Donnerstag, 19. Oktober 2017

youtube stream: Federico Fellini - La Dolce Vita

 Wie das so ist mit den berühmtesten Filmen aller Zeiten: So viele Interpretationen ranken sich um die Klassiker! Wer kennt die von den sieben Todsünden, den sieben Hügeln Roms und den sieben Nächten in La Dolce Vita? Oder würdigt das Fellinis Film herab zu einem Kreuzworträtsel? La Dolce Vita ist eine Parabel. Eine Parabel über einen Mann ohne Eigenschaften. Einen Mann, der seine Mitte nie gefunden hat. Gedreht hat Fellini La Dolce Vita in der berühmten Via Veneto - der Strasse der Nachtclubs und Strassencafes. Die Strasse des vergänglichen Ruhms und der aufstrebenden Stars aus der zweiten Reihe. Der Held, Marcello, ist ein Klatschreporter. Er chronologisiert das süsse Leben. Gespielt wird Marcello von Marcello Mastroianni. Beide Marcellos verschmelzen zu einem schönen, erschöpften und verzweifelten Mann, der davon träumt, eines Tages auch einmal etwas Gutes zu bewirken. Leider aber ist er in seinem Leben gefangen. Im Leben der langen Nächte und einsamen Träume. Der Film folgt Marcello und bietet ganz nebenbei eine Extravaganz nach der anderen. Was für Bilder! Marcello wiederum folgt den Frauen und einer STORY. Sicher, zu Hause wartet die suizidale Verlobte (Magali Noel) - doch im Nachtclub trifft er eine wunderschöne Dame der Gesellschaft (Anouk Aimee), mit der er ein Bordell besichtigt. Wieder dämmert es. Der Dämmerung folgt die Nacht und wieder und wieder. Eine Reihe von Abstiegen und Aufstiegen. Hinunter in den Nachtclub, zu den Huren. Dann wieder hinauf in den St. Peters Dom oder die Wohnung des Intellektuellen: Steiner (Alain Cuny), dem Held des Films. Wie wundervoll ist die Eröffnungs-Szene, in der eine Christus Statue mit einem Hubschrauber nach Rom gebracht wird? Währenddessen finden die Fischer an der Küste ein Monster, einen riesigen Fisch. Die Statue ist schön, aber unecht. Der Fisch ist hässlich und echt. Dann taucht Marcello aus, der versucht, die Telefonnummer einer der badenden Bikini Schönheiten zu ergattern. Ganz am Ende trifft Marcello das schüchterne Mädchen, das er mal während eines Landausflugs kennengelernt hatte, sich aber nicht mehr erinnert. Verfehlte Kommunikation zu Beginn und im Finale. Eröffnung und Ende sind symmetrisch. Überhaupt ist vieles in La Dolce Vita symmetrisch aufgebaut. Zu Beginn trifft Marcello auf einen grossen Filmstar (Anita Ekberg), der sein Verlangen weckt. Er folgt ihr auf den St. Peters Dom und wieder hinab in einen Nachtclub. Man hört die wilden Strassenköter heulen und sie heult zurück. Dann wartet sie in die berühmte Trevi Fontäne und er folgt ihr in den Brunnen. Marcello idealisiert sie - SIE, die Frau aller Frauen. Natürlich bleibt sie für Marcello unerreichbar. Im Zentrum von La Dolce Vita aber steht Steiner, der all das verkörpert, was Marcello gern wäre. Steiner lebt in einer Wohnung, die angefüllt ist mit Kunstgegenständen. Er steht einem Salon voller Poeten, Intellektuellen und Künstlern vor. Seine Frau ist wunderschön, seine Kinder perfekt. In einer Kirche spielt Steiner Bach, drängt Marcello, endlich mehr Vertrauen in sich selbst zu haben und seinen Roman zu beenden! Doch auch Steiners Heiterkeit soll als Lüge enttarnt werden... Wie in kaum einem anderen Werk, folgt eine berühmte Szene auf die nächste. Wer erinnert sich an die Echo Kammer oder die berührende Sequenz mit Marcellos Vater Annibale Ninchi)? Fellini hat La Dolce Vita mit zügelloser Energie inszeniert! Er steht am Scheideweg seiner frühen neorealistischen Filme und seiner späteren verrückten Werke. Der Soundtrack von Nino Rota passt perfekt zum Lebensrhythmus des Films, ist mal vom Jazz beeinflusst, dann wieder wirkt er wie eine Liturgie. Alles ist ständig in Bewegung und das unterstreicht die Musik. Während sich La Dolce Vita nie verändert hat, sehe ich selbst den Film heute ganz anders. Als Teenager träumte ich vom süssen Leben. Sünden! Glamour! Eine beschwerliche Romanze! Heute erlebe ich Marcello als Opfer auf der Suche nach dem Glück, das sich nie erfüllen wird. Ich fühle Mitleid und Liebe für seine Figur! La Dolce Vita wirkt wie die Momentaufnahme einer Suche, die Fellini unvergänglich machte. Das süsse Leben - es gibt es nicht. Genau das muss aber jeder für sich selbst herausfinden.

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