youtube link: Fatih Akin - Auf der anderen Seite (engl. subt.)
youtube link: Fatih Akin - Auf der anderen Seite (engl. subt.). Am
besten beginne ich mit den Figuren, denn in diesem wundervoll
melancholischen Film sind die einzelnen Charaktere wichtiger als die
Handlung an sich. Aus folgendem Grund: Wir haben es mit mehreren, sich
überlappenden Handlungssträngen zu tun. Die einzelnen Stränge berühren
sich dabei nie, zumindest nicht für die einzelnen Charaktere. Für uns
Zuschauer aber sehr wohl! Genau das mochte ich am meisten an Fatih Akins
zweiten Film seiner Liebe, Tod und Teufel Trilogie! Zuerst begegnen wir
dem alten Mann, Ali (Tuncel Kurtiz). Er kommt aus der Türkei und lebt
in Bremen. Ali ist offensichtlich das, was die Deutschen herablassend
"Gastarbeiter" getauft haben. Er besucht eine Prostituierte, Yeter
(Nursel Kose). Es ist eine dieser Frauen, die in einem Schaufenster
sitzen (in Bremen gibt es eine schmale Strasse, etwa der Hamburger Meile
entsprechend. Yeter wird von zwei jungen Männern auf türkisch bedroht,
sie würden sie töten, falls sie weiter diesen Beruf ausübt. Ali bietet
ihr an, auf fester Bezahlungsbasis bei ihm einzuziehen und Yeter willigt
ein. - Kurze Spoiler Warnung! - Das Kapitel wurde von Akin "Yeters Tod"
genannt, weil Ali sie im Suff schlägt, so dass Yeter unglücklich fällt
und stirbt. Ali landet daraufhin im Gefängnis. Das Ende eines traurigen
Lebens, da Yeters Herz gebrochen war, weil sie es nicht mehr schaffte,
Kontakt mit ihrer Tochter Ayten (Nurgul Yesilcay) aufzunehmen. Yeters
Leichnam wird nach Istanbul überführt und dort lernen wir Alis Sohn
Nejat (Baki Davrak) kennen. Er ist Professor an einer deutschen
Universität, hat es sich aber zur Aufgabe gemacht, nach der Tat seines
Vaters Yeters Tochter zu finden. Nun sucht er sie in Istanbul, wo er
sich niederlässt mit einem Buchgeschäft. Ayten selbst ist eine
Untergrundkämpferin im Konflikt mit den Behörden. Sie flieht nach
Deutschland und lernt in Bremen, am Campus der Universität, Lotte
(Patrycia Ziolkowska) kennen. Beide verlieben sich ineinander. Eine
grosse passionierte Liebe! Ohne zuviel verraten zu wollen, landet Ayten
letztlich doch in einem türkischen Gefängnis und Lotte versucht, ihr zu
helfen. An dieser Stelle kommt der Auftritt der grandiosen Hanna
Schygulla, diesem legendären STAR des Neuen Deutschen Films! Sie spielt
Lottes Mutter und erkennt sich selbst in der Leidenschaft der Tochter
wieder. Hat sie in der Vergangenheit nicht auch gekämpft? Nun aber hat
sie Angst um Lotte, denn ihre Tochter ist genauso idealistisch wie naiv.
Am Ende wird auch sie nach Istanbul reisen und bei Nejat leben. Auch
sie wird sich auf die Suche machen nach Ayten... Eines der schönsten
Erlebnisse ist das, dem Altern von Schauspielern zuzusehen. Was haben
wir selbst in der Zwischenzeit gemacht? Wie ist es uns selbst ergangen?
Schygulla war einst eine romantische Hauptdarstellerin, nun begegnen wir
ihr wieder als rundlicher Dame von 65 Jahren. Aber was für eine
65jährige! Kein Plastikmodell mit entfernten Träsensäcken! So taktvoll
und warmherzig! Wie sie leise spricht, fast flüstert! Schygulla leuchtet
in ihrer Rolle dieser tragischen Figur und wir lieben sie für ihre
Kunst! Ja, wir beten sie an! Wo aber ist nun die Auflösung des Knotens?
An welchen Punkt finden diese Charaktere letztlich zusammen? Werden sie
überhaupt im Plot zusammen geführt oder motivisch? Fatih Akin hatte das
Gefühl, türkisch zu sein und sich vertrieben zu fühlen, in der
Vergangenheit bereits gezeigt. Akin führt uns nun diese Personen vor,
drei Eltern und drei Kinder, teils türkisch und teils deutsch. Ihr aller
Leben wird davon bestimmt, dass einige von ihnen türkisch sind und die
anderen deutsch. Ich denke, Akins Antrieb ist ganz einfach: Er möchte,
dass wir seine Charaktere kennen lernen und sie mögen. Selbst Ali ist
kein schlechter, "böser" Charakter. Er hat Yeter nicht mit Vorsatz
getötet, es war ein tragischer Unfall. Im Verlauf des Films leidet (und
freut) man sich mit ihnen. Ich fand Akins Figuren faszinierend! Keine
von ihnen wirkt künstlich konstruiert und für keine wird übermässig viel
Zeit aufgewendet, sie vorzustellen. Sie alle versuchen einfach, ihr
Leben zu leben und das findet statt innerhalb zweier unterschiedlicher
Kulturen. Im Grunde sind es gute Menschen, die wegen ihrer Fehler leiden
müssen und versuchen, dass es irgendwie weitergeht. Ist das nicht bei
uns allen so?
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