youtube stream: Jacques Tati - Playtime
Playtime
existiert, wie nur ganz wenige Meisterwerke, in sich geschlossen und
bildet ein grosses Ganzes. Selbst Jacques Tatis Alter Ego Monsieur Hulot
scheint nur durch Zufall in dieses Parallel-Universum hineingestolpert
zu sein. Tati verzichtet auf einen klassischen Plot, dafür wird das
Geschehen von Zufällen vorangetrieben. Es gibt nicht nur ein paar
Hauptfiguren, sondern Hundertschaften. Anstatt einer Komödie wohnen wir
etwas bei, das man als wunderliche Beobachtung begreifen könnte. Kein
Genre wird zitiert, aber auch kein neues erfunden. Stattdessen erleben
wir, wie ein Filmemacher wohl die Welt aus seiner Innen-Perspektive
beobachtet. Das Innere nach aussen gekehrt. Damals, 1967, war Playtime
der teuerste französische Film aller Zeiten; produziert in "Tativille",
einer eigens erbauten Studiolandschaft. Immerhin gibts in Tativille
einen Flughafen, Hochhäuser und einen eigenen Kreisverkehr! Dafür
verzichtete Tati auf eine Geschichte als auch auf Dialoge (die meisten
werden in Englisch gehalten, daher verlinken wir den Post ohne
Untertitel). Was ist schon der Mensch angesichts dieser modernen
Architektur? Was stellt er dar in einer dieser Megastädte? Playtime
nimmt keine eigene Sichtweise dazu ein. Alle Überlegungen finden hinter
der Kamera statt. Tati hat sein Projekt auf 70mm gefilmt, um noch das
winzigste Detail ausleuchten zu können. Er präsentiert den
grösstmöglichen Ausschnitt, wie ein Suchbild, in dem wir fast kirre
werden. Einiges mögen wir entdecken, dafür verpassen wir aber wieder
anderes - Playtime sollte deshalb einige Dutzend Male angesehen werden.
Zwei oder drei Mal, das reicht niemals aus! Der Kritiker Rosenbaum
bezweifelte, dass es in Playtime um die Angst des Menschen vor der
Moderne geht. Vor allem gehts Tati, nach Rosenbaum, um die Anzahl der
Möglichkeiten des modernen Menschen und die sind - wie sollte es anders
sein? - auch sehr witzig! So viele Möglichkeiten allein in einem
Einkaufszentrum und dann all die verschiedenen Beziehungen zwischen
diesen Möglichkeiten! Staunend betrachten wir ein Heer von Fremden.
Erfahren wir dabei überhaupt etwas über Monisuer Hulot? Wie immer trägt
Tatis berühmter Charakter Regenmantel und Hut; wie immer beisst er auf
eine dicke Zigarre. Wir müssen uns vorstellen, dass Hulot zehn Jahre
nicht mehr auf der Leinwand erschienen war. Hulot selbst hat sich nicht
verändert; die Welt um ihn herum aber sehr! Eine Welt aus Stahl und
Beton, mit modernen Büros, Fahrstühlen und Air Condition. Es ist eine
Welt aus Glas und natürlich zerbricht Hulot auch so eine Glastür.
Einzelne verwirrende Momente des Films zu erklären, würde aber Playtime
nicht gerecht werden. Playtime ist ein mysteriöser, magischer Film! Geh
doch einfach so da ran, dass du ihn das erste Mal ansiehst als
Vorbereitung für das zweite Mal. Dann schau dir das Vorwort der
Criterion Pressung von Terry_Jones an, der uns Jacques Tatis grossen
Bankrott durch Playtime nahebringt. Immerhin war Playtime ein
gigantischer Misserfolg, der den Filmemacher sein Haus, seinen Besitz
und die Rechte an seinen früheren Filmen kostete. Ein bisschen kenne ich
dieses Gefühl durch mein gigantisches Kinoprojekt, das vor der Gründung
der Filmkunstbar Fitzcarraldo scheiterte - doch das ist natürlich
nichts gegenüber Tatis Pleite mit Playtime. Es mag lechtsinnig wirken
auf dich oder auf mich - nicht aber auf einen Träumer!
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