Our Daily Free Stream: Sidney Lumet - serpico
Our Daily Free Stream: Sidney Lumet - Serpico. Al Pacino scheint nach
längerer Zeit wieder in einem interessanten Film über die Piraten aus
Somalia mitzuwirken. Deshalb gibts heute Serpico! - Erlebt ein junger
Schauspieler seinen ersten Erfolg, ist es in der Regel so, dass
Hollywood ihn in eine Position stossen will, die Ruhm und Geld
verspricht. Die Karriere des jungen Al Pacino aber verlief anders. Nach
seinem Durchbruch mit dem immer noch grössten Mafia Thriller aller
Zeiten, suchte er nach Rollen, die eine Entwicklung versprachen. Sidney
Lumet, seit fast 20 Jahre ein Aussenseiter (der nicht in Hollywood
arbeitete) konnte ihm diese Rollen anbieten. Inspiriert durch die wahre
Geschichte des New Yorker Polizisten Frank Serpico, schrieben Waldo Salt
und Norman Wexler ein Drehbuch, dass Pacino als langhaarigen Cop zeigt.
Mit zerzaustem Bart sieht er aus wie ein Hippie, doch überrascht
stellen wir fest, dass Serpico ein Cop im Untergrund ist! Am meisten
verwundert uns aber noch eine andere Tatsache: Warum ist der bärtige Cop
so wichtig? Weshalb würden ihn so viele Kollegen am liebsten tot sehen?
Die traurige Antwort liefert jemand im Film: Wer traut schon einem
Polizisten, der kein Geld nimmt? Ab diesem Moment erleben wir Serpicos
Geschichte, die ihn nun sein Leben kosten kann. Es beginnt bereits auf
der Akademie. Serpico beobachtet seine Kollegen, wie sie kleine Gefallen
entgegen nehmen - als Tauschhandel wohlbemerkt. Nichts
Aussergewöhnliches, zum Beispiel, in zweiter Reihe zu parken. Für den
jungen Idealisten sind das allerdings untragbare Zustände. Durch eine
Versetzung in einen anderen Bezirk, hofft er an bessere Polizisten zu
kommen. Doch diese Hoffnung wird jäh zerstört! Gleich am ersten Tag wird
ihm ein Umschlag zugesteckt mit dem Bestechungsgeld der Woche. Hier
wird nun sein Dilemma deutlich. Serpico operiert in einem korrupten
System, dass sich wie eine Epidemie über die ganze Stadt ausgebreitet
hat. Dieses System hat seine eigenen Vorgaben und Serpico steht nun
dazwischen: Wird er selbst Geld annehmen, also ein korrupter Cop werden
oder wird er zum Spitzel? Serpico ignoriert das Problem zunächst und
beruhigt sein Gewissen. Schliesslich haben die meisten Polizisten
Familie und verdienen bei weitem nicht genug für ein sorgenfreies Leben.
Serpico bringt sich allerdings schleichend in eine delikate Position,
denn er beginnt bereits aufzufallen... Al Pacino schafft es, uns den
jungen unbekümmerten Beamten, kurz nach der Ausbildung zum
Gesetzeshüter, vorszustellen, im Kontrast zum späten gequälten Serpico.
Wir erleben den Fall eines sympathischen Jungen voller Ideale zu einem
verbitterten Mann, der alles und jedem misstraut. Serpico wird zu einem
nervösen Charakter, der sich niemals fügt. Al Pacino lernte sein
Schauspiel von Lee Strasberg und ging im Sinne des "Method Acting" an
seine Rolle heran. Sein Frank Serpico ist nicht einfach ein Cop mit der
hervorragenden Charaktereigenschaft "Cop". Er ist ein Mensch mit
verschiedenen Interessen, der sich mit unterschiedlichen Leuten umgibt.
Deshalb trägt er auch seinen Bart, der ihn eben nicht sofort als Cop
ausgibt. Pacinos Figur ist in diesem Sinne ein Produkt der kulturellen
Entwicklung der späten 60er. Versuch mal, einen Zusammenhang
herzustellen zwischen der Hippie Bewegung und der intellektuellen
Neugier Serpicos - das ist ein anderer faszinierender Effekt! Doch nicht
nur Serpico, auch seine Freundin Laurie (Barbara Eda-Young) ist ein
dreidimensionaler Charakter. Sie zeigt ihre Hingabe zu Serpico, sie
liebt ihn, aber zunehmend gerät das unter den Prüfstand, durch Serpicos
nervöse Anfälle. Welche Frau könnte die auf Dauer ertragen? Laurie fühlt
sich schuldig dadurch. Sidney Lumet zeigt die Isolation Serpicos, in
dem er ihn immer wieder in langen Einstellungen aus der Ferne vorführt.
Serpico erscheint dadurch klein und hilflos. Er wirkt, als ob er ganz
allein wäre in der Welt und Lumet macht diese Situation umso
dringlicher, indem er immer wieder Nahaufnahmen der Cops um Serpico
herum zulässt. Obwohl Lumets Film fast schmucklos wirkt, soll das nicht
darüber hinwegtäuschen, wie reich dieses Werk an technischer Finesse
ist. Das beginnt bei den Kostümen, welche die Charaktere (nicht nur den
von Serpico) betonen bis hin zu den grossartigen Schauplätzen. Lumets
Film schafft eine urbane und gleichzeitig dekadente Atmosphäre, die ganz
bestimmt einen grossen Anteil hat am Erfolg. Ausschlaggebend ist
letztlich aber die emotionale und psychologische Entwicklung der
Hauptfigur. Die Tragödie Serpicos besteht nicht nur darin, dass seine
Umgebung unerträglich ist für ihn - viel mehr wurde sein Traum zerstört!
Ganz am Ende, wenn er leise beginnt zu weinen, fühlen wir unendlich
viel Mitleid für Serpico: Nicht nur wegen seiner erlittenen
Enttäuschung, vor allem für den Zynismus, der nun seinen Charakter
ausmacht.
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