youtube stream: roy Anderson - Songs From The Second Floor
In einer verbitterten grauen Stadt, die von betrunkenen, grauen
Angstellten bevölkert ist, geht alles schief. Man lacht über den
Schmerz. Die Geschäfte DER Firma laufen schlecht. Schliesslich muss ein
Mädchen wie ein Menschenopfer dargebracht werden, um die Firma zu
retten. In Roy Andersons Songs From The Secod Floor kollidieren Farce
und Tragödie. Die Apokalypse wird uns wie ein schlechter Scherz
vorgespielt. Ich denke, keiner von uns hat jemals solch einen Film zuvor
gesehen. Du wirst Songs From The Second Floor nicht geniessen können,
wohl aber nie vergessen! Roy Anderson, das ist der schwedische
Surrealist, der die grösste Meisterschaft in der Disziplin des
ausdrucklosen Humors erlangt hat. Andersons ist derjenige, den "Bergman"
einst lobte, die besten Werbespots der Welt zu inszenieren! Hier führt
er uns in die Welt des modernen Kapitalismus. Als wir den Film vor mehr
als zehn Jahren für unsere Videothek anschafften, war es fast unmöglich,
eine DVD zu bekommen. Merkwürdig! Ein solches Meisterwerk ohne
Vertrieb? Und dabei ist Songs From The Second Floor ein echter
Publikumsliebling, wie wir während einer späteren Vorführung
feststellten. Phasenweise gröhlten die Zuschauer regelrecht - und
manchmal trauten sie ihren Augen auch nicht. Ich liebe Songs From The
Second Floor, weil er gänzlich neu ist! Eine Komödie, die in einem
Universum spielt, die nie ein anderer Film je zuvor betrat. Sofort
verstehen wir die Logik der Verzweiflung hier in einer Welt ohne
Hoffnung. Slapstick und Tragödie in der Tradition der grössten Komiker!
Ironischweise eröffnet Songs From The Second Floor mit dem Bild eines
Mannes in einer Solarium-Röhre. Ironisch deshalb, da sämtliche
Charaktere im Film aussehen, als ob sie jahrelang ohne Sonne zugebracht
hätten. Danach verweilt die Kamera in ein paar Einstellungen aus
Verzweiflung und Absurdität. Diese Szenen werden nur lose miteinander
verbunden, einzig ein Brandstifter taucht immer wieder auf. Roy Anderson
will aber auch gar keine kontinuierliche Geschichte erzählen. Natürlich
ist das kein konventioneller Film! Anderson hat seine Kamera in einer
Stadt platziert, die schlicht aufgehört hat, zu arbeiten. Eine Stadt,
die zusammengebrochen ist und sich nun selbst kannibalisiert. Obwohl wir
das 20. Jahrhundert schreiben, sind die Einwohner zurückgefallen ins
Stadium ängstlichen Aberglaubens, um sich selbst zu schützen. Die
Geistlichen und die Geschäftsmänner wurden alle ihrer Büros beraubt. Nun
stehen sie dumm da in der weiten Leere einer Landschaft, die sie
fressen wird. Dann tritt das junge Mädchen auf. Sie wandelt auf einem
schmalen Grad. Wird ihr Tot den Zorn der Götter besänftigen, die so
ausser sich sind über das Versagen der Firma? Während wir diese Szene
verfolgen, wissen wir, dass jede reale Kompanie zu einer solchen
Reaktion fähig wäre. Gibt es denn gar keine Hoffnung in dieser
Verwüstung? Haben wir es hier mit einem anti-christlichen Film zu tun?
Aber das wäre zu simpel, denn Songs From The Second Floor ist gegen
nichts. Er handelt vom Schwinden jeder Hoffnung. Vom Zusammenbruch des
Systems "Hoffnung". Alle Charaktere sind miese Schweine und Ignoranten.
Die moderne Geschäftswelt sieht genauso aus wie die Welt aus grauer
Vorzeit, die von der Pest heimgesucht wurde. Natürlich ist Songs From
The Second Floor auch überaus witzig inmitten dieser Trostlosigkeit!
Immer wieder tritt die Kamera zurück und erlaubt uns, das Geschehen mit
einigem Abstand zu betrachten. Ist es nicht so, dass Nahaufnahmen
Identifikation stiften, während sogenannte "Long Shots" uns das
Geschehen mit mehr Objektivität betrachten lassen? Wir beobachten also
eine ganze Armee von Dummköpfen, die in den eigenen Untergang
marschiert. Wir selbst aber bleiben immer noch Zuschauer! Wir folgen
dieser Parade nicht. Deshalb lachen wir nicht nur, weil das, was wir
sehen, so absurd erscheint. Wir lachen auch aus Erleichterung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen