Our Daily Free Stream: Michael Winterbottom - 24 Hour Party People
Our Daily Free Stream: Michael Winterbottom - 24 Hour Party People.
Jedes Jahr ein bis zwei neue Filme von Michael Winterbottom und
nebenbei noch eine TV Serie... 2017 kommen The Longest Cocktail Party
und Love Song: Wolf Alice. Wir zeigen seinen besten Film - Michael
Winterbottoms 24 Hour Party People erzählt die Geschichte der Manchester
Musik-Szene - beginnend mit dem ersten Konzert der Sex Pistols bis zum
Bankrott. Der Film glänzt mit einer Art inspiriertem Wahnsinn. Basierend
auf den Fakten ist es für uns Berliner (die nicht dabei waren!) aber
unbedeutend, ob wir die nun alle kennen. 24 Hour Party People
funktioniert auch, indem wir uns einfach mit dem geckenhaft posierenden
Helden identifizieren. Ein Typ, der sich selbst ernst nimmt, obwohl da
eigentlich nichts, aber auch gar nichts ernst zu nehmendes ist! Wilson,
den es echt gab, wird von Steve Coogan verkörpert. Eine Art Comic Figur -
und so funktioniert das Konzept von Winterbottom: Realität und
Schwärmerei werden munter verquirlt und dabei entsteht etwas, das viel
wahrhaftiger ist als es eine "normale" Doku sein könnte! Wilson ist ein
schlaksiger Typ mit einem hündischen Gesicht und der Eigenschaft,
banales Zeug mit einer Eindringlichkeit vorzutragen, als ob das Ende der
Welt verkündet würde. Ein aufrichtig wahnsinniger Mann! Während der
Eröffnungsszene erleben wir Wilson, wie er sein erstes Sex Pistols
Konzert in Manchester besucht. In dieser (wie auch anderen Sequenzen)
mischt Michael Winterbottom Footage Material mit gespielten Passagen.
Irgendetwas geschieht in der Nacht, dass die Rockmusik für immer
verändert. Die Sex Pisols aber scheitern dennoch durch Sid Vicious'
sagenhaften mörderischen Suizid. Ich denke, die Sex Pistols waren
deshalb so berühmt, weil sie eben scheiterten! Hätten sie Erfolg gehabt,
wären sie zwangsläufig kommerziell geworden. Im Grunde "rohrkrepierte"
Johnny Rotten noch Jahre nach der Band - eine ziemlich bemerkenswerte
Leistung! Für Tony Wilson hat "Anarchie" nichts mit Politik zu tun,
sondern mit seinem Befinden. Es ist Befindlichkeit! Wilson ist sich
sicher, die Zukunft gesehen zu haben und gründet mit seinem Partner
Factory Records. Nichts bieten sie zum Verkauf an, keinen Back-Katalog,
keine Verträge. Mit seinem eigenen Blut unterschreibt er die
Vereinbarung, keine Verträge zu schliessen. Der Rest ist Geschichte,
Factory etabliert sich als eines der erfolgreichsten Labels überhaupt.
Joy Division oder Happy Mondays gehören zu Factory und das Label gründet
einen Club, in dem alles Geld für Ecstasy drauf geht. Wilson
interessiert all das nicht. Investoren, die Factory kaufen wollen,
erklärt er, nichts anbieten zu können. Keinen Back-Katalog, keine
Verträge: "We are an experiment in human nature. I protected myself from
the dilemma of selling out by having nothing to sell." Ein wahrhaft
liebenswerter Charakter, der in seltsamen Film-Dialogen spricht. Nichts
von ihm klingt echt! 24 Hour Party People funktioniert zum Glück nicht
nach dem Prinzip der nostalgischen Verklärung einer vergangenen
Musikepoche. Der Film ist im Geiste Wilsons inszeniert, er verkörpert
den Wahnsinn von Factory Records! Michael Winterbottom ist ein genauso
fanatischer Filmemacher und Liebhaber wie es Wilson als "Label"
Betreiber war! Er liebt seine Charaktere von ganzem Herzen und versteht,
was mit den Sex Pistols begann und in den 90ern zerstört wurde. Der
Film nimmt sich dabei selbst nicht ernst; einmal blickt Wilson direkt in
die Kamera und erklärt uns, dass eine Szene fehlt (die es aber bestimmt
auf DVD dann geben würde). Kein Plan, keine Strategie, nur eine
Attitude! Das ist Punk und das hat Winterbottom verinnerlicht.
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