Dienstag, 31. Mai 2016

Neue Berliner Kinos


Neue Berliner Kinos!

Letztens erklärte mir Toby Dope, dass er unsere Toiletten scheisse findet. Warum nicht Filmplakate aufhängen, um das zu betonen, was es bei uns gibt und nicht woanders? Eine Cinethek im Keller! Ich erinnerte mich an die Sammlung meines Vaters an Filmprogrammen. Seit den frühen 50ern geht er etwa vier Mal die Woche ins Kino und kauft für jeden gesehenen Film ein Programm. Ob L'Avventura oder A Bout De Souffle, ob Night Of The Living Dead oder Suspiria - alle im Original vorhanden! Auf zum Kopierer! So viele Filmprogramme fand ich, dass die nun überall im Laden wuchern. Auf den Clos (die Jungs haben die Nouvelle Vague, Neorealismus, den Neuen Deutschen Film, die Schweden, Russen und Japaner, die Mädels die Hollywood Klassiker und den New British Film), im hinteren Raum, im Gang, an unserer Vordertür... Filme, die für mich nach Abenteuer und Freiheit rochen! Solche Filme, die das ausdrücken, was wir doch auch alle leben wollen! Da die Filmkunstbar Fitzcarraldo kein Staatsgeld annimmt und nicht gefördert werden will, verkaufen wir Schnaps. Im Herzen aber gehts um Film! Letztens gabs Besuch aus der Eiszeit. Das ist das (ehemalige) Hinterhofkino am Lausitzer Platz, dass früher ohne Heizung auskam und daher seinen Namen trägt. Eine gute Kreuzberger Institution. Eiszeit hatte Glück, die "Immobilie" wechselte den Besitzer und der Neue meint es gut und gibt Kredit. Das Gebäude, das unter Atze Brauner noch so schön verfiel, soll also aufgehübscht werden und deshalb wird im Eiszeit mächtig gebaut. Und das Konzept? Programm-Kino mit ungewöhnlichen Filmen aus Frankreich oder den USA. Anschliessend dann noch zusammensitzen und drüber quatschen, was man gesehen hat. Erst einen Kaffee, dann Kino, danach ab in die Bar. Verlockend, oder? Neukölln hat sogar zwei neue Kinos bekommen! Aus Rom stammt die Idee des Il Kinos in der Nansenstr. Als man den drei Gründern das Lokal anbot, wussten sie im Grunde noch fast nichts über den Betrieb eines Kinos. Il ist ein Schlauchkino, aber ohne den typischen Muff der alten West-Berliner Programmkinos. Dazu gibts ein Restaurant und auch eine Bar - natürlich mit italienischem Essen und Cocktails. An der Ecke Wildenbruchstr./Weserstr. entsteht langsam das Wolf Kino, von dem alle sprechen. Früher war das ein Bordell, jetzt werden drei Säle mit Lobby, die später auch Cafe sein wird, gebaut. Der Motor dahinter: Verena von Stackelberg, Filmkuratorin und Programmgestalterin. Und Kino-Liebhaberin! Ihre Wolf-Gang ist ein Crowdfunding Zusammenschluss, denn von Stackelberg ist bestens vernetzt in der Branche. Nicht noch ein Vintage Laden für Neukölln, verspricht sie, sondern Kino und sogar ein Post-Production Raum mit 35mm Maschine! Im Wolf werden künftig auch Regisseure ihre künftigen Produktionen vorstellen können. Das City Kino Wedding dagegen bedient Menschen im besten Alter. Solche, die gern Meryl Streep sehen. Um auch das jüngere Publikum im Wedding zu ziehen, gibts Veranstaltungen. Filmemacher präsentieren ihre Lieblinge oder der Verein AfricAvenir gestaltet eine Reihe afrikanischer Produktionen. Alle schwören auf die Verbindung Gastro & Kino, so auch das wieder eröffnete Union Lichtspielhaus in Friedrichshagen. Hier soll der grosse Kinosaal tags als Cafe dienen. Abends gehen dann die Schotten runter. Neben Arthaus läuft hier auch Mainstream, daneben gibts Veranstaltungen, die auch mal nichts mit Kino zu tun haben. Früher sind wir oft nach Charlottenburg, in die City West gefahren, um ins Kino zu gehen. Seit einiger Zeit ist das ein bisschen eingeschlafen, was aber bestimmt nicht am West-Teil Berlins liegt! Es ist reine Faulheit. Hier gibts das Astor am Ku'damm: Liebevoll gestaltet und hochmodern. Es gibt einen Türsteher und edle Häppchen jenseits vom Multiplex Popcorn. Dazu Filmklassiker, Premieren und Film-Plus-Dinner. Berlin ist ja nicht nur Studenten-Stadt! Und wo finde ich noch die wahre Kino Atmosphäre? Wo kann ich während der Vorstellung rauchen? Zum Beispiel bei unserem alten Partner Skulli in seinem b-ware Ladenkino mit angeschlossener Filmkunst Videothek. Einer der letzten Friedrichshainer Spielplätze, die garantiert selbst gezimmert sind. Einen schönen Ableger haben sich auch die Tilsitter Lichtspieler mit dem Kino Zukunft am Ostkreuz geschaffen. Angeschlossen das Freiluftkino Pompeji und das Theater Zukunft, das ein bisschen wie die Bar 25 wirkt. Es ist definitiv der Hippie Spielplatz unter den Berliner Kinos! Was aber fehlt im Berliner Kinoleben? Programmgestalter, die sich vom Arthaus Mainstream lösen und hin wollen zu surrealen Filmen, Puppenfilmen oder Midnight Movies! Solche, die auch mal Arrabal, Jodorowsky oder ein paar Japaner ins Programm nehmen! Solche, die sich ganz klar vom Familienkino abgrenzen und nicht für Jedermann sein wollen! Dunkle Kaschemmen, in denen verhaltensauffällige Filmfreaks vegitieren, die das Licht scheuen wie Vampire!

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