Donnerstag, 31. März 2016

Our Daily Free Stream: Andrei Tarkovsky - The Mirror (engl. subt.). 


Die verlorene Zeit, in seinem persönlichsten und unverstandendsten Film versucht Andrei Tarkovsky sie zu rekonstruieren. Seine persönlichen Erinnerungen verbindet er mit Fragmenten der russischen Geschichte zwischen den 30er und 70er Jahren, so dass Zerkalo wirkt, als sei der Film in einem Spiegelkabinett montiert worden. Die poetischen Passagen aus Träumen und Erinnerungen wechseln sich ab mit Archivmaterial aus dem Weltkrieg oder dem spanischen Bürgerkrieg. Zerkalo ist beides: National-Epos und Familiengeschichte. Ein Mann auf der Suche nach seiner verlorenen Zeit und Identität.

Mittwoch, 30. März 2016

Our Daily Free Stream: Paul Schrader - Cat People

 Our Daily Free Stream: Paul Schrader - Cat People. Ich warte gespannt auf Paul Schraders neuen Film Dog Eat dog mit Nicolas Cage und Willem Dafoe! Bis dahin gibts hier den Stream von Schraders Cat People. - Das ist eine absonderliche Idee: Vor langer Zeit als die Erde mit blutorangem Wüstensand bedeckt war und auch noch ein paar Leoparden faul in den dürren Bäumen hingen, da schloss die menschliche Rasse einen Packt mit den Katzen: Sie opferten ihre Frauen. Die Leoparden aber töteten sie nicht, sondern begatteten die Frauen. Die Rasse, die während dieser prähistorischen Zeit entstand, existiert heute noch: Die Katzenmenschen. Diese Wesen sehen aus wie Menschen (obwohl sie doch die Sinne der Katzen besitzen). Es ist ihnen unmöglich, Liebe zu machen, weil sie sich nach dem Akt in ein Raubtier verwandeln und den Partner töten. Im Grunde sollten sie unter sich bleiben. Hier sind wir am Anfang der Geschichte, aber zu diesem Zeitpunkt gibts nur noch zwei Katzenmenschen: Ein Geschwisterpaar (so wie ihre Eltern auch). Cat People stellt einen Mythos dar mit glorifizierenden, aber auch lächerlichen Seiten, den Paul Schrader zwischen der Zeit des blutorangem Wüstensands und dem heutigen New Orleans ansiedelt. Nastassja Kinski spielt Irina, ein Waisenkind, die auf die Einladung von Paul (Malcolm McDowell) nach New Orleans zurückkehrt. Paul ist ihr verlorener Bruder, zumindest gibt er das vor. Irina ist gross, mit einem sinnlichen Mund und grünen Augen (Nastassja Kinski eben!) und so erregt sie die Aufmerksamkeit des Zoo Direktors (John Heard), der aber auch eine unterschwellige Gefahr von ihr ausgehend spürt. Dennoch ist er sich sicher: Das hier ist die Frau, auf die er sein ganzes Leben lang gewartet hat! Nun haben wir eine komplexe Dreiecks-Beziehung vor uns: Irina fürchtet ihren Bruder, weil sie Inzest fürchtet. Sie hat aber auch Angst vor dem Direktor, weil sie die Liebe fürchtet. Schrader erzählt diese Geschichte auf zweierlei Weise: Wir erleben die Liebesgeschichte, aber auch die Vorgeschichte dessen, die so wundervoll von Ferdinando Scarfiotti kreiert wurde: Die Welt der Leoparden. Die Fantasy und Science Fiction Klassiker der frühen 80er klingen hier an und nicht nur deshalb liebe ich diese Gegenwelt! Giorgio Moroder hat einen seiner besten Scores dazu komponiert, getragen von Synthies und der Stimme David Bowies: Cat People. Der Film liebt diese Sprünge vom Mystischen in die Realität. Zusammengehalten wird das alles durch Kinskis Spiel, dass beide Seiten in sich trägt: Das Animalische, aber auch das Mädchenhafte. Es ist schon eine Kunst, dass Kinski niemals überagiert und mit traumwandlerischer Sicherheit diesen merkwürdigen Ton trifft, der Cat People ausmacht. In keiner Sequenz wirkt sie lächerlich! Ihr Gegenüber: Malcolm Mcdowell, der englische Bühnenschauspieler, der hier den Bösewicht gibt. Sein Spiel ist ausgelassen und hemmungslos übertrieben - doch, welch Wunder: Es passt! Heard nehmen wir die Obsession seiner Figur ab, denn immerhin begibt sich der Direktor in Lebensgefahr für Irina. Paul Schrader ist ein traditioneller Horrorfilm gelungen, aber auch eine grosse Liebesgeschichte! Leider muss auch bemerkt werden, dass das Publikum ihm 1982 nicht folgen wollte. Die Universal Produktion wurde ein Misserfolg, wohl auch, weil er als Remake grosse Erwartungen weckte, die der Film aber nicht einlösen wollte. Für Kinski war es nur ein weiterer Misserfolg, den sie verkraften musste. Während der frühen 80er drehte sie mit so gut wie allen grossen Regisseuren, experimentierte, scheiterte. Schraders Karriere sollte sich von Cat People nicht wieder erholen. Er blieb ein Geheimtipp für Cineasten. Kinskis Weltkarriere endete als das "Kassengift". Ich aber zähle Cat People zu meinen Lieblingsfilmen und als einen der wenigen, die ich immer wieder sehen kann!

Dienstag, 29. März 2016

Deutsche Filme Die Besten 2015-16

 "Die deutschen lieben das Mittelmass", schrieben die Cahiers Du Cinema gehässig. Solange die Filme staatlich subventioniert entstehen, wird es auch schwer, so etwas wie die griechische Neue Welle zu schaffen. Bevor wir den Film im Kino sehen können, wird er von alternden Programmdirektoren des öffentlich rechtlichen Fernsehens abgesegnet, dann werfen noch die Vertreter der Staatskirchen einen Blick drauf, damit das "Kunstwerk" eine FSK Freigabe bekommen kann. Zum Glück gibts aber auch Filme wie die Berliner Mumblecore Improvisations Kunststückchen, die solche Mechanismen einfach umgehen. Wem die Bilder deutscher Produktionen zu "TV" sind, der versuchts auf eigene Faust, schnappt sich wie Sebastian Schipper eine Handkamera und filmt einfach in einem Stück durch. Sicher, Filme wie Hedi Schneider Steckt Fest oder Herbert kann man gut gucken, aber von einer eigenen künstlerischen Note sind sie weit entfernt. Kein The Lobster, kein Son Of Saul in Sicht. Und Sebastian Schipper? Hat er in Victoria die Handkamera nur mal zwischendurch probiert? Hat er entschieden, dass der berühmte One Take für diesen Thriller nur ein Experiment darstellt? In den 50er Jahren gab es in den USA mal etwas, das nannte sich "LiveTV". Sidney Lumet, Robert Altman, John Frankenheimer, selbst Sam Peckinpah inszenierten so: Der Film wurde live gesendet, das Geschehen mit verschiedenen Kameras festgehalten und durchgespielt. Ähnlich wie Victoria. Wär das nicht was? Würde die Methode nicht noch weiteren Filmen diese rohe Energie schenken können?

Our Daily Free Stream: Sergio Leone - My Name Is Nobody. 


Our Daily Free Stream: Sergio Leone - My Name Is Nobody. Zum Geburtstag von Terence Hill! - Sergio Leone hat den Italo Western zwar nicht im Alleingang erfunden, jedoch wäre er ohne seine opernhaften Stilübungen wohl kaum denkbar! Leone entwarf ein Bild des Westens, dass dreckig, brutal und grausam war. Mit jedem seiner Western verdüsterte sich seine Vision sogar noch. Daneben aber entwickelte sich eine komödiantische Form des Italo Westerns und mit My Name Is Nobody gehen nun Original und Parodie eine Symbiose ein. Leone fungierte als ungenannter Produzent und Regisseur einiger Szenen. Darüber hinaus entwarf er die Geschichte. Terence Hill, der wohl grösste Star des Sub-Genres spielt die Titelrolle neben Henry Fonda - und das wollte wohl was heissen zu der Zeit! Mexiko 1899. Drei Männer überfallen einen Barbierladen, töten den Inhaber, um Jack Beauregard (Henry Fonda) aufzulauern. Den Mann, denn sie erschiessen wollen. Wenig später sind alle drei tot, Opfer von Beauregard. Beauregard ist ein alternder Revolver-Held, dessen Zeit langsam abläuft. Er hat bereits eine Rückfahrkarte in die Heimat Frankreich gebucht - nur gibt es vor der Abreise noch eine Kleinigkeit, die er erledigen muss... Derweilen fängt ein junger Mann (Terence Hill) unten am Fluss Fische mit blossen Händen. Er wird Beauregard später helfen, sich gegen Banditen zur Wehr zur setzen und ihm danach nicht mehr von der Seite weichen. Während Beauregard mit einem dunklen Fleck in seiner Vergangenheit kämpft, ist ihm Nobody immer einen Schritt voraus und verfolgt dabei nur ein Ziel: Er will so berühmt werden wie Beauregard! Es kann also nicht sein, dass seine Legende erschossen wird! My Name Is Nobody kann mit der Kraft von Leones besten Western nicht mithalten. Hill und Fonda (dessen letzter Western Nobody sein sollte) halten das Ganze aber wunderbar zusammen. Ennio Morricone steuert einen seiner besten Scores überhaupt dazu, denn über allem liegt ein wehmütiger Abschied. Die grosse Zeit des Italo Westerns neigt sich dem Ende zu, Morricone spürt das und so klingt seine Filmmusik. Folgerichtig bewegt sich das Geschehen in Nobody auch ostwärts - zurück nach Europa. Leone übrigens wurde von seinem Genre nicht überlebt - er sollte den letzten Akkzent setzen.

Montag, 28. März 2016

Our Daily Free Stream: The Wanderers


Our Daily Free Stream: The Wanderers. Im Jahr 1979 erblickten drei grosse Gangfilme die Kinoleinwände der Welt: Quadrophenia, The Warriors und Philip Kaufmans The Wanderers. Kaufman blickt (genau wie Quadrophenia) voller Nostalgie zurück in eine Zeit, über die wir im Grunde nicht viel wissen: Die frühen 60er, die Zeit zwischen den Rebellen der 50er, aber noch vor der studentischen Revolte der Hippie Ära. Das Leben auf den Strassen der Bronx 1963. The Wanderers sind eine Teenie Bande aus italienischen Einwanderern, ihre Gegner sind die Schwarzen und die Koreaner. Der ärgste Feind der Wanderers aber sind die glatzköpfigen "Älteren". Richie ist der Anführer der Wanderers und wir sehen den Alltag durch seine Perspektive. Alle aus seiner Gang sind gerade mit der High School fertig und machen jetzt die ersten Gehversuche mit Mädchen, tauschen schüchtern ihre Telefonnummern aus und veranstalten Rock'n Roll Parties. Das wird humorvoll und nie altklug in Szene gesetzt. Manchmal spürt man auch die existentielle Not, um sie herum (während eines Kampfes stirbt sogar ein Gang-Mitglied). Richie macht aber auch ganz andere Erfahrungen: Er hört in einer Bar einen Folksänger namens Dylan und erfährt vom Tod Kennedys - reagiert aber ganz unbeteiligt. Der Zerfall der Gang kommt selbstverständlich: Richie erwartet ein Kind mit seiner Geliebten, zwei andere müssen abhauen, weil sie sich mit dem Vater geprügelt haben. In der Bronx hält sie nichts mehr: Die Familien gehen kaputt, die Freundin hat gerade Schluss gemacht, der Schulabschluss bringt sie nicht weiter. Wie so viele brechen sie auf nach San Francisco... Philip Kaufman hat das rigoros aus der Perspektive seiner Protagonisten gefilmt und für die gab es weder eine "bürgerliche", noch eine "linke" Weltanschauung. Kaufman dramatisiert nichts unnötig, sondern erzählt lieber ganz beiläufig. Dabei setzt er auf Laiendarsteller. Vieles spielt sich bei uns im Kopf ab, denn hier entsteht so etwas wie eine erste Jugendrevolte, wenn auch ganz unbewusst. Dazu haben wir für euch unsere favorisierten Gang Filme als Film List zusammen gepackt. Auf der Webpage unserer Videothek cinegeek.de

Sonntag, 27. März 2016

Our Daily Free Stream: Jean Eustache - Mes Petites Amoureuses (engl. subt.).


Our Daily Free Stream: Jean Eustache - Mes Petites Amoureuses (engl. subt.). Warum gibt es keine Eustache Filme auf DVD? Weil wir hier einen Streit um die Urheber-Rechte erleben. Was ist mit der Kopie von The Mother And The Whore aus den späten 90ern? Ja, wir haben sie als Japan Import gekauft. Nein, die englischen Untertitel funktionieren nicht. Immerhin: Diesen eustache Film könnt ihr jetzt streamen: Mes Petites Amoureuses - Im Sommer 1973 wollte das Publikum auf der ganzen Welt den Helden aus Eustaches berühmten Debüt The Mother And The Whore umarmen! Seine endlosen Gespräche mit den zwei Frauen, die er liebte, wurden zum Vorbild, wie man überhaupt in einer "modernen" Beziehung zusammenlebt! Das Debüt von Jean Eustache aus dem Pariser Studenten-Milieu war spektakulär und aggressiv! Ganz anders sein zweites Werk, ein schlichter Kinderfilm. Ganz nüchtern erinnert er sich an eine (seine?) Kindheit, fast auffallend unauffällig und sehr lakonisch. Daniel ist zwölf Jahre alt und lebt bei seiner Grossmutter auf dem Land. Mit seinen Freunden spielt er den Senioren im Dorf Streiche, erlebt den Besuch des Zirkus als echte Sensation und beginnt langsam, sich für die Mädchen zu interessieren... Dann aber der Schock: Seine Mutter kommt aus dem Süden und holt Daniel zu sich nach Narbonne. Dort lebt sie mit einem wortkargen spanischen Landarbeiter. Die Mutter arbeitet als Näherin, die Wohnung ist herunter gekommen. Da das Geld kanpp ist, darf Daniel nicht länger aufs Gymnasium, sondern muss als Aushilfe in einem Fahrrad-Laden arbeiten. Er ist nicht mehr der Anführer seiner Spielkameraden, sondern nur noch "der Kleine". Nicht mehr priviligiert, sondern von Erwachsenen ausgenutzt. Daniel muss das alles hinnehmen und leidet still. Doch ungeachtet seines sozialen Abstiegs, erlebt er die ersten erotischen Gefühle: Daniel beobachtet andere Liebespaare, imitiert die Älteren und übt mit kleinen Mädchen. Im französischen "Midi" aber gibts Sex nur nach der Ehe und dafür ist Daniel noch zu jung. Um das klarzustellen: In Daniels Leben werden bereits alle Weichen gestellt, dass er so enden wird wie seine Mutter. Und doch: Eustache beschwört mit melancholischer Poesie das Paradies der Kindheit. Daniels Zukunft sehen wir bereits am Rande, dort wo die jungen Machos mit Mofas umher düsen, in Bars herumhängen und wie schäbige Vorstadt Casanovas wirken. Eine mediterrane Männer-Gesellschaft, wie man sie in vielen französischen oder italienischen Filmen sieht. Es gibt kein Aufbegehren, nur Lethargie und leise Trauer. Über all dem liegt der Schleier von Daniels verlorener Kindheit auf dem Land. Daniels Mutter übrigens ist durchaus nicht ohne Liebe für ihren Sohn. Ingrid Craven spielt sie als kleinbürgerliches Arbeitstier: Aufgemöbelt, unschuldig, ein bisschen dumm. Eustaches Kameramann Nestor Almendros filmt das in langen Einstellungen und spröden Bildern. Der Film übernimmt die Perspektive Daniels, bleibt emotionslos und ohne Romantik. Eustaches Mes Petites Amoureuses steht in der grossen französischen Tradition von Werken, welche die Pubertät als Sujet haben. Eustache ist der rigorose Beobachter des französischen Kinos. Im Alter von 43 Jahren verübte er 1981 Selbstmord. Bis dahin hatte er ein Dutzend Filme gemacht, doch im Grunde sprach jeder immer nur über sein Debüt The Mother and The Whore. Bestimmt liegt das daran, dass wohl kein Film so detailliert das tägliche Pariser Leben beobachtet! Mes Petites Amoureuses wählt einen anderen Tonfall, denn hier steht ein kleiner Junge im Mittelpunkt. Der Film zeigt keine schicken Pariser Cafes, sondern das Leben am sozialen Rand. Hier sehen wir keine schönen Menschen, die diskutieren, flirten und rauchen. Keine Menschen, mit denen wir uns identifizieren wollen. Stattdessen: Eine Familie, die sich allerhöchstens ein Abendessen an einem Sonntag als gemeisame Zeit gönnt. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: https://media.outnow.ch/Movies/Bilder/1974/MesPetitesAmoureuses/movie.fs/01.jpg)

Samstag, 26. März 2016

Our Daily Free Stream: Nicolas roeg - Don't Look Now. 


Our Daily Free Stream: Nicolas roeg - Don't Look Now. Wir haben für die Woche die unheimlichsten Horror Klassiker aus den 70ern in unserer Videothek zusammen gestellt. Vorne weg: Nicolas Roegs Don't Look Now. - Der Held aus Don't Look Now ist ein rationaler Mann, der weder an das Übersinnliche oder ein Leben nach dem Tod glaubt. Im Verlauf des Films werden seinen Überzeugungen in sich zusammen brechen. Der Mann wird zerstört werden. Don't Look Now führt ausserdem zwei Frauen ein, die eine Verbindung zum Übersinnlichen herstellen können. Dagegen stehen die analytischen Männer, gefangen in ihrer Verweigerungshaltung: Der Polizist, der Bischof und der Architekt. Die Frauen versuchen sie zu warnen, doch - umsonst. Nicolas Roegs Horror Klassiker wirkt nicht einfach durch Angst und Schrecken. Das wäre viel zu leicht! Roeg lässt uns eindringen in die Seele eines Mannes, der sich nicht mehr zu wehren weiss gegen eine Furcht die wächst und wächst... Roeg und sein Editor Graeme Clifford werfen uns dafür von einem beunruhigenden Bild in das nächste. Fast wirkt der ganze Film dadurch wie ein Fragment. Der Himmel ist regnerisch und grau; John und Laura Baxter (Donald Sutherland und Julie Christie) befinden sich in ihrem Landhaus. Während sie drinnen vor dem Kamin sitzen, spielen draussen die Kinder. Keinen einzigen Moment lang, fühlt man sich behaglich, keines der Bilder suggeriert Sicherheit! Der Vater studiert venezianische Kirchen. Die Tochter Christine, die einen leuchtend roten Regenmantel trägt, spielt in der Nähe eines Teichs. Christines Ball fällt in den Tümpel und im gleichen Moment verschüttet der Vater sein Glas und ein blutroter Fleck breitet sich langsam über dem gesamten Bild aus... Schnitt. Ein roter Regenmantel in einer venezianischen Kirche huscht vorbei. Schnitt. Draussen Christines roter Mantel im Teich. Irgendetwas bringt John dazu, aufzublicken, dann rennt er wie ein Wahnsinniger aus dem Haus. Er findet den toten Körper seiner Tochter, bricht zusammen, stösst einen animalischen Laut tiefster Klage aus. In dieser Szene wird nicht nur der Verlust der Baxters spürbar, hier wird der gesamte visuelle Stil des Films zusammen gefasst. Einige Einstellungen werden folgen, die wie aus der Zeit gerissen wirken, andere werden Zukünftiges vorwegnehmen. Christines Tod verfolgt das Ehepaar bis nach Venedig, dort wo John eine Kirche restauriert, wo ein Killer in Serie mordet, eine Leiche im Kanal geborgen wird und die Puppe eines Kindes am Ufer liegt. Der rote Regenmantel verbindet das schreckliche Ereignis am Teich mit dem Geschehen in Venedig: Eine kleine Figur im Regenmantel der Tochter versteckt sich vor John und flüchtet. Ist es der Geist Christines? Wir werden diese kleine Figur noch öfter sehen und ihr roter Mantel ist das Markanteste vom ganzen Film. Während Roeg alle bilder in dunklen Tönen gehalten hat, wirkt das Rot wie ein Farbspritzer. Die Farbe Rot verbindet den Tod der Vergangenheit mit der Zukunft. Die Baxters haben aus Liebe geheiratet. Der Tod der Tochter aber verwüstet diese Ehe und zwischen beiden breitet sich stille Trauer aus. In der Toilette eines Restaurants trifft Laura auf zwei englische Schwestern, Heather (Hilary Mason) und Wendy (Clelia Matania). Die blinde Heather erzählt Laura, sie hätte Christine beim Frühstück mit ihren Eltern gesehen: “She’s happy now!”. Laura zweifelt zunächst, beginnt dann aber mit voller Freude an diese Vision zu glauben. In der folgenden Nacht lieben sich die Baxters zum ersten Mal seit Christines Tod wieder. Die Sex-Szene zelebriert die ganze Leidenschaft und Wahrhaftigkeit der Ehe, wobei der Schnitt sie zwischendurch bereits beim Ankleiden einblendet. Gerade lieben sie sich noch, doch bald werden sie getrennt sein. Eben waren sie noch voller Passion, im nächsten Moment erleben wir sie wieder in Gedanken verloren. Es ist schmerzhaft, wie der Film mit den Ebenen der Zeit umgeht und darauf beharrt, dass unsere Zukunft bereits in der Gegenwart begriffen ist. Alles wird vorübergehen, selbst diese leidenschaftliche Liebe. Venedig wirkt wie eine verdammte Stadt. Die Kanäle sind voller Ratten und es gibt kaum eine Szene, in welcher die Strassen belebt sind. Alles wirkt vereinsamt und verloren. Anthony B. Richmond filmt einen Gang durch die Stadt im Winter so, als wandele man im Traum. Während Laura den beiden Schwestern glaubt, ihre Tochter sende ihnen Botschaften, ist John nur von einem überzeugt: “Our daughter is dead. Dead, dead, dead, dead, dead.” Obwohl er selbst nicht daran glaubt, wissen aber die Schwestern: John hat die Gabe, er hat das zweite Gesicht. Würde man den Plot von Don't Look Now zusammenfassen, müsste man ihn als klassischen Horror bezeichnen. Der visuelle Stil, das Schauspiel, die Stimmung aber verleihen Don't Look Now seine unheimliche Kraft! Ständig befürchten wir, etwas Schreckliches würde geschehen... Das ist es und nicht die Action, was Don't Look Now ausmacht! Die Erklärung all dessen? Oberflächlich. Die Furcht stets greifbar. Der Film basiert auf einem Roman von Daphne Du Maurier, seine Tiefe aber bekommt er durch den Schnitt: Die "revolutionären" russischen Filme der 20er versuchten durch ihre Montage, einzelne Szenen miteinander zu verknüpfen. Nicolas Roeg aber verknüpft Szenen, die nur scheinbar zusammen gehören. Genau wie John Baxter können wir uns nie sicher sein, was wir sehen: Existiert es? Existiert es nicht? Diese Freiheit nehmen sich die ersten fünf Nicolas Roeg Filme - seine Meisterwerke: Die Fotografie beschwört bestimmte Stimmungen, der Schnitt verstärkt sie sogar noch! Ganz gleich, was die rote Figur in Don't Look Now ist oder zu sein scheint - es mutet ganz willkürlich an! Das ist ein Film, der sich jeder Rationalität entzieht! (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://zombieapocalypse.net/wp-content/uploads/2015/05/now-4.jpg)

Freitag, 25. März 2016

Our Daily Free Stream: Claire Denis - Trouble Every Day (engl. subt.). 


Our Daily Free Stream: Claire Denis - Trouble Every Day (engl. subt.). Gestern trat die Redaktion der "Fireflies" bei uns in der Videothek an, um ihre neue Ausgabe vorzustellen. Ein Heft über Claire Denis. Ich brachte alle unsere DVDs hoch und dabei fiel mir Trouble Every Day auf. Ein Film, der 2002 in Cannes fürchterlich verissen wurde. Ein echter Skandal, den niemand mochte! Sehen wir uns Trouble Every Day doch ein zweites Mal an! Trouble Every Day beginnt mit der Ankunft des jungen Paares Shane und June Brown (Vincent Gallo und Tricia Vessey) in Paris. Shane, ein junger amerikanischer Arzt, wird von krankhaften, blutigen Sexphantasien heimgesucht, die er nur durch Medikamente unterdrücken kann. Parallel dazu erleben wir das Schicksal eines Wissenschaftlers (Alex Descas), der seine Frau Core (Béatrice Dalle), die an derselben unheimlichen Krankheit leidet, zu Hause einsperrt. Während Shane sexuell abstinent lebt, bricht Core immer wieder aus, um Männer beim Orgasmus durch Bisse zu töten. Bald wird klar, dass Shane und Core eine gemeinsame Vergangenheit haben... Den Inhalt zusammenzufassen, fällt schwer, da alles nur bruchstückartig erzählt wird, keiner der Charaktere genauer ausgeführt wird und die Dialoge spärlich bleiben. Einige Horror-Elemente, unterlegt mit der Musik der Tindersticks, lässt Trouble Every Day wie einen grausamen Liebesfilm wirken. Ein modernes Vampir-Märchen, dessen Wurzeln in Guinea liegen. Denis wurde in französisch West-Afrika geboren und mag da so etwas wie einen privaten Culture Clash verarbeitet haben. Wenn Core einen Truckfahrer zerbeisst, sieht sie aus wie eine Kreatur aus dem Dschungel. Shane mit seinem starren Blick, sieht aus wie ein Doktor, der ein ganzes Viertel in Angst und Schrecken versetzen könnte. Denis reicht das aber nicht, einen Exploitation Film zu versuchen. Sie glaubt, die tiefen Geheimnisse des Kinos erforschen zu können: Verlangen und ergreifende Angst. Ihr Film gerät dabei aus dem Ruder, wirkt wie ein unausgegorener Mix aus prätentiöser Sex-Philosophie und nekrophiler Romantik. Ohne intellektuelle Schärfe oder aufregende Erotik.

Donnerstag, 24. März 2016

Our Daily Free Stream: Sam Peckinpah/Steve McQueen 


Our Daily Free Stream: Sam Peckinpah/Steve McQueen - The Getaway. Zum Geburtstag der coolsten Sau des New Hollywood Kinos: Steve McQueen! - Sam Peckinpahs The Getaway funktioniert wie ein grosses aufgeblasenes Spielzeug für erwachsene Kinder (vor allem Männer). Wer erinnert sich nicht an die Art von Spielzeug, die man aufbaut, bestaunt - und dann? The Getaway ist ein ganz und gar unpersönlicher Film, der im Grunde nicht viel erreicht. Szene, Szene, Szene, aus. Man kann ihn leicht konsumieren und dabei die Verfolgungsjagten geniessen. Die Geschichte wirkt gekünstelt wie alles andere im Film: Steve McQueen spielt den Sträfling Carter „Doc“ McCoy. Damit McCoy auf Bewährung entlassen werden kann, macht seine Frau Carol (Ali MacGraw, die man nach den 70ern nie wieder sah) dem korrupten texanischen Politiker Benyon ein Angebot, das er nicht abschlagen kann: McCoy wird Benyon die Hälfte der Beute eines Bankraubs aushändigen. Dazu gibts einen Bonus: Carol selbst. Der Bankraub wird mehr oder weniger ungeplant durchgeführt. Der angebliche Profi McCoy hat sein Wissen darüber scheinbar aus alten Filmen und deshalb mietet er auch erst einmal ein Hotel-Zimmer, um hunderte von Fotos von der Bank zu machen (so wie in allen Bankraub Filmen eben). McCoy und Carol wohnen im Blickfeld aller gegenüber der Bank, fotografieren die ganze Zeit und McCoy sagt dann solche Sätze wie: "The guard is entering the bank at 8:59 a.m., one minute early". Ein paar alte Kabel zusammen gelötet und dann noch eine Skizze - das wars. Kurz vor dem Bruch gibts eine etwa fünfminütige Besprechung in einem Keller (wo kommt der eigentlich auf einmal her?) - anschliessend beginnt das Fiasko. Das Geld wird zwar erbeutet, aber ein Wachmann getötet und am Treffpunkt muss McCoy auf seinen eigenen Komplizen zielen, der ihn betrügen will. Carol erschiesst auch noch Benyon, nachdem der McCoy alles über ihren "Bonus" verraten hat. Es passiert noch eine ganze Menge, der verwundete Komplize taucht wieder auf, ein Trickbetrüger nimmt Carol die Beute ab (die McCoy wider beschafft) und schliesslich erscheint McCoys Bild in der Zeitung. Zusammengefasst: Die Beziehung des Ehepaares McCoy gerät mächtig unter Druck. Die Flucht der beiden läuft manchmal so merkwürdig ab, dass die Verfolger vor ihnen erscheinen und nicht hinter ihnen. Nie erklärt wird, warum eine ganze Reihe von Explosionen nach dem Überfall abgefeuert werden und nicht davor? Schliesslich platziert Carol eine Bombe im Heu eines Trucks - aber warum? Womöglich geschieht das alles nur, damit in El Paso ein grosser Showdown stattfinden kann? Jedenfalls treffen dort alle Protagonisten zur selben Zeit ein. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ab den frühen 60ern hat Sam Peckinpah fast im Alleingang den amerikanischen Western weiterentwickelt. Sein Drehbuchautor Walter Hill durfte ab den späten 70ern dieses Erbe antreten und auch er setzte ganz neue Impulse. Ich hatte mich auf The Getaway vor allem gefreut, weil ich hoffte, ein Liebespaar auf der Flucht zu sehen. Was für eine grosse Geschichte könnte dieser Plot alles hergeben? Was für eine grandiose Liebesgeschichte könnte das sein! Walter Hill aber interessiert sich nicht für die einzelnen Charaktere. In seinem Filmen gibt es nur Figuren, die handeln, aber nicht fühlen. Er ist ein Mann der 80er und diese Art, Filme zu machen klingt bereits 1972 mit The Getaway an. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://www.mysteryfile.com/Bi0315/Getaway1-Scene)

Mittwoch, 23. März 2016

Our Daily Free Stream: Maria Full Of Grace (engl. subt.). 


Our Daily Free Stream: Maria Full Of Grace (engl. subt.). Wer kennt noch die tolle Catalina Sandino Moreno? Nach ihrem Debüt musste sie fürs Fernsehen schufften, nun aber könnte ihre wohlverdiente Karriere endlich beginnen! Sie spielt Fidel Castros Tochter im Exil (Castro's Daughter) und neben Catherine Zeta-Jones in einem Biopic über Griselda Blanco, der "Baronin" des Kokain, in The Godmother. Wir zeigen ihr Debüt Maria Full Of Grace: Ich bin immer noch ziemlich beeindruckt von Maria, die am Fliessband arbeitet in Kolumbien: Maria ist jung und schon und hat Feuer! Nachdem sie herausgefunden hat, dass sie schwanger ist, beeindruckt sie die Attitude ihres Loser Freundes Juan gar nicht weiter. Sie wirft ihren Job hin und geht nach Bogota. Dort trifft sie einen Mann, der Maria erzählt, sie könnte viel Geld verdienen als "Mule", als Drogen-Kurier mit Dutzenden kleiner Päckchen Kokain im Magen... Maria (Catalina Sandino Moreno) wird ausgebeutet vom Drogengeschäft, sie selbst aber sieht das als Chance. Ihre beste Freundin Blanca (Yenny Paola Vega) will sie begleiten. Wertvolle Tipps erhalten sie von Lucy (Giulied Lopez), die den Job früher schon gemacht hat. Lucy will mitkommen, um ihre Schwester in New York zu besuchen. Am Kennedy Airport erwecken die Mädchen zwar sofort Verdacht, Maria aber darf nicht durchleuchtet werden, weil sie schwanger ist. Lucy aber fühlt sich krank; eines der Päckchen ist geplatzt und sie stirbt an einer Überdosis. Zwei Drogen Dealer "kümmern" sich um die Mädchen und schaffen den toten Körper weg. Für sie ist das nichts weiter als eine geschäftliche Ausgabe. Maria, die zwar ein Opfer wirtschaftlicher Armut ist, fühlt sich überhaupt nicht als solches. Sie hat Mumm und ist intelligent! Der Film erspart uns zum Glück die üblichen Klischees über die Drogen-Kartells und während Marias Operation erleben wir nicht das zutiefst Böse, sondern eine Riege ziemlich unfähiger Typen. Ein Dorgen-Film ohne Maschinengewehre und Verfolgungsjagden, dafür mit einer Entwicklungsgeschichte. Im Mittelpunkt: Catalina Sandino Moreno, eine Schauspielerin mit leuchtenden Augen und ganz viel Charisma! Maria Full Of Grace wurde von dem US Debütanten Joshua Marston mit geringen Mitteln gemacht. Er entdeckte die Nicht-Schauspielerin und besetzte sie neben weiteren Nicht-Profis. Sein Film strahlt diese Frische und Dringlichkeit auch aus, die sagen will: Das Leben geschieht hier und jetzt! Maria nimmt die Welt einfach so, wie sie ist und versucht, darin zu überleben. Ihre wichtigste entscheidung: Sie macht sich auf die Suche nach der Schwester der toten Lucy... Marston hat einen Film gemacht, der die Armut der Menschen versteht, ohne aber der Versuchung erliegen, sie zu romantisieren. Er zeigt auf, das die "bösen" Dinge entstehen durch das System der Ökonomie - nicht weil sie von "Bösewichtern" verantwortet werden. Es reicht nicht aus, den "Schurken" zu erledigen und alles wird wieder "gut" - denn dieser Schurke existiert nicht. In mehrerlei Hinsicht ist Maria Full Of Grace aussergewöhnlich: Zum einen, weil der Film sich traut, ganze gewöhnliche Verhältnisse zu zeigen. Was wir hier sehen, ist einfach das tägliche Leben mit plausiblen Motiven und verständlichen Entscheidungen. Wir erleben Charaktere am Existenzminimum. Die beiden Mittelsmänner, welche die Mädchen empfangen: Im Grunde sind auch sie ganz normal. Sie handeln verdorben und auch grausam, was aber nicht bedeutet, dass wir es hier mit "Bösewichtern" zu tun haben. Zum zweiten traut sich Maria Full Of Grace (anders als die allermeisten Drogenfilme) auf glamoröse Stars und teure Effekte zu verzichten. Das hier ist eine Welt, die unterhalb des Radars existiert und in der es nur darum geht, dass Mädchen wie Maria oder Lucy hoffentlich ihren Flug überleben werden! (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/b/b4/Maria_Full_of_Grace_movie.jpg)

Dienstag, 22. März 2016

Our Daily Free Stream: Roman Polanski - The Ninth Gate. 


Our Daily Free Stream: Roman Polanski - The Ninth Gate. Zum Geburtstag der Schauspielerin Lena Olin, Jahrgang 56. Die gebürtige Schwedin hatte mit Ingmar Bergman gearbeitet, bevor sie in Hollywood Rollen spielte im Film Noir Romeo Is Bleeding, dem Lumet Thriller Night Falls On Manhattan oder Polanskis Horrorfilm, den wir heute zeigen: Polanskis The Ninth Gate eröffnet mit einer spektakulären Titel-Sequenz und flacht dann langsam ab. Ganz allmählich, so dass es in der ersten Stunde noch Hoffnung gibt. The Ninth Gate bietet viele gute Ansätze und ich hoffte inständig, Polanski möge seinem Okkultismus Thriller noch Leben einhauchen. Nach der letzten Szene aber liess mich das Werk staunend zurück: Wirklich?!? Johnny Depp spielt Dean Corso, einen Raritäten-Buchhändler. Depp wirkt merkwürdig teilnahmslos und unentschlossen. Angeheuert wird er von Boris Balkan (Frank Langella), der auf der Suche ist nach einem verschwundenen Exemplar des 1666 in Venedig gefertigtem Buch The Ninth Gate. Verfasst wurde es von Aristide Torchia, im Auftrag von Satan persönlich. Ein Exemplar befindet sich in den Händen von Balkan, zwei weitere gehören bekannten Sammlern. Corso macht sich nun auf die Suche. In einer frühen Szene erleben wir, wie sich der Sammler Andrew Telfer erhängt - er war einer der Besitzer, der an Balkan verkaufte. Allerdings zeigt seine Witwe Liana (die tolle Lena Olin) ein unbändiges Interesse an dem Buch. Corso stattet nun den beiden verbliebenen Sammlern einen Besuch ab: Einem portugiesischen Aristokraten (Jack Taylor) und einer Pariser Baronesse (Barbara Jefford) im Rollstuhl. Polanski und Depp verleihen The Ninth Gate den Charme eines Film Noir der 40er und zusätzliche Spannung entsteht, wenn Corso merket, dass er verfolgt wird. Eine junge Frau (Emmanuelle Seigner) scheint ihn in Notsituationen zu beschützen... Weder die Motive Balkans, noch das Geheimnis der Gravuren soll an dieser Stelle verraten werden. Versucht man aber, an dieser Stelle die Geschichte zu Ende zu denken; welche Bedrohung würde uns erwarten? Wird das absolute Böse auferstehen? Satan selbst? Welche Rolle spielt die junge Frau? Ist sie gut oder böse? Eine Hexe? Gar Satan selbst? Das alles klingt nach einer faszinierenden Geschichte und tatsächlich müsste Polanski einfach nur seinem Material vertrauen. Das tut er aber nicht und setzt stattdessen auf billige Effekte. Dabei sind die einzelnen Todes Szenen wunderbar angeordnet wie ein Tarot Spiel und Lena Olin wirkt wirklich furchteinflössend! Die Dialoge hat Polanski mit viel Liebe entworfen und sie transportieren genug Fachwissen aus der Welt der Bücher. Corsos Recherchen, die Bedeutung der Gravuren zu erforschen und damit den Zweck, den Balkan verfolgt, zu enthüllen, wird sehr detailliert gezeigt. Eine gut gemachte Kriminalgeschichte, die noch interessanter wird für diejenigen, die eine Liebe zu alten Büchern hegen. Es ist so schade, dass Polanski so eine wundervolle Atmosphäre schafft und unseren Durst nach Informationen im Finale gar nicht stillt! Immerhin funktioniert The Ninth Gate auch als Liebesfilm zwischen Corso und der jungen Frau! Alles gipfelt in einer Sex-Szene beider, doch was wird in diesem Akt gezeugt? Der Teufel selbst? Stattdessen präsentiert uns der Film am Ende einfach nur ganz viel Feuer, das aussieht, als hätte man es am Computer animiert. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiuSbtk8GdMD7XCJGZ7TphUmUGFq3wkDDSrAK4av4D0UZXe4wxMazOp8v8bjKwt44ilOkqsG5ubDg7mG9JRWp-NhTJR_7NxCQDKVAgDSeUADtrVTxDIo5L0n2Q7VkAARzq_vvH23KHwnMs/s400/ninth+gate+olin.jpg)

Montag, 21. März 2016

Cinema Today: Deadpool (OV+germ. subt.), b-ware, Gärtner Str. 19 (Fhain), 22.15


Warum nicht Marvel im kleinen Kino um die Ecke ansehen? so wie früher als man ins Kino ging und das schaute, was es gab. - Deadpool, das ist das Äquivalent des Kinos zu Kindern in der Schule, die meinen, es sei ihnen egal, was die anderen über sie denken - genau das aber so laut bemerken, dass jeder es hören kann. Der Teenager, der sich verwehrt "cool" zu sein, aber unbedingt gemocht werden will. Deadpool vermeidet, wie ein Superheld zu erscheinen. Der Film um ihn herum folgt dieser Rebellion jedoch nicht. Kein ganz schlechter Marvel Film, aber eben keine Satire über das Genre. Ein Film, der Spass macht, aber doch sicherstellt, dass hier eine Person vor uns steht, die grösser ist als das Leben. Endlich bekommt Ryan Reynolds die Rolle, für die er wohl geboren wurde: Die Adaption von Fabian Nicieza und Rob Liefelds Deadpool. Diese Filmversion will uns - immer und immer wieder - daran erinnern, dass sie sich nicht um die Marvel Regeln schert. Deadpool quasselt in einem fort und wird sogar die "vierte Wand" durchbrechen, um uns Zuschauern anzukündigen, was er als nächstes zu tun gedenkt. Der Reihe nach. Der Ex-Söldner Wade Wilson (Reynolds) lernt die Hure mit goldenem Herzen, Carlisle (Morena Baccarin), kennen. Das Liebesglück haut ihn um: Lungenkrebs im Endstadium wird diagnostiziert. Der sadistische Wissenschaftler Ajax (Ed Skrein) unterzieht ihn einer Schmerztherapie und das lässt Wade mutieren. Nebenwirkungen trägt er nun im Gesicht und kann sich bei Carlisle nicht mehr sehen lassen. Der geschwätzige Killer mordet nun in Serie auf der Suche nach dem Bösewicht Ajax. Aufrechte Mutanten, die das Böse bekämpfen, beleidigt er als Spiesser. Der Held, der keiner sein will, muss aber doch im letzten Drittel seine Dame retten und das Marvel Publikum beglücken. Immer, wenn Deadpool wirklich düster und böse zu werden droht, löst sich diese Entwicklung in einem billigem Witz auf. Nahezu die Hälfte der Scherze funktioniert genauso wenig wie die Figur Deadpool. Zum Glück aber gibt es Reynolds, der seine Rolle spielt, mit allem, was er hat! Die Energie, die so vielen Superhelden Filmen fehlt - er hat sie! Selbst den lahmsten Witz lässt er uns noch schlucken. Ich wünschte nur, der Rest des Films könnte etwas mehr mit ihm anfangen.
Our Daily Free Stream: Nine queens - Nueve Reinas (engl. subt.).

Our Daily Free Stream: Nine queens - Nueve Reinas (engl. subt.). Wer würde bestreiten, dass Ricardo Darin der beste Schauspieler Südamerikas ist? Nach El Aura, The Secret In Their Eyes oder Wild Tales läuft im Kino sein Freunde fürs Leben (Truman) und das ist Grund genug, heute seinen ersten Erfolg zu zeigen: Nine Queens von Fabian Bielinsky ist ein Schwindel mit einem Schwindel mit einem Schwindel. Immer, wenn wir an dem Punkt sind, zu glauben, wir hättens gelöst, gibts eine neue Ebene. Das hier ist also einer der Filme, in dem nicht nur nichts so ist wie es scheint - hier scheint auch nichts wie es scheint... Alles beginnt folgerichtig mit einem scheinbar zufälligen Treffen (scheinbar ist in Nine Queens so ziemlich alles). Juan (Gaston Pauls) wechselt bei einem naiven Kassierer 20 Dollar und am Ende besitzt er 39 Dollar. Wie, das habe ich immer noch nicht begriffen. Juan wird nach dem ersten Mal gierig, probierts bei einem anderen Kassierer, doch dieses Mal fliegt er auf: Der erste Kassierer schreit, der Manager wurde informiert, dann zieht ein Fremder, Marcos (Ricardo Darin), seine Waffe und identifiziert sich als Polizist. Juan wird verhaftet. Natürlich ist Marcos nur scheinbar ein Cop, deshalb lädt er Juan zum Frühstück ein und erzählt ihm von einem richtigen "Ding". Seine (scheinbare) Schwester Valeria (Leticia Bredice), die (scheinbar) in einem Hotel arbeitet, kann ihnen zu den Nine Queens verhelfen, einer seltenen Briefmarken-Serie. Das Opfer: Der (scheinbar) reiche und ständig besoffene Gandolfo (Ignasi Abadal). An dieser Stelle sei gesagt, nichts von der Handlung wird verraten. Jedes "scheinbar" ist eben nur ein "scheinbar", was da bedeutet; so könnte es sein oder auch nicht. Der Plot funktioniert clever, ist aber nicht die Hauptsache! Nine Queens ist eine elegante Komödie, die sich ganz gerissen als "toternst" ausgibt. Alle Charaktere im Film sind sorgfältig ausgearbeitet und lebendig. Die schönsten Momente sind die, in denen die Figuren selbst ein "scheinbar" auflösen und alles doch wieder ganz anders ist. Nebenbei verliebt sich Juan in Valeria und es geht ausserdem um Ganoven-Ehre und Freundschaft. Nine Queens spielt in Buenos Aires und selbst die Stadt wirkt wie ein Betrug: Manchmal meint man, es sei tatsächlich eine südamerikanische Metropole, dann wieder sieht sie amerikanisch oder europäisch aus. Übrigens: Ich habe gelesen, dass Fabian Bielinskys Drehbuch als Gewinner durchging in einem argentinischen Wettbewerb. Man kennt diese Methode von HBO oder Miramax und ich denke, dass kein Studio in der Lage gewesen wäre, so eine Geschichte in Eigenarbeit zu kreieren. Nine Queens jedenfalls wurde ein riesiger Erfolg in Südamerika und läuft hier seit über zehn Jahren als Geheimtipp. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://movie.co.id/wp-content/uploads/2016/02/Nine-Queens.jpg)

Sonntag, 20. März 2016

Our Daily Free Stream: Searching for Sugar Man

 Ist es so, dass manche Geschichten nur existieren, weil wir sie so dringend brauchen? Searching for Sugar Man handelt von einem begabten Singer/Songwriter aus Detroit, dessen Gesicht verdeckt war von seiner langen Mähne und einer dunklen Sonnenbrille. In Bars sang er, indem er dem Publikum den Rücken zukehrte. Er hiess Sixto Rodriguez. Obwohl er keine Fangemeinde hinter sich hatte, bot man ihm einen Schallplattenvertrag für zwei Alben an - einfach weil er so gut war! Die beiden Platten Cold Fact und Coming From Reality verkauften sich aber dermassen schlecht, dass der Vertrag wieder aufgelöst wurde. Man hörte nichts mehr von Rodriguez. Seine Platten aber reisten um die Welt, bis nach Cape Town. Bootlegs der beiden Werke wurden dort von Hand zu Hand weiter gegeben und seine Songs dienten der Anti-Apartheids-Bewegung, um den Menschen Mut zu machen. Stephen Segerman, der einen Indie Plattenladen betrieb, veröffentlichte sie in Südafrika und Rodriguez verkaufte sich so gut wie Elvis und die Beatles! Die Doku des Schweden Malik Bendjelloul springt nun hin und her zwischen Detroit und Cape Town. Berühmte südafrikanische Sänger wie Rian Malan nennen Rodriguez als grossen Einfluss. Und Rodriguez selbst? Nichts! Es gab Gerüchte, er hätte sich erschossen. Ein Mann, von dem man nur seine Musik kannte, nicht einmal sein Gesicht! Segerman machte sich auf die Suche nach dem Musiker, so sehr, dass Freunde ihn selbst schon Sugar Man nannten. Im Internet gab es keine Einträge über Rodriguez, deshalb postete Segerman eine Webpage über seine Suche. In den späten 90ern bekam er eine Antwort, nicht von Rodriguez, aber jemanden, der womöglich etwas wusste... Searching for Sugar Man ist das Dokument einer manchmal frustrierenden Suche. Die Hinweise, die Segerman erlangte, machten den Eindruck, Rodriguez sei ein Heiliger, eine Seele von Mensch, dessen Musik diese innere Schönheit ausdrückt. Segermans Suche wird so inspirierend enden, als sei tatsächlich ein Wunder geschehen... Falls du den Film noch nicht gesehen hast, hol das heute nach am Sonntag! Du hast es dir verdient, genauso wie ich, solch eine wundervolle Geschichte zu erleben!

Samstag, 19. März 2016

Our Daily Free Stream: Georges Franju - Eyes without A Face (engl. subt.).

Our Daily Free Stream: Georges Franju - Eyes without A Face (engl. subt.). 1966, vor genau 50 Jahren, läuft eine Bewegung aus, die in Frankreich Nouvelle Vague genannt wurde. Immer noch gibt es Werke aus dieser Zeit zu entdecken wie diesen Horrorfilm von George Franju! - Professor Genessier zeigt tiefe Reue und er hat allen Grund dazu. Führt aber Reue auch dazu, sein Handeln zu verändern? Genessier ist Spezialist für Transplantationen. Er ist imstande, lebendes Gewebe von einer Person auf eine andere zu übertragen. Beide Menschen bleiben bei dieser Operation am Leben. Nachdem seine Tochter einen schrecklichen Autounfall erleidet, entscheidet er, das Gesicht einer anderen Frau zu transplantieren. Pierre Brasseur spielt den wahnsinnigen Professor, das Herz von Georges Franjus gnadenlosem Horrorfilm aus dem Jahr 1960 (den auch immer der Hauch der Nouvelle Vague umgab). Einst war er ein geachteter Chirurg, nun experimentiert er mit Vögeln, Hunden oder hilflosen Mädchen, die ihm seine Assistentin Louise liefert. Einmal erleben wir ihn beim Eingriff in das Gesicht eines Opfers - die Polizei klingelt und während er sie abwimmelt, lässt er das Gesicht des Mädchens einfach offen. Die entstellte Tochter Christiane (Edith Scob) verbringt ihre Zeit in einem verriegelten Zimmer. Sie trägt eine Maske, die nur ihre Augen zeigt. Alle Spiegel im Haus sind verhängt, während Genessier nach einem Gesicht für seine Tochter sucht... Eyes Without A Face ist wunderbar verhalten und nüchtern gefilmt. Die Schwarzweiss Bilder wirken unheimlich kräftig und die Kamera mitunter fast bizarr: Achte mal auf die Friedhof-Szene, in welcher der Professor eine Leiche aus seinem eigenen Familiengrab holen will. Die Kamera verharrt auf einem Gebilde toter Zweige vor dem Himmel - wie eine grosse Geste! Eine surrealistische Note zeichnet diese Bilder, die umso schockierender wirken, da man sie nicht genau übersetzen kann. Franju abeitet mit Stimmungen, weniger mit einer Geschichte. Sein Film sucht deshalb keine "Auflösung", sondern schliesst mit einem Bild: Die Tochter ohne Gesicht verschwindet im Wald, umringt von Tauben... Eine schlechte Eigenschaft "seriöser" Kinogänger ist die, bestimmte Genres (wie Horror oder Teenager Romanzen) einfach zu meiden. Die eigene Ignoranz wird als "guter Geschmack" verkauft. Die Kritiker der Nouvelle Vague unternahmen viel, diese Einstellung zu verändern im Rückgriff auf "Pulp"-Genres. Am Ende müssen wir aber selbst entscheiden und uns auf das eigene Gefühl verlassen! Wir selbst müssen uns das Beste aus jedem Bereich heraus picken! In dem Moment, da ich merke, wie ein Film sich nur auf Konventionen verlässt und eigene Ambitionen scheut, werfe ich ihn einfach zurück in sein "Genre". Eyes Without A Face aber weigert sich, mir mit einen linearen "Story" zu dienen. Was bleibt, ist das ungute Gefühl, der Professor würde mit seinen irrsinnigen Operationen fortfahren und Gesichter aufschneiden, während seine Tochter verrückt wird. A meisten hat mich berührt, dass die Verbrechen des Vaters und nicht ihr eigenes Schicksal, das Herz seiner Tochter brachen. Auf dieser Fabel hat Franju seine Bilderwelt konstruiert, die uns viel mehr vermittelt als es Worte könnten. (Bild: http://www.ukhorrorscene.com/wp-content/uploads/2015/08/ewaf2.jpg) (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung)

Freitag, 18. März 2016

Our Daily Free Stream: Luc Besson - Leon. 


Our Daily Free Stream: Luc Besson - Leon. Zum Geburtstag des französischen Film-Moguls gibts heute Leon The Professional: Luc Besson ist die kommerzielle französische Industrie. Er im Alleingang und dafür hasst ihn halb Frankreich. Fast vergisst man dabei seine kalten und traurigen Geschichten aus den 90ern. Professionelle Killerinnen, obsessive Taucher und Punks, die in den Schluchten der Pariser Metro leben, bevölkerten diese Filme. Die Vorbilder von Besson waren Comics und genauso sahen seine Filme aus. Der New Wave Stil der Zeit, in Frankreich fand man dafür den Begriff "Bande Dessinee". Luc Besson scheint ein Anhänger der Pygmalion Theorie zu sein, die besagt, dass jede Person durch Bildung transformiert werden kann. Dieser Glauben mit der Vorliebe Bessons für weibliche Killer, macht Leon - The Professional aus. Einen Fakt aber können wir dabei auf keinen Fall ignorieren: In Leon ist der weibliche Killer ein Mädchen von zwölf Jahren! Der ganze Film wird dabei unwahrscheinlich und von wundervoller Magie! Leon eröffnet mit einer sehr amerikanischen Sequenz (denn Besson verliess für diese Produktion zum ersten Mal Frankreich): Die Kamera fliegt über New York, taucht in die Wolkenkratzer-Schluchten und verharrt vor einer Tratoria. Darin sitzt der Mob Boss (Danny Aiello) und erwartet seinen "Cleaner", den Analphabetiker Leon (Jean Reno). Leon ist der Beste in seinem Fach des Tötens, scheint sich aber ansonsten auf dem Entwicklungsstand eines Kindes zu befinden. Wir erleben ihn bei der Arbeit, sehr effizient, wie er ein düsteres Inferno entfacht. Leon wird seine Nachbarin Matilda (Natalie Portman) adoptieren. Ein robustes Mädchen, dass die Strasse kennt. Sie sucht Schutz in Leons Apartment, nachdem der wahnsinnige Cop Stansfield (Gary Oldman) ihre Familie tötete. Im Gegenzug will Matilda Stansfield umbringen und dazu braucht sie Leons Ausbildung. Als Bezahlung verspricht sie, seine Wäsche zu waschen. Leon will nichts zu tun haben mit ihr, aber sie besteht darauf. Nach kurzer Zeit wirken beide wie ein altes Ehepaar, trotz des Altersunterschiedes von 30 Jahren. Obwohl der Film die dreckigsten Orte zeigt, die New York zu bieten hat und einige sehr gekonnte Shootouts, haben wir es im Herzen doch mit einer romantischen Fantasie zu tun. Besson hat keinen realistischen Thriller gemacht. Sein Film sieht aus wie ein europäisches Arthaus Werk - fast meint man, dass hier sei nicht Manhattan, sondern Paris! Leon - The Professional wahrt immer einen gewissen Abstand zum Geschehen: Wenn Matilda dem Killer das Lesen beibringt und er ihr zeigt, wie man sich exakt auf die Bewegungen eines "Probanden" einlässt, bevor man abdrückt... Ganz gleich, ob Leon von zehn oder hundert Polizisten umzingelt wird, er lässt sich einfach von der Decke eines Raumes fallen und erledigt sie alle. Genauso kann er sich fast telepathisch von einem Teil des Gebäudes zum nächsten bewegen. Der "Proband" glaubt ihn vor sich, doch längst steht Leon schon hinter ihm. Besson besitzt die Gabe, von seinen Action-Sequenzen immer wieder in sein Drama einzutauchen. Dabei hilft ihm die psychodelische Musik von Eric Serra, der alle Filme von Besson so herrlich untermalt (dringende Empfehlung: Einen Besson/Serra Soundtrack durchzuhören!). Die Liebesgeschichte von Leon und Matilda wirkt ganz natürlich und niemals obszön. Selbst in dem Moment, da sich beide ein Bett miteinander teilen, fiehl es mir nicht ein, daran Anstoss zu nehmen. Leon lebt mit der Seele eines Kindes, im Grunde noch unschuldig. Matilda dagegen hat bereits alles erlebt. Wenn sie Leon gesteht, dass sie ihn liebt, prustet er seine Milch aus vor Schreck. Dass Matilda noch ein Kind ist, spielt in Bessons Film keine Rolle. Wir müssen das als die Tragik seiner Geschichte akzeptieren. Ziehvater Leon kann ihr kein Leben bieten mit Schulbildung oder gleichaltrigen Freunden. Er schläft mit der Waffe im Schoss. Während Bessons Film und auch Leon wissen, dass dieses Leben falsch ist für ein junges Mädchen, nehmen wir es einfach so hin. Darin besteht Bessons Kunst der Inszenierung! (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjp8FnhATZRgaXZb_PKQWQMQODTN234289v1sgh1kvOUFvHPa73qka-reyu_Cc5jfVC5NlYmlKJrt-uUoAMur_CFMgnakkAqvkR20V4fHqxC39DoV5qLXR2CAAae7MA286t0jH9hlCWYcE7/s1600/03.jpg)

Donnerstag, 17. März 2016

Our Daily Free Stream: Jules Dassin - Rififi (engl. subt.).

Our Daily Free Stream: Jules Dassin - Rififi (engl. subt.). Ich habe mir Trumbo angesehen und war etwas enttäuscht. Ein wenig lieblos wirkte es, wie die Hexenjagd in den 50ern, während der "McCarthy-Ära" abgehandelt wurde. Dann sah ich Rififi von Jules Dassin, eines der bekanntesten Opfer. Ein Offenbahrung! Deshalb hier der Stream: Der moderne Bankraub Film (oder neudeutsch "Heist Movie") wurde begründet von Jules Dassin 1954. Seinen ganzen Film konstruierte er um die halbe Stunde, in der die Bankräuber einen Tresor knacken. Die Geburtstunde des Genres, in dem es vor allem darum geht, technisch komplizierte Raubüberfälle vorzuführen. Was macht einen guten "Heist Movie" aus? Er muss sich auf jedes Detail konzentrieren (denn der Teufel steckt bekanntlich im Detail!). Die Nouvelle Vague kürte Rififi zum besten aller Film Noirs (wobei auch bemerkt wurde, dass der Film auf einem wahrhaft bescheuerten Roman beruht). Alles gipfelt in der atemlosen Sequenz des Raubs, die ein Viertel des gesamten Thrillers ausmacht - ohne dass Dassin es nötig hätte, auf Dialoge oder Musik zurückzugreifen. Derart akribisch wird der Hergang des Geschehens gezeigt, dass es ganz bestimmt als gute Anleitung für einen echten Raub dienen könnte! Diese Szene stellt das Herz dar von Rififi, wohl bemerkt, nicht einfach nur die Auflösung! Dassin interessiert sich mehr für die menschlichen Aspekte: Was geschieht zwischen den Gangstern nachdem sie ihren Lohn erhalten haben? Rififi funktioniert vorzüglich als Parabel und ich denke, das ist die eigentliche Intention Dassins. Auch in diesem Aspekt, darf sein Einfluss auf den französischen Gangsterfilm nicht unterschätzt werden. In Frankreich sind die Gangster stets solidarisch miteinander, jedenfalls im Kino. Jules Dassin kam aus Hollywood, wo er auf der berüchtigten Blacklist stand. Er hatte jahrelang nicht mehr gearbeitet. Rififi war seine grosse Chance, mit einem geringen Budget in Paris zu drehen. Im Film Noir sind die Strassen meist feucht, es ist dunkel und regnerisch. Paris im Winter kam für Dassin als Schauplatz gerade recht - Regen gibts während der Jahreszeit genug! Der einzig heimelige Ort im Film, das ist die Wohnung eines der Gangster, in der er mit Frau und Kind lebt. Im Zentrum steht Tony (Jean Servais). Er ist der Typ des kaltblütigen Mörders, aber er glaubt an Gangster-Ehre. Am Ende des Films wirkt er sogar in gewisser Weise geläutert auf seinem einsamen Rache-Feldzug. Die Figur des Tony, stellt die Seele dar von Rififi. Der Familienvater heisst Jo der Schwede (Carl Moehner), sein Freund Mario (Robert Manuel). Beide sind vom Herzen her kleine Gangster und suchen die schnelle Beute. Es ist Tony, der sie ermutigt, ein grosses Ding zu drehen. Ihm geht es um den Inhalt des Tresors, nicht bloss um den Schmuck im Schaufenster, deshalb engagiert er einen Safe-Knacker: Cesar, gespielt von Dassin selbst (im Abspann als Perlo Vita genannt). Der Einbruch selbst gelingt kaltblütig und professionell. Wir hören ausschliesslich die Arbeitsgeräusche und das Atmen der Männer. Gesprochen wird nicht und dadurch erreicht Rififi diese ungeheure, intensive Spannung: Suspense! Der Raub an sich aber, stellt nicht das Ende dar von Rififi... Dassin war bereits in seine vorigen Filmen ein Meister darin, die urbane Grossstadt zu zeigen. Fast semi-dokumentarisch schienen seine Thriller, die er zuvor in New York oder London gemacht hatte. In Rififi wirkt alles echt: Mich hat vor allem beeindruckt, wie im Verlauf der Handlung das Geschehen in Gewalt umschlägt. Dassin betont das Unbeholfene dieser Gewalt und das lässt es so real wirken. Genauso sind die Schauplätze ausgesucht: Orte des täglichen Lebens wie Cafes und Nachtclubs - man spürt wie es damals gewesen sein muss im Paris der 50er! Dassin selbst stand gar nicht so hinter der Produktion von Rififi - er war einfach froh, nicht mehr arbeitslos zu sein. Nach der Hexenjagd in Hollywood, die seinen Namen auf die schwarze Liste trug, war er für den amerikanischen Film verloren. Später lebte er in Athen und geriet zu Unrecht in Vergessenheit. Die DVD Version ist sauber restauriert worden und mit leicht lesbaren englischen Untertiteln versehen. Ist das nicht ein Grund, diesen Film Noir wieder zu entdecken? (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://calitreview.com/wp-content/uploads/2012/11/100_27_rififi.jpg)

Mittwoch, 16. März 2016

Cinema Today: Louder Than Bombs (OV+germ. subt.), Il Kino, Nansenstr. 22 (Neukölln), 16.00


Es gibt Dinge, die wir fast nie aussprechen: Unsere Sehnsüchte, unsere Enttäuschungen, unsere Trauer. Joachim Triers Louder Than Bombs handelt davon. Der Däne hat sich in Europa einen guten Namen gemacht; Louder Than Bombs ist sein US Debüt. Er zeichnet das Bild einer Familie, die vom Selbstmord der Mutter auseinander getrieben wurde. Gabriel Byrne spielt den Vater, der nun die Entfremdung zu seinen Söhnen überwinden will. Ein Leitmotiv von Louder Than Bombs sind die Geheimnisse, die Menschen auch in intimen Beziehungen bewahren. Gleich anfangs werden wir Zeuge davon: Jonah (Jesse Eisenberg) hält im Krankenhaus ein Baby in die Höhe. Ein vermeintlches Bild von Familien Idylle, denn es gehört seiner Ex-Freundin und später wird Jonah seine Frau darüber belügen. Die Handlung setzt drei Jahre nach dem Selbstmord der Kriegsfotografin Isabelle Reed (Isabelle Huppert) ein. Ihr Mann Gene (Gabriel Byrne) und die Söhne Jonah (Eisenberg) und Conrad (Devin Druid) sind Einzelgänger. Sie bilden keine Gemeinschaft. Nun versucht sich jeder in eine Parallelwelt zu flüchten, ob nun mittels einer Affäre oder durch Videogames. Trier kennt sich mit Krisen, Depressionen und Suchtverhalten, denn daraus formt er seine Filme. Stilistisch möchte ich Trier als Avantgardist bezeichnen (selbst wenn dieses Wort ungeheuer unangenehm klingt!). Bei ihm verschmelzen Wirklichkeit und Fantasie, Gegenwart und Vergangenheit. Zum Glück aber erscheint bei Trier das Artifizielle ganz selbstverständlich und ungekünstelt! Gabriel Byrne als Vater strahlt Warmherzigkeit und Humor aus, ist aber auch ratlos angesichts der Situation. Isabelle Huppert als Mutter tritt in Rückblenden auf und strahlt eine gespenstische Ruhe aus. Jesse Eisenberg wirkt bis zur Hysterie ehrgeizig, während Devin Druid als Aussenseiter abtaucht in seine Fantasiewelten. Nur die neue Freundin des Vaters, Hannah (Amy Ryan) scheint in ihrem Leben da zu stehen, wo sie hin will. Doch im Zweifelsfall wird auch sie zur Lüge greifen...
Our Daily Free Stream: Krzysztof Kieslowski - The Double Life Of Veronique (engl. subt.) 


Our Daily Free Stream: Krzysztof Kieslowski - The Double Life Of Veronique (engl. subt.) Seit 20 Jahren ist Kieslowski nun tot. Deshalb haben wir uns in der Filmkunstbar Fitzcarraldo entschlossen, seine Filme in unserer Galerie zu präsentieren. Den schönsten zeigen wir heute: The Double Life Of Veronique - Das ist ein Film über ein Gefühl und wie alle Gefühle, kann es nicht näher mit Worten beschrieben werden. Die Kunst aber kann es herauf beschwören. Es ist das Gefühl, dass wir nicht allein sind. Da gibt es noch jemanden anderes ausser uns. In einem entfernten Sinn sind wir miteinander verbunden durch Gedanken. Wir können das nicht begreifen, es ist ganz einfach ein Gefühl. Es existieren viele Theorien von Ereignissen, die andere Geschehnisse weit entfernt beeinflusst haben. Man hat Schimpansen auf einer Insel etwas beigebracht, während es die Schimpansen auf einer anderen Insel übernahmen. Zwei vibrierende Stränge an zwei verschiedenen Orten - synchron. Oder befinden sie sich an beiden Plätzen gleichzeitig? Krzysztof Kieslowskis La double vie de Véronique tut uns den Gefallen, sich selbst nicht zu erklären. Der Film lässt in der Schwebe, was gerade geschieht. Er beschwört es herauf. Er vollbringt das mit dem Gesicht von Irene Jacob. Sie spielt zwei Rollen, die polnische Veroniqua und die Französin Veronique. Kieslowski hat begriffen, dass das menschliche Gesicht das grösste Subjekt des Kinos ist. Seine Kamera betrachtet sehr intensiv das von Jacob. Ich möchte an dieser Stelle keine Zeit damit vergeuden, zu beschreiben, wie schön sie ist - denn Kieslowskis Kamera sucht nach der Seele dahinter. Manchmal lächelt sie, manchmal schaut sie verloren, manchmal denkt sie einfach nach. Sie selbst wirkt verletztlich, romantisch, voller Freude und zärtlich. Sie hat ein gutes Gesicht und wir werden mit einbezogen in ihre Selbstwahrnehmung. Der Film eröffnet mit einer lebenslustigen jungen Frau, Veroniqua, die nach Krakau reist, um ihre Tante zu besuchen. Ihre klare Stimme erweckt das Interesse eines Chorleiters. Sie wird ausgewählt, im Konzerthaus zu singen. Vor dem Auftritt erblickt sie sich selbst, wie sie in einen Reisebus steigt. Wie angewurzelt bleibt Veroniqua stehen, erstarrt vor Schmerz. Die andere Frau, die so aussieht wie Veroniqua, bemerkt sie nicht und macht Schnappschüsse mit ihrem Fotoapparat. Ohne es zu realisieren, fotografiert die Fremde Veroniqua. In Paris treffen wir Veronique, eine Lehrerin. Mit ihrer Klasse besucht sie ein Marionetten-Theater. Durch einen Spiegel hinter der Bühne, kann sie den Puppenspieler sehen und er sie. Sie sei verliebt, verkündet sie kurz darauf. Ihr Vater fragt, ob sie traurig sei und sie bejaht das (obwohl sie nicht genau weiss, weshalb). Ich denke, wir kennen den Grund: So etwas wie eine Erregung der Zeit muss von Krakau nach Paris gedrungen sein. Veronique und der Puppenspieler Alexandre (Philippe Volter) sind miteinander verbunden. Sie findet ihn und flieht vor ihm, sie hat sich auf die Liebe eingelassen. Später wird sie Alexandre erzählen, dass sie schon ihr ganzes Leben lang fühlt, sie befinde sich an zwei Orten gleichzeitig. Wir kennen das Gefühl. Angenommen, du befindest dich in einer fremden Stadt und sitzt in einem Cafe. Auf einmal glaubst du, genau diese Situation schon einmal erlebt zu haben (obwohl du vorher nie dort warst). Alexandre hat zwei Marionetten geschnitzt, die Veronique gleichen. Er trägt die Geschichte der Beiden vor: Als sie noch klein war, hat die eine Puppe den heissen Ofen berührt. Wenige Tage später wusste die andere, dass diese Berührung schmerzhaft sei und unterlässt es. Warum hört die Pariser Veronique plötzlich und unvermittelt auf, Gesangs-Stunden zu nehmen? Ein "normaler" Film Marke Arthaus hätte uns das genau erklärt. Kieslowski zum Glück nicht. Er will gar nicht wissen, wie solche Dinge gestehen. Er möchte, dass wir uns eingestehen, wie sich so etwas anfühlt. Sollte nun der falsche Eindruck entstanden sein, in La double vie de Véronique gebe es kaum Handlung? Der Film hat eine hypnotische Wirkung, wir werden hinein gezogen in die Charaktere, ohne den Abstand, den uns ein Plot erlauben würde. Beide Frauen, Veroniqua und Veronique, sind gut und echt. Sie tun nichts, dessen sie sich schämen müssten. Es gibt da diesen Moment, in dem Jacobs Veronique ihr Gesicht in die Sonne hält. Wir spüren; sie lebt diesen Moment, sie geniesst ihn! Es ist einer der schönsten Filme, die ich je sah! Der Kameramann Slawomir Idziak offenbart die glühende Schönheit Jacobs! Eine ganze Palette an Rot- und Grüntönen, die an sich für Nichts stehen, aber den Film so wundervoll, so verzaubert aussehen lassen! Sie unterstreichen die dritte auffällige Farbe: Ein goldenes Gelb und das betont Jacobs makelloses Gesicht. Es gibt einige weitere Charaktere, zwei Väter, eine Tante, einen Gesangslehrer und alle betrachten sie mit Liebe und Weisheit. Der Film kennt keine bösen Menschen. Es gibt auch mysteriöse Gestalten, wie die Frau mit dem schwarzen Hut. Sie dreht sich um und blickt Veronique hinterher. Wer sie ist; wir erfahren es nicht. Das ist die Kunst Krzysztof Kieslowskis, der ein wundervoller Regisseur ist! Gemeinsam mit seinem Autoren Krzysztof Piesiewicz hat er manche Erkundungen des menschlichen Schicksals angestellt. La double vie de Véronique wirkt wie eine einzige filmische Umarmung. Eine, die man mit einem guten Freund teilt, den man liebt - etwas, was euch beiden sehr wichtig ist! (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://farm6.static.flickr.com/5224/5627012962_da18c08938_o.jpg)

Dienstag, 15. März 2016

Cinema Today: Die dunkle Seite des Mondes (OV germ. only), Moviemento, Kottbusser Damm 22 (Kreuzberg), 17.15.


Wie funktioniert ein deutscher Genre Film? Indem er es den amerikanischen Vorbildern gleich tut oder sich auf die deutsche Wirklichkeit konzentriert? Die Antwort scheint simpel, obwohl immer wieder neue Erzeugnisse des deutschen Genre Kinos sie nicht verstehen wollen. Wie sonst erklärt sich der Versuch, abendfüllende Tatorts ins Kino zu bringen, die wie ein Hollywood C-Movie daherkommen? Zum Glück ist Stephan Ricks Martin Suter Verfilmung anders. Verankert in der deutschen Wirklichkeit und manchmal überhöht mit mythischen Motiven. Was könnte für dieses Land typischer sein als der Wald als Abbild der Seele? Wir treten ein in die Welt von Urs Blank (Moritz Bleibtreu) und das ist die Welt der Frankfurter Wirtschaft. Urs Blank ist Wirtschaftsanwalt. Seine Wohnung ist steril und seine Ehe repräsentativ. Durch sein geschäftliches Geschick aber erschiesst sich sein Geschäftspartner und Urs Welt zerbricht. Er lernt eine junge Frau Frau (Nora von Waldstätten) kennen, mit der er einen Psilocybin-Trip schmeisst. Er wird sich von diesem Trip nicht mehr erholen und lebt weiter als gespaltene Persönlichkeit. Urs zieht sich in eine Pension im Wald zurück. Schliesslich wählt er einen Wolf zu seinem Totemtier und folgt ihm. Umso tiefer es Urs in den Wald zieht, desto sympathischer wird er wider Erwarten. Ist der unkontrollierte Instinkt zwangsläufig gewalttätig? Schattenzoen und Lichtungen des Waldes werden genauso stilvoll vorgeführt wie die Anspielungen auf das gleichnamige Album von Pink Floyd. Nicht jedem Handlungsschritt konnte ich folgen, dafür freute ich mich über den Auftritt von Jürgen Prochnow als diabolischen Chef. Rund ist dieser Genre Film noch nicht, immerhin aber ballert kein Komissar ausser Dienst mit quäkender Stimme wild um sich.
Our Daily Free Stream: David Cronenberg - M Butterfly. 


Our Daily Free Stream: David Cronenberg - M Butterfly. Cronenberg, geboren in Toronto, stolzer Jahrgang 43, hat heute Geburtstag. Seine letzten drei Filme mussten viel Schelte einstecken, aber in seiner langen Karriere wählte Cronenberg nie den leichtesten Weg. Das beweist auch sein 93er Film M. Butterfly, den wir heute zeigen: Wie ist es möglich, einen Mann 20 Jahre lang zu lieben und dabei zu glauben, er sei eine Frau? Das soll auch noch einem Franzosen passieren (wo doch die Franzosen spezialisiert sind auf sexuelle Angelegenheiten!), der einen Star der Peking Oper liebt? David Henry Hwang stellt diese Fragen in seinem Stück M. Butterfly, das von David Cronenberg verfilmt wurde. Die Antwort, wehalb Rene Gallimard auf diesen Holzweg gelang geht so: Er wusste es nicht, weil er es nicht wissen wollte. Gallimard liebte 20 Jahre lang die Frau seiner Träume und da zählte die Realität für ihn eben nicht. Diese Erklärung klingt wie romantischer Idealismus, wobei Hwang noch eine zusätzliche düstere Note suggestiert: Gallimard erlag der westlichen Vorstellung der Unterwürfigkeit der asiatischen Frau. Verzweifelt brauchte er diese Frau als "Butterfly" seiner Träume, dass er auf alle gegenteiligen Beweise blind reagierte. Sein Selbstbetrug setzt den Rahmen, in dem die Asiatin seigreich vom Felde zieht über den Europäer. Im Theater mochte das Publikum, genauso wie der Hauptdarsteller im Stück, diesen Betrug nicht erkennen. Im Kino ist das leider unmöglich. John Lone als Song Liling, der Transvestit, wirkt nicht wie eine überzeugende Frau (und vielleicht sollte er das auch gar nicht?). Rene Gallimard wird gespielt von Jeremy Irons, der wie kein zweiter die gequälte Sexualität zu seinem Inventar als Schauspieler machte. Wer sonst könnte eine solche Obsession besser spielen? immer wird er von "ihr" auf Abstand gehalten, doch er folgt - 20 Jahre lang. "Are you my Butterfly?", fragt er in einem Moment grössten Schmerzes. Song bejaht. Er ist schliesslich nur das, was Gallimard sich wünscht. Der Film spielt in Peking, einer Stadt, die der westliche Besucher womöglich exotischer findet, als er sollte. Er verliebt sich auf den ersten Blick in Song Liling während einer Vorstellung. Gallimard vergisst seine Ehefrau daheim und steigert sich in eine verrückte Passion. Einen Moment der Angst erlebt Song, er könnte auffliegen. Angesichts seines willfähigen Partners scheint diese Sorge aber unbegründet. Schliesslich hilft er sich mit der Ankündigung, er sei schwanger... Alles in allem klingt das interessant. Ich habe das Theaterstück nie gesehen, kann mir aber die Wirkung vorstellen. Der Film aber ist ein zu realistisches Format, um diese Geschichte von Illusion und Täuschung zu transportieren. Lones Stimme wirkt auf mich auch viel zu tief und monoton. Eine überzeugende Erklärung auf die Frage, wie Gallimard nicht merken konnte, dass Song ein Mann ist, bleibt Cronenbergs Film bis zum Schluss schuldig. Ohne die Antwort aber, funktioniert die Geschichte nicht. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://images.movieplayer.it/images/2003/06/14/john-lone-in-una-scena-di-m-butterfly-16774.jpg)

Montag, 14. März 2016

Cinema Today: Song Of The Sea (german dubbed). Central, Rosenthaler Str. 39, Mitte, 16.30. 


Visuell grandios, nur die Geschichte wirkt etwas flach. Wie in seinem letzten Film widmet sich Tomm Moore einer irischen Kindergeschichte. Song Of The Sea handelt von der Aufgabe eines Jungen, seine kranke Schwester zu heilen. Technisch ist der Film auf höchstem Niveau. Moore verbindet sehr viel mit wenig , denn seine Figuren sprechen im Grunde nur mit dem Körper. Song Of The Sea ist ein stiller Film, wobei mich diese zurückgenommene Erzählweise teilweise sogar langweilte. Manchmal wirkt die Geschichte so als ob sie aus anderen Märchen geborgt wäre. Es besteht eine gewisse Abhängigkeit zwischen Bens Neugier und der Krankheit seiner Schwester. Nach dem mysteriösen Verschwinden der Mutter sorgen beide füreinander, während der Vater verzweifelt vor sich hin murrt. Es interessiert ihn auch nicht als Ben herausfindet, dass die sich Schwester Saoirse in einen Seehund verwandeln kann (so wie die Legenden des Feenvolkes es beschreiben). Die folgenden Abenteuer der Kinder sind vorbestimmt durch eine Prophezeiung. Schliesslich müssen sie gefangene Fabelwesen aus der Gewalt der bösartigen Gottheit Macha befreien. Im kleinen werden einige sehr schöne Ideen vorgeführt. Oft handelt Ben geradezu exzentrisch (ohne dabei das eigene Märchen zu verraten). Leider sind alle seine Schritte vorausschaubar, worunter die Spannung leidet. Song Of The Sea sieht einzigartig aus. Es scheint als sei die zweidimensionale Ästhetik direkt aus alten Zeichnungen übernommen. Oft kommt der Film auch überaus nett und charmant daher. Ich denke, Moore hat das Zeug zu einem noch wirklich grossen Film!
Our Daily Free Stream: Michael Caine - Alfie. 


Our Daily Free Stream: Michael Caine - Alfie. Zum Geburtstag des britischen Schauspielers, sein erster grosser Erfolg Alfie (1966): Merkwürdig, Alfie hat man als Komödie in Erinnerung, dabei ist er ein echter Finsterling, der das Leben entschieden ablehnt. Die Adaption von Bill Naughtons Stück präsentiert einen selbstsüchtigen, frauenhassenden Schürzenjäger. Alfie unterhält eine Reihe von Verhältnissen, über die er uns (den Zuschauern) freimütig berichtet. Er spricht direkt in die Kamera und gibt uns eine Anleitung, wie man mit dem zweiten Geschlecht umgeht. Wir werden Alfies Komplizen. Eine Film-Figur wird vom Publikum vor allem aus zwei Gründen geliebt: Es will mit ihr schlafen oder so sein wie sie. Michael Caine als Alfie strahlt Sexualität aus mit seinen grossen hellen Augen und seinen langen Wimpern. Im Grunde tritt er auf in einer moralischen Geschichte: Wäre Alfie letztlich nicht glücklicher geworden mit nur einer Frau und ein paar Kindern? Die meisten Frauen und Männern in den 60ern nahmen aber etwas ganz anderes aus der "Komödie" mit: Caine repräsentiert eine Männer-Phantasie der Zeit. Er ist ein Frauen Magnet mit dickem auto (obwohl er nicht wohlhabend ist, sondern Arbeiter-Klasse), Charme und einem Reservoir kluger Sprüche. Alfie stellte so etwas wie die erste Studie männlichen Verhaltens dar: Immer noch wird er bewundert für seine Gehässigkeit und Amoralität. War das dem Autor überhaupt bewusst? Seine Intention? wie kein Zweiter verkörperte der Michael Caine der 60er Gefahr und Sex. Alfie (und das beweist das langweilige Remake des Films aus dem Jahr 2004) ist eine Figur, wie sie heute im Kino nicht mehr möglich wäre. Eine Figur, bevor die Frauenbewegung erstarkte. Das britische Kino erreichte nie wieder die Kraft, die es in den 60ern hatte. Es mag daran liegen, dass es nie wieder so roh und gewaltig sein durfte.

Sonntag, 13. März 2016

Cinema Today: Rams - Sture Böcke (german dubbed), Acud, Veteranenstr. 21, Mitte, 19.00.


Könnte die Geschichte woanders spielen als in diesem Tal Islands hinter einer pittoresken Bergkette? In der Ödnis der Natur leben zwei Brüder mit langen Bärten und verfilzten Wollpullovern. Sie sind Schafzüchter und lieben ihre Tiere. Bei lokalen Wettbewerben gewinnen sie regelmässig Preise. Zu sagen haben sich die Beiden trotz dieser Gemeinsamkeiten nichts. Seit vierzig Jahren reden sie nie, stattdessen lassen sie sich Briefe überbringen. Das Zenario einer typisch nordeuropäischen Komödie? Der Isländer Grimur Hakonarson aber verweigert uns die Lacher. Er will seine Figuren nicht vorführen. Stattdessen widmet er sich Land und Leuten mit zäher Ernsthaftigkeit und das Resultat ist ein sachliches Drama. Wir übernehmen die Perspektive Gummis, denn er ist der ältere Bruder. Eines Tages äussert er den verdacht, ein Schaf seines Bruders Kiddi könnte krank sein. Es kommt zum Bruderstreit, doch auch den verweigert uns der Film. Stattdessen erleben wir eine ganz leise Annäherung... Ein wenig ratlos lässt mich Rams zurück. Warum haben die Brüder überhaupt so lange geschwiegen? Gab es vorher bereits Streit? Ist es einfach ihre Mentalität? Ist es vernünftig, auf Dramaturgie und Erzähllfluss fast gänzlich zu verzichten? Aufgrund dieser Aussparungen aber entwickelt sich etwas anderes beim Sehen: Ich tauche ein in diese karge Welt. Ich bilde mir ein, dass ich die Brüder ein bisschen verstehe.
Our Daily Free Stream: Andreas Dresen - Nachtgestalten (german only). 


Our Daily Free Stream: Andreas Dresen - Nachtgestalten (german only). Dresen ist nicht nur hier um die Ecke im Wolf Kino aktiv und veranstaltet Filmvorführungen auf Bierkästen. Er arbeitet auch gerade an einer Neuverfilmung von Tim Thaler. Deshalb gibts heute seinen ersten Kinoerfolg Nachtgestalten: Berlin 1998 kurz vor dem Besuch des Papstes. Das Obdachlosenpaar Hanna und Victor, die drogenabhängige Prostituierte Patty und Jochen, ihr Freier, dann noch der Angestellte Peschke mit einem schwarzen Kind, das niemand am Flughafen abholte - sie alle führen eine Existenz im Schatten dieses Besuchs. Sie sind Nachtgestalten. Ihre Geschichten um ein Taxi, ein Hundertmarkschein und die Suche nach einer Unterkunft für die Nacht werden locker miteinander verbunden. Die Charaktere wirken teilweise zwar etwas stereotyp, dennoch lebt Nachtgestalten von einem Gefühl der Sehnsucht und kleiner schöner Gesten der gegenseitigen Hilfe. Berlin während der 90er bei Nacht, Andreas Dresen hat das Gefühl der Zeit eingefangen, als Berlin noch eine Stadt war, die in den Kinderschuhen steckte. Für mich war das damals die Stadt der versteckten Clubs, doch solche Nachtgestalten wie Patty (immer auf der Suche nach dem nächsten Fix, aber einen kurzen Moment lang von Freier Jochen ehrlich gerührt) gehörten eben auch zum Bild dieses "alten" Berlins. Die Hülle Berlins war damals noch nicht so aufpoliert, die Fassaden der Gebäude noch grau und dreckig, die Einschusslöcher aus dem Krieg nicht alle ausgebessert. Das, was wir als grossen Abenteuerspielplatz benutzten, das sah immer auch aus wie ein Ort der Einsamkeit und des Elends. Andreas Dresen betont diese triste Seite, wenn Peschke den schwarzen Jungen für eine Nacht bei sich aufnimmt. Dresen schafft das Kunststück, die Verzweiflung seiner Figuren immer wieder mit Komik zu verbinden. Wer sich noch an die schlimmen deutschen Beziehungs-Komödien aus Köln oder München aus den 90ern erinnert, der weiss diese leise Komik umso mehr zu schätzen! Nachtgestalten steht nicht nur für die "Rückkehr des Sozialen" im deutschen Kino. Nachtgestalten zeigt die Menschen und das Leben wie sie in "echt" auch vorstellbar sind. Dieser Realismus wird wundervoll ausgeleuchtet - achte mal auf die kunstvolle Farbgebung! Ein sehr sehr schönes Portrait des Nachtlebens einer Stadt, die so nicht mehr existiert.

Samstag, 12. März 2016

Cinema Today: Our Little Sister (OV+germ. subt.), B-Ware, Gärtner Str. 19 (Fhain), 13.00.


Hirokazu Koreeda kennt sein Vorbild und er hat nie einen Hehl daraus gemacht: Ozu. Die Geschichte einer Familienzusammenführung ist als Hommage an den grössten japanischen Filmemacher gedacht. Röcke flattern im Wind, Schneeflocken tanzen durch die Luft, Herbstlaub wird von einer Brise davon getragen. Koreeda erzählt nicht nur von vier Frauen, seine Bilder umschmeicheln sie. Sein Film beruht auf dem Manga »Umimachi Diary« von Akimi Yoshida. Es ist ein grosses menschliches Drama, das sich vor uns aufbereitet (wobei wir das erst nach und nach realisieren). Fast unmerklich tauchen wir in den Alltag dreier junger Frauen in, die ohne ihre Mutter in einem traditionellen Holzhaus in Kamakura vor Tokyo leben. Sie erfahren vom Tod des Vaters, der die Familie vor Jahren verliess und treten eine Reise an. Dort lernen sie ihre Halbschwester Suzu kennen und laden sie ein, bei ihnen zu wohnen. Suzu zieht ein und ihr Leben wird ab diesem Tag leicht und angenehm. Es entsteht eine innige Bindung der Geschwister, während die abwesende Mutter innerlich verhärtet ist. Beiläufig entstehen Gespräche, werden Erinnerungen ausgetauscht über die Mutter und die Grossmutter. Manchmal sind es Sinneswahrnehmungen wie der Geschmack von Shirasu, der sie an früher erinnert. Erzählt wird ruhig und voller Ernst. Die Küstenstadt Kamakura gehört zu Ozus Welt, hier hat auch er gedreht, hier ist er gestorben. Genauso wie Suzu fühlte ich mich von den Schwestern herzlich eingeladen, Zeit mit ihnen zu verbringen. Ich bin dabei, erlebe die tägliche Verrichtung der Hausarbeit durch die vier Jahreszeiten. Wir essen zusammen, trinken Tee, wie eine Familie. Hinter alledem stehen tiefe Wunden und starke Gefühle - die grossen Fragen des Lebens. Ein grosser Film!
Our Daily Free Stream: Christopher Nolan - Follwing.


Our Daily Free Stream: Christopher Nolan - Follwing. Gerade hat Nolan dem One Direction Sänger Harry Styles eine Rolle in seinem neuen Kriegs-Drama Dunkirk angeboten. Wiederum wird Nolans Film von Warner produziert. Er handelt von der britischen Evakuierung der französischen Stadt Dunkirk 1940. Deshalb gibts heute vorweg Nolans Debüt Following: Ich habe mir den ersten Film von Christopher Nolan angesehen, die britische No-Budget Produktion Follwing und war verblüfft: In seinem Debüt steckt der Kern aller seiner Filme! In Following bemerken wir Nolans Vorliebe für eine verschachtelte Erzählstruktur mit einem Twist am Ende - in dem schliesslich alle Stücke als Ganzes erscheinen. Natürlich in einem anderen Bedeutungszusammenhang! Manchmal mag man sich wundern, wie notwendig einzelne Passagen denn letztlich für das grosse Ganze gewesen sein mögen - in jedem Fall aber tragen sie dazu bei, dass Following einfach Spass macht! Als wir die Videothek Filmkunst (bzw. heute Filmkunstbar Fitzcarraldo) vor zehn Jahren eröffneten, hatten wir noch nicht ausgesprochen viele Titel. Dennoch kamen die Leute, um das Zeug zu leihen, dass es in anderen Videotheken nicht gab. Einer dieser "Kiez-Blockbuster" war Following. Ständig verliehen, immer im Umlauf! Zu Recht: Der Thriller ist intelligent, ästhetisch und sehr unterhaltsam! Bill (Jeremy Theobald) ist ein einsamer und verwahrloster Schriftsteller. Er folgt Menschen auf der Strasse, auf der Suche nach Material für sein (womöglich nie erscheinendes?) Buch. In Wahrheit ist Bill obsessiv auf der Suche nach dem was ihm fehlt: Einer eigenen Identität. Einer seiner Probanden, Cobb, stellt ihn zur Rede. Cobb (Alex Haw) ist Einbrecher, wobei ihn weniger die Beute interessiert als vielmehr die Privatsphäre seiner Opfer. Cobb unterrichtet nun Bill und begeht mit ihm Einbrüche. In einer Wohnung finden sie die Fotos einer schönen Blondine (Lucy Russel) - wiederum reagiert Bill leidenschaftlich und verliebt sich in die Unbekannte. Ohnen seinen Lehrmeister Cobb spioniert Bill eigenmächtig und spricht sie schliesslich in einer Bar an. Sie eröffnet ihm, dass sie erpresst werde. Bill beschliesst, ihr zu helfen... Vordergründig wird Following mehr oder weniger linear erzählt. Eine zweite Handlungsebene scheint sich im Bewusstsein des Erzählers abzuspielen, so als ob seine Geschichte übernommen würde... In dem Moment, da er die Einzelteile zusammenfügt, sehen wir, was wirklich geschah. Der grosse Twist, er entwickelt viele der Erzählstränge gar nicht weiter, noch werden sie dadurch aufgelärt. Dennoch stellts einen schönen Endpunkt dar. Nolan hat übrigens selbst die Kamera geführt und ist verantwortlich für die schmutzige, körnige Schwarzweiss Fotographie, die so viel von der Wirkung des Films ausmacht. Erinnern wir uns an die Szene in der Bar, die so dunkel ist, dass wir uns im Grunde das Meiste denken müssen. Mit Following sehen wir hier einen 28jährigen Filmemacher, bereits im Vollbesitz seiner Kräfte - ohne Budget, dafür mit Ideen! Und wovon handelt der Krimi nun? Von einem Möchtegern-Schriftsteller, der eine Lektion über die menschliche Natur bekommt? Einfach davon, jemanden Beliebiges aus der Menge zu picken und eine Geschichte um ihn herum zu konstruieren? Eine Geschichte, die ganz anders funktioniert als es scheint? Ein Film über den Prozess des Geschichtenerzählens an sich? Oder was denkst du?