cinegeek.de Our Daily Free Stream: Carl Theodor Dreyer - Ordet (engl. subt.).
Am 3.2. 1889 wurde Carl Theodor Dreyer geboren. Deshalb zeigen wir heute
Das Wort: Ordet ist ein schwieriger, ein sperriger Film für diejenigen,
die eher "normale" Kost gewohnt sind. Ist man aber erst einmal
eingetaucht, in Carl Theodor Dreyers Werk... - unmöglich zu entfliehen!
Ruhig, tief und ernsthaft, ausgefüllt mit Dreyers religiösen Motiven, so
wirkt Ordet. Der Schauplatz: Die Winterlandschaft Dänemarks während der
20er, die eine strenge Schönheit entfaltet. Nur vier grosse
Produktionen (und viele Kurzfilme) verwirklichte Carl Theodor Dreyer
(1889-1968): La passion de Jeanne d'Arc (1928), der Höhepunkt der
Pariser Avantgarde, seine deutsche Produktion Vampyr (1932), Ordet
(1955) in dänischer Sprache und schliesslich Gerrtrud (1964) wiederum in
dänischer Sprache. Diese vier Filme reichten aus, um stilprägend zu
sein, für das was Schrader in seinem Standartwerk der Filmkritik als
"Transcendental Style in Film" (1972) bezeichnete. Bis heute ist es
schwierig, eine Liste mit den grössten Filmen aller Zeiten zu finden,
die ohne Dreyer auskommt. Für mich ist Ordet Dreyers faszinierendster
Film: Zwei Familien stehen sich gegenüber. Die von Morten Borgen vs. die
von Petersen, einem Schneider. Morten hat drei Söhne: Der aufrichtige
Mikkel (verheiratet mit Inger), der wahnsinnige Johannes (der glaubt, er
sei Jesus Christus) und der ruhige Anders, der die Tochter des
Schneiders heiraten möchte. Petersen sehen wir meist arbeitend mit
überkreuzten Beinen. Er hat eine Frau, Kirstin und eine Tochter, Anne.
Ich habe mir an dieser Stelle die Zeit genommen, die Figuren
vorzustellen, weil auch Dreyer sie sorgfältig etabliert. Sie stellen die
Struktur seiner Erzählung dar. Dreyer springt nicht einfach von einem
zum Nächsten; jeder Charakter bekommt seine volle Aufmerksamkeit.
Sprechen sie, ist jedes ihrer Worte wohl überlegt. Anders eröffnet nun
Inger, dass er Anne heiraten will, was Inger wiederum ihrem
Schwiegervater mitteilt. Morten aber spricht sich dagegen aus, weil der
Schneider der falschen Religionsrichtung angehört. Christen sind sie
beide, Peter aber von fundamentalistischem Glaubem, Morten eher frei. Im
Grunde aber sind beide starre Dogmatiker. Rutscht man einfach so rein
in den Film, mag man dem Ganzen etwas ratlos gegenüberstehen: Dreyer
nimmt sich viel Zeit, um den irren Johannes vorzustellen, der bedauert,
dass niemand ihm folgt und seine Prophezeiung hören will. Morten
wiederum zweifelt an seinem Glauben, an der Kraft seiner Gebete. Anders
bittet Peter um die Hand seiner Tochter, wird aber zurückgewiesen mit
dem Vorwurf, er sei kein Christ. Obwohl Morten selbst die Heirat
verboten hatte, reagiert er erzürnt, dass sein Sohn nicht gut genug sei
für die Petersen Familie. Während die beiden alten Männer nun zusammen
sitzen, ihren Glauben und die Zukunft der Kinder diskutieren, stellen
wir fest: An dieser Stelle hat uns Ordet gefangen! Wir sind nicht mehr
imstande, abzuschweifen! Wir können an nichts anderes mehr denken!
Morten und Peter, gespielt von Henrik Malberg und Ejnar Federspiel,
sitzen zusammen und beleidigen brutal des anderen Glaubens.
Unbestreitbar wohnt ein gewisser Humor dieser Szene inne! Beide kennen
sich seit Jahren und müssen diese Auseinandersetzungen bereits gewohnt
sein! Während der Handlung aber begreifen fast alle (nicht Johannes!),
dass Gott nicht mehr mit Wundern arbeitet. Morten mag begriffen haben,
dass ein Gebet nur wirkt, wenn man glaubt. Ein Dogma umfasst bestimmt
kein Vertrauen, während aber Vertrauen ohne Dogma funktioniert. Die
Kamera, bei Dreyer hat sie fast "gottähnliche" Qualitäten: Die Ruhe der
Schwenks, unerbittlich, hypnotisch. Die Aufnahmen in leuchtendem
schwarzweiss, fast himmlisch! Nach dem Film ist es unmöglich, einfach
wieder in die Realität überzuleiten. Ich legte mich erst einmal auf das
Bett und überlegte. Ich versuchte, das zusammen zu setzen, was gerade
vor mir ausgebreitet wurde. Ein Film, der mich anfangs langweilte und
den ich nun nicht mehr loswerden konnte! Ich musste einsehen, dass die
erste halbe Stunde notwendig war zum Verständnis. Ich versuchte, mir
nochmal meinen eigenen Weg zu Ordet zu bahnen. Ich wollte nichts darüber
lesen (auch nicht Schraders Filmkritik). Es ist so: Du musst es allein
schaffen, denn Ordet wird nicht zu dir kommen. Im Gegenteil, der Film
wird sich dir versperren. Du musst ihn dir selbst erobern!
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