Mittwoch, 24. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Fear Eats Soul (engl. subt.). 

 Our Daily Free Stream: Fear Eats Soul (engl. subt.). In ihrer 2015 fertig gestellten Doku Fassbinder versucht Annekatrin Hendel einen Blick auf den grössten deutschen Filmemacher zu werfen. Vielleicht gelingt das aber auch, indem wir einfach seinen besten Film noch einmal sehen: Angst essen Seele auf - Bereits die Eröffnungs-Szene gibt das Thema vor: Sie gegen uns. Eine ältere Frau, einfach gekleidet und etwas pummelig, geht in eine Bar und setzt sich an den Tisch in der Ecke. Sie bestellt eine Cola. Eine Gruppe von Gästen starrt hinüber zu ihr. Die Kamera verdeutlicht uns die Distanz zwischen ihr und der Gruppe. Die blonde Barbedienung bittet einen arabischen Kunden, mit der Dame zu tanzen. Er kommt dem Wunsch nach, während die Anderen starren... Angst essen Seele auf ist ein Film über diese beiden Menschen: Emmi Kurowski (Brigitte Mira), eine etwa 60jährige Witwe, die als Putzfrau arbeitet und deren Kinder sie meiden. Ali (El Hedi ben Salem) ist ein "Gastarbeiter" um die 40, ein Mechaniker aus Marokko. Mit fünf Männern lebt er gemeinsam in einem Raum und kann sein Leben einfach beschreiben: Immer Arbeit, immer betrunken. Ali ist nicht einmal sein richtiger Name, doch in Deutschland 1974 heissen vermutlich alle dunkelhäutigen Gastarbeiter Ali (und heute?). Rainer Werner Fassbinder erzählt ihre Geschichte knapp - den Film hat er in zwei Wochen abgedreht. Inspiriert durch einen Hollywood Klassiker von D. Sirk, den Fassbinder immer bewunderte. Fassbinder aber lässt alle Höhen und Tiefen des Vorbildes weg und übernimmt nur die stille Verzweiflung (er war der Ansicht, Hollywood Filme seien zwar phantastisch, jedoch verlogen). Angst essen Seele auf ist ausgesprochen kraftvoll, weil der Film so simpel funktioniert. Die beiden Hauptfiguren sind zwar aufgrund ihres Alters und ihrer Herkunft voneinander getrennt, haben aber eine Sache gemein: Sie mögen sich - in einer Welt, die kalt ist und gleichgültig. Schüchtern gesteht Emmi, dass sie Gebäude-Reinigungskraft ist und dass viele deshalb auf sie herab sehen würden. Ali entgegnet nur: Deutscher Herr, arabischer Hund. In vielen Fassbinder Filmen spielt der Sex eine gewisse zynische Rolle und dient zur gegenseitigen Ausbeutung. In Angst essen Seele auf aber beruht alles auf Zärtlichkeit. Oft begleitet der Marokkaner die Putzfrau nach Hause. Es regnet und sie lädt ihn auf einen Kaffee ein. Sein Heimweg mit dem Bus dauer sehr lang. Sie fragt ihn, ob er die Nacht bei ihr verbringen möchte. Er kann nicht schlafen, möchte reden. Sie schlägt ihm vor, an ihrem Bettrand zu sitzen. Als ich den Film wieder sah, fiel mir auf, dass er in dieser Szene zum ersten Mal ihre Hand hält und auch den Arm streichelt. Am nächsten Tag betrachtet sie sich im Spiegel. Natürlich weiss Emmi, dass sie alt ist. Wir erleben einen Ausschnitt aus ihrer Welt. Die Kolleginnen tratschen darüber, wie verdreckt die "Gastarbeiter" doch seien. Emmi verteidigt indirekt und macht darauf aufmerksam, dass sie wenigstens arbeiten. Einfach, indem sie zusammen sind, erzürnen Emmi und Ali jeden, der sie sieht. Der Krämer auf der anderen Strassenseiter benimmt sich unflätig gegenüber Ali, der Kellner im Restaurant ist distanziert. Am denkürdigsten die Szene, in der Emmi ihren Kindern erzählt, sie hätte wieder geheiratet. Schockierte Blicke, schliesslich schlägt ihr Sohn Bruno auf seinen Fernseher. Emmi und Ali leben zufrieden zusammen, doch innerhalb einer vergifteten Gesellschaft. Schliesslich beginnen die anderen Putzfrauen, Ali zu nicht mehr zu beleidigen. Emmi lässt die Frauen Alis starke Muskeln anfassen. Die Nachbarn freuen sich, dass Emmis neuer Mann Möbel tragen hilft. Als die neue jugoslawische Putzfrau ihre Arbeit beginnt, wenden sich Emmi und ihre Kolleginnen von der neuen Ausländerin ab. Ali wiederum trinkt in der "arabischen Bar" und geht mit der blonden Bedienung nach oben (weil sie Cous Cous kochen kann). Fassbinder selbst war ein Aussenseiter: Klein, dicklich und schwul. Man mag viel Selbstreflexion in Angst essen Seele auf bemerken, aber auch Selbstkritik: Vor allem, wenn Emmi einfach wieder die Vorurteile der Gesellschaft gegenüber Ausländern übernimmt (es lebt sich friedlicher und leichter so). An vielen Stellen ist Angst essen Seele auf auch ironisch: Der erste Ehemann von Emmi Kurowski war immerhin Pole. Schliesslich umschmeichelt auch der Krämer Emmi wieder, in sein Geschäft zu kommen (schliesslich braucht er sie als Kundin). Alis Seitensprung mit der Barbedienung hat auch eher eine traurige als leidenschaftliche Note: Er vermisst das Cous Cous seiner Heimat. Angst essen Seele auf ist eine Redewendung der Araber, die mit der Angst im fremden Land leben. Emmi erkennt schliesslich, beide müssten nett zueiander sein, solange sie zusammen sind. Ich denke, dass Fassbinder die Bedeutung des Titels instinktiv verstanden hat und deshalb den Film so schnell gedreht, um nicht von der Wahrheit abzuweichen. Ich denke, dass Angst essen Seele auf sein grösster Film geworden ist. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/thumb/e/e5/Alifeareats.jpg/220px-Alifeareats.jpg)

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