Our Daily Free Stream: Sidney Lumet - 12 Angry Men.
Our Daily Free Stream: Sidney Lumet - 12 Angry Men. Ich denke, es war
2006 als ich Lumet auf der Berlinale sah. Er bedankte sich bei Dieter
Kosslik mit einer Bescheidenheit, die wohl der grösste Vorzug ist seines
filmischen Schaffens. Lumets Debüt Film ist der heutige Stream, der
wichtigste Berlinale Gewinner vor allen anderen: 12 Angry Men ist ein
Gerichtsdrama, so seine äussere Form. Der Zweck des Films aber ist ein
Crash Course darin, ob einem Angeklagten vor Gericht ein fairer Prozess
zuteil wird unter Voraussetzung der Unschuldsvermutung. Im Grunde
beschränkt sich 12 Angry Men auf einen Raum (abgesehen von einer knappen
Einleitung) - am heissesten Tag des Jahres. Vom eigentlichen Prozess
aber sehen wir nichts ausser der routinierten Langeweile des Richters.
Etwas in seinem Tonfall verrät uns, dass das Urteil wohl bereits
feststeht. Die Beweisführung kriegen wir jedoch nur indirekt mit durch
die Diskussion der Geschworenen. Die meisten Gerichtsfilme bieten zum
Ende eine Auflösung an: Schuldig oder unschuldig. 12 Angry Men
interessiert das weniger, dafür umso mehr die vernünftigen Zweifel
(zumindest einiger) der Geschworenen an der Schuld des Angeklagten.
Obwohl die meisten damit wohl ihre Probleme haben mögen, gilt die
Unschuldsvermutung. Die Spannung in 12 Angry Men entsteht aber nicht nur
durch diese Annahme, sondern wird über personelle Konflikte in dem
klaustrophobisch kleinen Raum erzeugt. Die Kamera sorgt geschickt dafür,
den Raum noch enger erscheinen zu lassen, so dass die Männer
tatsächlich mit dem Rücken zur Wand stehen. Keine Action, dafür die
Kraft der Dialoge und der Ausdruck der Körpersprache machen 12 Angry Men
aus. Kann sich Logik gegenüber Emotionen und Vorurteilen durchsetzen?
12 Angry Men möchte ich als stilisierten Realismus bezeichnen, weil die
Regie und Fotographie sich ganz dem Plot unterordnen. Bliken wir zurück:
12 Angry Men kam 1957 ins Kino zu einer Zeit, da sich Technicolor und
70mm gegen das Fernsehen durchzuetzen versuchten. Wie dünn und geradezu
ärmlich mag dagegen dieses Kammerspiel gewirkt haben? Der Film bekam
begeisterte Kritiken, enttäuschte aber an den Kinokassen. Erst über die
Jahre konnte sich das Werk als einer der rennomiertesten Filme aller
Zeiten durchsetzen. Ursprünglich war 12 Angry Men eine Live TV
Produktion (ein Film wird im Fernsehen live übertragen), später machte
der New Yorker Sidney Lumet daraus einen Kinofilm. Lumet hatte reichlich
Erfahrungen gesammelt mit der Inszenierung von TV Dramen, 12 Angry Men
war sein Kino Debüt. Produziert wurde der Film von Henry Fonda, der als
einziger Star fungiert. Neben ihm die besten New Yorker Schauspieler
ihrer Zeit wie Martin Balsam. Sie rauchen, schwitzen, fluchen und werden
schliesslich wütend. Alle zwölf werden vorgestellt in ihrer
Persönlichkeit, womit sie ihr Leben unterhalten, ihren Gefühlen und
Vorurteilen. Oft kam es mir so vor, als sei Lumets Film in Echtzeit
inszeniert. Wohlbemerkt, der Film handelt nicht davon, wie ein
Verbrechen aufgelöst wird. Er handelt davon, einen jungen Mann in den
Tod zu schicken. Darüber wird entschieden - was aber, wenn sie falsch
liegen? Der Angeklagte ist dunkelhäutig (wobei nicht näher spezifiziert)
und der Geschworene Nummer 10 (Ed Begley) unterstellt sofort, dass
diese Burschen mit der Lüge geboren seien. Der Film nimmt die Perspektie
des Henry Fonda Charakters ein: Unschuldig. Nicht alle Geschworenen
aber, die an die Schuld des Angeklagten glauben, werden negativ
gezeichnet. Sidney Lumet hat in seinem ersten Film so wie in vielen
folgenden ein für die amerikanische Öffentlichkeit strittiges Thema
gewählt. So wie in den meisten seiner Filme begegnet er dabei der
Intelligenz seiner Zuschauer mit einer Hochachtung wie sie rar ist im
Kino. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/9/91/12_angry_men.jpg)
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