Our Daily Free Stream: Werner Herzog - Aguirre
Our Daily Free Stream: Werner Herzog - Aguirre. Herzog bietet neuerdings
online seine Dienste an, uns in sein Handwerk einzuweisen. Doch kann
man im Internet lernen, wie man einen Aguirre filmt?
Ein Fluss, den Gott nie beendete - dort spielt Werner Herzogs Aguirre.
Die letzten Mitglieder einer spanischen Expedition, auf der Suche nach
der Goldstadt El Dorado. Sie brüllen die eingeborenen Indianer an,
versuchen mit Hilfe ihrer Sklaven zu übersetzen. Ein Priester hält ihnen
die Bibel, das Wort Gottes, entgegen. Vergeblich, El Dorado muss am
Ende dieses Flusses liegen. Weiter, immer weiter... Werner Herzogs
Aguirre ist eine der eindringlichsten Visionen des Kinos. Die verdammte
Expedition des Konquistadors Gonzalo Pizarro, der im 16. Jahrhundert
eine Handvoll Männer in den Regenwald Perus führte. Was hat Herzog
daraus für Bilder gezogen! Eine lange Linie von Eroberern, über ihnen
hängen verwunschene Nebelwolken, die feststecken in den Gipfeln der
Anden. Die Männer tragen rundliche Stahlhelme. Ihre Frauen werden in
Sänften getragen - gekleidet für einen Empfang am Hof, aber nicht für
den Dschungel. Quälend klingt dazu die Musik von Florian Fricke, der so
viele von Herzogs Filmen veredelte. Wir hören eine Art Orgel, die sich
wie ein menschlicher Chor anhört - und doch wieder nicht menschlich
klingt... Die Musik ist essentiell für Herzogs Film, der keine
Geschichte mit einer Auflösung erzählt, sondern uns in eine bestimmte
Stimmung versetzt: Es ist das Gefühl, teilzuhaben an einer wahnwitzigen
Vision. Wir werden aus Raum und Zeit gerissen, hinein in Herzogs
spirituelle Welt. Dorthin, wo das Universum den Menschen niederringt. An
den Punkt, in dem seine Träume und Wahnvorstellungen entspringen.
Genauso entscheidend wie die Musik ist das Gesicht Klaus Kinskis. Mit
seinen blauen Augen und seine fleischigen Lippen könnte dieser
Schauspieler sinnlich wirken, würde sich sein Mund nicht immer wieder zu
einem steifen Grinsen verziehen. Herzog behauptete einmal, Kinski schon
in jungen Jahren kennen gelernt zu haben, als er vor Wut eine Toilette
zerschlug. Laut Herzog konnte man anschliessend die Keramikscherben
durch einen Tennisschläger sieben. Kinski, seine Muse! In dem Moment, da
Pizarro bemerkt, dass seine Expedition eine Torheit ist, schickt er
wenige Männer vor, den Fluss zu erkunden. Angeführt wird diese
Gesandschaft von dem Aristokraten Don Pedro de Ursua gemeinsam mit
Aguirre (Kinski). Mit dabei, ein paar Soldaten und Sklaven, ein Priester
sowie Aguirres Tochter Inez. Ein Sklave erzählt den Frauen, dass er
einst ein Prinz war, dem niemand ins Gesicht sehen durfte. Heute steht
er in Ketten vor ihnen. Herzog hat keine Eile und nicht das Bedürfnis,
diese Reise mit Action aufzublasen. Stattdessen vermittelt er uns ein
Gefühl für die Grenzenlosigkeit des Flusses und des Regenwaldes darum
herum. Kein Ufer ist in Sicht, alles wurde durch das Hochwasser
geflutet. Das Schicksal dieser Entdeckungsreise: Der Tod. Nach und nach
sterben die Anführer, schliesslich regiert Aguirre, terrorisiert die
Hinterbliebenen. Wahnsinn liegt in seinen Augen. Er glaubt, jemanden
flüstern zu hören - eine Verschwörung... Sofort trennt er den Kopf des
Verräters ab! Die letzte Einstellung ist eine der nachhaltigsten und
eindrucksvollsten, die ich je im Kino sah: Aguirre ganz allein auf
seinem Floss, umgeben von Hunderten kleiner Äffchen. Und immer noch
plant er sein Imperium. Die Herstellung von Aguirre gehört an sich in
den Mythenkreis des Weltkinos. Wie Herzog in einem entlegenen Teil des
Dschungel drehte, wo das Fieber tobte und man leicht den Tod erwarten
durfte. Herzog behauptet, Kinski die Regie-Anweisungen mit einem Gewehr
gegeben zu haben. Kinski wiederum verneint das: Nur er hätte ein Gewehr
besessen! Die gesamte Crew verbrachte den Dreh auf denselben Flossen,
die wir auch im Film sehen. Herzog, erklärt, alle Dialoge wären ihm
unmittelbar vor den Szenen eingefallen. Aguirre wird weder durch Dialoge
getragen, noch durch Charaktere. Nur Kinski füllt seinen Aguirre aus
mit seinem Blick, seiner Körpersprache. Es ist eine Geschichte, direkt
aus Herzogs Universum: Ein Mann, der das Unmögliche versucht, seine
Vision zu leben. Ein Mann, der die Natur herausfordert. Von allen
Filmemachern ist Werner Herzog der obsessivste, der besessenste! Nur
ganz wenige Filme erreichen die Kühnheit dieser, seiner Vision und ihnen
allen ist gemein, dass sie keinen ordinären Erfolg suchen, sondern
Transzendenz. Vergleichen lässt sich Aguirre aber nur mit einem einzigen
Film: Dem Herzog Film, der unserer Filmkunstbar Fitzcarraldo ihren
Namen verlieh!
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