Donnerstag, 22. Dezember 2016

youtube: Saturday Night Fever


Am schönsten ist die Szene, in der Tony Manero (John Travolta) und Stephanie (Karen Lynn Gorney) an der Brooklyn Bridge sitzen. Tony weiss alles über diese Brücke; wie hoch sie ist und wieviel Beton verbaut wurde. Wir erleben das ewige Motiv eines Mannes, der entfliehen will. Tony träumt von der anderen Seite der Brücke, dort wo das Leben viel angenehmer sein muss! Stephanie hat seines charakterisiert: Tony lebt bei den Eltern, hängt mit seinen Kumpels rum, tanzt Samstag Nacht im 2001 - ein wandelndes Klischee. Tony weiss, dass sie Recht hat. Sein Leben kann man wohl als unfertig bezeichnen und Saturday Night Fever ist vor allem ein trauriger Film. In Erinnerung aber behalten wir Tonys bewegten Gang auf dem New Yorker Gehweg und seinen Tanz, ganz allein, in der Mitte der Tanzfläche. Travoltas Spiel, einfach wunderbar und sehr liebenswert! Gleich die ersten Sequenzen runden seine Person ab. Draussen achtet er darauf, mit glänzenden neuen Schuhen gesehen zu werden; zu Hause aber wird er immer noch wie ein Kind behandelt. Tony bekommt eine Lohnerhöhung von vier Dollar. Für ihn ist das ausserhalb der Tanzfläche die bisher einzige Anerkennung in seinem Leben - für seinen (arbeitslosen) Vater ein schlechter Witz. In seinem Zimmer aber betrachtet sich Tony im Spiegel, glättet sein Haar, stript sogar für sich selbst. Die Poster seiner Helden kleben an der Wand. Während des Abendessens schlägt ihn der Vater, ruiniert Tonys Frisur: "I work a long time on my hair, and you hit it!''. Zu Hause, da ist Tony gefangen und seine Eltern bewundern ausschliesslich den Bruder Father Frank Jr., der Priester geworden ist (wir befinden uns immerhin bei Italo-Amerikanern!). Der Plot wird bestimmt durch Tonys Entscheidung für Annette (Donna Pescow), das Mädchen, das ihn liebt oder Stephanie (Karen Lynn Gorney), die für ihn Manhattan repräsentiert. Stephanie hat ein eigenes Apartment und trifft für die Arbeit richtig berühmte Leute (Paul Anka!). In Wahrheit hat sie aber auch nur gelernt, als Sekretärin zu arbeiten. Im Grunde ist Stephanie eine aufgedonnerte Version von Annette. Ich hielt Annette für die bessere Wahl, Tony jedoch nicht. Er ist von Stephanies Glamour geblendet und im Grunde hat er sowieso keine Erfahrungen mit Frauen. Wir erleben ihn sogar, wie er unbeholfen versucht, Stephanie im Auto zu überwältigen. Später werden wir in der schrecklichsten Szene Zeuge, wie Annette von seinen Freunden vergewaltigt wird. Saturday Night Fever ist weit davon entfernt, ein perfekter Film zu sein (manchmal empfand ich ihn sogar als ziemlich peinlich!). Insbesondere die Geschichte um den Bruder Father Frank Jr. ist doch recht dürftig: Der Bruder kehrt heim, hat ein fast theologisches Gespräch mit Tony, teilt der Familie mit, er wolle kein Priester mehr sein, geht einmal mit in die Disco und verschwindet dann. Aus der Disco und aus dem Film. Erstaunlich auch, wie wenig Raum der grosse Tanz-Wettbewerb einnimmt! Das Happy Ending wiederum macht uns Hoffnung auf eine bessere Zukunft für Tony und Stephanie, ohne aber die Probleme der Vergangenheit noch zu berücksichtigen. Trotzdem: Wie Tony Stephanie erklärt, er würde gerne versuchen, ein guter Freund von ihr zu sein - das ist herzergreifend! Saturday Night Fever ist eine grosse Liebesgeschichte! Überhaupt Tonys Träume! Auf der Tanzfläche sind all seine Problem vergessen und alles, was sein Leben abwertet. Hier ist Tony überlebensgross! Ein netter Junge, der für einen Moment seinen Traum leben darf! Tony macht Fehler, er tastet sich voran, er sagt immerzu das Falsche. Nur in dem Moment, da er das tut, was er wirklich liebt (Tanzen!) wächst er über sich hinaus. Übrigens wählt Tony auch seine Partnerin danach, ob sie gut tanzen kann. Er verzichtet sogar auf seinen Sieg beim Wettbewerb zugunsten eines Paares aus Puerto Rico. In Tonys Selbstverständnis war dieses Paar einfach besser. Seinen eigenen Sieg erklärt er damit, dass in diesem Viertel alles Fremde abgelehnt wird! Das eigene Leben dem zu opfern, was man wirklich liebt! Davon handelt Saturday Night Fever. Welcher Film hat eine schönere Botschaft?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen