Montag, 29. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Docu - The Revenant


Our Daily Free Stream: Docu - The Revenant. Wer über The Revenant diskutiert, greift bald darauf zurück, wie fantastisch die Kamera sei und wie toll der Film gemacht wäre. Leonardo DiCaprio bekam mit The Revenant seinen ersten Oscar für die Vorstellung unendlichen Leids. Herzlich Glückwunsch für den Oscar mit dieser Doku über The Revenant! - Wirklich grosse Filme besitzen die Kraft, das Unglaubliche glaubhahft zu vermitteln. Während wir gemütlich auf unserer Couch sitzen, müssen die Protagonisten Qualen und Leid durchstehen, das wir kaum nachvollziehen können. Viel zu oft aber durchschauen wir diese Manipulation, weil die Schauspieler ihre Rolle nicht ausfüllen. Es wirkt gemacht. Alejandro Gonzalez Iñárritus The Revenant aber nimmt uns mit in eine andere Zeit, behält sich aber auch vor, ein Kunstwerk zu bleiben. Wir sehen The Revenant nicht einfach, wir erleben den Film. Wir verlassen das Kino, sind überwältigt von der Kunst des Filmemachens, die Iñárritu vorführt, aber eben auch dankbar für unseren eigenen Lebens-Komfort. Früh wird uns bewusst, welchen Ton The Revenant anschlägt: Wir überleben einen Überfall von Native Americans auf eine Gruppe Trapper. Die Eingeborenen werden nicht als Feinde vorgeführt, sondern als fesselnde Kraft der Natur. Pfeile sausen durch die Luft, verwundetes Fleisch der Verletzten überall, die Kamera mitten im Getümmel. Wir erfahren, dass der Stamm die entführte Tochter des Häuptlings sucht und jeden tötet, der sich ihm in den Weg stellt. Im selben Moment sehen wir, dass einer der Trapper, Hugh Glass (Leonardo DiCaprio), einen Eingeborenen als Sohn adoptiert hat. Der Anführer der Trapper, Andrew Henry (Domhnall Gleeson), ordnet an, dass die Gruppe zurück kehren muss zur Basis. John Fitzgerald (Tom Hardy) widerspricht, weil er seine Felle retten will. Der Keim der Zwietracht ist gesät. Fitzgerald traut weder Henry noch Glass. Der Höhepunkt des Films: Glass wird von einem Bären attackiert und lebensbedrohlich verletzt. Lange habe ich keine solch erschreckende Szene gesehen, die mein Herz so zum Rasen brachte! Es scheint, als ob es Glass nicht schaffen könnte, zur Basis zurückzukehren. Mit den Eingeborenen im Rücken, beschliesst die Gruppe, sich zu trennen. Fitzgerald soll auf Glass aufpassen und ihm ein angemessenes Begräbnis ermöglichen. Gemeinsam mit Glass und dessen Sohn bleibt er zurück, begleitet von einem jungen Mann, Bridger (Will Poulter), der Glass bewundert. Fitzgerald soll einen Mann bewachen, dessen Tod ihm egal ist. Er tötet den Adoptiv-Sohn und begräbt Glass lebendig. Doch Glass überlebt, fast scheint es, als stünde er von den Toten auf (das meint der Film-Titel The Revenant). Er dürstet nach Rache, kämpft sich mit kaputten Knochen, ohne Nahrung durch den Schnee, um den Mann zu kriegen, der seinen Sohn tötete. Im Grunde ist er ein Geist, unwillig, auf die andere Seite zu wechseln, bevor nicht Gerechtigkeit ausgeübt wurde. Kamerammann Emmanuel Lubezki begleitet die qualvolle Reise, indem er die unmenschlichen Bedingungen zeigt, aber eben auch seine grosse handwerkliche Kunst: Der Horizont scheint endlos, der Himmel stets in Bewegung. Lubezki arbeitet mit den Farben der Natur, die aber doch verstärkt werden: Sein Schnee wirkt weisser als in der Realität, der Himmel blauer. Während der zweiten Hälfte gestaltet er die Reise zunehmend mystischer. An dieser Stelle schwankt der Film, wirkt ziellos und ausschweifend. Sicher ist es faszinierend, einen Mann zu erleben, der unwillig ist zu sterben. Mann hätte das aber straffer und effektiver erzählen können. The Revenant ist letztlich ein klassischer Abenteuer-Film, nur wird uns ein Showdown vorenthalten. Die Höhepunkt finden während der ersten Minuten statt, ein Aufbau nicht erkennbar. Wie steht es mit DiCaprios längst fälligen Oscar? Sein Spiel in The Revenant hätte weniger gute Schauspieler überfordert. Der absolute Überlebenswille, seine Konzentration - wir glauben DiCaprios Figur, dass sie nicht aufgeben wird. Leider erlaubt ihm die Regie weniger als zwei Gesichtsausdrücke, wie spätestens ab der 100 (!) Minute auffällt. DiCaprio, ein Superheld, der Abhänge herunterstürzt, in aufgebrochenen Pferde Kadavern schläft und schlicht unsterblich scheint. Tom Hardy mit rollenden Augen, spielt wenig überzeigend einen klassischen Schurken. Was würdest du für Rache opfern? Welche Hindernisse würdest du überwinden, sie zu bekommen? The Revenant hat die Kraft, diese Fragen zu stellen, gefällt sich aber zu gut als mystische Sinnsuche. (wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://www.trbimg.com/img-567b776c/turbine/la-la-ca-1225-the-revenant-movie01-jpg-20151223/650/650x366)

Sonntag, 28. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Danny Boyle / Leonardo DiCaprio - The Beach.


Our Daily Free Stream: Danny Boyle / Leonardo DiCaprio - The Beach. DiCaprio soll heute den Oscar bekommen, denn er ist der beste und wandlungsfähigste Schauspieler seiner Generation! Deshalb zeigen wir heute The Beach: The Beach ist ein Film, der ziemlich durcheinander geraten ist. Einige Male scheint er sich anzustrengen, ein besserer Film zu werden. Jedes Mal nimmt er diese Anstrengung anschliessend wieder zurück. Leonardo DiCaprios Figur Richard hat all seine Facetten gezeigt, seine Ziele sind uns bewusst. Immer, wenn er aber am Ziel angelangt scheint, hält der Film eine weitere Hürde für ihn parat. DiCaprio führt uns in das Geschehen ein durch einen Monolog, der irgendwie wie aus einem Kriegsfilm entliehen klingt. Dabei ist er doch nur ein Rucksack Reisender auf dem Weg nach Bangkok. Im Hotel hört er von einem abgelegenen Strand, wie ein Paradies. DiCaprio, der Richard spielt, lernt im Hotel noch mehr Gäste kennen, die zu diesem Strand wollen. Ein französisches Paar, Francoise (Virginie Ledoyen) und Etienne (Guillaume Canet), begleitet ihn. Was wird geschehen? - The Beach ist ein Film, in dem Touristen von bewaffneten Guerillas durch ein Mariuanha Feld gejagt werden und Richard Augenkontakt mit einem Hai aufnehmen wird. Hört sich das an wie Füll-Material? Doch noch sind Richard und das französische Paar aber ganz am Anfang ihrer Reise. Tatsächlich finden sie den geheimnisvollen Strand. Dort hat sich eine Hippie Kommune unter der Herrschaft von Sal (Tilda Swinton) angesiedelt. Es ist das Paradies, nur die Lust auf Francoise lenkt Richard davon ab. Befinden wir uns also in einer Menage A Trois? Nein, denn Francoise einmal begehrt, wird später einfach vergessen. Es gibt Sex-Szenen, aber die sind nicht wichtig für den Film (ausser dass ich nun feststellen musste, dass The Beach die Qualitäten eines Insel Liebesfilms der 80er angenommen hatte). Weitere Sequenzen fallen in die Kategorie der vermeintlich guten Ideen; so erleben wir Richard, der agiert wie in einem Computerspiel und die Landschaft erscheint genauso animiert. Das kommt unverhofft und ziemlich bekloppt. Wesentlich ist die Entwicklung Richards von einem netten amerikanischen Touristen zu einem selbstbezogenen Tarzan. Eine so einfallsarme Geschichte braucht viel Action, um nicht zu langweilen (man erinnere sich an die Begegnung Richards mit einem Hai). Wir bewegen uns in einem Mix aus Action Film, Hippie Resignation nach dem verlorenen Paradies und der Erinnerung an bessere Zeiten... Man stelle sich vor, wir sässen mit am Tisch, an dem das Studio diesen Film konzipiert: The Beach scheint mir wie eine Abschrift aller Einwände und Diskussionen darüber. Ein fertiger Film ist es noch lange nicht. Man muss dazu wissen, dass die Erwartungshaltung an den Regisseur Danny Boyle enorm war: Er galt damals als das britische Wunderkind, der verantwortlich war für eine britische Neue Welle. Erinnert sich noch jemand an die Sticker "Buy British", die auf Filmen und CDs in den 90ern klebten? Zu der Zeit lag in jeder guten Studenten Küche der Roman The Beach von Alex Garland. Jeder hatte das Buch gelesen und war gespannt auf die Verfilmung. Heute wissen wir: Danny Boyle ist ein guter Regisseur. Damals war ich ziemlich verwirrt, dass er sich zu solch einem postmodernen Schnickschnack hinreissen liess. The Beach endet als Abgesang. Einer der Hippies wird von einem Hai gebissen. Sal weigert sich, Hilfe zu holen, da sie ihr Paradies beschützen will. Der Verletzte fungiert nun als die dunkle albtraumartige Seite der Kommune. Hier klingt ein anderer, viel düsterer Film an - wobei dieser Erzählstrang auch nicht weiter verfolgt wird. Vermutlich rührt das daher, weil wir das Geschehen immer nur durch Richards Perspektive erleben und niemand in der Gruppe als Charakter wirklich interessiert. DiCaprio war damals der neue grosse Star Hollywoods und man wollte wohl den Zuschauern viel DiCaprio für ihr Geld zeigen. In einem klügeren Film könnte seine narzistische Figur allein im Wald enden mit Schreien, die niemand vernimmt... (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://images.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fcdn.theatlantic.com%2Fassets%2Fmedia%2Fimg%2Fmt%2F2015%2F02%2Fthe_beachpng%2Flead_large.png%253F1430146618&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.theatlantic.com%2Fentertainment%2Farchive%2F2015%2F02%2F15-years-later-the-beach-may-be-leonardo-dicaprios-bravest-film%2F385357%2F&h=341&w=615&tbnid=wZT4qQ0aR91y-M%3A&docid=z3rqs2yMq8bjgM&ei=0e3SVpzUGYzP6ATgpJDoAg&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=1129&page=1&start=0&ndsp=20&ved=0ahUKEwjcgMOqwJrLAhWMJ5oKHWASBC0QrQMIWjAN)

Samstag, 27. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Transamerica.


Our Daily Free Stream: Transamerica. Am 8.3. beginnt die dritte Berlin Feminist Film Week im Babylon mitte, Schwuz und anderswo. Deshalb zeigen wir heute: Transamerica führt Felicity Huffman vor als Mann, die sich gezwungen fühlt, zur Frau zu werden. Nur eine Woche nach der Operation erfährt Bree (so heisst sie nun), dass sie 17 Jahre zuvor Vater geworden war. "There was this one girl in college," erinnert sich Bree, weist aber auch darauf hin, dass die ganze Geschichte so tragisch lesbisch war, dass sie nicht zählen würde. Nun aber zählt sie: Bree muss ihren Sohn kennen lernen und tritt eine Reise an von L.A. nach New York. Dort lernt sie Toby (Kevin Zegers) kennen, der gerne Porno-Star werden möchte. Diese Karrierewahl ist peinlich für Bree, eine damenhafte Konservative der "Middleclass". Sie überredet Tobey, mit ihr nach L.A. zurückzufahren. Ich vermute, die meisten Transgender Menschen haben wenig Interesse an Homosexualität. Bree hat überhauppt nur wenig Sex, da sie das Geld für ihre Operation mit zwei Jobs verdient. Eine besonders aufregende Person ist Bree sowieso nicht. Sie verwendet viel Zeit darauf, Tobeys Grammatik zu verbessern und ist gekleidet wie eine Hausfrau. Ein leiser Anflug von Humor liegt über Transamerica, obwohl der Film weniger eine Komödie darstellt als eine Betrachtung der menschlichen Natur. Es gibt eine schöne Randnotiz, denn Calvin Two Goats (Graham Greene) verliebt sich in Bree. Er ist ein Native American und Bree bemerkt, dass Calvin als Aussenseiter sich so etwas erlauben könnte - im Gegensatz zur amerikanischen Middleclass? Felicity Huffmans Bree erzeugt so grosse Empathie bei mir, dass der Film funktioniert. Sie ist nicht der Mensch, der viel Wirbel veranstalten möchte. Bree wolte einfach raus aus dem Körper, der nicht zu ihr passte und wird nun von einem undankbaren Sohn begleitet. Ursprünglich wollte sie sogar verheimlichen, dass sie umoperiert wurde und Tobeys biologischer Vater ist... Wir lernen noch weitere Figuren auf dem Weg kennen, so Brees unangenehme Schwester (Carrie Preston) und ihre vulgären Eltern. Um dieser Familie zu entfliehen, nähert sich Tobey doch Bree an. Duncan Tuckers Roadmovie funktioniert einfach dadurch, dass Bree beharrlich und geduldig ist. Wäre sie wilder und aussergewöhnlicher, der Film wäre wohl gekippt. Bree ist konventionell und dadurch gewinnt Transamerica an Tiefe. Man bedenke; auch für Bree ist alles neu. So lange hat sie gewartet, sich in ein Mädchen zu verwandeln, nun ist sie gleich zur Mutter geworden. Bree ist aber vor allem ein guter Mensch. Transamerica ist daher auch kein Film über Sexualität, sondern ein Familien-Film. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://3.bp.blogspot.com/-IMfOyeqm9pE/TaCB7B5ATPI/AAAAAAAACCo/xi4t5aO-oOg/s1600/transamerica2.jpg)

Freitag, 26. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Vera Chytilova - Daisies (engl. subt.). 


Our Daily Free Stream: Vera Chytilova - Daisies (engl. subt.). In der Filmkunstbar Fitzcarraldo beginnt die Woche der Nouvelle Vague in Tschechien, Polen und Ungarn während der 60er. Deshalb zeigen wir heute Daisies: Nicht viele Filme handeln vom Nihilismus, die so süss und albern sind wie Daisies. Vielleicht liegts an diesem Mangel an Ernsthaftigkeit, der Daisies davor bewahrt hat, in den seriösen Kanon der Filmklassiker aufgenommen zu werden? Vera Chytilova hat die psychodelische feministische Farce (existiert dieses Genre überhaupt?) 1966 in Prag gedreht. Wir folgen Marie I und Marie II, die ausgelassen und liebenswürdig ein Chaos veranstalten mit den Sitten und Gebräuchen, die so eine Gesellschaft uns auferlegt. Die Beiden glauben, dass der einzige Weg, sich in einer verdorbenen Welt zu bewegen, der ist, auch verdorben zu sein. Deshalb stören und verzerren sie jede Situation, in die sie geraten. Wer nun bezweifelt, dass Daisies nicht auch den Weg zu absoluter Freiheit weisen könnte, der irrt: Vera Chytilovas experimenteller Ansatz stellt kein Hindernis dar, für die politisch philosophische Botschaft von Daisies - bietet aber trotzdem viel Spass! Das ist einer dieser Filme, denen du dich am besten ganz anpasst, um möglichst viel davon mitzunehmen. Wenig Zugeständnisse werden gemacht an den Zuschauer, immerhin gibts aber durchgängig was zu lachen. Verschiedene visuelle Stilrichtungen werden probiert: Manchmal bietet Daisies Animations-Szenen, dann Musical Einlagen, dokumentarisches Archiv-Material und ganz viel Slapstick. Alles frei, alles in der Schwebe - radikal genug um in der CSSR verboten worden zu sein. Klar, heute wirkt das natürlich wie eine Auszeichnung!
in Cinema: Mustang (Original + germ. subt.)

 in Cinema: Mustang (Original + germ. subt.), Babylon Kreuzberg, Dresdener Str. 126, 18.00, 20.15, 22.30.
 Deniz Gamze Ergüven wurde mit ihrem Debüt gleich für den Oscar und den Golden Globe nominiert. Alle scheint ihr ganz leicht zu fallen und so wirkt auch ihr Film. Über ihren Bildern liegt Leichtigkeit, so ein flirrendes Sommergefühl! Es ist der letzte Schultag vor den grossen Ferien. Fünf Schwestern - unsere Heldinnen - tollen bereits umher im Meer, jede auf den Schultern eines Jungen. Ganz unbeschwert und vergnügt wirken sie, aber das trügt. Die fünf Mädchen sind eben nicht am Atlantik, sondern im schwarzen Meer in der Türkei. Zu Hause werden sie von der aufgebrachten Grossmutter zur Rede gestellt. Zuviel Temperament, zu viel Leidenschaft! Eine Nachbarin hat sie verpetzt und die elternlosen Mädchen als Huren bezeichnet. Von dem Tag an wird ihr Zuhause zum Gefängnis. Sie dürfen nicht mehr in die Schule, sondern kochen daheim. Jetzt gilt es, möglichst schnell Ehemänner zu finden. Immer schlechtere Erfahrungen machen die Schwestern dabei, immer stärker wird ihr Drang nach Freiheit provoziert. Wir erleben alles aus der Perspektive der Jüngsten, Lale. Sie erwähnt fast beiläufig, dass es wohl das letzte Mal sei, dass sie zusammen wären. Plötzlich legt sich eine düstere Vorahnung auf das Treiben... Doch obwohl der Onkel die Mädchen Nacht für Nacht bewacht - Deniz Gamze Ergüvens Film handelt vom unzähmbaren Geist der Freiheit und der ist typisch für diese Generation (Ergüvens ist sich da sicher!). Ihr ganzer Film ist das Versprechen eines Umbruchs und der wird die Türkei erschüttern.

Donnerstag, 25. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Emir Kusturica - Arizona Dream. 


Akkordeon Musik muss man nicht mögen. Das Akkordeon ist der Inbegriff von Folklore und signalisiert: Hier kommt was Regionales! Ich liebe Akkordeon Musik, weil sie etwas Märchenhaftes hat. In Arizona Dream hört man sehr viel Akkoredeon Musik. Ein Song heisst Besame Mucho und wir hören ihn immer und immer wieder. Ich konnte diese musikalische Schleife aber verzeiehen, heisst doch die Spielerin Lili Taylor, stets mit einer Zigarette, locker im Mundwinkel. Hier kommt ein Film mit wundervollen Ansichten: Schildkröten, die durch Fleischklösschen kriechen. Der Selbstmord eines Bungee Seils. Johnny Depp. Ein Hund, der einen Mann vor dem Tod in der Arktis rettet. Die Wangenknochen von Faye Dunaway. Jerry Lewis. Hier ist ein Rettungswagen zum Mond im Bereich des Möglichen. Das Hollywood Establishment hat Jahre gebraucht, um ein System zu entwickeln, dass die Industrie vor Filmen wie diesem beschützt. Kusturica hat Arizona Dream dennoch gemacht und der Film ist ungeheuer bekloppt geworden! Niemand, weder wir Zuschauer, noch die Figuren auf der Leinwand, können voraussehen, was als nächstes kommen wird. Kusturicas Welt ist voll von seltsamer Magie. Hier wollen die Menschen fliegen und manchmal können sie es auch. Exzentrik wird belohnt! Bis zu Arizona Dream hatte ich geglaubt, Kusturicas Zauber sei nur in Filmen möglich, die in seiner Heimat spielen: Jugoslawien. Er findet diese Reize aber auch in Arizona. Womöglich liegt das auch an der Akkordeon Musik? Johnny Depp spielt einen Fischverkäufer aus New York: "Most people think I count fish, but I don't. I listen to their dreams." Sein Cousin Paul (Vincent Gallo) überredet ihn dazu, nach Arizona zu kommen, um in das Autogeschäft des Onkels Leo (Jerry Lewis) einzusteigen in der Nähe von Tucson. Eigentlich mag er Onkel Leo nicht, da der den Geruch von billigem Eau De Cologne ausstrahlen würde und hat nicht vor, lange zu bleiben. Als er aber die reiche Witwe Elaine (Faye Dunaway) erblickt, geschieht so etwas wie eine Anziehung, die gravitativ wirkt. Er verbringt seine Zeit auf der Ranch voll glühender Lust, während die Tochter von Elaine (Lilli Taylor) Akkordeon spielt. Was nun geschieht? Rettungswagen, Schildkröten, der Selbstmord eines Yo-Yos... Kusturica hat seine ganz eigene Vision von der Welt. Die ist komplett verrückt und womöglich besser geeignet für ein geduldiges Publikum aus früheren Zeiten als für diejenigen, die möglichst viel Bewegung für ihr Geld sehen wollen. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung). (Bild: http://www.zastavki.com/pictures/originals/2013/Movies_Arizona_Dream_054421_.jpg)

Mittwoch, 24. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Fear Eats Soul (engl. subt.). 

 Our Daily Free Stream: Fear Eats Soul (engl. subt.). In ihrer 2015 fertig gestellten Doku Fassbinder versucht Annekatrin Hendel einen Blick auf den grössten deutschen Filmemacher zu werfen. Vielleicht gelingt das aber auch, indem wir einfach seinen besten Film noch einmal sehen: Angst essen Seele auf - Bereits die Eröffnungs-Szene gibt das Thema vor: Sie gegen uns. Eine ältere Frau, einfach gekleidet und etwas pummelig, geht in eine Bar und setzt sich an den Tisch in der Ecke. Sie bestellt eine Cola. Eine Gruppe von Gästen starrt hinüber zu ihr. Die Kamera verdeutlicht uns die Distanz zwischen ihr und der Gruppe. Die blonde Barbedienung bittet einen arabischen Kunden, mit der Dame zu tanzen. Er kommt dem Wunsch nach, während die Anderen starren... Angst essen Seele auf ist ein Film über diese beiden Menschen: Emmi Kurowski (Brigitte Mira), eine etwa 60jährige Witwe, die als Putzfrau arbeitet und deren Kinder sie meiden. Ali (El Hedi ben Salem) ist ein "Gastarbeiter" um die 40, ein Mechaniker aus Marokko. Mit fünf Männern lebt er gemeinsam in einem Raum und kann sein Leben einfach beschreiben: Immer Arbeit, immer betrunken. Ali ist nicht einmal sein richtiger Name, doch in Deutschland 1974 heissen vermutlich alle dunkelhäutigen Gastarbeiter Ali (und heute?). Rainer Werner Fassbinder erzählt ihre Geschichte knapp - den Film hat er in zwei Wochen abgedreht. Inspiriert durch einen Hollywood Klassiker von D. Sirk, den Fassbinder immer bewunderte. Fassbinder aber lässt alle Höhen und Tiefen des Vorbildes weg und übernimmt nur die stille Verzweiflung (er war der Ansicht, Hollywood Filme seien zwar phantastisch, jedoch verlogen). Angst essen Seele auf ist ausgesprochen kraftvoll, weil der Film so simpel funktioniert. Die beiden Hauptfiguren sind zwar aufgrund ihres Alters und ihrer Herkunft voneinander getrennt, haben aber eine Sache gemein: Sie mögen sich - in einer Welt, die kalt ist und gleichgültig. Schüchtern gesteht Emmi, dass sie Gebäude-Reinigungskraft ist und dass viele deshalb auf sie herab sehen würden. Ali entgegnet nur: Deutscher Herr, arabischer Hund. In vielen Fassbinder Filmen spielt der Sex eine gewisse zynische Rolle und dient zur gegenseitigen Ausbeutung. In Angst essen Seele auf aber beruht alles auf Zärtlichkeit. Oft begleitet der Marokkaner die Putzfrau nach Hause. Es regnet und sie lädt ihn auf einen Kaffee ein. Sein Heimweg mit dem Bus dauer sehr lang. Sie fragt ihn, ob er die Nacht bei ihr verbringen möchte. Er kann nicht schlafen, möchte reden. Sie schlägt ihm vor, an ihrem Bettrand zu sitzen. Als ich den Film wieder sah, fiel mir auf, dass er in dieser Szene zum ersten Mal ihre Hand hält und auch den Arm streichelt. Am nächsten Tag betrachtet sie sich im Spiegel. Natürlich weiss Emmi, dass sie alt ist. Wir erleben einen Ausschnitt aus ihrer Welt. Die Kolleginnen tratschen darüber, wie verdreckt die "Gastarbeiter" doch seien. Emmi verteidigt indirekt und macht darauf aufmerksam, dass sie wenigstens arbeiten. Einfach, indem sie zusammen sind, erzürnen Emmi und Ali jeden, der sie sieht. Der Krämer auf der anderen Strassenseiter benimmt sich unflätig gegenüber Ali, der Kellner im Restaurant ist distanziert. Am denkürdigsten die Szene, in der Emmi ihren Kindern erzählt, sie hätte wieder geheiratet. Schockierte Blicke, schliesslich schlägt ihr Sohn Bruno auf seinen Fernseher. Emmi und Ali leben zufrieden zusammen, doch innerhalb einer vergifteten Gesellschaft. Schliesslich beginnen die anderen Putzfrauen, Ali zu nicht mehr zu beleidigen. Emmi lässt die Frauen Alis starke Muskeln anfassen. Die Nachbarn freuen sich, dass Emmis neuer Mann Möbel tragen hilft. Als die neue jugoslawische Putzfrau ihre Arbeit beginnt, wenden sich Emmi und ihre Kolleginnen von der neuen Ausländerin ab. Ali wiederum trinkt in der "arabischen Bar" und geht mit der blonden Bedienung nach oben (weil sie Cous Cous kochen kann). Fassbinder selbst war ein Aussenseiter: Klein, dicklich und schwul. Man mag viel Selbstreflexion in Angst essen Seele auf bemerken, aber auch Selbstkritik: Vor allem, wenn Emmi einfach wieder die Vorurteile der Gesellschaft gegenüber Ausländern übernimmt (es lebt sich friedlicher und leichter so). An vielen Stellen ist Angst essen Seele auf auch ironisch: Der erste Ehemann von Emmi Kurowski war immerhin Pole. Schliesslich umschmeichelt auch der Krämer Emmi wieder, in sein Geschäft zu kommen (schliesslich braucht er sie als Kundin). Alis Seitensprung mit der Barbedienung hat auch eher eine traurige als leidenschaftliche Note: Er vermisst das Cous Cous seiner Heimat. Angst essen Seele auf ist eine Redewendung der Araber, die mit der Angst im fremden Land leben. Emmi erkennt schliesslich, beide müssten nett zueiander sein, solange sie zusammen sind. Ich denke, dass Fassbinder die Bedeutung des Titels instinktiv verstanden hat und deshalb den Film so schnell gedreht, um nicht von der Wahrheit abzuweichen. Ich denke, dass Angst essen Seele auf sein grösster Film geworden ist. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/thumb/e/e5/Alifeareats.jpg/220px-Alifeareats.jpg)

Dienstag, 23. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Luis Bunuel - The Phantom Of Liberty (french with germ. subt.).

Our Daily Free Stream: Luis Bunuel - The Phantom Of Liberty (french with germ. subt.). Zum Geburtstag Luis Bunuels seine Komödie The Phantom Of Liberty: Alles geriet auf die schiefe Bahn als Napoleon 1908 in Spanien einfiel. Die Soldaten erschossen alle, die nicht befreit werden wollten. "Nieder mit der Freiheit" propagierten sie, so erklärt es uns Bunuel in seiner wilden Komödie. Nach einer typischen Szene von Bunuels Surrealismus, in der ein Soldat eine Frau aus Marmor umarmt und auf den Kopf geschlagen wird von dem Ehemann der Skulptur, springt der Film ins gegenwärtige Frankreich. Le fantôme de la liberté erzählt aber nicht eine Geschichte, sondern lässt uns schwindeln mit vielen kleinen Handlungssträngen und Zufällen. So schnell wechselt Bunuel in die nächste Episode, dass man die vorige kaum für sich geordnet hat. Wegen der Krise treten zuerst wahnsinnige und verdammte Charaktere auf - nachdem die Krise aber als Paradox enthüllt wird, wechseln die Figuren einfach. Ein Versuch, das zu beschreiben: Alles greift ineinander über und ist doch voneinander abgekoppelt. Der Film aber ist dennoch übersichtlich durch die erhöhte Realität eines Traumes. Mit 75 Jahren hat Bunuel seinen Stil noch einmal verfeinert und neue Wege gefunden, seinen Obsessionen Ausdruck zu verleihen (man denke an das schlimme Alterswerk anderer Filmemacher!). Im Grunde aber benutzt Le fantôme de la liberté die typischen Vorurteile und Fetisches Bunuels, bietet Variationen seines Themas: In einer Welt, in der die Freiheit bröckelt, ist Anarchie der einzig logische Schritt. In fast allen Bunuel Filmen gibt es Spuren eines schuldbewussten Sadomasochismus. Oft verlangen seine erwachsenen Charaktere danach, kleine Jungs oder Mädchen zu sein. Er inszeniert das mit so exaktem Timing und offenem Hohn in Richtung korrekten Anstandes, das wir lachen müssen. In der schönsten Szene beten vier Affen für den kranken Vater einer Frau. Man lädt sie ein, die Frau und die Affen. Ihre Gastgeber, ein Mann und seine Frau, verschwinden. Nach kurzer Zeit tauchen sie wieder auf im Fetisch-Kostüm, ausgerüstet mit einer Peitsche. Die schockierten Gäste rennen davon und das Fetisch Opfer fragt traurig, ob nicht wenigstens die Affen bleiben dürfen? In einer weiteren Szene tritt ein verurteilter Massenmörder auf, der Autogramme unterzeichnet. Dann erleben wir ein Mädchen, das die Schule schwänzt, obwohl sie offensichtlich im Klassenraum sitzt... Es ist imponierend, wie uns Bunuel von einer bekloppten Parabel zur nächsten führt. Wir würden gerne mal Luft holen, aber das ist unmöglich. Mit unausweichlicher Logik werden wir bereits zum nächsten Bild geleitet. Logik? Eigentlich doch nicht! Das aber ist ein Mängel der Freiheit. Sofern die Menschen Freiheit wünschen, sollten sie auf alles gefasst sein. Aus diesem Grund ist Le fantôme de la liberté eine Tour De Force aus unmöglichen Komplikationen und Widersprüchen. Ich musste oft lachen, aber es tat auch weh. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://thefilmstage.com/wp-content/uploads/2014/08/phantom-of-liberty.jpg)

Montag, 22. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Respiro (engl. subt.)


Our Daily Free Stream: Respiro (engl. subt.). Gianfranco Rosis Dokumentarfilm Fuocoammare hat den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen. Ein wirklicher Aussenseiter, der das Leben auf Lampedusa während der "Flüchtlings-Krise" schildert. Deshalb zeigen wir heute einen Spielfilm, der 2003 vor den heutigen Ereignissen spielt: Respiro (Lampedusa): Es stimmt etwas nicht mit Grazia. Alle Einwohner des kleinen Dorfes sind sich da einig, schliesslich auch ihr Ehemann. Sie soll nach Mailand gebracht werden, damit ein Arzt ihr helfen kann. Grazia aber läuft davon und das Gerücht geht um, sie sei ertrunken im Meer. Zuvor reagierte man im dorf ausgesprochen wütend, weil Grazia eine alte Ruine aufbrach, in der Dutzende sträunender Hunde gefangen waren. Die Hunde rennen nun auf den Strassen umher. Die Männer steigen auf ihre Dächer, um die Hunde zu erschiessen. In diesem Moment wird der Beschluss gefasst, dass Grazia nach Mailand muss. Das Dorf liegt auf der Insel Lampedusa, im Süden Italiens, nicht weit von Tunesien. Im Grunde erleben wir im Film das Leben auf der Insel, bevor die sogenannte "Flüchtlings-Krise" über Lampedusa hereinbrach (der Film kam 2003 ins Kino). Fisch und Konservieren sind die lokalen Industrien. Jeder lebt vom anderen, ein Kreislauf. Wir sehen, wie die Sonne brennt auf eine Landschaft aus Fels und Sand, den endlosen Himmel und das Meer. Die Häuser im Dorf sind sandfarben, überall spielen Kinder und stehen Vespas herum. In dieser Welt ist Grazia (Valeria Golino) eine Legende. Sie sieht immer noch jung aus, obwohl sie Mutter dreier Kinder ist. Ihr Mann heisst Pietro (Vincenzo Amato), ein gutaussehender Fischer. Er versteht seine Frau, doch auch er reagiert verstört als er sie nackt beim Baden sieht mit den Kindern. Schliesslich ist es ihr Sohn Pasquale (Francesco Casisa), der verlangt, sie solle ihre Kleider wieder aufnehmen und nach Hause kommen. Pasquale versucht die Mutter zu beschützen. Ich denke, wir können sie als manisch depressiv beschreiben, wobei sie sich meistens im Zustand des wilden Ausbruchs befindet: Zu fröhlich, zu unkontrolliert, mit allzu heftiger Begeisterung. Der Film von Emanuele Crialese bietet nicht nur die Geschichte Grazias, sondern beweist ein feines Gespür für das Leben auf Lampedusa. Wir erleben genauso intensiv die Entwicklung ihrer Kinder, wie sie anfangen, erwachsen zu werden, zu flirten und die Liebe zu entdecken. Es ist deshalb umso trauriger, mit anzusehen, wie Grazia verschwindet (nicht ertrinkt, sondern davon läuft). Pasquale hilft ihr bei diesem Betrug während ihr zweiter Sohn Pietro am Strand trauert: Nicht unweit von Pietro versteckt sich Grazia in einer Grotte. Wie kann sie als Mutter etwas derart Herzloses tun? - Weil die den Arzt in Mailand wirklich braucht. Der Film folgt Grazia in ihre Welt und sieht nicht nur das Unvermeidbare (sie ist krank!), sondern auch das Poetische darin. Respiro ist dabei ein lebensbejahender Film geworden mit sehr viel Energie und starken Charakteren. Manchmal kommt es mir sogar so vor, als wird mentale Krankheit hier mehr als Unterhaltung, denn als Leid vorgeführt. Manchmal kamen mir auch Zweifel, ob solche Menschen wirklich auf Lampedusa leben? Womöglich existieren sie nur für die Länge des Films? Grazia braucht Hilfe, in dem Moment aber, da sie die bekommt, wäre Lampedusa nicht mehr so ein anziehender Ort zum Leben. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://www.sentieriselvaggi.it/wp-content/uploads/public/articoli/2223/Images/respiro.jpg)

Sonntag, 21. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Jim Sheridan - In The Name Of The Father. 


Our Daily Free Stream: Jim Sheridan - In The Name Of The Father. Einer der spannendsten Berlinale Gewinner war das irische Gefängnis-Drama In The Name Of The Father: Man hatte die Guildford Four verleugnet, da dürfte kein Zweifel bestehen. Ein junger ziemlich nichtsnutziger Ire namens Gerry Conlon und drei weitere wurden von der britischen Polizei festgenommen mit der Anklage, ein Pub in Guilford, England in die Luft gejagt zu haben. 1974 verurteilte man sie zu lebenslanger Haft. Immer stärker aber gediehen die Zweifel an dem Urteil, offensichtlich wurde dem Gericht vieles einfach vorenthalten. Schliesslich kippte es 1980. In the Name of the Father erzählt diese Geschichte voller Wut in jedem möglichen Detail. Die Obsession der britischen Polizei wird offensichtlich, schliesslich das Erzwingen von Geständnissen durch Folter. Der Film beruht auf Conlons Biographie, wobei Regisseur Jim Sheridan einige Fakten zugunsten seiner Dramaturgie etwas abänderte: In seiner Fassung erleben wir die Tragödie aufeinander folgender Fehler. Die Eröffnungs-Szene ist dabei wichtig für das Verständnis des gesamten Films: Conlon (Daniel Day-Lewis), ein junger Mann aus Belfast, kommt mit Freunden nach England, schläft in einem besetzten Kabuff, säuft, nimmt Drogen, sucht Arbeit. Ein mustergültiger Staatsbürger sieht anders aus. So erleben wir, wie er eine Prostituierte beraubt, um Alkohol für seine Freunde zu kaufen. Zufällig verbringt er Zeit in Guildford während des Bomben-Attentats auf den Pub. Die IRA ist eine strukturierte Organisation, ein IRA Agent sieht völlig anders aus als Conlon: Keiner von ihnen versucht sich mit der eigenen Arbeit zu bereichern. Für die britische Polizei aber wirkt Conlon verdächtig und nachdem ein sadistischer Ermittler ihn genug gepeinigt hat, ist Conlon eben auch ein Mörder. Aufgrund der Anti-Terror Gesetze der Zeit werden weitere Familienmitglieder Conlons in Haft genommen. Seine Zelle teilt er sich mit seinem Vater Giuseppe. Der Film wirkt so erschütternd, indem er minutiös vorführt, wie ein Unschuldiger dazu gebracht wird, einen Mord zu gestehen. Für Conlon muss alles wie ein kafkaesker Albtraum gewirkt haben, für uns Zuschauer genauso, weil Conlon so ausgesprochen dumm reagiert. Conlons Vater (Pete Postlethwaite) dagegen ist ein hart arbeitender Ire. Er reagiert mit Empörung, während sich Conlon in Selbstmitleid quält. Um ihre Unschuld zu beweisen, arbeiten sie zusammen mit einer hartnäckigen Anwältin (Emma Thompson). Sie recherchiert über Jahre und wird doch immer wieder zurückgeworfen. Am meisten beeindruckt hat mich die Entwicklungsgeschichte Gerry Conlons im Gefängnis. Aus dem Spinner der Anfangsszene entwächst ein gebildeter Mann. Er studiert die Gesetzte und reift dadurch. Am Ende erleben wir einen nüchternen, intelligenten und radikalisierten Menschen. Vieles davon wird ermöglicht durch die Liebe des Vaters zu seinem Sohn. Teilweise wirkten die Jahre im Gefängnis aber auch etwas zu lang. Dialog folgt auf Dialog, wo einige Worte gereicht hätten. Diese Schwächen werden aber wett gemacht durch Daniel Day-Lewis magische Performanz. Heute wissen wir, dass er einer der grössten Schauspieler seiner Generation ist. In The Name Of The Father markiert noch den Anfang dieser Karriere. Immerhin stellt der Film auch eine der wenigen irischen Produktionen dar, die ohne britisches Geld entstanden. In The Name Of The Father war Sheridans und Day-Lewis zweite überaus erfolgreiche Zusammenarbeit - und doch schaffte es Sheridan auch anschliessend kaum, irische Filme ohne britisches Geld herzustellen. In The Name Of The Father - eine Geschichte, die es nicht nötig hat, Handlungs-Sprünge oder Umwege in Kauf zu nehmen. Es ist eine Geschichte, die durch ihre simple Offenheit funktioniert. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://cineplex.media.baselineresearch.com/images/91907/91907_full.jpg)

Samstag, 20. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Ingmar Bergman - Wild Strawberries (engl. subt.).

 Our Daily Free Stream: Ingmar Bergman - Wild Strawberries (engl. subt.). Auch Bergman hat einmal die Berlinale gewonnen mit seinem wohl schönsten Film Smultronstället: Als Ingmar Bergman vor einigen Jahren starb, kamen zum ersten Mal Kunden in die Videothek, die vermehrt nach seinen Filmen fragten. Zuvor war Bergman einer derjenigen, die wie Blei im Regal lagen. Vermutlich liegt so viel Wahrheit in seinen Filmen, dass es schwer fällt, Sympathie aufzubringen? In Bergmans Werk sahen wir immerhin Gott, wie er als Spinne herab schwebte... Der Film von ihm, an den ich mich immer wieder erinnere ist Smultronstället, der sogar ängstlich einige Lacher wagt und eine optimistische Sicht auf das Leben offenbahrt - wie sie eben in Bergmans Humanismus auch möglich ist. Im Zentrum steht ein 76jähriger Professor namens Isak Borg (gespielt vom grossen alten Mann des schwedischen Kinos, dem Regisseur Victor Sjöström). Gemeinsam mit seiner Schwiegertochter reist er von Stockholm nach Lund, um einen Doktortitel zu empfangen. Während der Autofahrt erinnert sich der alte Mann an seine Vergangenheit: An seine Geliebte, die aber den Bruder heiratete und seine eigene glücklose Ehe. Abseits von seinem äusseren Erfolg, fühlt er im Innern etwas Distanziertes, Lebloses. Smultronstället eröffnet mit einer Traum-Sequenz, die schon zum Kanon des Kinos zählt: Ein Gebäude in Stockholm mit verschlagenen Fenstern, eine Uhr ohne Hände, ein nahender Leichenwagen. Die ausgestreckte Hand eines toten Körpers versucht Borg hineinzuziehen. Es gibt noch weitere expressionistische und von Freud beeinflusste Traumbilder, die den alten Mann zeigen, wie er sich selbst wohl sieht. So oft wurde diese Szenen kopiert, dass es fast etwas aufgesetzt wirken mag, sich damit auseinander zu setzen. Der Film aber vermag so viele Emotionen zu wecken, dass etwas "Wissenschaft" gar nicht schadet. Die Verkörperung des Professors durch Victor Sjöström kann nur als transzendent beschrieben werden. Sjöström war der wichtigste Regisseur Schwedens während der Stummfilm-Ära. Er starb mit 80 Jahren, nicht lange, nachdem der Film abgeschlossen war. Sjöströms Werk darf wohl als grösster Einfluss für Bergman bezeichnet werden (Bergman hat sich nie ernsthaft um eine moderne Bildersprache bemüht, die nicht in der Tradition der schwedischen Vorbilder steht). Bergman selbst beschrieb das Ende seines Films folgendermassen: Sjöströms Gesicht im Glanz. Es strahlt Licht aus, wie aus einer anderen Wirklichkeit. Sanft und einfühlsam seine ganze Erscheinung; sein Blick freudig und liebevoll. Ganz so wie ein Rätsel. Später gab Bergman zu, den Charakter als Rechtfertigung seiner selbst vor den eigenen Eltern entworfen zu haben. Sjöström aber habe ihn zu seinem eigenen gemacht. Dennoch: Vor allem drückt der Charakter Borgs Vergebung zwischen Kindern und Eltern aus als auch die verlorenen Möglichkeiten der Jugend. Eine weitere Facette von Smultronstället ist die Fahrt über das schwedische Land - eine Welt der Natur. In gewisser Weise ist es die Schönheit dieser Natur, die Borg leitet. Wie konnte das Leben so verkümmern, so steril werden? Im Grunde hat keine der Figuren in Bergmans Film eine Ahnung, was mit ihr geschehen ist. Borgs Mutter als Beispiel wurde über die Zeit hart und gemein. Borg selbst beginnt sich erst zu hintergragen, nachdem seine Schwiegertochter Marianne (Ingrid Thulin) offen mit ihm spricht. Smultronstället war mir als Film immer so nahe, weil er die Gedanken der Versöhnung und Wiedergutmachung ohne religiöse Metaphern ausspricht. Bergman Film werden übrigens mittlerweile gern und oft verliehen! (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: https://swedenborgsociety.files.wordpress.com/2012/09/3964_wild-strawberries-627.jpg)

Freitag, 19. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Michelangelo Antonioni - La Notte.


Our Daily Free Stream: Michelangelo Antonioni - La Notte. Wir setzen unsere Reihe fort mit den besten Berlinale Gewinnern, wozu selbstververständlich La Notte zählt: Filme von Trägheit, Erschöpfung und Entfremdung - Antonioni hat diesen Stil perfektioniert. Die Kritiker und Filmliebhaber verloren sich in endlosen Debatten über Antonionis Kunst (vermissen wir das nicht alle: Intellektuelle, die unendlich viel Rauch in die Luft blasen, schwarz gekleidet sind und sich beim Espresso über die sperrige Kunst Antonionis auslassen?). La Notte, sein zweiter berühmter Film aber stiess auch auf Ablehnung, ja sogar Hass: Pauline Kael schrieb 1961, welche neuen Erkenntnisse uns nun dieser Film über fehlgeschlagene Kommunikation brächte, wo die Figuren auf der Leinwand nichts von sich geben würden? So erfahren wir gar nichts über ihr Innenleben, ob sie überhaupt etwas zu sagen haben - ob sie sich überhaupt unterhalten könnten? Antonioni erzählt keine konventionellen Geschichten. Er benutzt scheinbare Zufälle, nebensächliche Gründe, um Entwicklungen aufzuzeigen. Folgt er seinen Figuren einfach nur in ihren Widersprüchen und Unachtsamkeiten? Antonioni selbst gab 1969 in einem Interview zu Protokoll, dass er selbst während eines Drehs oft die Bedeutung nicht kennen würde und auch danach nicht unbedingt im Bilde sei. Unter Umständen sei ein Film einfach nur eine Laune oder bilde einen bestimmten Lifestyle ab(?) Oft bekommt Antonioni seine Ideen vor Ort während des Drehs und improvisiert instinktiv. Ohne allzu viel darüber nachzudenken, so Antonioni, entscheide er erst beim Schnitt, was nun mit dem Material zu tun sei. La Notte wirkt auch nach über 40 Jahren kühn und modern, wenn kühle Architektur und merkwürdig abwesende Menschen aufeinander treffen. Immer wieder werden Mensch und Umgebung gespiegelt - dabei entsteht fast so etwas wie eine Geisterwelt. Lidia und Giovanni Pontano (Jeanne Moreau und Marcello Mastroianni) stecken im Stauf fest auf dem Weg zu einem Empfang anlässlich seines neuesten Buchs. Später wird sich Lidia auf einer Erkundungstour in Richtung Stadtrand allein aufmachen. Wir sehen das Paar in ihrer Wohnung, einem Nachtclub und schliesslich auf einer Party. Beide nehmen das Geschehen unterschiedlich wahr, womöglich lieben sie sich nicht mehr? Gesten und Blicke können wir als Zeichen der Enttäuschung deuten. Die Begegnung mit anderen Menschen lassen auf eine Abwärtsspirale schliessen. Nicht nur das Paar ist sich fremd, auch die Gegend, in der sie einmal wohnten hat ihr Gesicht verloren. In Antonionis Film gibt es weder eine innere, noch äussere Bewegung. Die erste Sequenz legt alles fest. Die Figuren bewegen sich nie, ein emotionaler Ausbruch wäre undenkbar. Nichts vermag Lidia wirklich zu beschäftigen, das ist der Plot von La Notte. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: https://s3.amazonaws.com/criterion-production/stills/132169-b344cc230e16bae6db30709be6f7261c/Film_678_LaNotte_original.jpg)

Donnerstag, 18. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Michael Winterbottom - In This World (german dubbed)







Our Daily Free Stream: Michael Winterbottom - In This World (german dubbed). Fortsetzung unserer Reihe der aufregendsten Berlinale Gewinner! Michael Winterbottoms Doku-Drama In This Wolrd würde wie kein zweiter Film zur diesjährigen Berlinale passen, die zum ersten Mal Spenden für Flüchtlinge sammelt: Ich denke, Michael Winterbottom hat mit seinem phantastischen In This World eine notwendige moderne Interpretation der Odyssee geliefert. Eine Odyssee durch eine Welt, in der nichts mehr sicher scheint. Ein vierzehnjähriger verbringt vier Monate auf der Flucht, in Containern, Bussen, Schiffen. Auf dem Lastwagen nach Istanbul treffen Jamal und Enayatullah auf eine kurdische Familie. Sie haben ein Kind, Mehdi, das kaum laufen kann. Alle werden nun in einen Container verfrachtet - für 40 Stunden wie uns eine Einblendung erklärt. Tag und Nacht und Tag fahren sie bis nach Triest. Die Flüchtlinge schreien und hämmern gegen die Wände des Containers. Mehdi geht es sehr schlecht, hören wir. Schliesslich wird es still. Der Container wird in ein Lagerhaus gebracht und geöffnet: Sie sind tot, hören wir eine Stimme auf italienisch sagen. Dann aber schreit ein Kind. Es ist Mehdi und sie tragen ihn hinaus ins Freie. Michael Winterbottom hat keinen normalen Flüchtlingsfilm inszeniert. Er hätte dann die Geschichte um Mehdi herum bauen müssen, denn wer könnte einem Kind seine Sympathie verweigern? In This World aber wählt einen anderen Weg. Wir erleben die Geschichte von Jamal, vierzehn Jahre alt aus einem Lager in Pakistan. Ausser Mehdi überlebt nur Jamal die Fahrt im Container. Wir sehen ihn später am Ziel durch die Strassen Londons laufen. Er ist immer noch vierzehn, ohne aber wie ein kind zu wirken. Er hat den Blick eines Überlebenden. Später wird er zu Hause anrufen und durchgeben, dass sein Freund verstorben sei. Wir sehen das Gesicht eines Greises am anderen Ende der Leitung, wie es erstarrt. In This World ist an dieser Stelle zu Ende. Michael Winterbottom begann 2011 mit den Recherchen. Er erkannte, dass er für In This World auf vieles verzichten müsste, was normalerweise zu einem "richtigen" Film gehört: Statt eines Drehbuchs erleben wir improvisierte Dialoge, statt mit einer Kamera ist das Geschehen auf Mini DV aufgezeichnet, statt Schauspielern sehen wir Protagonisten von der Strasse. Der Film durchlebt so die Bedingungen der Flucht noch einmal: Den Staub auf den Strassen Pakistans, die glühende Hitze im Iran, die klirrende Kälte in den Bergen Ostanatoliens. Winterbottom und sein Team greifen auf die Erfahrungen ihrer Laiendarsteller zurück. Das, was wir im Film sehen, haben sie wirklich so erlebt. Heute lesen wir Forderungen, 350000 Flüchtlinge abzuschieben. Darunter das Bild eines feisten Politikers mit Ansatz zum Doppelkinn. Man möchte ihn zwingen, In This World zu sehen - draussen in den Bergen Ostanatoliens. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: https://iwearsweaters.files.wordpress.com/2011/10/in_this_world_main.jpg

Mittwoch, 17. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Sidney Lumet - 12 Angry Men.





 Our Daily Free Stream: Sidney Lumet - 12 Angry Men. Ich denke, es war 2006 als ich Lumet auf der Berlinale sah. Er bedankte sich bei Dieter Kosslik mit einer Bescheidenheit, die wohl der grösste Vorzug ist seines filmischen Schaffens. Lumets Debüt Film ist der heutige Stream, der wichtigste Berlinale Gewinner vor allen anderen: 12 Angry Men ist ein Gerichtsdrama, so seine äussere Form. Der Zweck des Films aber ist ein Crash Course darin, ob einem Angeklagten vor Gericht ein fairer Prozess zuteil wird unter Voraussetzung der Unschuldsvermutung. Im Grunde beschränkt sich 12 Angry Men auf einen Raum (abgesehen von einer knappen Einleitung) - am heissesten Tag des Jahres. Vom eigentlichen Prozess aber sehen wir nichts ausser der routinierten Langeweile des Richters. Etwas in seinem Tonfall verrät uns, dass das Urteil wohl bereits feststeht. Die Beweisführung kriegen wir jedoch nur indirekt mit durch die Diskussion der Geschworenen. Die meisten Gerichtsfilme bieten zum Ende eine Auflösung an: Schuldig oder unschuldig. 12 Angry Men interessiert das weniger, dafür umso mehr die vernünftigen Zweifel (zumindest einiger) der Geschworenen an der Schuld des Angeklagten. Obwohl die meisten damit wohl ihre Probleme haben mögen, gilt die Unschuldsvermutung. Die Spannung in 12 Angry Men entsteht aber nicht nur durch diese Annahme, sondern wird über personelle Konflikte in dem klaustrophobisch kleinen Raum erzeugt. Die Kamera sorgt geschickt dafür, den Raum noch enger erscheinen zu lassen, so dass die Männer tatsächlich mit dem Rücken zur Wand stehen. Keine Action, dafür die Kraft der Dialoge und der Ausdruck der Körpersprache machen 12 Angry Men aus. Kann sich Logik gegenüber Emotionen und Vorurteilen durchsetzen? 12 Angry Men möchte ich als stilisierten Realismus bezeichnen, weil die Regie und Fotographie sich ganz dem Plot unterordnen. Bliken wir zurück: 12 Angry Men kam 1957 ins Kino zu einer Zeit, da sich Technicolor und 70mm gegen das Fernsehen durchzuetzen versuchten. Wie dünn und geradezu ärmlich mag dagegen dieses Kammerspiel gewirkt haben? Der Film bekam begeisterte Kritiken, enttäuschte aber an den Kinokassen. Erst über die Jahre konnte sich das Werk als einer der rennomiertesten Filme aller Zeiten durchsetzen. Ursprünglich war 12 Angry Men eine Live TV Produktion (ein Film wird im Fernsehen live übertragen), später machte der New Yorker Sidney Lumet daraus einen Kinofilm. Lumet hatte reichlich Erfahrungen gesammelt mit der Inszenierung von TV Dramen, 12 Angry Men war sein Kino Debüt. Produziert wurde der Film von Henry Fonda, der als einziger Star fungiert. Neben ihm die besten New Yorker Schauspieler ihrer Zeit wie Martin Balsam. Sie rauchen, schwitzen, fluchen und werden schliesslich wütend. Alle zwölf werden vorgestellt in ihrer Persönlichkeit, womit sie ihr Leben unterhalten, ihren Gefühlen und Vorurteilen. Oft kam es mir so vor, als sei Lumets Film in Echtzeit inszeniert. Wohlbemerkt, der Film handelt nicht davon, wie ein Verbrechen aufgelöst wird. Er handelt davon, einen jungen Mann in den Tod zu schicken. Darüber wird entschieden - was aber, wenn sie falsch liegen? Der Angeklagte ist dunkelhäutig (wobei nicht näher spezifiziert) und der Geschworene Nummer 10 (Ed Begley) unterstellt sofort, dass diese Burschen mit der Lüge geboren seien. Der Film nimmt die Perspektie des Henry Fonda Charakters ein: Unschuldig. Nicht alle Geschworenen aber, die an die Schuld des Angeklagten glauben, werden negativ gezeichnet. Sidney Lumet hat in seinem ersten Film so wie in vielen folgenden ein für die amerikanische Öffentlichkeit strittiges Thema gewählt. So wie in den meisten seiner Filme begegnet er dabei der Intelligenz seiner Zuschauer mit einer Hochachtung wie sie rar ist im Kino. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/9/91/12_angry_men.jpg)


Dienstag, 16. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Spike Lee - Crooklyn







Our Daily Free Stream: Spike Lee - Crooklyn. Auf der Berlinale läuft Lee's Amazon Produktion Chi-Raq, die auch eine Rückkehr zu den Wurzeln des Regisseurs bedeutet (der zuletzt mit Genre Filmen aufwartete). Deshalb zeigen wir heute einen frühen Film und zwar Crooklyn: Versetzen wir uns zurück in das Jahr 1994, denn in diesem Jahr entstand Crooklyn. Crooklyn erinnert sich an die 70er und wie es war, in Brooklyn aufzuwachsen. Aus der Perspektive von 1994 muss es wie ein goldenes Zeitalter gewirkt haben ohne Bandenkriege und Crack. Ich würde mich interessieren, wie Spike Lee heute die frühen 90er sieht? Die Carmichaels sind eine Familie mit vier Jungs und einem Mädchen. Sie leben in einem Haus aus diesen typischen rötlichen Backsteinen und verbringen die meiste Zeit auf der Strasse. Jeder kennt dort jeden, jeder hat so seine Probleme und doch, Crooklyn pulsiert voller Liebe und Leben! Wir werden während der ersten Szene unmittelbar hineingeworfen in das Familienleben. im Fokus steht die jüngste Tochter Troy (Zelda Harris). Der Vater Woody (Delroy Lindo) verdiente früher gutes Geld mit Pop, versucht sich nun aber in ernsthafteren Kompositionen - ohne Einkommen. Die Mutter Carolyn (Alfre Woodard) ist Lehrerin, die Jungs nette ausgelassene Chaoten. Spike Lee hat das Drehbuch gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Schwester geschrieben, wobei es wohl nur "inspiriert" sei und nicht autobiographisch. Viele Episoden aus Crooklyn wirken aber wie gerade aus dem Leben gegriffen, so der Showdown zwischen Mutter und Sohn, eine Platte Black-Eyed-Peas abzuwaschen. Schön auch die Familienstreits, wenn Carolyn ihren Mann aus dem Haus wirft, weil er nichts zum Familien Einkommen beiträgt. Spike Lee ist einer der Regisseure, die experimentelle Ansätze wagen. Besonders pointiert wird das während der Szenen in Virginia vorgeführt, da Lee die Vorstadt-Welt ausleuchtet, als ob es ein anderer Planet sei. In Crooklyn dagegen ist Ärger ein permanenter Begleiter der Carmichaels, jedoch keiner, der sich nicht lösen liesse. Manche der Erinnerungen in Crooklyn aber offenbahren die Qualen des echten Lebens (so dass ich denke, Lee inszeniert in diesen Passagen doch autobiographisch): Ich erinnere mich an die Szene, da Carolyn ihren Kindern aufträgt, die Küche aufzuräumen, bevor sie zu Bett gehen. Sie tun es nicht, Carolyn rastet nachts aus und schleppt sie in die Küche. Carolyn scheint nahe an einem Zusammenbruch, die Kinder wirken haltlos und eingeschüchtert. Verletzungen, die im Gedächtnis bleiben und später erfahren wir einige der Beweggründe Carolyns. Spike Lee hat Crooklyn nicht im Sinne einer "geordneten" Inszenierung gedreht, sondern durcheinander - wie das Leben. Er bietet auch keine "Coming Of Age" Elemente, keine Auflösungen an. Am Ende sind die Kinder eben immer noch Kinder. Während des Abspanns sehen wir wundervolle Aufnahmen davon, wie die Jungs in den Strassen Brooklyns spielen. Lee betont, dass diese Spiele heute ausgestorben seien und er sie den Schauspielern erst wieder beibringen musste. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://www.designsponge.com/wp-content/uploads/2013/07/crooklyn_6.jpg)

Montag, 15. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Mia Hansen-love - Le Pere De Mes Enfants (german dubbed)





 Our Daily Free Stream: Mia Hansen-love - Le Pere De Mes Enfants (german dubbed). Auf der Berlinale läuft L'Avenir, der neue Film von Mia Hansen-Love. Nach Un Amour De Jeunesse (Goodbye First Love) und Eden darf sich die französische Autorenfilmerin sogar zum Kreis der Favoriten zählen. Deshalb zeigen wir: Le Pere De Mes Enfants (The Father Of My Children): Wie sehr sie ihn liebe, fragt der Filmproduzent seine Frau am Telefon. Mit Erfolg, denn er muss noch einmal fragen: So viel? Ein Mann, der alles im Griff hat. Zwei Mobil-Telefone zur selben Zeit, er raucht, er fährt, er erzählt seiner Frau, dass er fast auf der Autobahn sei. Ein Familienvater auf dem Weg in den Kurzurlaub. Während der ersten Szene sehen wir einen Mann voller Energie. Er liebt seine Familie und geniesst die Arbeit. Wir werden erleben wie dieser Mann in Stücke zerfällt. Mia Hansen-Love hat das nicht als düsteres Melodram verfilmt, sondern sie erzählt die simple Geschichte eines guten Mannes, der sich langsam verliert. Der Familienvater heisst Gregoire (Louis-Do de Lencquesaing). Wie so viele französische Schauspieler ist er attraktiv, aber nicht in einem unwahrscheinlichen Mass. Seine Produktions-Firma wird er langsam ruinieren, weil er sich weigert, für das Fernsehen zu arbeiten. Nicht weil er ein unbedingter Freund der schönen Künste wäre, sondern weil er ein Mann von Prinzipien ist. Er hat eben noch nie für das Fernsehen produziert. Derzeit arbeitet er an einem extraordinären Arthaus Film und bekommt Anrufe vom Set; das Wetter sei miserabel und die Schauspieler schwierig. Währenddessen liebt er seine Frau Sylvia (Chiara Caselli) und seine drei Töchter (obwohl er oft abwesend scheint, einen Ausweg aus seiner misslichen Situation zu finden). Die Firma ist seine zweite Familie: Kollegen, die seine Vision teilen und ihn unterstützen. Männer wie er sind stets umgeben von solchen, die ihn ehrlich unterstützen. Die zweite Hälfte, die mich sehr berührt, handelt davon, dass unser Leben nicht uns allein gehört, sondern eben auch den Ereignissen obliegt, die wir in Gang setzen. Louis-Do de Lencquesaing wird nicht rasend, er improvisiert von Moment zu Moment. Er kennt sein Geschäft ganz genau, so dass niemand ihm etwas vormachen könnte. Mia Hansen-Love zeigt diesen Prozess, indem sie ihren Helden genau beobachtet - nicht durch erklärende Dialoge. Wie viele Frauen an der Seite von Geschäftsmännern ist Sylvia besser über alles infomiert als Louis-do vermutet. Sie glaubt an ihn und seine Hoffnungen. Genauso wie seine Frau teilen auch die Töchter seine Krisen. Die Geschichte beruht auf dem Leben von Humbert Balsan, der über 70 Filme produzierte, bevor sein Geschäft implodierte... Nicht zuletzt ist Le père de mes enfants auch ein Liebesfilm an das Kino. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://www.digitalturkiye.com/film-izle/father_of_my_children.jpg)


Sonntag, 14. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Aaltra.


 Our Daily Free Stream: Aaltra. Delépine & De Kervern kennen sich aus in der Kunst des Surrealismus. Ihr neuer Film Saint Amour läuft auf der Berlinale, wir zeigen ihr tolles Debüt: Als ich Aaltra für unsere Videothek auspackte, kannte ich nur eine Person, die den Film gesehen hatte: Meinen Partner Skulli. Ich legte die DVD rein und ein Bild genügte: Aaltra war definitiv etwas für mich! Gefilmt in körnigem Schwarzweiss, mit langen ruhigen Einstellungen und lauten Lachern - die sich schliesslich in ein Gefühl von Heiterkeit verwandelten. Gemacht wurde Aaltra von zwei Belgiern, Benoît Delépine und Gustave de Kervern, die auch gleich die Hauptrollen übernahmen. Aaltra ist aber nicht nur lustig und politisch unkorrekt, sondern auch wundervoll konstruiert. Jede Szene zeigt, dass hier zwei Connoisseure bei der Arbeit bestaunt werden dürfen! Die beiden Komödianten beweisen ein Gespür dafür, wo die Kamera platziert werden muss, die Szenen wirken visuell vielschichtig und enden dann, wenn die Pointe zündet. Delépine spielt einen Motocross Fanatiker, der seine Arbeit verlor und von seiner langweiligen Gattin sitzen gelassen wurde. De Kervern, sein Nachbar, ist ein übel launiger Bauer. Beide geraten aneinander, prügeln sich auf einer Mähmaschine der Firma Aaltra. Ein Hebel wird in Gang gesetzt, der beiden die Beine abklemmt. Im Rollstuhl entwickeln sich die bösen Nachbarn zu noch schlechteren Menschen. Sie eint die Vorstellung, dass die Firma Aaltra für diesen Unfall Schmerzensgeld zahlen muss und deshalb rollen sie Richtung Finnland. Delépines düsteres Gesicht verzieht sich zu nackter Verzweiflung, De Kervern sieht aus wie ein erloschener alter Hippie. Aaltra beginnt regelrecht zu schweben, indem er seiner hasserfüllten Ideologie folgt. Die beiden Protagonisten sind gierig, mürrisch und egoistisch - aber sie sitzen im Rollstuhl. Wie alle grossen Werke der Misanthropie rechtfertig Aaltra sich selbst durch diese Tatache! Wir erleben De Kervern bettelnd und bittend auf der Strasse einer Kleinstadt, Fussgänger angreifend - von allen verschmäht - in seinem Stuhl. Immer wieder testen die beiden Rollstuhlfahrer die Grenzen des guten Willens der Bürger um sich herum. Aus ihrer Perspektive sehen wir die Welt als feindseligen Platz für Behinderte. Schliesslich erreichen die Beiden Finnland und müssen eine Entdeckung machen, die genauso ironisch wie gemein ist... Aaltra diente schliesslich im Freiluftkino der Bar 25 als eine Art erweiterter Videoabend und entwickelte sich zu einer der meistverliehenen DVDs der Filmkunst. Nun kannten doch mehr Leute Aaltra und nicht nur mein Partner Skulli. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://media.senscritique.com/media/000004634288/source_big/Aaltra.jpg)





Samstag, 13. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Daniel Burman - El Abrazo Partido (engl. subt.)





 Daniel Burmans El Abrazo Partido ist voller Bewegung. Es wird unendlich viel geredet, herum geschriehen, während die Kamera durch das Geschehen stolpert. Gleichzeitig ist El Abrazo Partido aber auch ein romantischer, fast schüchterner Versuch, etwas Persönliches mitzuteilen. Wir befinden uns in einer herunter gekommenen Einkaufspassage in Buenos Aires, in der vor allem Einwanderer ihre Ladengeschäfte mehr schlecht als recht betreiben. Ein Koreaner verkauft Feng-Shui-Artikel, der alte Osvaldo versucht erfolglos, seine Schreibmaschinen loszuwerden und den ganzen Tag über hört man den Italiener schreien. Hier lebt Ariel (Daniel Hendler), dessen Mutter eine jüdische Boutique für Damenunterwäsche betreibt. Ariels Grosseltern flüchteten einst aus Polen vor dem Holocaust. Ariels Vater verliess die Familie kurz nach seiner Geburt, um für Israel zu kämpfen. Ariel will nun aus seiner überschaubaren Welt ausbrechen, um herauszufinden, wer sein Vater war und vor allem, was ihn bewegte. Er träumt von einem besseren Leben in Europa mit einem polnischen Pass. Daniel Burman hat sich für seine lakonische Komödie als Vorbild einen gewissen Stadtneurotiker ausgesucht: Seine Hauptfiguren sprechen deshalb in einem fort. Der Tonfall seiner Komödie verbeugt sich vor dem Original, ohne aber unterwürfig daherzukommen. Burman setzt eine Handkamera ein, um mit nervös verwackelten Bildern die Stimmung in der Ladenpassage wiederzugeben. Ohne Mühe gelingt es, selbst den Nebenfiguren Leben einzuhauchen. Jeder der Protagonisten in El Abrazo Partido besitzt eine eigene Identität, keiner wird mit Klischees vereinfacht. Es entsteht ein Bild des jüdischen Lebens von Buenos Aires, in dem ganz normale Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen (denn El Abrazo Partido ist ein Film, in dem gearbeitet wird - nicht bloss das Privatleben inszeniert!). Gefesselt aber hat mich Burmans Film in dem Moment, da der Vater wiederkommt: Plötzlich steht er vor Ariel, endlich kommt es zur überfälligen Umarmung (die dem Film seinen Titel verleiht). Ein echter Kino Moment! Die Szene steht im Kontrast zu den Emotionen, die bis dahin in El Abrazo Partido freigelegt werden: Untermotorisiert. Daniel Burmans Film lebt von der Hektik der Ladenpassage. Die Gefühle der verlassenen Familie aber bleiben im Verborgenen. Ariels Mutter scheint es ganz gleichgültig, dass ihr Mann sie verliess. Ariel selbst ist merkwürdig blockiert. Ein verunsicherter junger Mann - vielleicht ein Abbild seiner Generation in Argentinien? Wieviel Daniel steckt in Ariel? (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung). (Bild: https://www.trigon-film.org/de/movies/El_abrazo_partido/photos/large/7l.jpg)


Freitag, 12. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Andre Techine - Alice & Martin (engl. subt.).





 Die Geschichte eines Vatermörders, der durch seiner Schuld beinahe verrückt wird, inspirierte Andre Techine zu Alice & Martin. Gemeinsam mit Olivier Assayas schrieb Techine ein Drehbuch, das als Tragödie, aber auch als Thriller funktioniert. Alice & Martin versperrt sich, ein unsentimentaler und komplexer Film darüber, sich selbst für die Liebe aufzuopfern. Eine Liebe dem Untergang geweiht zwischen einer nicht mehr jungen desillusionierten Musikerin und einem schönen, passionierten Mann: Alice (Juliette Binoche) und Martin (Alexis Loret). Dunkle Kräfte und Selbsthass treiben Martin, gewachsen durch seinen klaustrophobischen Familien-Hintergrund. Die Unumkehrbarkeit der Vergangenheit, Verlust und Tod sind die Grundthemen von Techines Liebes-Melodram. Über eine Stunde lang erzählt uns Techine diese Geschichte packend, wie ein Schlag ins Gesicht. Unglücklicherweise aber verliert er sein Ziel im letzten Drittel des Films aus den Augen, in dem Moment, da Martin einfach für eine Weile von der Leinwand verschwindet. Die zentrale Beziehung zwischen Alice und Martin, sie verschwindet aus unserem Blickfeld und dadurch treibt Techines Film ins Ungewisse. Seine Inszenierung aber und das Spiel der Schauspieler (neben Binoche sehen wir Mathieu Amalric und Carmen Maura) sind von grosser Qualität - durchwegs intelligent, so dass wir über einige strukturelle Schwächen hinweg sehen. Alice & Martin lebt von seiner grossen Dichte und den mitunter verblüffenden literarischen Qualitäten der Dialoge. Alice & Martin blieb mir noch lange im Gedächtnis - Jahre später, nachdem ich den Film zum ersten Mal sah. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://film.thedigitalfix.com/protectedimage.php?image=CoverArt/aliceetmartin_r2front.jpg_23122008)


Donnerstag, 11. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Coen Brothers - The Big Lebowski. 





 The Big Lebowski bietet keine Geschichte, The Big Lebowski ist ein Film über eine Attitude. Leicht zu übersehen, weil The Big Lebowski so viel bietet: Kidnapping, Lösegeld, einen Porno König, eine nackte Malerin, ein davon gelaufenes Mädchen und nicht zuletzt den Konflikt der Flower Power Jünger mit den Vietnam Veteranen. Am meisten aber interessiert sich The Big Lebosky für Bowling! Womöglich können der Plot sowie die Dialoge nur durch die Coen Brüder erfunden worden sein! Irgendwo in der halluzinatorischen Logik des Films hat so etwas wie eine feste Hand gewaltet und die Erzählfäden zusammen gehalten. Ich denke, jeder, der Filme liebt, kennt den Plot bereits: Jeff Bridges verkörpert den Dude - er ist der Dude! Ich würde mich interessieren, wie man ihn eigentlich auf der Strasse anspricht? Der Dude heisst eigentlich Jeff Lebowski, ein ungelernter Alt-Hippie, der tagsüber White Russian trinkt und abends zum Bowling geht. Immer in seiner Nähe: Ein kleiner Pot. Wie eine Löwenmähne trägt der Dude seine Haare, einen struppigen Kinnbart und Bermuda Shorts. Mit seinen Flip Flops hat er Woodstock nie verlassen. In jedem Fall aber bewohnt er die letzte billige Mietwohnung in Malibu. Die Coen Brothers haben immer behauptet, der Dude sei von einer echten Person inspiriert worden: Der Dude gibt vor einer Millionärstochter (Julianne Moore) mit seiner Vergangenheit in der Studenten-Bewegung an und benutzt dabei Fakten, die wiederum von der echten Figur entliehen wurden. Seine wichtigste Eigenschaft: Er verweigert jede Gewalt. Die Politik aber hat Lebowski hinter sich gelassen, um nichts zu tun und zu bowlen. Seine Sportfreunde heissen Walter Sobchak (John Goodman) und Donny Kerabatsos (Steve Buscemi). Walter ist ein stolzer Vietnam Veteran und der Stratege des Trios. Lebowski und Walter sprechen aber nie über Politik. Sobchak ist so etwas wie der sanftmütige Handlanger. So weit ich mich erinnere, sagt er nicht mehr als drei vollständige Sätze im Film - und wird stets von Walter unterbrochen. Ich denke, Sobchak ist aber zufrieden, im Schatten der Beiden zu existieren. Die Details der Handlung sind unterhaltsam, aber im Grunde egal: Es gibt einen Millionär und seine Geliebte, die entführt wird (Tara Reid). Lebowski wird von Killern zusammengeschlagen, die ihn verwechseln (im Grunde müsste sein Name The Little Lebowski sein). Einer der Killer uriniert auf Lebowskis Teppich. Ab diesem Moment lässt sich der Film sehr einfach zusammen fassen: Lebowski will eine Entschädigung für seinen Teppich. Das Figuren-Inventar aus The Big Lebowski wirkt so, als wäre es aus einem Film Noir der 40er entnommen. Einzig der Privat-Detektiv trägt nun eben Bermuda Shorts. In allen Filmen der Coen Brüder dürfen wir aussergewöhnliche visuelle Details bewundern: Die Architektur, Einrichtungs-Gegenstände - Dinge jenseits der Normalität. Ein Kunstwerk ganz eigener Qualität ist der Bowler Jesus Quintana (John Turturro). Unvergleichlich auch das Trio der "Nihilisten", angeführt von Peter Stormare. In Erinnerung bleibt der kurze Auftritt von Philip Seymour Hoffman als Brandt, der Assistent von Lebowski (dem Original). Im Grunde ist alles so einfach: Ein ganzer Film, der von der Gelassenheit des Jeff Lebowski handelt, angesichts der Wirren, die er durchzustehen hat - Er wird geschlagen, unter Wasser getaucht und beleidigt. Auf seinen Teppich wird gepisst. Sein Auto steckt man in Brand. Eine Frau verführt ihn, verlangt aber nur nach seinem Sperma. Jeff Lebowski bleibt immer ungerührt, schenkt sich einen White Russian ein oder nimmt ein heisses Bad. Wie ein Buddha. Lebowski kümmert sich nicht um Nebensächlichkeiten, sondern ausschliesslich um das grosse Ganze. Erzählt wird uns die Geschichte von The Stranger (Sam Elliott mit wundervollem Schnauzbart!). The Stranger beschliesst seine Erzählung sogar damit, dass ein kleiner Lebowski auf dem Weg sei? immerhin, sein Vater verneint die Ehe und lebt ohne Frau (nur durch Zufall kommt er überhaupt manchmal in Kontakt mit dem weiblichen Geschlecht). Ist der Dude deshalb deprimiert? Ist er bekümmert, weil er nichts Anständiges gelernt hat? Nein! Er hat ein Dach über dem Kopf, immer frisches Gras, seine Bowling Freunde und - White Russian. Was braucht es mehr (ganz ehrlich)??? (wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://assets.vice.com/content-images/contentimage/194020/Screen-Shot-2014-10-22-at-12-20-47.jpg)


Berlinale 2016 Panorama - Spielfilme





Nicht alle der 34 Spielfilme des Panoramas werden anschliessend im Kino laufen. Deshalb präsentieren wir hier den Teil der Berlinale zum Entdecken!

Mittwoch, 10. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Andrzej Zulawski - The Third Part Of The Night (engl. subt.)






 Our Daily Free Stream: Andrzej Zulawski - The Third Part Of The Night (engl. subt.). Zwischen dem 11.-18.2. läuft im Kino Hackesche Höfe wieder die "Woche der Kritik" als Gegen-Berlinale (oder nur Erweiterung?). Hier stellt Zulawski nach 15 Jahren seinen ersten Film Cosmos vor! Anlässlich dessen zeigen wir heute seinen ersten Kinofilm The Third Part Of The Night: "And the first angel sounded the trumpet and there followed hail and fire mingled with blood and the third part of the trees was burnt up and all green grass was burnt up." Über Zulawski lesen, das gehört zum guten Ton unter Cinephilen. Seltener bekommen wir die Möglichkeit, ihn auch zu sehen! The Third Part Of The Night ist sein allererster Film. Seine Merkmale, die alle Zulawski Filme auszeichnen werden, sind hier bereits voll entfaltet: Der Film taucht ein in den emotionalen Strudel der Hauptfigur Michael. Wir befinden uns in einer subjektiven Vision aus Erinnerungen, Phantasie und Realität - alles unscharf, verschwommen. Genauso wird die historische Zeit - Polen unter der Herrschaft der Nazis - transformiert in eine Welt voller Leid, Erlösung, Apocalypse: "The second angel sounded the trumpet and as it were a great mountain burning with fire was cast into the sea and the third part of the sea became blood. And the third part of those creatures died which had life in the sea and the third part of the ships was destroyed." Der Untergang wird ausgerufen, explizit in der Eingangs-Szene, als Michaels Frau Helena die Offenbarung liest, während sich die Finsternis ihrem Haus nähert. Sie bleiben, denn das Paar hat einen jungen Sohn und die Grosseltern sind zu Besuch. Wir erfahren, dass Michael sich von einer Krankheit erholt hat, für die er Helena die Schuld gibt. Michaels Vater weist Helena genauso zurück und wartet vor dem Haus. Helena währenddessen starrt sich selbst im Spiegel an und scheint den Ausbruch des Unheils zu erwarten... Wie eine Explosion bricht die Gewalt aus! Ein deutscher Reiter stürmt durch die Tür - mit unfassbarer Grausamkeit werden Michaels Frau Helena, sein Sohn und seine Mutter getötet. Keinerlei Erklärung, keinerlei Sinn wird uns geboten: Wir erleben das Töten in seiner ganzen Bedeutungslosigkeit als Teil eines feindlichen Universums. Michaels Vater wendet sich an einen gnadenlosen Gott, der das Böse über das Gute erhebt. Das Kriegsgeschehen wird von Zulawski durch einen surrealen Filter gezeigt. Das Historische wird zur bizarren Imagination auf einer metaphysischen Ebene. Wir kennen die Fakten, dass unter der deutschen Besatzung polnische Intellektuelle (wie Zulawskis eigener Vater) im Rudolf Weigl gehalten wurden und nur Läuse als Nahrung bekamen. Szenen wie diese benutzt Zulawski symbolisch. Das Drehbuch verfasste Zulawski mit seinem Vater und es beruht auf eigenen Erinnerungen. Vater Miroslaw war Diplomat und Poet, Andrzej wurde in Lwów geboren. Das Baby in The Third Part Of The Night, es ist Zulawski selbst. Nach der Ermordung seiner Familie kehrt Michael zurück nach Lwów und kämpft im Untergrund gegen Deutschland. Zulawskis hektische Hand-Kamera folgt Michael während einer fehlgeschlagenen Operation, wie er eintaucht in eine finstere Passage. Die Gestapo verhaftet einen Mann, der genauso gekleidet ist wie Michael anstelle seiner. Dieser Mann ist verheiratet mit Marta, die genauso aussieht wie die tote Helena (Malgorzata Braunek in einer Dopplrolle) und ein Kind erwartet. Michael nimmt nun den Platz des Verhafteten ein... Zulawski ist ein Filmemacher, der sich ehrlich und tief mit dem Schicksal der menschlichen Seele befasst. Er nimmt sie gewaltsam zerissen wahr. Das Selbstzerstörerische, das in uns wohnt, wir erleben es in seinen Filmen. Durch seine Werke können wir unsere dunklen Sehnsüchte womöglich fassen. Wir tun dem Filmemacher Unrecht, indem wir ihn auf seine Schauwerte, seine technischen Extravaganzen reduzieren. Tief im Innern sucht Zulawskis Kino nach Gnade.


Dienstag, 9. Februar 2016

Berlinale 2016 Wettbewerb + ausser Konkurrenz





 Die Berlinale, das grösste Publikums-Festival der Welt, ein Labyrinth. Welcher Film läuft im Wettbewerb, welcher im Forum oder Panorama? Wer sich vor einen Kiosk stellt, könnte meinen, die Berlinale teilen sich die Coen Brüder und George Clooney. Kleine Korrektur: Hail, Caesar! von den Coen Brüdern mit George Clooney ist der Eröffnungsfilm und damit ausser Konkurrenz. Genauso verhällt es sich mit der Amazon Produktion von Spike Lee: Chi-Raq. Lee, allgemein angefeindet für seine Coop mit dem Internet-Versand, pocht auf sein Recht, zurückzukehren zu seinen Wurzeln: Do The Right Thing! Der Franzose Dominik Moll steht ebenfalls nicht zur Wahl: Des nouvelles de la planète Mars (News from planet Mars) weckt mein Interesse durch sanfte Horror Filme wie Lemming in der Vergangenheit. Mahana (The Patriarch) von Lee Tamahori auch ausser Konkurrenz (immerhin gewann der Serbe mit No Man's Land bereits einen Oscar!). Meine persönlichen Lieblinge, die belgischen Anarchisten Benoît Delépine und Gustave Kervern, beschliessen mit Saint Amour diesen Reigen, besetzt mit einem Bruder im Geiste: Gérard Depardieu. Wir hoffen auf eine Komödie wie Louise Hires A Contract Killer oder ein surrealistisches Kleinod wie Aaltra! Nun aber der Wettbewerb: 20 Filme treten gegeneinander an (denn das macht den Reiz jeden Festivals aus!). Die blosse Auflistung der Credits mag wie jedes Jahr enttäuschen, denn die berühmten Autorenfilmer gehen lieber nach Cannes. Auf der Berlinale laufen Filme, die oft einen politischen Schwerpunkt haben und womöglich echte Entdeckungen sind. Zero Days von Alex Gibney könnte der erste Dokumentarfilm werden, der einen goldenen Bären erhält: Wie verfolgt man Computer Viren, so sein Thema. 24 Wochen von Anne Zohra Berrached ist der erste Hochschul-Abschlussfilm, der je auf der Berlinale ins Rennen ging. Immerhin spielt Julia Jentsch die Hauptrolle in diesem einzigen deutschen Beitrag! Kosslick setzt alles auf die 33jährige Sozialpädagogin aus Erfurt, die seinen Anruf wohl ungefähr so entgegnete: "Wissen Sie, was Sie da tun?" A Lullaby For The Sorrowful Mystery läuft acht Stunden, was für den Regisseur Lav Diaz nichts Aussergewöhnliches ist. Sein letzter Film Norte (The end Of History) - eine der ganz grossen Herausforderungen der letzten Jahre! L'Avenir der Französin Mia Hansen-Love beruht wie die schönsten Filme der Autorin auf Erinnerungen. Wer kennt noch Goodbye First Love, der von einer unglücklichen Obsession handelt? Eden, ein Film über die Pariser House Szene der 90er aber, beruht auf den Erinnerungen ihres Bruders und so wirkt er auch: Unpersöhnlich. Ganz nebenbei stellen sich in L'Avenir die grossen Fragen des Lebens nach Glück, Einsamkeit und Freiheit - wir hoffen auf einen guten Jahrgang! Midnight Special ist das vierte Werk von Jeff Nichols und man darf ihn schon jetzt als einen der interessantesten Vertreter des amerikanischen Indie Films sehen. In Shotgun Stories oder Gimme Shelter betrieb er intensive Nachforschungen in brutal archaischen Familienstrukturen. In Midnight Special geht es wie in seinem letzten Film Mud um Kleinstadt Paranoia und gesellschaftliche Gewalt. Spannend, der neue Film des ehemaligen Dogma Autoren Thomas Vinterberg: Wie immer werden alle fragen, ob denn The Commune wieder mehr an Festen erinnert? Mein geheimer Wunsch: André Téchiné, französischer Auteur der 70er, gewinnt mit Quand on a 17 ans! Téchiné stand nie im Zentrum der Aufmerksamkeit, hat aber phantastische Filme inszeniert: Les Vouleurs, Wild Reeds mit der jungen Elodie Bouchez oder Rendez-Vous mit der jungen Juliette Binoche. Mein Favorit von ihm: Barocco, ein Film Noir mit Isabelle Adjani und Gérard Depardieu aus dem Jahr 1976. Ich denke, ich werde ihn mir gleich nochmal ansehen! Hier ist euer Fahrplan des Berlinale Wettbewerbs.


Our Daily Free Stream: Marquis (english subtitles)





 Our Daily Free Stream: Marquis (english subtitles). Diese Woche präsentieren wir euch eine Reihe von Puppen- und Animationsfilmen in der Filmkunstbar Fitzcarraldo. Aus diesem Anlass zeigen wir Marquis der Surrealisten Roland Topor und Henri Xhonneux: Ich stiess auf den Puppenfilm Marquis, weil wir ihn im Freiluftkino der Bar 25 zeigen wollten. Überrascht stellte ich fest, dass der Marquis zwar so einiges an Skurrilität zu bieten hatte, vor allem aber eine witzige Geschichte mit einem freundlichen Hauptcharakter erzählt. Es ist diese Art von Film, die man auch mal an einem Sonntag-Nachmittag sehen kann. Paris 1788, der gefürchtete Libertin Marquis de Sade sitzt wegen Unzucht (und der Entweihung eines Kruzifixes) in der Bastille ein. Allein, bleibt ihm als Gesprächspartner nur sein überdimensionaler Schwanz mit dem er anregende Gespräche führt über Kunst, Literatur und die menschlichen Triebe. Es obliegt seinem Geschlechtsteil, dem Marquis die eigenen Entwürfe vorzutragen. Draussen entwickelt sich die Revolution, drinnen wird der Marquis Opfer einer Verschwörung... Der Marquis de Sade hat wie kaum ein anderer Radikal-Denker seine Spuren hinterlassen. Ein adeliger Philosoph, der das Recht des Stärkeren propagiert (und damit seine Klasse meint): Das Recht nach ungehemmten Lustgewinn. Der Marquis, ein Ninilist, ein Verächter des Menschlichen, wird von Henri Xhonneux und Roland Topor als einzig integere Figur dargestellt. 1989, zum 200. Jahrestag der Revolution, hatten beide die Idee, aus den Schriften des Marquis ein heiteres Puppenspiel zu machen. Wir erleben Schauspieler in Tiermasken, die Dialoge vortragen für ein ausgereiftes Bildungsbürgertum. Autor Topor ist um Werktreue bemüht, so dass sich die Zwiegespräche des Marquis mit seinem Schwanz stets unterhalb der Gürtellinie bewegen. Dabei hat der Marquis das treuherzige Gesicht eines Cockerspaniels, während sein Schwanz dabei steil empor ragt. Pathologische Sexualität, Ausbeutung und Intrigen - die Themen des Marquis wirken umso skurriler, da sie in warmherzigem Tonfall vorgetragen werden. Intellektuell ist das Puppenspiel von Roland Topor und Henri Xhonneux wasserdicht; überraschenderweise sieht der Film aber auch richtig gut aus. Dank eines üppigen Budgets sieht man den liebevollen Masken und Kostümen an, das hier ein Herzensprojekt umgesetzt wurde. Das Publikum in der Freilichtkino Bühne liess sich von den Kostümen und Masken richtig berauschen. Staunend lauschten wir dem Zwiegespräch zwischen Hund und Schwanz. Nicht nur, dass es genug zu lachen gab: Mit seiner aufrichtigen, witzigen Art hatte der Schwanz uns einfach bewegt! (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://s3.amazonaws.com/auteurs_production/images/film/marquis/w1280/marquis.jpg)


Montag, 8. Februar 2016

Our Daily Free Stream: Roman Polanski / Isabelle Adjani - The Tenant. 


Als Le Locataire 1976 in Cannes seine Premiere hatte, liefen die Zuschauer scharenweise aus dem Kino. Zeitgenossen sprechen von einer regelrechten Fluchtbewegung. Die Kritiken fielen dementsprechend aus und bezeichneten Le Locataire nicht nur als schlechten Film, sondern als Bodenlosigkeit. Der ernsthafte schüchterne Trelkovsky (Roman Polanski), bewirbt sich für die Wohnung einer jungen Frau, Simone Choule, die nach einem Selbstmord-Versuch sterbend im Krankenhaus liegt. Die junge Frau stirbt und er bekommt das Apartment. Es liegt in einem grossen düsteren Gebäude, dessen Bewohner hasserfüllte Menschen sind, die sich gegenseitig ausspionieren. Im Gebäude befindet sich auch ein verfluchtes Badezimmer und immer wenn Trelkovsky hinüber sieht, erblickt er eine regungslose Gestalt, die ihn anstarrt. Nach einer Einweihungs-Party, die Trelkovsky für seine Freunde gibt, bricht die Hölle los: Die bösartigen Nachbarn beschweren sich über die Ruhestörung und belangen künftig Trelkovsky, wenn er nur einen Stuhl verrückt. Vielleicht ist es das Gebäude an sich, das bösartig ist? Alle Bewohner darin sind hinter Trelkovsky her. Es scheint, dass sein Tod nur noch eine Frage der Zeit ist, denn schon tauschen Handwerker die zerbrochene Glasfront, in die sich die Vormieterin stürzte, gegen eine neue aus. Sind die Nachbarn tatsächlich hinter Trelkovsky her oder ist er nur paranoid? Eine Abwärts-Spirale entwickelt sich. Trelkovsky beginnt, die Kleider seiner Vormieterin Simone Choule anzuprobieren und benutzt ihr Make Up. Seit er einzog, bot man ihm im Cafe gegenüber stets nur Kakao an (den seine Vormieterin dort zu trinken pflegte) und Marlboro (die sie rauchte). So sehr Trelkovsky auch nach seiner Marke, Gauloises, verlangt - man bietet ihm Malboro an. Einer der Gründe, weshalb Le Locataire in Cannes so verrissen wurde, mag die Tatsache sein, dass Polanski keinen Horror Film inszeniert hat, sondern eine schwarze Komödie: Trelkovsky besucht mit einer Freundin Simones, Stella (Isabelle Adjani), das Hospital, um sich nach dem Zustand seiner Vormieterin zu erkundigen. Simone wird sich von ihren Verletzungen nicht mehr erholen. Nach dem Krankenhaus Besuch führt Trelkovsky Stella aus ins Kino und greift ihr während der Vorstellung in den Schritt. Bei einem späteren Rendez-Vous mit Stella wird Trelkovsky in ein Stück Hundescheisse treten. Er ist davon überzeugt, dass die Mitbewohner im Haus versuchen, ihn umzuwandeln in Simone. Trelkovsky entwickelt eine manische Leidenschaft, Simone zu werden, die für uns nicht unkomisch ausgespielt wird: Wie eine Drag-Queen steht er vor dem Spiegel in den Kleidern der Toten. Trelkovsky Versuche, die Vorfälle der Polizei zu melden, enden im Fiasko. Er wird aufgrund seines Namens gefragt, ob er russischer Herkunft sei und belehrt, in Frankreich könne nicht jeder Dahergelaufene die Polizei rufen. Schliesslich bricht es aus ihm heraus, als man ihm im Cafe erneut die Gauloises verweigert: "Ihr seid eine Mörderbande!" Das Finale schliesslich wird von Polanski als Slapstick inszeniert. Le Locataire ist eine Satire über den Generations-Konflikt nach dem Roman des Surrealisten Roland Topor: Ruhebedürftige ältere Nachbarn aus Paris treiben einen jungen Ausländer in den Tod. Le Locataire wirkt wie ein billiger Schundfilm, wie eine britische Produktion aus den 60ern. Offensichtlich hat es Polanski einen Höllen Spass bereitet, Genre Versatzstücke zusammen zu setzen zu einer Geschmacklosigkeit. Le Locataire würde heute bestimmt nicht mehr den Kinosaal leeren. Ich habe ihne gerade wieder gesehen, fühlte mich unwohl und manchmal musste ich vor Mitleid mit Trelkovsky lachen.