Our Daily Free Stream: Christian Petzold - Barbara (engl. subt.)
Our Daily Free Stream: Christian Petzold - Barbara (engl. subt.). Die
Frau sitzt im Park, die Beine übereinander geschlagen, rauchend,
entspannt. Zwei Männer beobachten sie von oben aus dem Fenster und
diskutieren: "Wäre sie sechs Jahre alt, würde man das Schmollen nennen";
sagt der eine über sie. "Ihre Inhaftierung wirkte sich zersetzend auf
ihren Freundeskreis aus". Die Dame wird die beiden Männer treffen. "Sie
wird nicht eine Minute zu früh kommen. Sie ist eben so". Ein
redegewandter Austausch - genauso eloquent gefilmt. Wir sehen die Frau
während einer langen Einstellung von oben. Sie weiss, dass sie
beobachtet wird. Ihre "Entspannung", nichts als Theater. So funktioniert
die Eröffnungs-Szene in Christian Petzolds psychologischem Thriller
Barbara. Spannung und Atmosphäre werden präzise dargestellt durch
Petzolds Minimalismus. Wie so oft in seinen Filmen spielt Nina Hoss die
Titelfigur. Die strenge Blondine verkörpert eine Ärztin, die verhaftet
wurde, weil sie ein Visum beantragte. Sie lebt in einem Apartment, das
ihr der Staat zuteilte unter permanenter Aufsicht der Stasi. Wir
befinden uns in Ost-Deutschland 1980. Die Klinik, in der Barbara
arbeitet, wird geleitet durch den freundlichen und attraktiven Andre
(Ronald Zehrfeld). Er ist Informant der Staatssicherheit, wohl aber kein
Überzeugungstäter. Gern würde er selbst mal nach Den Haag reisen, um
einen Rembrandt im Original zu betrachten. Doch er weiss, dass solch
eine Reise in weiter Ferne steht. Andre erinnert sich noch ganz genau an
Barbaras erste Schicht, als sie bei einem Mädchen (Jasna Fritzi Bauer)
Hinrhautentzündung diagnostizierte. Die kühle Blondine - während der
Arbeit wandelt sie sich zu einem ganz anderen Menschen. Das Mädchen, das
aus einem sozialistischen Camp floh, sie bekommt die freundschaftliche
Unterstützung Barbaras. Nachts liest sie der Patientin vor aus
Huckleberry Finn (wohl bemerkt!). Nina Hoss, die wohl grösste deutsche
Schauspielerin ihrer Zeit! Angespannt, nervös, von leuchtender
Intelligenz. Dann fliegt ein Lächeln über ihr Gesicht - dessen Schönheit
uns ganz warm ums Herz werden lässt. In so vielen Petzold Filmen
spielte Hoss bis heute, nie aber zeigte sie uns einen Charakter zwei
Mal. - In der DDR um 1980 ist keinem Menschen zu trauen. Das Gefühl
dieser Bedrücktheit, Petzold lässt es durch sein Sound Design ganz nahe
an uns herantreten. Nie habe ich das Geräusch einer Türklingel so
schaurig gehört! Der Wind, das Echo von Schritten, das Geräusch von
Fahrradreifen auf einem Kiesweg... Petzold verzichtet auf einen Score.
Musik hören wir nur aus dem Radio - wenn Barbara ihr neues Gerät allein
in ihrer Wohnung ausprobiert. Barbaras Vermieterin starrt ihr mit kaltem
Blick hinterher, aufeinmal erscheint unangemeldet ein Klavierstimmer.
Barbara rastet aus - jeder menschliche Kontakt bedeutet hier Gefahr!
Alles erregt Verdachtsmomente. Die heimliche Romanze zwischen Barbara
und Andre; wir haben permanent das Gefühl, sie würden auffliegen.
Barbara, ein Film mit Suspense - ohne aber die üblichen Genre-Formeln zu
benutzen. Einmal untersucht Andre einen Jungen, der sich umbringen
wollte. Andre gesteht Barbara, dass etwas schief laufen würde. Man
könnte das auf den gesamten Film übertragen. Etwas läuft schief in der
DDR und jeder kann es spüren. Barbaras Welt und die aller DDR Bürger ist
die der totalen Kontrolle. Es gibt eine Diskrepanz zwischen "privat"
und "öffentlich". Petzold ist der Meister im Kreieren solch
unterschwelliger Spannung. Sie ist nicht einfach so aufzulösen, noch
können wir sie geradeaus benennen. Es hilft uns nicht einmal weiter, in
die Charaktere einzudringen. Nie hat Petzold dieses Kunststück weiter
vorangetrieben als in Barbara!
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