Freitag, 15. September 2017


youtube stream: Alfred Hitchcock - Psycho

Bereitwillig gab Hitchcock Auskunft darüber, dass er Psycho wie einen billigen Exploitation Film drehen wollte und deshalb arbeitete er einfach mit seiner TV Crew zusammen. Alles in Schwarzweiss geschossen; lange Passagen ganz ohne Dialoge. Sein Budget war auch für das Jahr 1960 gering. Es dürften Antworten sein, die seinem Bewunderer und Fragensteller Francois_Truffaut gefallen mussten. Kein Hitchcock Film aber hatte je mehr Einfluss! "I was directing the Viewers"; erklärt Hitchcock. Pures Kino! Ein Satz, den wohl jeder Filmemacher gern sagen würden. Immerhin bot Hitchcock ein Ende an, dass 1960 für Angst und Schrecken sorgte. Ein Ende, das nicht verraten werden durfte! Niemand sollte hereingelassen werden, der zu spät ins Kino kam, befahl Hitchcock medienwirksam. Marion (Janet Leigh), seine Heldin, war überhaupt nicht die Hauptdarstellerin! Mittlerweile dürfte wohl jeder das Geheimnis von Psycho gelüftet haben und trotzdem ist Hitchcocks Mutter aller Psychothriller immer noch furchteinflössend. Hitchcock beginnt mit der Geschichte Marions, dann führt er ihre Beziehung zu Norman (Anthony Perkins) ein. Die Ausgangssituation ähnelt so vielen Hitchcock Filmen: Die Schuld eines Menschen wie du und ich, befangen in einer kriminellen Situation. Marion lernen wir in einem schäbigen Hotelzimmer zusammen mit ihrem Liebhaber Sam Loomis (John Gavin) kennen. Sam ist ausserstande, Marion zu heiraten, da er Alimente zahlt. Durch diese Konstellation glaubt ein schmieriger Hotelgast, Marion wäre käuflich für Geld. Sie, die Unschuldige, er das Opfer und gleichzeitig eine verachtenswerte Figur. Marion flieht auf einer einsamen Strasse nach Fairvale, Kalifornien. Sie fühlt sich beobachtet und wir glauben, dass wir bereits drin sind in der Rahmenhandlung, die nun bis zum Ende von Psycho forterzählt werden wird... Verängstigt und kraftlos fährt sie in einem Regenschauer an die Seite und entdeckt Bates Motel. Zum ersten Mal trifft sie auf Norman Bates und Hitchcock gibt sich an dieser Stelle wirklich Mühe, uns diese Begegnung eindringlich zu zeigen. Wir glauben, dass es wohl fortan um Marion und Norman gehen müsste... Im Hintergrund hört Marion die scharfe stimme von Normans Mutter. Sie bezweifelt, dass Norman an diesem Ort bis ans Ende seiner Tage bleiben sollte. Er berührt sie. Und auch Norman hegt Gefühle für Marion. Das ist der Grund, weshalb sie sterben muss. Während Norman Marion in Unterwäsche beobachtet, glauben wir, dass es eine dieser erotischen Geschichten sein mag. Oder hatte irgendwer unter euch den Eindruck, dass wir einem Mord beiwohnen? Die Musik von Bernard Herrmann aber deutet etwas Unheimliches an und plötzlich fliesst Blut! Nicht viel Blut und Hitchcock filmt es in Schwarzweiss, aber doch genug, um uns zu schockieren. Wer mehr über die Produktion nachliest, erfährt, dass Hitchcock dem Publikum bewusst kein rotes Blut vorsetzen wollte. Wer mal das Remake von Psycho ansieht, weiss, warum. Die Duschszene in Psycho ist wohl die berühmteste Slasher-Sequenz der Filmgeschichte - und zwar, weil die Situation an sich, die Kunst von Hitchcocks Regie, viel stärker wirken als bildliche Details. Perkins schafft es dabei, uns den komplexen Charakter von Norman wirklich nahe zu bringen. Zunächst sympathisieren wir mit ihm (genau wie Marion), doch bald bemerken wir, dass mit dem freundlichen jungen Mann etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Schliesslich ist Marion tot und wir identifizieren uns mit Norman. Nicht etwa, weil wir auch jemanden erstechen könnten, wohl aber, weil wir nach der Tat Schuld und Reue empfinden würden. So wie Norman. Wir beobachten Norman, wie er Marions Leiche in ihrem Auto im Sumpf versenkt. Noch eine ganze Weile starrt Norman auf den Morast, bis der Wagen gänzlich verschwunden ist. Und unsere Gefühle dabei? Wir WOLLEN, dass der Wagen versinkt, genau wie Norman. So kommts, dass Psycho längst eine neue Hauptfigur hat: Norman Bates. Der Rest von Psycho entspricht einem grossen Melodram mit zwei effektiven Schocks: Dem Tod des Privatdetektivs Arbogast (Martin Balsam) sowie das Aufdecken der Identität von Normans Mutter. Für aufmerksame Zuschauer aber hält Hitchcock noch eine weitere Überraschung parat. Oder sind die Erklärungen des Psychologen über Normans gespaltene Persönlichkeit nicht nahe dran an einer Parodie? Psycho rührt an unseren Urängsten und genau deshalb, wirkt er bis heute nach und geriet nie in Vergessenheit. Kennt nicht jeder die Furcht, einfach unvermittelt ein Verbrechen zu begehen? Aus Impulsivität? Hat nicht jeder Angst vor der Polizei? Und fürchtet nicht jeder die Übergriffe eines Wahnsinnigen? Und trägt nicht jeder die Sorge in sich, die eigene Mutter zu enttäuschen?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen