Our Daily Free Stream: Jean-Jacques Beineix - Betty Blue
Our Daily Free Stream: Jean-Jacques Beineix - betty Blue. Liebe ist
nicht gleichbedeutend mit Nacktheit. Eine im Grunde offensichtliche
Tatsache, die Jean-Jacques Beineix sich jedoch weigert zu akzeptieren.
Er hat eine romantische Obsession verfilmt - mit ganz, ganz viel nackter
Haut. Es war die dritte Arbeit des Franzosen, der das französische Kino
während der 80er runderneuerte, aber auch von vielen Cineasten verlacht
wurde. Beineix polarisiert und das tut er auch mit Betty Blue. Eingangs
sehen wir, wie sich ein Paar unter dem Portrait der Mona Lisa liebt.
Der Erzähler führt uns ein, sie würden das jede Nacht machen. Die
Sex-Szene dauert minutenlang und ist selbst heute, 30 Jahre später, noch
ungewöhnlich freizügig! Der Erzähler ist übrigens der Mann im Bett. Er
heisst Zorg und wird gespielt von Jean-Hughes Anglade. Er lebt mit Betty
in einem Fertighaus am Strand (beide kennen sich erst seit einer
Woche). Ausserhalb der Saison gibt es nur wenige Nachbarn, im Grunde
sind sie allein. Zorg wird von seinem schmierigen Vermieter ausgebeutet.
Offenbahr arbeitet er als eine Art Hausmeister und soll jetzt alle 30
Bungalows anstreichen - nebenbei. Betty hasst den Vermieter, schmeisst
ihn nackt aus dem Haus, schüttet einen Eimer rosa Farbe über seinen
Wagen und brennt eine Hütte nieder. Überhaupt: Sie ist nicht einfach.
Zorg muss mit ansehen, wie sie seinen gesamten Kram aus dem Fesnter
schmeisst. Plötzlich aber findet sie sein Manuskript. Ab dem Moment
hällt Betty Zorg für ein Genie und umsorgt ihn. Obwohl er beteuert, dass
kein Verleger Interesse habe und er auch nie wieder etwas geschrieben
hätte - für Betty steht Zorgs Glanz nun ausser Frage. Wer sich nun
wundert, in welcher Welt so eine Geschichte nun spielen soll? In keiner
realen. Wer würde eine gewalttätige und impulsive Frau wie Betty auf
Dauer ertragen? Ausserhalb des Betts funktioniert im Grunde nichts. Wer
den zugrunde liegenden Roman von Philippe Djian las, weiss recht bald,
dass Betty nervenkrank ist. Dem Leser wird bewusst, dass sie
Arzneimittel missbraucht und sich in einer Abwärtsspirale befindet.
Jeder merkt dass, ausser Zorg. Ich konnte dieser Figur immer recht wenig
Interesse entgegen bringen, da er fast masochistische Züge trägt. Nur
ein blinder Liebhaber? Oder ist da mehr? Die Fragen stellen sich aber
nicht, da Betty Blue in einer anderen Welt spielt. Es ist Bettys Welt.
Sie wird gespielt von Beatrice Dalle, um die schnell ein Kult entstand.
Im Film tritt sie genauso oft nackt wie angezogen auf (dasselbe gilt für
Zorg). In den 80ern kusierten zahlreiche Artikel, die Betty Blue als
feministischen Film darstellten. All das zielt am Herzen des Werks
vorbei: Betty Blue ist der Film von Beatrice Dalle und die wirkt am
besten nackt. Betty Blue ist vor allem ein Film über ihre Kurven!
Beineix greift zurück auf die Tradition der Nacktfilme, die noch eine
Dekade zuvor in den Bahnhofskinos liefen. Diese Skin Flicks hatten einen
bestimmten animalischen Charakter und der kommt in Bettys Wesen durch.
Betty Blue markiert eine Zäsur. Der französische Arthaus Film ist nicht
mehr gleichbedeutend mit Art. Arthaus im Sinne von Betty Blue bedeutet
vor allem ganz viel Haut. Jeder "Cinephile" wusste das und konnte es als
Schutzschild missbrauchen. Man musste sich nicht mehr entblössen und
ins Bahnhofskino schleichen. Betty Blue lief ganz bequem in den
Programmkinos. Ein Comic für Erwachsene - grell und obszön und
unheimlich schön!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen