Our Daily Free Stream: Obsessed With Vertigo
Our Daily Free Stream: Obsessed With Vertigo.
Ob er sie trainiert hat? Mit ihr geprobt? Ob er ihr zeigte, was sie zu
tun und zu sagen hätte? Ein tief verwundeter Mensch stellt diese Fragen.
Ein Mensch, mit dem wir sympathisieren. Es ist ein Mann, der eine Frau
liebte, die nicht existiert. Nun fragt er verzweifelt die Person, die
sie verkörperte. Diese echte Frau aber, liebt ihn! Sie hat ihn betrogen
und damit sich selbst. - Vorsicht Spoiler! - Er, der seinen Traum der
Realität vorzog, wird beide verlieren... Auf einer tieferen Ebene bringt
uns Vertigo zum Nachdenken über Hitchcock. Ein Perfektionist vor allem
darin, Frauen zu dirigieren. Er erschuf sie - in blond. Alle Hitchcock
Frauen waren kalt und unnahbar. Gekleidet, dass es den Fetisch dahinter
deutlich macht. Hitchcocks Fetisch. Oft waren sie fasziniert von
Männern, die ein Handicap haben. So wie James Sterwart in Vertigo, der
an Höhenangst leidet. Früher oder später quälte Hitchcock seine
Frauenfiguren im Film. Vertigo, sein bester Film, umfasst alle Hitchcock
Themen. Vor allem handelt Vertigo davon, wie Hitchcock Frauen trainiert
und benutzt. Der Regisseur selbst wird repräsentiert durch Scottie
(James Stewart). Ein Mann mit mentalen und physischen Problemen (er
leidet unter Rückenschmerzen und eben seiner Höhenangst). Scottie
verliebt sich verzweifelt in das Bild einer Frau. Nicht irgendeiner
Frau, sondern der Quintessenz aller Hitchcock Frauen! Da er sie nicht
haben kann, benutzt er eine andere Frau, gleicht ihre Frisur und Makeup
dem Vorbild an. Er opfert sie auf dem Altar seiner Träume. Doch
natürlich sind diese Frau, die er formt und seine Traumfrau ein und
dieselbe Person. Ihr Name ist Judy (Kim Novak). Scottie bekommt heraus,
dass Judy bereits von einem anderen Mann modeliert worden war - dass sie
nicht "echt" ist! Die Frau seiner Träume wurde benannt in "Madeleine"
und Scottie folgt ihr obsessiv. So betrachtet ist es ihm unmöglich, zu
erkennen, dass Judy "Madeleine" ist. In dem Moment, da Judy einwilligt,
für ihn Madeleine zu werden, ist sie unvorsichtig. Warum tut sie es? Aus
Liebe. Die grösste Szene spielt in einem Hotelzimmer. Das Licht ist
seltsam grünlich. Scottie formt Judys Haar, ihr Makeup. Nie spielte
James Stewart einen grausameren Charakter als diesen Scottie wie er Judy
zu Dingen zwingt, die ihr aufs Tiefste widerstreben. Sie beide aber,
Scottie und Judy, werden zu Sklaven des Bildes von einem Mann, der noch
nicht einmal anwesend ist bei dieser Prozedur. Nachdem Scottie
"Madeleine" erschaffen hat, ändert sich der Hintergrund. Die Filmmusik
von Bernard Herrmann klingt klagend. Wir befinden uns nun in Scotties
Erinnerungen. Oder sind es seine Albträume? Wir spüren die Sinnlosigkeit
menschlichen Begehrens. Wir erkennen, wie unmöglich es ist, das eigene
Glück zu erzwingen. Womöglich hat sich der Künstler Hitchcock in dieser
Szene selbst offenbart in all seiner Leidenschaft und Traurigkeit?
Vertigo handelt von universalen Gefühlen - Ängsten, Lust, Begierde - die
(wie immer bei Hitchcock) an ganz normalen Menschen demonstriert
werden. Es gelingt Hitchcock, sie ohne Worte zu entwickeln, ja
heraufzubeschwören durch die Kraft seiner Bilder. Wie so oft ist sein
männlicher Charakter nicht beteiligt. Die Dinge geschehen ihm ohne sein
Zutun. Ungewöhnlich der Perspektivwechsel. Vertigo teilt sein Geheimnis
mit uns und in diesem Moment, ist es nicht mehr Scottie, mit dem wir
sympatisieren. Es ist Judy. Ihre Qualen und die Falle, die sie sich
selbst gestellt hat, lassen uns mitleiden. Wenn Scottie und Judy
schliesslich gemeinsam den Turm besteigen, mögen wir sie beide gleich
gern (so sehr hat Hitchcock UNS manipuliert!). Judy jedenfalls ist die
liebenswerteste Hitchcock Frau! Verblüffend, wie Kim Nowack den
richtigen Ton trifft. Stell dir vor, du wärst Judy: Wie würdest du
sprechen, wie würdest du agieren? In diesem Sinne ist Vertigo auch ein
grosser Frauenfilm.
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