Dienstag, 29. November 2016

youtube: Marketa Lazarova (engl. subt.)


youtube: Marketa Lazarova (engl. subt.). Was für eine Entdeckung! Marketa Lazarova startet nun auch in Berliner Kinos! - In weniger als einer Minute, noch bevor der Vorspann abgeschlossen ist, spüren wir, dass Marketa Lazarova ganz für sich allein steht. Ich habe nie wieder einen Film wie diesen gesehen! Ein Märchen, dem etwas Beliebiges innewohnt. So als hätte Frantisek Vlacil einfach improvisiert, Erzählbausteine zufällig zusammengeschustert. Das klingt nicht nach einem der grössten Filme aller Zeiten? Doch! Marketa Lazarova gehört für mich zu den 20 besten Filmen überhaupt! Kein konventioneller Film, sondern eine Schwärmerei! Vlacil filmte während der 60er als einer der Vertreter der tschechischen Neuen Welle und doch wirkt Marketa Lazarova wie ein Fremdkörper. Vlacils Werk hat weder die subversive Kraft oder die Alltags-Poesie, welche die tschechischen Filme seiner Zeit auszeichnen. Marketa Lazarova strahlt etwas anderes Paradoxes aus: Hier erleben wir ein intimes Epos, eine Halluzination, eine filmische Sinfonie. Nach seiner Veröffentlichung 1967 verschwand der Film wieder von der Bildfläche. Man vergass Marketa Lazarova. Erst 1998 wurde das Werk zum besten tschechischen Film aller Zeiten gewählt. Vor einigen Jahren kauften wir eine DVD vom tollen britischen Second Run Label und seitdem tauchen unsere Filmkunstbar Fitzcarraldo Gäste immer wieder ein in dieses Märchen, angesiedelt im düsteren Mittelalter. Jetzt verhilft der deutsche Verleih Bildstörung (bekannt durch seine exquisite DVD Kollektion!) dem Werk sogar zu einem Kinostart! Marketa Lazarova gehört auch auf die grosse Leinwand! Weite Winterlandschaften, Wälder, karge und verdreckte Bauernhöfe. Die Geschichte handelt von der Fehde zweier Räuberclans. Marketa (Magda Vásáryová) ist eine Räubertochter. Sie verkörpert die Unschuld in diesem Reigen aus Rache und Gier. Bevor man sie ins Kloster schickt, wird Marketa vom verfeindeten Clan entführt und vergewaltigt. Das löst eine tragische Wandlung ihres Charakters aus. Nun muss man anmerken, dass Marketa in diesem komplexen, ja unübersichtlichen Plot nur eine Nebenrolle spielt. Gleich zu Beginn führt uns eine Erzählerstimme ein, die betont, dass das Geschehen der Macht des Zufalls folgt. "Erzählt aufs Geratewohl". Für zusätzliche Verwirrung sorgen die Ordnungstafeln, die eben keine Ordnung schaffen in diesem Gemälde aus Visionen und Zeitsprüngen. Marketa Lazarova fordert unsere Sehgewohnheiten in zweieinhalb Stunden heraus, überwältigt uns mit seiner Pracht und seinem Reichtum an Formen und Metaphern. Angeblich verbrachten Vlacil und sein Team zwei Jahre im Böhmerwald. Entstanden ist kein Kostümfilm, sondern experimentelles Kino. Auf majestätische Tableas folgen verwackelte Einstellungen der Handkamera, teilweise ist der Ton asynchron, Chorgesänge und elektronische Synthieklänge wechseln ab, blutiger Naturalismus begegnet erhabener Mystik. Immer wieder greift der Erzähler ins Geschehen ein und sorgt für absurde Komik, die wir eher aus britischen Filmen der 70er gewohnt sind. Eine halluzinatorische Winterreise, die offen ist für alle möglichen Interpretationen. Marketa hat niemanden, dem sie vertrauen kann. Wir haben auch niemanden, dem wir in diesem Bildersturm vertrauen können! Am Ende aber überleben wir, werden wiedergeboren, ja wiederbelebt. wie jemand, der die Welt mit neuen Augen erblickt! (Du findest diesen Film auf youtube)

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