Our Daily Free Stream: Lina Wertmüller - Swept Away (english dubbed)
Our Daily Free Stream: Lina Wertmüller - Swept Away (english dubbed).
Lina Wertmüller ist konsequent darin, eine Fabel über die Bourgeoisie
vs. das Proletariat zu erzählen. Genauso konsequent verweigert der Film
die Interpretation, hier ginge es nur um Mann und Frau. Ganz nebenbei
geschieht hier Ungeheuerliches und du wirst nach dem Film so einige
Nachwirkungen spüren. Es gibt vieles, über das man sich hier in den Kopf
zerbrechen kann (und genau das wirst du auch tun!) - doch ganz
abgesehen davon funktioniert Swept Away auch einfach als schwarze
Komödie ganz vortrefflich! Vorgestellt wird uns ein Segler, der so wirkt
als hätte er gerade ein Fortbildung im Macho-Gehabe italienischer Art
hinter sich. Ihm gegenüber eine schöne Blondine, die ihn in Sachen
Macho-Gehabe sogar noch übertrifft. Sie ist das Spielzeug eines reichen
Industriellen aus dem Norden. Der sizilianische Arbeiter gegen die
Unternehmer-Gattin. Sie nimmt jede Gelegenheit wahr, um ihn spüren zu
lassen, für wie dumm und unfähig sie ihn hält - und obendrein noch
Kommunist! Schliesslich ordnet sie an, am späten Nachmittag mit dem
Schlauchboot auf See zu fahren. Er warnt sie davor, weil es gefährlich
sei, doch sie besteht auf ihr Vergnügen. Der Motor des Bootes blockiert
und beide treiben ab. Noch spielt sie die grosse Dame, schmeisst einen
Fisch weg, den er fängt, weil der stinkt. Sie landen auf einer Insel und
die gesellschaftlichen Positionen, die eben noch galten, verkehren sich
in ihr Gegenteil. Mit der Finanzkraft ihres Gatten war es ihr möglich,
den Segler zu demütigen. Auf der Insel aber zählen nur die Fähigkeiten,
die man zum nackten Überlegen braucht. Besonders kontrovers: Es sind
männliche Fähigkeiten. Nun kann er sie befehligen. Will sie essen, muss
sie seine Unterhosen waschen. Sie quietscht und stöhnt und argumentiert -
aber ohne Erfolg. Dann geschieht das Unvermeidbare: Sie, die so lange
verwöhnt wurde, wird mit aller Kraft von der Situation angezogen. Er
erlegt ein Kanichen, zieht ihm das Fell ab. Von tiefer Trauer über den
grausamen Tod des niedlichen Tiers getroffen, stirbt auch etwas in ihr:
Der Kampfgeist. Sie gibt sich ihm hin. Viele fühlen sich an dieser
Stelle unangenehm berührt. Er schlägt sie, sie verzehrt sich nach ihm.
Lina Wertmüller vertritt zwar linke, kommunistische Positionen - eine
Feministin aber ist sie nicht. Ich denke, sie will uns zweierlei
mitteilen. 1) Ohne die Fassade des Geldes, kann der Kapitalist nicht
überleben. Der Arbeiter aber sehr wohl! 2) Die Frau ist eine
unterwürfige Masochistin und geniesst es, vom Mann kommandiert zu
werden. Wohl bemerkt: Der Film wurde in der Mitte der 70er inszeniert,
zu einer Zeit, da die Feministinnen genau diese Vorstellung aus der
kollektiven Fantasie tilgen wollten. Nun kommt aber eine der wenigen
RegisseurINNEN und macht einen ganzen Film daraus! Und: Wertmüller macht
ernst, andere sogenannte "Skandalstreifen" wirken neben Swept Away wie
Kindertheater! Wir erleben die Untiefen einer sadomasochistischen
Beziehung mit viel Gewalt. Je mehr sie sich unterwirft, desto mehr Lust
verspürt sie, ja sie fühlt das Pathos der Liebe. Doch wir haben es mit
einem gegensätzlichen Paar zu tun. Nun müssen sie sich entscheiden:
Bleiben sie abgeschieden auf der Insel oder kehren sie in die
Zivilisation zurück? Der Segler kann nicht glauben, dass sie ihn
wirklich liebt. Er verlangt einen Beweis, indem sie zurückkehrt und
trotzdem bei ihm bleibt. Ohne zuviel verraten zu wollen, beweist
Wertmüller, wie das Klassensystem über unsere Wünsche dominiert. Das mag
unbefriedigend sein, aber Wertmüller verfolgt eben ihre politischen
Ambitionen und nicht das Begehren ihrer beiden Hauptfiguren. Swept Away,
ein Film, dem die Aussage wichtiger ist als seine vordergründige
Geschichte. Dennoch: Wir tauchen ein in die Handlung, sind gefesselt und
- habe ich das schon erwähnt? - es gibt sehr viel zu lachen! Giancarlo
Giannini hat diese riesigen ausdrucksstarken Augen und es ist eine
Wucht, wie er seine Figur schliesslich der Frau offenbart, die er eben
noch hasste. Um 180 Grad ändert auch Mariangela Melato (mit der
wahnsinnigen Stimme!) ihren Charakter, obwohl es so aussieht, als würde
sie das gar nicht mitbekommen. Fast ist es zu bedauern, dass Wertmüller
einen politischen Film drehen wollte und nicht einfach eine krachige
Liebesgeschichte. Wie dem auch sei, der Film gehört zu meinen absoluten
Favoriten und ich bin jedes Mal wieder aufs Neue überwältigt!
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