Our Daily Free Stream: Brian de Palma - Scarface
Our Daily Free Stream: Brian de Palma - Scarface. Zum Geburtstag von Al
Pacino! - Brian de Palmas Scarface steht und fällt mit Al Pacinos
Performance: Wie er aggressiv mit den Zähnen knirscht, Kaugummi kaut,
Kokain zieht und mit den Armen ruderd - einige feiern ihn dafür, anderen
ist das zuviel. Aber was hätten seine Kritiker denn erwartet? Etwa
Realismus? Eine Charakterstudie? Einen massvollen Auftritt? Tony Montana
ist all das nicht. Er lebt nur für seinen eigenen Ruhm. Von Beginn an,
da er noch in einem kubanischen Flüchtlingscamp eingesperrt ist, geht es
ihm um nichts anderes, sich selbst und damit jedem anderen etwas zu
beweisen. Aus Kuba geflohen besitzt er in Florida nichts: Keine Waffen,
kein Geld. Nichts ausser seinem Mut. Er wirkt gefährlich und
erfinderisch und dieser Bluff ist seine Eintrittskarte in die Welt des
Verbrechens. Montana ist einer der Hollywood Charaktere, die heute an
der Uni gelehrt werden. Man behauptet sogar, dass Verbrecher die Rolle
studieren, um Montanas Verhalten nachzuahmen. In diesem Sinne IST
Pacinos Auftritt hyperrealistisch. Wenn ich meine Strasse, die
Reichenberger, Richtung Kottbusser Tor entlang gehe, warten am Spätkauf
mittags schon ein paar Montanas, die diese Theorie bestätigen wollen.
Weil Montana so unzählige Male kopiert wurde, ist es schwer
nachzuvollziehen, wie originell Pacinos Auftritt 1983 gewesen war!
Damals gab es keine Latino Helden und Kokain war noch kein Klischee.
Brian de Palma übernahm den Titel und einige Strukturen der Geschichten
des Original Gangster-Klassikers aus dem Jahr 1932, der wiederum vom
Leben Al Capones inspiriert worden war. In beiden Filmen erleben wir den
Aufstieg und Fall des Gangsters, in beiden Filmen ist er obsessiv um
seine Schwester bemüht. De Palmas Film ist jedoch kein konventionelles
Remake, sondern verpasst Scarface einen ganz neuen Look (ein harter
Gangsterfilm in bunten Neon Farben!), eine neue Umgebung und einen neuen
Charakter. Wir befinden uns hier im Florida der frühen 80er zu dem
Zeitpunkt, da Fidel Castro den ersten Kubanern eine Migration erlaubte.
Er leerte einfach seine Gefängnisse. Am Anfang sehen wir Footage
Material, in dem Castro erklärt, wie froh er darüber sei, die
Konter-Revolutionäre los zu sein. Tony Montana ist pleite und kriminell.
Er würde alles tun, um im gelobten Land zu etwas zu kommen. Noch im
Flüchtlings-Camp tötet er einen Häftling und gewinnt die Gunst des
Druglords Frank Lopez (Robert Loggia). Das Drehbuch schrieb Oliver
Stone, der 20 Jahre später eine Castro Doku inszenierte, in der ein
Gespräch von ihm selbst mit dem Revolutionsführer aufzeichnet. Stone
hatte immer eine Vorliebe für exzessive Gewalt und Filme, die vor
Energie platzen! Von ihm stammen die klassischen Zeilen Montanas wie:
"All I got in my life is my balls and my word, and I don't break them
for nobody." Für Pacino war die Rolle die Chance, einen Gegenpart zu
spielen zu der Mafia-Rolle, mit der er berühmt wurde: Wir kennen Pacino
als instinktiven, selbstbeherrschten Strategen. Montana dagegen ist
aalglatt und durchgeknallt. Zehn Jahre später sollte de Palma einen
weiteren Mafiafilm mit Pacino als gealterten Gangster, der versucht,
rechtschaffen zu werden, inszenieren. Auf Montanas Stirn scheint ein
riesiges "The World Is Yours" zu blinken und das bedeutet für ihn auch
die Liebe einer Blondine: Elvira (Michelle Pfeiffer). Noch ist sie
Franks Geliebte, bald aber wird Frank sterben und Elvira gehört Tony. Er
weiss zwar, dass er sie unbedingt haben muss, aber überhaupt nicht, was
er mit ihr anfangen soll (wir erleben den wohl schrecklichsten
Heiratsantrag, den ich bisher gehört habe). Zwischen Tony und Elvira
gibt es keine Romantik. Nur zwei Szenen haben sie miteinander und in
beiden demütigen sie sich. Ich denke, Tonys Interesse gilt ganz seiner
Schwester Gina (Mary Elizabeth Mastrantonio) und aus diesem inzestuösen
Trieb, hält er jeden anderen Mann fern von ihr. Wegen ihr tötet er
seinen einzigen Freund Manolo (Steven Bauer). Nur Manolo ist überhaupt
in der Lage, Tony ins Gesicht zu sagen, wer er eigentlich ist: "Is this
what you want, Tony?" Scarface ist ein typischer de Palma Film, der sich
nur um grosse Gesten schert und nie um subtile Emotionen. De Palma
Filme sind genau wie Tony Montana! Für mich sind selbst seine verfehlten
Werke noch interessant, denn in jedem De Palma Film findet sich noch
etwas Grossartiges! Scarface treibt nach vorn mit voller Energie zu
seinem grandiosen Höhepunkt. Tonys Leben, seine Villa, seine Spielsachen
werden glorifiziert, schliesslich endet alles in knappen Kompositionen,
weil Tonys Welt in sich zusammenbricht. Unterlegt wird das von Giorgio
Moroders kalten Electro-Pop, der den richtigen Ton findet für Tonys
Welt, die oberflächlich zwar luxuriös ist, aber ohne jede Geborgenheit.
Alles läuft zusammen bei Al Pacino, der ein perfekter Schauspieler ist!
Schau dir mal frühe Filme von ihm an und dann Scarface. Es gibt nicht
DEN Pacino Charakter, sondern eine breite Palette. Hier spielt er einen
Mann, der immer mehr und mehr will und schliesslich von seinem eigenen
Exzess getötet wird. In seiner letzten Szene liegt ein ganzer Berg
Kokain vor ihm auf seinem Schreibtisch. Er wirft sich darüber, versucht
alles auf einmal zu inhalieren. Sie zeigt einen Mann, der sich um nichts
mehr kümmert, ausser seiner Bedürfnisse. Pacino spielt Montana
vollkommen entfesselt und er muss das auch, den dorthin führt ihn seine
Figur. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung)
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