Our Daily Free Stream: Andrzej Zulawski - The Third Part Of The Night (engl. subt.)
Our Daily Free Stream: Andrzej Zulawski - The Third Part Of The Night
(engl. subt.). Zwischen dem 11.-18.2. läuft im Kino Hackesche Höfe
wieder die "Woche der Kritik" als Gegen-Berlinale (oder nur
Erweiterung?). Hier stellt Zulawski nach 15 Jahren seinen ersten Film
Cosmos vor! Anlässlich dessen zeigen wir heute seinen ersten Kinofilm
The Third Part Of The Night: "And the first angel sounded the trumpet
and there followed hail and fire mingled with blood and the third part
of the trees was burnt up and all green grass was burnt up." Über
Zulawski lesen, das gehört zum guten Ton unter Cinephilen. Seltener
bekommen wir die Möglichkeit, ihn auch zu sehen! The Third Part Of The
Night ist sein allererster Film. Seine Merkmale, die alle Zulawski Filme
auszeichnen werden, sind hier bereits voll entfaltet: Der Film taucht
ein in den emotionalen Strudel der Hauptfigur Michael. Wir befinden uns
in einer subjektiven Vision aus Erinnerungen, Phantasie und Realität -
alles unscharf, verschwommen. Genauso wird die historische Zeit - Polen
unter der Herrschaft der Nazis - transformiert in eine Welt voller Leid,
Erlösung, Apocalypse: "The second angel sounded the trumpet and as it
were a great mountain burning with fire was cast into the sea and the
third part of the sea became blood. And the third part of those
creatures died which had life in the sea and the third part of the ships
was destroyed." Der Untergang wird ausgerufen, explizit in der
Eingangs-Szene, als Michaels Frau Helena die Offenbarung liest, während
sich die Finsternis ihrem Haus nähert. Sie bleiben, denn das Paar hat
einen jungen Sohn und die Grosseltern sind zu Besuch. Wir erfahren, dass
Michael sich von einer Krankheit erholt hat, für die er Helena die
Schuld gibt. Michaels Vater weist Helena genauso zurück und wartet vor
dem Haus. Helena währenddessen starrt sich selbst im Spiegel an und
scheint den Ausbruch des Unheils zu erwarten... Wie eine Explosion
bricht die Gewalt aus! Ein deutscher Reiter stürmt durch die Tür - mit
unfassbarer Grausamkeit werden Michaels Frau Helena, sein Sohn und seine
Mutter getötet. Keinerlei Erklärung, keinerlei Sinn wird uns geboten:
Wir erleben das Töten in seiner ganzen Bedeutungslosigkeit als Teil
eines feindlichen Universums. Michaels Vater wendet sich an einen
gnadenlosen Gott, der das Böse über das Gute erhebt. Das Kriegsgeschehen
wird von Zulawski durch einen surrealen Filter gezeigt. Das Historische
wird zur bizarren Imagination auf einer metaphysischen Ebene. Wir
kennen die Fakten, dass unter der deutschen Besatzung polnische
Intellektuelle (wie Zulawskis eigener Vater) im Rudolf Weigl gehalten
wurden und nur Läuse als Nahrung bekamen. Szenen wie diese benutzt
Zulawski symbolisch. Das Drehbuch verfasste Zulawski mit seinem Vater
und es beruht auf eigenen Erinnerungen. Vater Miroslaw war Diplomat und
Poet, Andrzej wurde in Lwów geboren. Das Baby in The Third Part Of The
Night, es ist Zulawski selbst. Nach der Ermordung seiner Familie kehrt
Michael zurück nach Lwów und kämpft im Untergrund gegen Deutschland.
Zulawskis hektische Hand-Kamera folgt Michael während einer
fehlgeschlagenen Operation, wie er eintaucht in eine finstere Passage.
Die Gestapo verhaftet einen Mann, der genauso gekleidet ist wie Michael
anstelle seiner. Dieser Mann ist verheiratet mit Marta, die genauso
aussieht wie die tote Helena (Malgorzata Braunek in einer Dopplrolle)
und ein Kind erwartet. Michael nimmt nun den Platz des Verhafteten
ein... Zulawski ist ein Filmemacher, der sich ehrlich und tief mit dem
Schicksal der menschlichen Seele befasst. Er nimmt sie gewaltsam
zerissen wahr. Das Selbstzerstörerische, das in uns wohnt, wir erleben
es in seinen Filmen. Durch seine Werke können wir unsere dunklen
Sehnsüchte womöglich fassen. Wir tun dem Filmemacher Unrecht, indem wir
ihn auf seine Schauwerte, seine technischen Extravaganzen reduzieren.
Tief im Innern sucht Zulawskis Kino nach Gnade.
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