Als Le Locataire 1976 in Cannes
seine Premiere hatte, liefen die Zuschauer scharenweise aus dem Kino.
Zeitgenossen sprechen von einer regelrechten Fluchtbewegung. Die
Kritiken fielen dementsprechend aus und bezeichneten Le Locataire nicht
nur als schlechten Film, sondern als Bodenlosigkeit. Der ernsthafte
schüchterne Trelkovsky (Roman Polanski), bewirbt sich für die Wohnung
einer jungen Frau, Simone Choule, die nach einem Selbstmord-Versuch
sterbend im Krankenhaus liegt. Die junge Frau stirbt und er bekommt das
Apartment. Es liegt in einem grossen düsteren Gebäude, dessen Bewohner
hasserfüllte Menschen sind, die sich gegenseitig ausspionieren. Im
Gebäude befindet sich auch ein verfluchtes Badezimmer und immer wenn
Trelkovsky hinüber sieht, erblickt er eine regungslose Gestalt, die ihn
anstarrt. Nach einer Einweihungs-Party, die Trelkovsky für seine Freunde
gibt, bricht die Hölle los: Die bösartigen Nachbarn beschweren sich
über die Ruhestörung und belangen künftig Trelkovsky, wenn er nur einen
Stuhl verrückt. Vielleicht ist es das Gebäude an sich, das bösartig ist?
Alle Bewohner darin sind hinter Trelkovsky her. Es scheint, dass sein
Tod nur noch eine Frage der Zeit ist, denn schon tauschen Handwerker die
zerbrochene Glasfront, in die sich die Vormieterin stürzte, gegen eine
neue aus. Sind die Nachbarn tatsächlich hinter Trelkovsky her oder ist
er nur paranoid? Eine Abwärts-Spirale entwickelt sich. Trelkovsky
beginnt, die Kleider seiner Vormieterin Simone Choule anzuprobieren und
benutzt ihr Make Up. Seit er einzog, bot man ihm im Cafe gegenüber stets
nur Kakao an (den seine Vormieterin dort zu trinken pflegte) und
Marlboro (die sie rauchte). So sehr Trelkovsky auch nach seiner Marke,
Gauloises, verlangt - man bietet ihm Malboro an. Einer der Gründe,
weshalb Le Locataire in Cannes so verrissen wurde, mag die Tatsache
sein, dass Polanski keinen Horror Film inszeniert hat, sondern eine
schwarze Komödie: Trelkovsky besucht mit einer Freundin Simones, Stella
(Isabelle Adjani), das Hospital, um sich nach dem Zustand seiner
Vormieterin zu erkundigen. Simone wird sich von ihren Verletzungen nicht
mehr erholen. Nach dem Krankenhaus Besuch führt Trelkovsky Stella aus
ins Kino und greift ihr während der Vorstellung in den Schritt. Bei
einem späteren Rendez-Vous mit Stella wird Trelkovsky in ein Stück
Hundescheisse treten. Er ist davon überzeugt, dass die Mitbewohner im
Haus versuchen, ihn umzuwandeln in Simone. Trelkovsky entwickelt eine
manische Leidenschaft, Simone zu werden, die für uns nicht unkomisch
ausgespielt wird: Wie eine Drag-Queen steht er vor dem Spiegel in den
Kleidern der Toten. Trelkovsky Versuche, die Vorfälle der Polizei zu
melden, enden im Fiasko. Er wird aufgrund seines Namens gefragt, ob er
russischer Herkunft sei und belehrt, in Frankreich könne nicht jeder
Dahergelaufene die Polizei rufen. Schliesslich bricht es aus ihm heraus,
als man ihm im Cafe erneut die Gauloises verweigert: "Ihr seid eine
Mörderbande!" Das Finale schliesslich wird von Polanski als Slapstick
inszeniert. Le Locataire ist eine Satire über den Generations-Konflikt
nach dem Roman des Surrealisten Roland Topor: Ruhebedürftige ältere
Nachbarn aus Paris treiben einen jungen Ausländer in den Tod. Le
Locataire wirkt wie ein billiger Schundfilm, wie eine britische
Produktion aus den 60ern. Offensichtlich hat es Polanski einen Höllen
Spass bereitet, Genre Versatzstücke zusammen zu setzen zu einer
Geschmacklosigkeit. Le Locataire würde heute bestimmt nicht mehr den
Kinosaal leeren. Ich habe ihne gerade wieder gesehen, fühlte mich unwohl
und manchmal musste ich vor Mitleid mit Trelkovsky lachen.
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