Our Daily Free Stream: Leos Carax - Pola X (engl. subt.)
Our Daily Free Stream: Leos Carax - Pola X (engl. subt.). Les Carax gilt
als Verrückter. Das sei dahingestellt, denn bräuchte man nicht einen
zweiten Wahnsinnigen, um den ersten zu erkennen? Zumindest kenne ich als
Videothekar der Filmkunstbar Fitzcarraldo die Kunden, welche gern Carax
Filme leihen. Alle Filme, denn sein Werk ist für sie Religion. Carax
geht leidenschaftlich und impulsiv an die Arbeit. Bestimmt gibts gute
Gründe, wenn einer auch noch mit +50 als Enfant Terrible gilt. Sein Held
heisst Pierre. Ein Visionär, der sich den flammenden Fantasien der
Jugend ergeben hat! Er selbst würde sich wohl als Künstler bezeichnen
und liebt die grosse Geste. Carax verfilmte Herman Melvilles Roman
Pierre aus dem Jahr 1852 - damals ein Schock für das Publikum, das eine
weitere Abenteuergeschichte erwartete. Wie im Fiebertraum schrieb
Melville und erst 1990 durfte eine unzensierte Version über den
Ladentisch gehen. Pierre bietet immerhin auch inzestuöse Obsessionen mit
der Mutter sowie der Halbschwester. Obwohl Carax Film heute spielt,
kommt man sich doch vor wie im 19. Jahrhundert (denk dir einfach mal die
paar Autos und Strassenszenen weg). Pierre (Guillaume Depardieu), ein
junger Aristokrat, lebt in einem Chateau mit seiner Mutter (Catherine
Deneuve). Beide stehen sich verdächtig nahe, nennen sich "Bruder" und
"Schwester". Es ist kein Tabu, wenn er sie im Bad besucht. Für Deneuve
ist es ein Leichtes, derartige Szenen zu spielen, da sie allem
Sinnlichen entsagt. Bei Deneuve verkommt Sex zur reinen Funktion.
Eigentlich ist Pierre verlobt mit Lucie (Delphine Chuillot), die fast
wie ein Hündchen an seiner Seite wirkt. Schliesslich taucht noch die
dunkle, mysteriöse Isabelle (Katerina Golubeva) auf, die Pierre ihr
Geheimnis anvertraut: "Du bist nicht das einzige Kind. Ich bin deine
Schwester..." Sie wuchs auf im Wald und spricht mit einem seltsamen
Akzent, wurde nie sozialisiert und wirkt verzweifelt. Eine tief traurige
Figur. Pierre verfällt dem Wahn, sein eigenes Glück hinfort zu werfen
und Isabelle zu folgen... Pola X ist ein Werk, das es geradezu darauf
anlegt, erfolglos zu bleiben. Ein Film, an der Grenze zum Lächerlichen.
Carax wagt nicht nur vieles, sondern alles und nach dem Abspann bleibt
immerhin das Gefühl, an einem Experiment teilgenommen zu haben. Pierre
ist ein derartig egoistischer Charakter, dass es sogar noch
selbstsüchtig wirkt, wenn er sein eigenes Leben wegwirft. Isabelle eine
Narzistin, so wie sie ihr Gesicht hinter ihrem dunklen Haar verbirgt.
Dieses Paar steht im Kontrast zu kalten eleganz der Mutter. Ist nicht
allein diese Konstellation interessant? Würdest du nicht lieber einen
solchen (misslungenen) Film sehen als noch mehr Konfektionsware?
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