Mittwoch, 8. Juni 2016

Our Daily Free Stream: sidney Lumet - Murder On The Orient Express


Our Daily Free Stream: Sidney Lumet - Murder On The Orient Express. Alarm, gedämpftes französisch, ein unruhiges Auf- und Ab auf dem Gang. Hercule Poirot tritt auf, wie immer mit zurückgegeltem Haar; sein Schnurrbart aber ist zerrupft. Er zuckt die Achseln, blickt in den Gang. Am nächsten Morgen erfährt man, dass der hassenswerte amerikanische Millionär erstochen wurde. Ein Fall für Poirot, den berühmten Detektiv! Nach einem angemessenen Frühstück akzeptiert er, ihn zu übernehmen. Die Anzahl der Verdächtigen ist enorm und umfasst jeden, der an Bord des Orient-Express von Istanbul nach Calais weilt. Poirot führt eine Reihe von Befragungen durch und taucht ein in ein Netz aus Intrigen, dass so tief und verworren ist, wie nur Agatha Christie es entwerfen kann! Ein wahres Labyrinth der Verdachtsmomente! Bereits 1974, als der Krimi in den Kinos anlief, durfte man Murder on the Orient Express als einen Film betrachten, welcher der Vergangenheit angehört. Eine Ansammlung von Stars wirkt mit (bevorzugt solchen aus der Vergangeheit), angeführt von Albert Finney als Poirot. Finney hat mich am meisten beeindruckt, vor allem, weil er zu keinem Moment Finney WAR. Ich sah immer nur Poirot! Mit seiner Entenfrisur, seinen blitzenden, äusserst wachen Augen und dem zitternden Moustache, der stets etwas Unheilvolles anzukündigen scheint (kann ein Bart Gefühle ausdrücken?). Geradezu paranod sehen wir ihn den Korridor des Zuges auf und abstiefeln - ein Auftritt schönster Komödie! Der Krimi an sich, darf nicht als Thriller bezeichnet werden, einfach weil wir uns nie so fühlen. Es gibt keinen "Thrill", nur Amusement. Die Riege an Stars, sie darf hemmungslos überagieren, fast wie Comic Charaktere und all das wird von Sidney Lumet in dem wundervoll altmodischen Interieur gefilmt. Fast möchte ich meinen, dass hier Form und Inhalt überhaupt nicht zusammen passen! Zu den Stars: Lauren Bacall gibt eine widerliche Amerikanerin, Ingrid Bergman eine afrikanische Missionarin. Michael York ist von ungarischem Adel, Sean Connery ein britischer Offizier, der gerade aus Indien zurückkehrt. Richard Widmark erleben wir als russischen Aristokraten und Anthony Perkins als Widmarks Sekretär. Martin Balsam schliesslich spielt den Direktor der Bahngesellschaft. Diese Liste liesse sich weiter fortsetzen und offenbart so das technische Problem des Films: So viele Charaktere müssen eingeführt werden! Alle müssen sie am Leben erhalten werden! Darüber hinaus ein wahnsinnig komplizierter Plot - und alles in der klaustrophobischen Situation einer Zugfahrt. Lumet aber überspielt all das souverän mit technischer Raffinesse und seinem grossartigen Stilbewusstsein! Verwirrt werden wir nur, wenn er es will. Über den Plot soll nicht vielmehr verraten werden, als das hier nichts ist wie es scheint (was keine Überraschung ist bei einer Agatha Christie Adaption!). Wir geniessen dieses grossartige Unterhaltungskino, das immer wie ein Wink aus vergangenen Zeiten wirkt! Wir bestaunen die Ästhetik und Geschlossenheit des Werks! Ganz am Ende bittet Poirot, sämtliche Verdächtigen still zu sein, während er seine Theorien über den Fall vorträgt. Das ist das schönste am ganzen Film, wenn all die hochdekorierten Stars ihren Mund halten, während ER die Szene dominiert: Albert Finney.

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