Montag, 10. Oktober 2016

Our Daily Free Stream: Ming-Liang, Tsai - What Time Is It There (engl. subt.)

 Our Daily Free Stream: Ming-liang, Tsai - What Time Is It There (engl. subt.). Immer schon hat man Tsai Ming-liang mit den ganz grossen Namen der Filmgeschichte verglichen. Mit dem Kino der Stille, Einsamkeit und Isolation. Wer What Time Is It There sieht, wird bemerken, dass Tsais Filme genauso witzig wie traurig sind. Und zwar beides im gleichen Moment. Tsais Held heisst Hsiao Kang (Lee Kang-Sheng) und er verkauft Armbanduhren, draussen auf den Strassen von Taipeh. Er hat etwas von der Befangenheit, aber auch der Redlichkeit der grossen Vorbilder, die wir aus Tatis oder Keatons Filmen kennen. Eines Tages will er Shiang-Chyi eine seiner Uhren verkaufen, doch sie besteht auf genau der an seinem Handgelenk. Die wiederum kann zwei Zeitzonen anzeigen und das ist wichtig für Shiang-Chyi. Sie wird bald nach Paris ziehen. Hsiaos Leben daheim ist trist und ohne jede Hoffnung auf Erlösung. Einmal sehen wir seinen Vater rauchend, allein in einem verdunkelten Zimmer. Die Mutter glaubt längst, die Seele ihres Mannes sei auf den grossen weissen Fisch in ihrem Aquarium übertragen worden. Ein Fisch als einziger Freund. Der Vater wird sterben, ohne je einen Funken Lebensfreude an seinen Sohn weitergegeben zu haben. What Time Is It There eröffnet uns das Versprechen der Gleichzeitigkeit. Ohne je wirklich mit ihr gesprochen zu haben, stellt Hsiao seine Uhren nach der Pariser Zeit. Gleichzeitigkeit oder einfach nur die Hoffnung darauf? Wenn unser Leben voller Leere ist, hoffen wir dann nicht auf ein fernes Ereignis? Währenddessen ergibt sich Shiang-Chyi ihrer Einsamkeit in Paris. Welchen Grund hat sie überhaupt, dort zu leben? Hsiao versuchts mit einer Prostituierten, Shiang-Chyi mit einer anderen Frau. Alles ereignet sich zur selben Zeit, doch tatsächlich im Einklang? What Time Is It There ist kein einfacher Film. Er hat mich noch lange verfolgt, ich sah einzelne Szenen vor Augen und musste daran denken. Vor allem aber brachte er mich durcheinander. Immer wieder ringen die lustigen mit den traurigen Anteilen - nie gewinnt ein Pol die Überhand. What Time Is It There - gleichermassen witzig und traurig. Nichts ist schliesslich trauriger als die unerwiderte Liebe. Nichts ist lustiger als die unerwiderte Liebe! Weshalb sollte es auch tragisch sein, wenn sich zwei Menschen NICHT kennenlernen nach zwei bedeutungslosen Gesprächen? What Time Is It there handelt von der Vorstellung von Liebe. Nicht von der Liebe selbst. Was ist depressiver: Eine Mutter, die glaubt die Seele ihres Mannes in einem dicken Fisch zu finden? Ein Sohn, dessen einziger Freund dieser Fisch ist? Ein Film, der derartige Fragen stellt, verdient es gesehen zu haben. Mitleid für den Anspruch, die Antworten zu kennen. Immerhin aber sinds Fragen, deren Existenz uns meistens gar nicht bewusst ist.

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