Our Daily Free Stream: Jason Reitman - Thank You for Smoking
Our Daily Free Stream: Jason Reitman - Thank You for Smoking. Hier in
Berlin, Kreuzberg, wo sich unsere Filmkunstbar Fitzcarraldo befindet,
hat das Gute längst gesiegt. Das merkt man bei unseren Bewertungen auf
Plattformen wie yelp. Punktabzüge dafür, dass in der Filmkunstbar
Fitzcarraldo geraucht wird. Die Guten werfen den Bösen (Rauchern) nichts
weniger als Mord vor. Jason Reitman hat daraus eine genauso rohe wie
elegante Satire gebastelt. Sie betrachtet die Welt durch die Perspektive
eines Lobbyisten der Raucher-Industrie. Aaron Eckhart spielt diesen
Mann, der weiss, was es bedeutet, gehasst zu werden. Seine Stärke: Das
Argumentieren. In einer TV Show wird er mit einem 15jährigen
konfrontiert, der an Krebs erkrankt ist, aber nun das Rauchen deshalb
aufgab. "It's in our best interests to keep Robin alive and smoking,"
erklärt er; "The anti-smoking people want Robin to die." Nick Naylor
heisst er. Ein gutaussehender, geschiedener Mann, der seinen Sohn Joey
(Cameron Bright) liebt. Einmal tritt er vor der Schulklasse auf. Ein
Mädchen erklärt, ihre Mutter hätte ihr beigebracht, dass Zigaretten
töten. "Is your mother a doctor?" Ein Mal pro Woche trifft sich Nick mit
seinen Freunden, der Sprecherin der Alkoholindustrie sowie dem
Repräsentanten der Waffen-Lobby. Er nennt sie die MOD (Merchants of
Death) und sie streiten darüber, welche Produkt die meisten Menschen
umbringt. Übrigens eine nette humorvolle Runde echter lange gewachsener
Freunde. Bemerkenswert, wie Jason Reitman in seinem Debüt stets den
richtigen Ton trifft. Er wirft Nick nicht von einem Ereignis ins
nächste, sondern erweckt Nicks Logik zum Leben. Die Welt durch Nicks
Perspektive. Nick ist ein stets lächelnder Optimist, ein sympathischer
Typ (den wir übrigens selbst nie rauchen sehen). Sein Gegenspieler, der
verbitterte Senator Ortolan Finistirre (William H. Macy). Ein Mann, der
Totenköpfe auf Zigarettenschachteln drucken will (Reitmans Satire wurde
in Deutschland längst durch morbide Sammelbilder eingeholt). Der Senator
ist sich sicher, dass Bilder noch wirksamer sind als Warnungen: "They
want those who do not speak English to die." Reitman weiss genau, wie er
einen Dialog entwickelt ganz im Sinne des Pragmatikers Nick. Auf die
Frage seines Sohns, weshalb das amerikanische Regierungs-System das
weltweit Beste ist, antwortet er nur: "Because of our endless appeals
system." Reitmans Film nimmt nicht die Tabak-Industrie ins Visier, auch
nicht deren Lobby. Einzig der ehemalige Marlboro Mann Lorne Lutch (Sam
Elliott), der an Krebs erkrankte, fungiert als ernsthafte Anklage.
Reitman gehts um die Frage nach der menschlichen Natur. Es gibt das Böse
in seinem Film, doch es kommt unverhofft in Gestalt einer sympathischen
und attraktiven Journalistin (Katie Holms), die für eine seriöse
Tageszeitung aufklärt... In einer Schlüsselszene bietet Nick dem
Marlboro Mann einen Koffer voller Schweigegeld an. Ein "Geschenk", nicht
länger gegen die Tabakindustrie zu Felde zu ziehen. Lorne bittet um
einen Kompromiss, nur die Hälfte anzunehmen. Nick aber weist den Weg:
Hier gilt alles oder nichts. Nimmst du das Geld, bist du dabei. Und nur
ein Verrückter würde soviel Geld abschlagen, oder? Was wäre die
Filmkunstbar Fitzcarraldo doch für ein trauriger Ort ohne Raucher. Eine
Bar, in der man trinkt, aber draussen in der Kälte raucht? In der man
den Schweiss des Nachbarn riecht mangels Qualm? Eine Bar für die
"Guten", schreibe ich wiederum als Nichtraucher.
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