Our Daily Free Stream: Murnau - Nosferatu
Our Daily Free Stream: Friedrich Wilhelm Munau - Nosferatu. Murnaus
Nosferatu zu sehen ist ganz so, als würde man DEN Vampirfilm an sich
sehen. Wir erleben, wie das Genre entsteht, bevor es hundertfach
wiederholt und postmodern sezziert wurde. Die Geschichte Draculas, bevor
sie lebendig begraben wurde im Selbstzitat. Murnaus Films ist voller
Ehrfurcht vor der eigenen Geschichte. Fast so als würde er tatsächlich
an Vampire glauben. Anders als seine Nachfolger spielt Max Schreck den
Vampir auch nicht pathetisch überhöht, sondern zurückhaltend. Jede
Theatralik fehlt in seiner Darbietung, stattdessen erleben wir den
Vampir leidend unter einem fürchterlichen Fluch. Sein Graf gleicht mehr
einem Tier als einem Menschen - ausgestaltet mit Fledermaus Ohren und
Klauen mit langen Nägeln.Übrigens verbat sich die Witwe von Bram Stoker,
dass der Buchtitel ihres Mannes für das Werk herhalten sollte - deshalb
heisst Murnuas Dracula Nosferatu. Nichtsdestotrotz, vielleicht ist ihm
sogar die werktreueste Verfilmung gelungen. Die Geschichte beginnt in
Bremen. Hier will Graf Orlock Besitz erwerben und zwar ein abgelegenes
Gebäude. Der Angestellte des Zuständigen Händlers Knock, Hutter (Gustav
von Wangenheim), reist nach Karpathien und muss feststellen, dass dort
jeder verstummt in dem Moment, da der Name Orlock fällt. Hutter lernt
noch mehr: Der Graf muss tagsüber schlafen in der Erde aus den Gräbern
des schwarzen Todes. Kurz vor dem Schloss weigert sich Hutters Kutscher,
ihn noch weiter zu bringen. Graf Orlocks Büttel übernimmt, der sich mit
der Hast einer Ratte bewegt. Immer noch schlägt Hutter die Warnungen
über Vampirismus in den Wind, bis er sich während des Abendessens
schneidet und der Graf entzückt ist von Hutters wundervollem Blut. Zwei
Schlüsselszenen folgen, die wir heute wohl gar nicht mehr als
revolutionär erkennen: Während der Grafe näher rückt an Hutter, das
Opfer, erleben wir in Parallelmontage, wie Hutters Frau Ellen in Bremen
schlafwandelt und voller Vorahnungen schreit. Später flieht Hutter,
während der Graf den Seeweg nach Bremen einschlägt. Hutters Frau Ellen
wiederum wartet begierig... Auf dem Schiff des Grafen verstarben alle
Mitglieder der Crew. Man öffnet eine Kiste mit fauliger Erde und Ratten
entkommen in alle Richtungen. Murnau fügt nach der Ankunft einige Szenen
ein, die eher symbolischen Charakter haben, die Handlung aber nicht
entwickeln. Wir erleben den Händler Knock, der in einer Zelle der
Nervenklinik auf seinen "Meister" wartet. Ellen Hutter wiederum erfährt,
dass es nur einen Weg gibt, den Vampir zu stoppen: Eine gute Frau muss
ihn an ihrem Bett halten bis zum ersten Hahnenschrei. Ihre Geschichte
erinnert uns an die verborgene Sexualität aus Bram Stokers Roman, ganz
im Sinne des viktorianischen Zeitalters. Sex ist hier gleichbedeutend
mit gesellschaftlicher Gefahr. Der Vampir, eine Metapher der Begierde.
Allein verbringt er seine Zeit, jagt seine Opfer und sucht sie auf mit
dem Versprechen, ewiger Glückseligkeit. Murnaus Horrofilm ist nicht
gruselig im modernen Sinne. Er spricht nicht meine Gefühle an,
erschreckt mich nicht. Vielmehr verzückt mich das Werk durch seine
Atmosphäre und die Kraft seiner Bilder. Spannung entsteht, wenn die
Subjekte aus dem Schatten ins Bild steigen - sowieso ist Nosferatu das
Spiel mit Licht und Schatten - vor allem mit der Dunkelheit. Murnau
verstarb mit nur 43 Jahren. Er hatte 22 Stummfilme inszeniert; die
Tonfilm-Ära erlebte er nicht mehr. Bestimmt hätte er auch grossartige
Tonfilme gemacht, die Wirkung von Murnaus grössten Werken aber
resultiert daraus, dass er keine oder kaum Titelkarten braucht.
Nosferatu wirkt wie ein böser Traum. Was heisst das? In Nosferatu werden
die Protagonisten mit schaurigen Bildern konfrontiert, ohne jede
Möglichkeit, sich durch Gespräche davon zu befreien. Die menschliche
Sprache könnte den Traum auflösen, alles zur Normalität erklären. In
Nosferatu gibt es diesen Weg nicht. Das, was nachts geschieht, bedarf
keiner Rede. Es wartet auf seine Opfer, unheilvoll, unerklärt...
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