Our Daily Free Stream: Tarkovsky - Solaris (engl. subt.)
Our Daily Free Stream: Tarkovsky - Solaris (engl. subt.). Wir haben für
euch im Laden eine Auswahl ernsthafter Science Fiction Filme
aufgestellt. Deshalb gibts heute Solaris. - Die Filme von Andrei
Tarkovsky wollen belehren und nicht unterhalten. Oft wird kritisiert,
sie seien viel zu lang, doch das trifft nicht den Kern. Tarkovskys
Langsamkeit dient dem Zweck, uns etwas runter zu fahren. Die normale
Geschwindigkeit unseres Lebens weicht und wir treten ein in seinen
Bereich der Meditation. Wir haben die Wahl: Reagieren wir auf seine
Langsamkeit gelangweilt oder verdichten wir unsere Eindrücke? Er selbst
hält das Kino für eine Hure, dass sich davon befreien muss, überhaupt
gegen Entgeld verkauft zu werden. Stellen wir uns also diesen Cowboy mit
Schnauzer und Stiefeln vor, diesen grössten Poeten des russischen Films
(hier der link zu einer Tarkovsky Doku, die ich unheimlich interessant
finde: https://www.youtube.com/watch?v=PTvIybrtMqU). Alle Filme von
Tarkovsky sind Meditationen. Sie versuchen, die menschliche Natur und
den Grund unseres Seins zu erforschen. Der Unterton tiefer Spiritualität
war seiner Zeit Grund genug, dass sich der Regisseur Ärger mit den
Soviet Behörden einhandelte, der ihn ins Exil trieb. Für mich verkörpert
er den idealen Filmemacher, ambitioniert und zutiefst ernsthaft. Er
schenkt den Vorlieben des Publikums oder dem Einspielergebnis seiner
Werke keinerlei Beachtung. Solaris war mein erster Tarkovsky Film. Ich
weiss nicht mehr genau, was ich erwartete, aber anschliessend stockte
ich. Solaris ist langsam und von fast zweieinhalbstündiger Länge. Die
Dialoge kommen trocken und sperrig daher. Nach einer Weile aber, liess
ich von der äusseren Form ab und begann, ihm zu folgen. Ich erlebte
Bilder von einmaliger Schönheit und fundamentale Fragen nach dem Sein
der einzelnen Charaktere. Während des Finales, wird leise angedeutet,
wie all das auch in einem ganz neuen Licht erscheinen könnte. Besser
noch: Erscheinen müsste! So vieles gab es, darüber nachzudenken! So
vieles blieb mir bis heute in Erinnerung! Solaris wurde als Beginn des
modernen Science Fiction Films gedeutet. In den späten 60ern schien sich
sowohl in den USA als auch in der UDSSR eine gemeinsame Richtung
abzuzeichen: Zuvor setzte man Science Fiction mit Ufos und Aliens
gleich, danach mit Reflexionen über unsere Existenz. Solaris ist die
Verfilmung des Romans von Stanislaw Lem. Es ist die Geschichte einer
Reise durchs Weltall mit der Entdeckung transformierter Alien
Intelligenz. Menschen werden vom Geist abstrahiert und so neu
erschaffen. Anders als die meisten Science Fiction Filme fragt Tarkovsky
nicht nach dem nächsten Schritt in der Geschichte der Menschheit,
sondern nach unserer Natur und der Realität unseres Seins. Der Film
eröffnet mit einer langen Unterhaltung zwischen dem Psychologen Kelvin
(Donatas Banionis) und dem Kosmonauten Burton (Vladislav Dvorzhetsky) im
Haus von Kelvins Vater. Wir werden dieses Haus am Ende in einem
transformierten Kontext wiedersehen. Burton erzählt von einer Soviet
Station im Weltall, den Planeten Solaris umkreisend. Er erzählt vom Tod
und dunkler Geheimnisse an Bord. Kelvin erreicht den Planeten (wir sehen
seine Überfahrt aber nicht) und findet zwei tote Mitglieder der Crew.
Andere reagieren tief verstört. Wir lernen, dass der gesamte Planet vom
Meer bedeckt ist. Solaris reagiert auf den Menschen, indem er
Erinnerungen wahr macht. Für Kelvin kreiert er ein Duplikat seiner
verstorbenen Frau Khari (Natalya Bondarchuk) - detailgetreu, aber ohne
deren Erinnerungen. Sie ist nicht nur eine physische Manifestation,
sondern besitzt Intelligenz und hat eigene Erinnerungen. Was sie nicht
weiss: Khari verübte Selbstmord. Sie fragt Kelvin aus über Khari und
stellt schliesslich fest, dass sie nicht die sein kann, als welche sie
erscheint. Ihre Existenz wird auf Kelvins Wissen über Khari beschränkt.
Dieser Teil wird übrigens in dem allseits gescholtenen Remake von
Solaris deutlicher. Wenn wir jemanden lieben - wen lieben wir dann? Die
Person oder nur unsere Vorstellung von ihr? Offensichtlich existieren
andere Menschen physisch, unsere Beziehung zu ihnen, resultiert aber nur
durch unseren Geist. Berühren wir die Geliebte, ist unsere Wahrnehmung
dessen ausschlaggebend. Die zweite Khari ist genauso "echt" wie die
erste - und doch unterschiedlich. Die Beziehung Kelvins zu Khari ist
wider die Natur. Die Warnung eines toten Kosmonauten zeugt davon: Khari
kann nicht getötet werden. Sie erneuert sich immer wieder. Körperliche
Schmerzen haben für sie keine Bedeutung. Die letzte Szene, die an dieser
Stelle nicht verraten werden soll, wird nur von uns wahrgenommen. Die
Protagonisten sehen sie nicht. Wir, das Publikum, sind in der Lage,
etwas zu entdecken, nicht die Charaktere im Film. Stellen wir uns mal
vor, Solaris hätte einen typisch amerikanischen "Indie" Verleiher
gefunden: Vermutlich hätte der Prooduzent das Werk gekürzt - vielleicht
sogar etwas gefügiger gemacht. Zum Glück geschah das nie! Kein Regisseur
hat je meine Aufmerksamkeit mehr herausgefordert! Tarkovsky versucht,
grosse und tiefe Kunst herzustellen! Er folgte der romantischen
Sichtweise, der Einzelne könnte die Realität durch die eigene
spirituelle Wahrnehmung umformen. Tarkovsky hatte Vertrauen in die
Menschen.
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