Freitag, 22. September 2017

youtube stream: Jacques Tati - Playtime

 Playtime existiert, wie nur ganz wenige Meisterwerke, in sich geschlossen und bildet ein grosses Ganzes. Selbst Jacques Tatis Alter Ego Monsieur Hulot scheint nur durch Zufall in dieses Parallel-Universum hineingestolpert zu sein. Tati verzichtet auf einen klassischen Plot, dafür wird das Geschehen von Zufällen vorangetrieben. Es gibt nicht nur ein paar Hauptfiguren, sondern Hundertschaften. Anstatt einer Komödie wohnen wir etwas bei, das man als wunderliche Beobachtung begreifen könnte. Kein Genre wird zitiert, aber auch kein neues erfunden. Stattdessen erleben wir, wie ein Filmemacher wohl die Welt aus seiner Innen-Perspektive beobachtet. Das Innere nach aussen gekehrt. Damals, 1967, war Playtime der teuerste französische Film aller Zeiten; produziert in "Tativille", einer eigens erbauten Studiolandschaft. Immerhin gibts in Tativille einen Flughafen, Hochhäuser und einen eigenen Kreisverkehr! Dafür verzichtete Tati auf eine Geschichte als auch auf Dialoge (die meisten werden in Englisch gehalten, daher verlinken wir den Post ohne Untertitel). Was ist schon der Mensch angesichts dieser modernen Architektur? Was stellt er dar in einer dieser Megastädte? Playtime nimmt keine eigene Sichtweise dazu ein. Alle Überlegungen finden hinter der Kamera statt. Tati hat sein Projekt auf 70mm gefilmt, um noch das winzigste Detail ausleuchten zu können. Er präsentiert den grösstmöglichen Ausschnitt, wie ein Suchbild, in dem wir fast kirre werden. Einiges mögen wir entdecken, dafür verpassen wir aber wieder anderes - Playtime sollte deshalb einige Dutzend Male angesehen werden. Zwei oder drei Mal, das reicht niemals aus! Der Kritiker Rosenbaum bezweifelte, dass es in Playtime um die Angst des Menschen vor der Moderne geht. Vor allem gehts Tati, nach Rosenbaum, um die Anzahl der Möglichkeiten des modernen Menschen und die sind - wie sollte es anders sein? - auch sehr witzig! So viele Möglichkeiten allein in einem Einkaufszentrum und dann all die verschiedenen Beziehungen zwischen diesen Möglichkeiten! Staunend betrachten wir ein Heer von Fremden. Erfahren wir dabei überhaupt etwas über Monisuer Hulot? Wie immer trägt Tatis berühmter Charakter Regenmantel und Hut; wie immer beisst er auf eine dicke Zigarre. Wir müssen uns vorstellen, dass Hulot zehn Jahre nicht mehr auf der Leinwand erschienen war. Hulot selbst hat sich nicht verändert; die Welt um ihn herum aber sehr! Eine Welt aus Stahl und Beton, mit modernen Büros, Fahrstühlen und Air Condition. Es ist eine Welt aus Glas und natürlich zerbricht Hulot auch so eine Glastür. Einzelne verwirrende Momente des Films zu erklären, würde aber Playtime nicht gerecht werden. Playtime ist ein mysteriöser, magischer Film! Geh doch einfach so da ran, dass du ihn das erste Mal ansiehst als Vorbereitung für das zweite Mal. Dann schau dir das Vorwort der Criterion Pressung von Terry_Jones an, der uns Jacques Tatis grossen Bankrott durch Playtime nahebringt. Immerhin war Playtime ein gigantischer Misserfolg, der den Filmemacher sein Haus, seinen Besitz und die Rechte an seinen früheren Filmen kostete. Ein bisschen kenne ich dieses Gefühl durch mein gigantisches Kinoprojekt, das vor der Gründung der Filmkunstbar Fitzcarraldo scheiterte - doch das ist natürlich nichts gegenüber Tatis Pleite mit Playtime. Es mag lechtsinnig wirken auf dich oder auf mich - nicht aber auf einen Träumer!

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