelegenheit an einem
Sommerabend? Bedarf das wirklich der Erläuterung? Eben. "Das rote
Zimmer" ist ein Märchenfilm, wenn es denn zuletzt einen Märchenfilm
gegeben hat, der sich mit Mut zur Verknappung auf das allerwesentlichste
konzentriert. Rudolf Thome filmt hier im Alter von 71 Jahren mit der
Frische eines jungen Filmemachers, der das Wunder, einen eigenen Film
drehen zu dürfen, womöglich gar nicht fassen kann. Was er erzählt, ist
keine Anweisung, wie das Leben glücken könnte, sondern die fragile
Utopie, dass das glückende Leben wirklich gelingt - in einem Sommer, in
einer Küche, in einer Hängematte und im roten Zimmer aus dem Titel.
Thomas Groh
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