Neue Berliner Kinos
Neue Berliner Kinos!
Letztens erklärte mir Toby Dope,
dass er unsere Toiletten scheisse findet. Warum nicht Filmplakate
aufhängen, um das zu betonen, was es bei uns gibt und nicht woanders?
Eine Cinethek im Keller! Ich erinnerte mich an die Sammlung meines
Vaters an Filmprogrammen. Seit den frühen 50ern geht er etwa vier Mal
die Woche ins Kino und kauft für jeden gesehenen Film ein Programm. Ob
L'Avventura oder A Bout De Souffle, ob Night Of The Living Dead oder
Suspiria - alle im Original vorhanden! Auf zum Kopierer! So viele
Filmprogramme fand ich, dass die nun überall im Laden wuchern. Auf den
Clos (die Jungs haben die Nouvelle Vague, Neorealismus, den Neuen
Deutschen Film, die Schweden, Russen und Japaner, die Mädels die
Hollywood Klassiker und den New British Film), im hinteren Raum, im
Gang, an unserer Vordertür... Filme, die für mich nach Abenteuer und
Freiheit rochen! Solche Filme, die das ausdrücken, was wir doch auch
alle leben wollen! Da die Filmkunstbar Fitzcarraldo kein Staatsgeld
annimmt und nicht gefördert werden will, verkaufen wir Schnaps. Im
Herzen aber gehts um Film! Letztens gabs Besuch aus der Eiszeit. Das ist
das (ehemalige) Hinterhofkino am Lausitzer Platz, dass früher ohne
Heizung auskam und daher seinen Namen trägt. Eine gute Kreuzberger
Institution. Eiszeit hatte Glück, die "Immobilie" wechselte den Besitzer
und der Neue meint es gut und gibt Kredit. Das Gebäude, das unter Atze
Brauner noch so schön verfiel, soll also aufgehübscht werden und deshalb
wird im Eiszeit mächtig gebaut. Und das Konzept? Programm-Kino mit
ungewöhnlichen Filmen aus Frankreich oder den USA. Anschliessend dann
noch zusammensitzen und drüber quatschen, was man gesehen hat. Erst
einen Kaffee, dann Kino, danach ab in die Bar. Verlockend, oder?
Neukölln hat sogar zwei neue Kinos bekommen! Aus Rom stammt die Idee des
Il Kinos in der Nansenstr. Als man den drei Gründern das Lokal anbot,
wussten sie im Grunde noch fast nichts über den Betrieb eines Kinos. Il
ist ein Schlauchkino, aber ohne den typischen Muff der alten
West-Berliner Programmkinos. Dazu gibts ein Restaurant und auch eine Bar
- natürlich mit italienischem Essen und Cocktails. An der Ecke
Wildenbruchstr./Weserstr. entsteht langsam das Wolf Kino, von dem alle
sprechen. Früher war das ein Bordell, jetzt werden drei Säle mit Lobby,
die später auch Cafe sein wird, gebaut. Der Motor dahinter: Verena von
Stackelberg, Filmkuratorin und Programmgestalterin. Und
Kino-Liebhaberin! Ihre Wolf-Gang ist ein Crowdfunding Zusammenschluss,
denn von Stackelberg ist bestens vernetzt in der Branche. Nicht noch ein
Vintage Laden für Neukölln, verspricht sie, sondern Kino und sogar ein
Post-Production Raum mit 35mm Maschine! Im Wolf werden künftig auch
Regisseure ihre künftigen Produktionen vorstellen können. Das City Kino
Wedding dagegen bedient Menschen im besten Alter. Solche, die gern Meryl
Streep sehen. Um auch das jüngere Publikum im Wedding zu ziehen, gibts
Veranstaltungen. Filmemacher präsentieren ihre Lieblinge oder der Verein
AfricAvenir gestaltet eine Reihe afrikanischer Produktionen. Alle
schwören auf die Verbindung Gastro & Kino, so auch das wieder
eröffnete Union Lichtspielhaus in Friedrichshagen. Hier soll der grosse
Kinosaal tags als Cafe dienen. Abends gehen dann die Schotten runter.
Neben Arthaus läuft hier auch Mainstream, daneben gibts Veranstaltungen,
die auch mal nichts mit Kino zu tun haben. Früher sind wir oft nach
Charlottenburg, in die City West gefahren, um ins Kino zu gehen. Seit
einiger Zeit ist das ein bisschen eingeschlafen, was aber bestimmt nicht
am West-Teil Berlins liegt! Es ist reine Faulheit. Hier gibts das Astor
am Ku'damm: Liebevoll gestaltet und hochmodern. Es gibt einen Türsteher
und edle Häppchen jenseits vom Multiplex Popcorn. Dazu Filmklassiker,
Premieren und Film-Plus-Dinner. Berlin ist ja nicht nur Studenten-Stadt!
Und wo finde ich noch die wahre Kino Atmosphäre? Wo kann ich während
der Vorstellung rauchen? Zum Beispiel bei unserem alten Partner Skulli
in seinem b-ware Ladenkino mit angeschlossener Filmkunst Videothek.
Einer der letzten Friedrichshainer Spielplätze, die garantiert selbst
gezimmert sind. Einen schönen Ableger haben sich auch die Tilsitter
Lichtspieler mit dem Kino Zukunft am Ostkreuz geschaffen. Angeschlossen
das Freiluftkino Pompeji und das Theater Zukunft, das ein bisschen wie
die Bar 25 wirkt. Es ist definitiv der Hippie Spielplatz unter den
Berliner Kinos! Was aber fehlt im Berliner Kinoleben? Programmgestalter,
die sich vom Arthaus Mainstream lösen und hin wollen zu surrealen
Filmen, Puppenfilmen oder Midnight Movies! Solche, die auch mal Arrabal,
Jodorowsky oder ein paar Japaner ins Programm nehmen! Solche, die sich
ganz klar vom Familienkino abgrenzen und nicht für Jedermann sein
wollen! Dunkle Kaschemmen, in denen verhaltensauffällige Filmfreaks
vegitieren, die das Licht scheuen wie Vampire!
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