Our Daily Free Stream: sidney Lumet - Murder On The Orient Express
Our Daily Free Stream: Sidney Lumet - Murder On The Orient Express.
Alarm, gedämpftes französisch, ein unruhiges Auf- und Ab auf dem Gang.
Hercule Poirot tritt auf, wie immer mit zurückgegeltem Haar; sein
Schnurrbart aber ist zerrupft. Er zuckt die Achseln, blickt in den Gang.
Am nächsten Morgen erfährt man, dass der hassenswerte amerikanische
Millionär erstochen wurde. Ein Fall für Poirot, den berühmten Detektiv!
Nach einem angemessenen Frühstück akzeptiert er, ihn zu übernehmen. Die
Anzahl der Verdächtigen ist enorm und umfasst jeden, der an Bord des
Orient-Express von Istanbul nach Calais weilt. Poirot führt eine Reihe
von Befragungen durch und taucht ein in ein Netz aus Intrigen, dass so
tief und verworren ist, wie nur Agatha Christie es entwerfen kann! Ein
wahres Labyrinth der Verdachtsmomente! Bereits 1974, als der Krimi in
den Kinos anlief, durfte man Murder on the Orient Express als einen Film
betrachten, welcher der Vergangenheit angehört. Eine Ansammlung von
Stars wirkt mit (bevorzugt solchen aus der Vergangeheit), angeführt von
Albert Finney als Poirot. Finney hat mich am meisten beeindruckt, vor
allem, weil er zu keinem Moment Finney WAR. Ich sah immer nur Poirot!
Mit seiner Entenfrisur, seinen blitzenden, äusserst wachen Augen und dem
zitternden Moustache, der stets etwas Unheilvolles anzukündigen scheint
(kann ein Bart Gefühle ausdrücken?). Geradezu paranod sehen wir ihn den
Korridor des Zuges auf und abstiefeln - ein Auftritt schönster Komödie!
Der Krimi an sich, darf nicht als Thriller bezeichnet werden, einfach
weil wir uns nie so fühlen. Es gibt keinen "Thrill", nur Amusement. Die
Riege an Stars, sie darf hemmungslos überagieren, fast wie Comic
Charaktere und all das wird von Sidney Lumet in dem wundervoll
altmodischen Interieur gefilmt. Fast möchte ich meinen, dass hier Form
und Inhalt überhaupt nicht zusammen passen! Zu den Stars: Lauren Bacall
gibt eine widerliche Amerikanerin, Ingrid Bergman eine afrikanische
Missionarin. Michael York ist von ungarischem Adel, Sean Connery ein
britischer Offizier, der gerade aus Indien zurückkehrt. Richard Widmark
erleben wir als russischen Aristokraten und Anthony Perkins als Widmarks
Sekretär. Martin Balsam schliesslich spielt den Direktor der
Bahngesellschaft. Diese Liste liesse sich weiter fortsetzen und
offenbart so das technische Problem des Films: So viele Charaktere
müssen eingeführt werden! Alle müssen sie am Leben erhalten werden!
Darüber hinaus ein wahnsinnig komplizierter Plot - und alles in der
klaustrophobischen Situation einer Zugfahrt. Lumet aber überspielt all
das souverän mit technischer Raffinesse und seinem grossartigen
Stilbewusstsein! Verwirrt werden wir nur, wenn er es will. Über den Plot
soll nicht vielmehr verraten werden, als das hier nichts ist wie es
scheint (was keine Überraschung ist bei einer Agatha Christie
Adaption!). Wir geniessen dieses grossartige Unterhaltungskino, das
immer wie ein Wink aus vergangenen Zeiten wirkt! Wir bestaunen die
Ästhetik und Geschlossenheit des Werks! Ganz am Ende bittet Poirot,
sämtliche Verdächtigen still zu sein, während er seine Theorien über den
Fall vorträgt. Das ist das schönste am ganzen Film, wenn all die
hochdekorierten Stars ihren Mund halten, während ER die Szene dominiert:
Albert Finney.
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