Our Daily Free Stream: Ozu - A Story Of Floating Weeds (engl. subt.)
Our Daily Free Stream: Ozu - A Story Of Floating Weeds (engl. subt.).
Wer Filme wirklich liebt - der landet früher oder später bei Ozu. Er ist
der ruhigste, der freundlichste aller Regisseure. Seine Filme sind die
humanistischsten, die heitersten. Die Gefühle in seinen Filmen wirken so
stark und tief, da sie sich mit den Themen beschäftigen, die für uns am
wichtigsten sind: Mit Kindern und Eltern, der Ehe oder einem Leben
allein. Sie handeln davon, sich umeinander zu kümmern. Geboren wurde
Yasujiro Ozu 1903; er starb 1963. Bis in die 70er hinein, kannte man
seine Filme aber nur ausnahmsweise ausserhalb Japans. Bis heute kann ich
nicht behaupten, dass viele Kunden in der Filmkunstbar Fitzcarraldo
nach Ozu Filmen fragen. Es funktioniert anders herum: Ich empfehle Ozu
und kann damit viele Kunden glücklich machen. Wer mal einen Ozu Film im
Kino erleben durfte, der wird bestätigen: Nie hört man mehr Gäste
weinen! Im Grunde ist es unmöglich, den besten Ozu Film zu bestimmen.
Man muss seine Filme als Ganzes betrachten, als Kunstwerk auf höchstem
Niveu. Normalerweise werden zwei Generationen betrachtet, denn Ozu macht
Familien Dramen. Nur ganz selten offenbaren seine Charaktere ihre
Gefühle. Ihre wichtigsten Entscheidungen werden nur angedeutet - bleiben
unausgesprochen. Ozu hat mit grosser Weisheit durchschaut, wie wir
unseren Egoismus immer wieder so ausbalancieren, dass wir mit anderen
Menschen zusammenleben können. Für mich ist Floating Weeds so etwas wie
ein Musikstück, dass ich immer wieder hören kann. Dieser stille Film
bietet einige Charaktere, die für mich fast wie gute Nachbarn geworden
sind. Im Mittelpunkt steht ein Egoist. Floating Weeds ist kein trauriger
Film, im Gegenteil, die Hauptfigur ist witzig, starrköpfig und auch
berührend. Sein Name: Komajuro (Ganjiro Nakamura). Er leitet eine Gruppe
von Wanderschauspielern. Seine Geliebte Sumiko (die schöne Machiko Kyo)
verhält sich stets loyal ihm gegenüber, genauso wie die übrigen
Schauspieler. Uns aber wird schnell klar, dass etwas schief läuft mit
ihnen... Die Geschichte von Floating Weeds könnte man als Tragödie, als
Musical, sogar als Oper erzählen. Ozu aber entscheidet sich dafür,
einfach das Leben abzufilmen. Er führt es als Verkettung des
Alltäglichen vor. Ozu liebt seine Charaktere viel zu sehr, um sie
dramatischen Hochs und Tiefs auszusetzen. Floating Weeds folgt dem
Rhythmus des "ganz normalen" Lebens. Dabei werden wir nicht von einem
Punkt des Plots zum nächsten geführt. Ozu benutzt seinen virtuosen Stil
immer wieder, um uns zum Nachdenken, zum Verweilen zu bringen. Er
platziert seine Kamera stets unterhalb seiner Schauspieler. Zwischen den
Szenen fügt er immer wieder seine wundervollen Stilleben ein: Eine
Landschaft, Architektur, ein Banner im Wind... Die Kamera bewegt sich
nie. Ozu bietet nicht einmal Auflösungen, nur Cuts zwischen den
einzelnen Kompositionen. Die Wirkung ist besinnlich, wir denken über uns
selbst nach, anstatt einfach zu reagieren. Die Musik von Kojun Saito
gibt dem Ganzen ein nostalgisches Flair, so als ob wir einem Traum
beiwohnen. 54 Filme dreht Ozu - immer wieder mit denselben Schauspielern
und Technikern. Er sagte einmal, dass er seinen eigenen Stil formelhaft
im Kopf hätte und dabei keine unnötigen Imitationen anderer Meister
nötig hätte. Ozu stellte seine eigenen Regeln auf und befolgte sie. Ist
dir aufgefallen, dass sich die Schauspieler bei Ozu gar nicht ansehen,
während sie miteinander reden? Hat es dich gestört oder erschien es dir
ganz selbstverständlich? Ozu ist für mich der Japanischste aller
Filmemacher. Er probierte sein Material immer und immer wieder,
verfeinerte es, variierte es - immer behielt er dabei seinen eigenen
Stil bei. Ganz so wie die alten Meister bildender Kunst in Japan.
Neuland zu betreten war nichts für Ozu, wohl aber die immer wieder neue
Gestaltung eines Themas. Obwohl seine Filme so weit entfernt von uns
spielen, können wir doch auf die eine oder andere Weise alle Menschen,
die wir kennen, darin wieder erkennen.
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