youtube link: Kieslowski - Three Colors Red
youtube link: Kieslowski - Three Colors Red. Wir sind umgeben von
Fremden und bleiben auch Fremde. Womöglich unterhalten wir uns. Dann
stehen wir auf, verlassen einander wieder. Wir werden uns nie wieder
sehen. Das erste Bild in Kieslowskis Rouge: Telefondrähte. Rote
Telefondrähte. Sie überkreuzen sich. Sie verbinden Menschen, die sich
doch nie begegnen. Wohlbemerkt: Kieslowskis Film entstand vor dem
Zeitalter des Internets. Blicken wir nun zurück auf unser Leben, meinen
wir, es wäre einem Plan gefolgt. Doch ist in Wahrheit nicht alles
Zufall? Einzelne Ereignisse ohne Verbindung. In Rouge kennt keiner der
Hauptcharaktere die Anderen und es gibt auch keinen Grund dafür, dass
sie sich jemals begegnen. Da ist das Model Valentine (Irene Jacob). Sie
lebt in Genf. Gerade macht sie einen Anruf. Zur selben Zeit klingelt das
Telefon bei Auguste (Jean-Pierre Lorit), eines Jura Studenten.
Valentine aber ruft nicht Auguste an, sondern ihren Freund. Er lebt in
England und im Grunde sieht sie ihn nie. Beide sind nur formal ein Paar.
Soweit wir wissen, haben sich Valentine und Auguste nie getroffen und
werden das auch nie. Eines Tages fährt Valentine einen Hund an. Sie
macht den Halter ausfindig, einen pensionierten Richter (Jean-Louis
Trintignant). Scheinbar kümmert er sich nicht um seinen Hund und zeigt
auch für sie keinerlei Regung. Der Richter interessiert sich
ausschliesslich dafür, die Nachbarn auszuspionieren. Er hört ihre
Telefongespräche ab. Doch irgend etwas geschieht zwischen dem alten Mann
und der jungen Frau. Ist es Übereinkunft? Sympathie? Eine
Gemeinsamkeit? Ihr Altersunterschied muss 40 Jahre betragen. Sie sind
Fremde, die sich nur zufällig getroffen haben. Die Geschichte zwischen
ihnen aber wird immer faszinierender. In keinem Moment des Films habe
ich eine idee, wie es enden könnten. Überhaupt: Wo es lang geht. Wird es
gut verlaufen oder schlecht? Spielt das überhaupt eine Rolle? Die
Geheimnisse des täglichen Lebens sind schliesslich tiefer als sie eine
kommerzielle Filmhandlung wiedergeben könnte. Valentine ist nur
oberflächlich mit ihrem Freund zusammen. Sie geht zurück zum Haus des
Richters. Mit ihm führt sie tiefere Gespräche. Es gibt melodramatische
Elemente in Rouge, doch spielt Kieslowski sie nie aus. Was würden
Valentine und Auguste wohl für ein Paar ergeben? Beide sehnen sich nach
Liebe, die für sie unerfüllt bleibt. Was wäre wenn... Was wäre, wenn der
Richter und Valentine dasselbe Alter hätten? Wenn sie in einem anderen
Jahrhundert lebten? Wenn der Richter eine Katze hätte. Rouge ist einer
dieser Filme, die man sieht und sich dabei ungeheuer lebendig fühlt. Es
ist einer der Filme, die man sieht und anschliessend noch lange darüber
nachdenkt.
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