Sonntag, 31. Juli 2016

Our Daily Free Stream: John Hughes - Planes, Trains And Automobiles

 Our Daily Free Stream: John Hughes - Planes, Trains And Automobiles. Planes, Trains And Automobiles ist ganz und gar auf seine beiden Hauptdarsteller zugeschnitten. Eine Komödie, die auf der Essenz der Beiden beruht! John Candy und Steve Martin spielen keine Rollen - sie verkörpern sich selbst. Das ist der Grund, weshalb dieser Mix aus Road Movie und Buddy Komödie soviel Wärme und Wahrhaftigkeit ausstrahlt. Es gibt Filme, die uns sofort umhauen und solche, deren Grösse sich langsam mit der Zeit entwickelt. Ich hatte mir die John Hughes Komödie Ende der 80er in der Vito, Seestr. ausgeliehen. Als ich später das Sortiment für die Filmkunstbar Fitzcarraldo zusammenstellte, fiel sie mir sofort wieder ein. Ganz vergessen hatte ich Planes, Trains And Automobiles aber nie! Ein universelles Thema, zwei phantastische Schauspieler und eine perfekte Inszenierung! Genau das macht die ganz grossen Klassiker aus, die wir uns auch im Jahrestakt ansehen können. Die Geschichte klingt vertraut. Steve Martin spielt Neal, einen Geschäftsmann aus Chicago, leicht ergraut, im Anzug, eingeschnürt von seiner Krawatte. John Candy ist Del, ein Handelsreisender, der Duschringe verkauft. Er ist der Typ mit Kappe und Parka. Beide versuchen in zwei Tagen von Manhattan nach Chicago zu kommen, um mit ihren Familien Thanksgiving zu feiern. Das Schicksal aber, scheint es nicht gut mit ihnen zu meinen. Das Schlimmste daran: Es scheint so, als wären sie aneinander gekettet. Immer und immer wieder kreuzen sich ihre Wege... John Hughes war bis in die frühen 90er einer der produktivsten Filmemacher. Bis heute aber, gilt er weniger als "Auteur", sondern als Hollywood Profi. Zu Unrecht! Alle seine Filme spielen in Chicago, er hat eine Vorliebe für bestimmte Schauspieler wie John Candy und hat es mindestens sieben Mal geschafft, einen perfekten Film herzustellen. Sein Genre: Komödien. In Planes, Trains And Automobiles gehts nicht darum, dass sich durch die andauernde Geiselhaft aus zwei Typen, die nicht zusammen passen, Freunde werden. In einem schlechteren Film hätte man die Handlung darauf beschränken können. In Hughes Komödie aber geht es um Empathie. Es geht darum zu verstehen, was der Andere fühlt. Del kann das. Instinktiv vermag er sich, in Neal hinein zu versetzen. Wir spüren, dass es ihm von Herzen Leid tut, dass er (unwissentlich) Neals Taxi wegschnappte. Sofort bietet er dem Geschäftsmann seine Hilfe an. Neal dagegen glaubt nur an seine Kreditkarten und Eigenständigkeit. Sein Ziel: Del loszuwerden. Dels Ziel: Neal zu helfen, ohne dass dabei die eigenen Gefühle verletzt werden. Im (zwangsweise) gemeinsamen Hotelzimmer platzt Neal der Kragen. Er steckt Del, dass er nicht witzig sei und ungeheuer nervig. Candy in diesem Moment wehrt sich nicht. Sein Gesicht zeigt ehrliche Trauer - Sein Del ist tief verletzt. In diesem Moment bricht er mir das Herz! In diesem Moment entwickelt Hughes Werk etwas, dass grösser ist als "nur" Komödie! Ich habe mich immer gefragt, wie John Candy als Person war? Ein trauriger Mensch? Ich denke, er war ein netter und sehr depressiver Mann. Vielleicht auch einsam. Hughes muss das gespürt haben und Steve Martin ebenfalls. In dem Moment, da sich Trauer breit macht in Candys Gesicht - erleben wir den Wendepunkt des Films. Nicht nur in Dels, sondern auch in Neals Leben. Neal, der viel zu organisiert ist, um zu spüren, dass auch er einsam ist. In Hughes Komödie schlägt ein schmerzerfülltes Herz. Dieser Schmerz wird umso grösser, je heftiger wir lachen.

Samstag, 30. Juli 2016

Komödien Tschechei

 In Tschechien bewegen einheimische Filme ein Massenpublikum. Angenommen die Welt hiesse ab jetzt Tschechei, dann wäre Kolya ein "Mega Blockbuster". Komödien wie Kolya oder Leergut (Vratné lahve) scheinen wie zugeschnitten auf das einheimische Publikum. Im Mittelpunkt: Menschen wie du und ich. Solche, die genauso gut direkt nebenan wohnen könnten. Alles ist aus dem Leben gegriffen, im besten Sinne volkstümlich. Tschechische Komödien, sie sind warmherzig, witzig und bleiben meistens noch ganz lange im Gedächtnis. Sie nehmen ihre Protagonisten ernst und uns Zuschauer. Diese Filme sind zwar sehr lokal, aber dennoch universell verständlich. Geboren aus dem Schauplatz, geeignet für ein internationales Publikum! So einfach ist die Erfolgsformel. Warum aber gelingt sie immer wieder nur in Tschechien?

80s Thrillers - Hidden Gem


Wir alle lieben die überkandidelten Thriller aus den 80ern! Was aber machen die Kinder, die schon alle gesehen haben? Sie machen sich auf die suche... Was macht den 80er Thriller eigentlich aus? Nach den 70ern hatten wir die grösste Flut an Rache- und Selbstjustiz-Thrillers endlich überstanden. Mit den 80ern begann die grosse Zeit der Genre Hybride, ganz oben auf: Die Thrillercomedy Mischungen! Die klassischen Genres wie der Politik- und Agententhriller der 70er durfte seine (vorerst) letzte Runde antreten, um für Propaganda Zwecke im kalten Krieg herzuhalten. Ihrer Zeit voraus dagegen waren Thriller-Drama Hybride wie Witness oder der Serial Killer Thriller Manhunter.
Our Daily Free Stream: The Terminator


Our Daily Free Stream: The Terminator. Zum Geburtstag von Arnold Schwarzenegger! - Das ist das Jahr 2009 nach der Apokalypse. Die Welt liegt in Trümmern, so düster wie in den grossen SciFi Meisterwerken der 80er. Es herrschen intelligente Maschinen, um die letzten Reste der Menschheit zu vernichten. Doch sie haben nicht mit unserem Überlebenswillen gerechnet! Unter der Führung von John Connor bildet sich eine Widerstandsbewegung heran. Die Maschinen reagieren und entsenden den Terminator (Schwarzenegger) in die Vergangenheit. Im Jahr 1984 soll der Terminator Connors Mutter Sarah (Linda Hamilton) töten. Die Rebellen aber schicken Kyle Reese (Michael Biehn) ebenfalls zurück in die Vergangenheit und die finale Schlacht zwischen Böse und Gut kann beginnen... James Camerons düsteres Meisterwerk entstand mit wenig Budget und spielte sein Geld schnell wieder ein. Im Grunde funktionierte The Terminator wie ein "Midnight Movie", denn das Publikum machte ihn gross - nicht eine kalkulierte Promotion. Die Kritiker sahen in The Terminator nur einen durchschnittlichen Vertreter seines Genres und wohl niemand hätte gedacht, dass Arnold Schwarzenegger zum Star der 80er werden sollte. Schwarzeneggers Geschick bestand eben darin, seinen massigen Körper sowie seinen österreichischen Akzent nicht etwa zu unterwandern, sondern zu betonen. Heute gilt The Terminator selbstverständlich als stilprägend und zog eine ganze Reihe von Nachfolgern nach sich. Die Special Effects waren 1984 bahnbrechend, die relativ billigen Sets hatten eine ungeheure Wirkung! Was gern übersehen wird: Der erste Teil gönnte sich neben all seinen Action Sequenzen immer wieder Ruhepausen. Idyllische Vorstadtszenarien machen eben auch Camerons Film aus. Nie verliert Cameron das Wesentliche aus den Augen: Seine Charaktere. Sarah wird unverhofft in den Kampf gezogen, ihr bisheriges Leben endet. Zunächst vollkommen verängstigt, findet sie zu Mut und Kampfgeist. Kyle ist der Prototyp des Einzelkämpfers, stets bereit, sich zu opfern. Das alles müssen wir uns im Szenario seiner Zeit vorstellen: The Terminator entstand inmitten des kalten Krieges, zur Zeit des Wettrüstens und der Angst vor dem nuklearen Erstschlag. Das Ende der Geschichte kennen wir: Schwarzenegger, mit stoischer Mine und nur einer Handvoll Sätzen, entwickelte sich zum Superstar. James Cameron durfte ab sofort mit dicken Budgets produzieren. und Linda Hamilton? Sie spielte noch in zwei weiteren Terminators...

Freitag, 29. Juli 2016

Our Daily Free Stream: Ghostbusters


Our Daily Free Stream: Ghostbusters (1984). Weil wir neu & alt mögen! - Endlich wird hier einmal etwas vereint, was sich nach den Gesetzen Hollywoods abstossen sollte: 1) Ein Blockbuster voller Special Effects. 2) Eine Komödie mit klugen Dialogen, ganz so als ob eine Clique Studenten miteinander witzeln würde - denn genauso kommt mir die Truppe der Geisterjäger vor. Während also ein (para)psychologisches Erdbeben Manhattan ereilt, sprechen trotzdem alle miteinander, als sei gerade der Professor mal kurz aus dem Seminar verschwunden. Mit Ghostbusters wird zum Glück die Regel gebrochen, dass Effekte eine gute Komödie ruinieren! Ist es nicht so, dass eine Komödie Spontanität benötigt, während aber ein Effekt-Gewitter aus mühsamer Detail-Arbeit besteht? Ivan Reitmans Film kann beides! Ghostbusters bietet eine ganze Menge von Effekten - auf der Höhe der Technik von 1984. Wer erinnert sich nicht gern daran, dass ein grün-transparentes Schlabbermonster ein paar Hot Dogs verschlingt? Diese Künste stehen aber ausnahmslos im Dienste der Schauspieler. Hier kommen Bill Murray, Dan Aykroyd und Harold Ramis - ihres Zeichens Absolventen der zweiten Generation der Kaderschmieden National Lampoon und Saturday Night Live. Sie sind lustig, aber eben auch geistreich. Mit hohem Tempo wird hier auf amerikanischen Klischees gespielt, Ironie und Zynismus mit ganz banalem Schwachsinn verbunden. Wer eine Definition für den gepflegten Humor der 80er sucht - bitte schön! Und wie viele Filme gibts schon, die derartig viele Einzeiler aufweisen können, die bis heute im Volksmund sind? Der Plot, soweit es überhaupt einen gibt, schickt diese parapsychologische Einsatztruppe quer durch Manhattan. Schwierig wirds, nachdem Sigourney Weaver ein paar merkwürdige Eier in ihrer Küche entdeckt. Auch ihr Nachbar, Rick Moranis, begegnet ein paar echten Höllenmonstern. Scheinbar leben beide in Wohnungen, die als Tor zu einer Parallelwelt funktionieren. Ein Einsatzort für die Ghostbusters, die sich mit Atomwaffen rüsten. Viel obskures Zeug muss diskutiert werden bis zum Showdown, in dem ein Monster von den Ausmassen eines Wolkenkratzers den Kampf des Bösen gegen das Gute anführt... In Ghostbusters hat die fragile Original Idee eine Multi-Millionen Dollar Produktion tatsächlich überlebt - auch hier war das Gute offensichtlich erfolgreich! Das soll jetzt keine Rechtfertigung für Blockbuster Komödien sein, aber ich bin dankbar für jeden Cent, der hier in Monster investiert wurde!

Donnerstag, 28. Juli 2016

Our Daily Free Stream: No te mueras sin decirme adónde vas (engl. subt.)


Our Daily Free Stream: No te mueras sin decirme adónde vas (engl. subt.). Eliseo Subiela ist der Poet des argentinischen Kinos! Alles beginnt 1885 in Jersey. Der junge Assistent von Thomas Edison, William, hilft bei der Erfindung des Kinomatographen. Nur ein Traum liegt zwischen ihm und dem Erfinder Leopoldo, der 1995 in Buenos Aires lebt. Leopoldo ist Kinooperator und bastelt nebenbei an einer Erfindung, die menschliche Träume sichtbar machen soll. Das funktioniert folgendermassen: Leopoldo setzt sich einen verkabelten Hut auf den Kopf und verbindet sich mit dem alten Röhren-Monitur. So begegnet er der schönen Rachel. Doch ist sie wirklich bloss ein Traum? Ist Rachel nicht eine wandernde zwischen dem Diesseits und Jenseits? Während Leopoldos Freund Oscar einen patenten Roboter konstruiert, wandelt der junge Träumer durch die Nacht... No te mueras sin de cirme adonde vas bringt ein altes menschliches Bedürfnis zum Ausdruck: Wohin verschwindet der Geliebte nach dem Tod? Subiela macht daraus ein Gedicht aus Imagination und Musik. Eine Hommage an die ewige Liebe und das Kino!

Mittwoch, 27. Juli 2016

Our Daily Free Stream: Neil Jordan - Mona Lisa


Our Daily Free Stream: Neil Jordan - Mona Lisa. Werden sie sich irgendwann mögen oder sogar lieben? Auf den ersten Blick aber hassen sie sich. George, der gerade aus dem Knast kam und nun als Chauffeur arbeitet. George; er ist klein, impulsiv - ein Laufbursche in der Londoner Unterwelt. Simone, sie ist gross und schwarz und schön. Ein Call-Girl der obersten Preisklasse. George sucht Mortwell auf, den Gangsterboss. Mortwell schuldet ihm noch etwas und hat versprochen, für ihn zu sorgen. Deshalb darf George Simone herumfahren und bei Bedarf beschützen. Zunächst scheint George für diesen Job höchst ungeeignet zu sein. Er trägt billige Klamotten und wirkt deplatziert in der Lobby des Ritz. Simone kann es nicht fassen, dass man ihr einen solchen Fahrer schickt. George wiederum fragt sich, ob eine "dürre schwarze Nutte" überhaupt Erwartungen haben darf. Mag sein, dass die Feindseligkeiten, die beide austauschen, sogar dafür sorgen, dass sie sich näher kommen. Vielleicht beginnen sie bereits, die Gesellschaft des Gegenübers zu geniessen? So funktioniert die Ausgangssituation von Mona Lisa, der im Milieu von Soho spielt, wo sich junge Mädchen prostituieren, um an das Geld für den nächsten Fix zu kommen. Obwohl Simone mittlerweile in einer anderen Preisklasse arbeitet, hat sie nicht vergessen, dass auch sie in Soho begann. Mona Lisa nimmt sich viel Zeit, uns in diese Welt um den Kings Cross einzuführen und dabei George und Simone einander näher zubringen. Bob Hoskins spielt George und die Kamera liebt ihn wie die klassischen Helden des Film Noir. Cathy Tyson als Simone ist elegant und unterkühlt. Wir wissen, dass sie sich nie in George verlieben wird. Beide Figuren sind interessant, was auch daran liegt, dass sie aufgrund ihrer Jobs niemals viel Persönliches offenbaren. Der dritte grosse Charakter wird von Michael Caine gespielt. Er ist Mortwell, der Gangster-Boss. Mortwell bedient sich am Schicksal junger Frauen, benutzt sie für seine eigenen manipulativen Zwecke. Caine spielt Mortwell ohne Übertreibung - einfach als Geschäftsmann. Das macht ihn nur umso unheimlicher! Mona Lisa scheint zunächst eine Charakterstudie zu sein. Es geht um George und Simone. Dann weiht Simone George ein, dass sie ein Mädchen sucht und Mona Lisa entwickelt sich zum Thriller. Neil Jordan hat den Film für George Harrisons Handmade Films inszeniert. Es war die dritte Regie-Arbeit des Iren, der (so ungewöhnlich für das britische Kino der 80er) nicht nur Dialoge abfilmt, sondern echte Kinobilder entwirft. Hier dreht sich alles um die Charaktere und die Atmosphäre - und Jordan weiss ganz genau, wie man einen modernen Film Noir zum Leben erweckt!

Dienstag, 26. Juli 2016

Our Daily Free Stream: Kingpin


Our Daily Free Stream: Kingpin. 20 Jahre Kingpin! - “You can apply everything about bowling to your daily life", das ist die Philosophie von Kingpin. Wir befinden uns im Jahr 1969, im Hinterland von Iowa. Der hoffnungsvolle junge Mann, dem man diese Lebensregel mitgibt, heisst Roy Munson (Woody Harrelson). Zehn Jahre später erlebt er den erhofften Erfolg. Dann begegnet er Ernie McCracken (Bill Murray). McCracken muss wohl für Munson alles verkörpern, was sich ein Junge aus Iowa so wünscht. Ein weltgewandter, gebildeter Grosskotz. Er erkennt das Potential Munsons und nimmt ihn unter seine Fittiche. Eine düstere Zeit beginnt in der Welt der Bowlinghallen, in dem ihm als einziger Begleiter der Alkohol bleibt. Dann begegnet er einem Jungen mit einem vielversprechendem Talent... So beginnt die Odyssee von Kingpin, einem sehr, sehr lustigen Film der Farrelly Brothers. Sicher, wie immer ist ihr Humor vulgär und wirkt manchmal auch zu stark bemüht. Trotzdem lachte und lachte ich als ich Kingpin jetzt wieder sah! Obwohl manche der Gags überhaupt nicht funktionieren, musste ich trotzdem lachen, - einfach, weil man merkt, wie sehr sich die Farrelly Brothers bemühen. Überhaupt gehts auch nicht nur um Gags, sondern die comichaften Performances! Harrelson ist hoffnungslos besoffen und nicht mehr Herr der Lage. Murray verkörpert einen perfekten Hochstapler und Bauernfänger. Randy Quaid spielt den hoffnungsvollen Newcomer, einen Armish Bauern vom Lande. Schliesslich begegnet ihnen Claudia, die Sexbombe (Vanessa Angel), die zunächst wie dekoratives Beiwerk erscheint, dann aber auch ihren eigenen Comic-Charakter entfesselt. Der Plot folgt an sich dem so vieler anderer Sportfilme, wobei Kingpin aber jede Menge Lacher bietet, die man überhaupt nicht vorhersieht. Überhaupt ist Kingpin ein wagemutiger Film! Am Set der Farrelly Brothers gabs keinen Raum für guten Geschmack, Vernunft oder Zaghaftigkeit. Die Farrellys machen keine Gefangenen! Sie lenken niemals ein!

Montag, 25. Juli 2016

Our Daily Free Stream: Bertrand Blier - Les Valseuses

 Our Daily Free Stream: Bertrand Blier - Les Valseuses. Bertrand Bliers Les Valseuses gibts bei uns auf DVD mit englischen Untertiteln. Darüber hinaus findest du einen youtube stream, für den du dir noch die nötigen Untertitel organisieren müsstest. - Les Valseuses ist ein Film von rauhem Charme und ziemlich vielen Lachern. Berührt haben mich vor allem die Szenen mit Jeanne Moreau, die eine Frau verkörpert, welche gar nichts mehr vom Leben erwartet. Vor allem aber ist es ein äusserst kontroverses Werk, das eindeutig dem Zeitalter der Dekadenz zuzurechnen ist. In Frankreich sind das die 70er Jahre. Man sollte sich auch nichts vormachen, denn mit Sicherheit hat Bertrand Blier hier einen der frauenverachtendsten Filme aller Zeiten erschaffen! Der Frauenhass ist jederzeit spürbar und ziemlich abstossend. Hält der Film hier genügend Abstand zu seinen beiden "Helden" - verkörpert von Gerard Depardieu und Patrick Dewaere? Ich denke, die Frage ist falsch gestellt. Wir übernehmen radikal deren Perspektive und Les Valseuses schert sich weder um Moral, noch um sonstige Konventionen. Dafür gibts eine Reihe wirklich lauter Lacher! Hier kommen Jean-Claude und Pierrot (Depardieu und Dewaere): Zwei Flegel, brutal und immer ungewaschen. Sie durchqueren das Land in gestohlenen Wagen. Dabei terrorisieren sie ältere Damen, vergewaltigen junge Frauen oder verhauen diejenigen, deren Visage ihnen nicht passt. Ist es nun ihre Attitude, die uns abstösst? Oder ist es die Sichtweise des Films dazu? Blier führt uns ganz unbekümmert diese beiden Anti-Helden samt ihres ganzen Schwachsinns vor. Gewähnlich folgen ähnliche Filme einer ganz klaren Haltung - einer verurteilenden. Blier aber, urteilt überhaupt nicht. Es scheint so, als ob er sich den Beiden anschliesst. Er ist der Dritte im Bunde, der über die beiden Akteure laut lacht. Vielleicht sogar der Schlimmste von allen?! Blier gibt dem Treiben sogar seine ganz persönliche Note und die ist unangenehm und sadistisch. Ein Filmemacher, den man nie privat treffen möchte! Dafür spendiert er aber auch einen Swing, der selbst die widerlichste Handlung im Grunde ungeschehen macht. Die beiden Kleinganoven entführen eine tumbe Blondine (Miou-Miou) und benutzen sie als sexuellen Punching Bag. Auf ihrem Weg, rauben sie einen Doktor aus, der ihre Wunden versorgt oder terrorisieren eine Familie beim Picknicken. Die kleine Tochter (gespielt von der ganz jungen Isabelle Huppert) wird entjungfert und der Fürsorge ihrer Eltern entrissen. Als Running Gag versuchen beide, die Blondine zu befriedigen. Ganz gleich aber, wieviele Liegestütze sie auf ihr ausüben und wie aufreizend sie dabei mit dem Hintern nachschieben - die dämliche Blondine schaut gelangweilt zur Decke. Schliess tritt Jeanne Moreau auf. Gerade aus einer 10jährigen Haft entlassen, nimmt sie die Hilfe des Gangster-Duos an. Sie bieten der Dame Frühstück und Sex an. Moreau füllt diese Szenen mit der ihr eigenen Gnade, mit der ihr angeborenen Würde. Es sind die besten Momente in Les Valseuses! Bertrand Blier ist ein Bewunderer seiner beiden Helden. In einer Welt voller bürgerlicher Scheinheiligkeit, gesteht er ihnen den Status von Revolutionären zu. Nur sie leben authentisch! Tatsächlich sind es die Momente aus Schmerz und Demütigung, die echt sind. Alles andere ist nichts als Fassade, kleine Scherze in einer trostlosen Vision der Welt. Und die Lacher? Blier weiss, dass eine Komödie nicht zwingend warmherzig sein muss.

Sonntag, 24. Juli 2016

Französische Filme 90er


Frankreich 90er

Die weltweite Woge des "Indie" Kinos schwappt auch nach Frankreich und in keinem Film sieht man das besser als in La Haine. Es bildet sich da etwas neben dem bürgerlichen Kino heran, das voller Kraft und Wut ist. Ist es nicht auch so, dass hier aufs Neue der französische "Qualitätsfilm" angegriffen wird?
Our Daily Free Stream: Jean-Jacques Beineix - Betty Blue


Our Daily Free Stream: Jean-Jacques Beineix - betty Blue. Liebe ist nicht gleichbedeutend mit Nacktheit. Eine im Grunde offensichtliche Tatsache, die Jean-Jacques Beineix sich jedoch weigert zu akzeptieren. Er hat eine romantische Obsession verfilmt - mit ganz, ganz viel nackter Haut. Es war die dritte Arbeit des Franzosen, der das französische Kino während der 80er runderneuerte, aber auch von vielen Cineasten verlacht wurde. Beineix polarisiert und das tut er auch mit Betty Blue. Eingangs sehen wir, wie sich ein Paar unter dem Portrait der Mona Lisa liebt. Der Erzähler führt uns ein, sie würden das jede Nacht machen. Die Sex-Szene dauert minutenlang und ist selbst heute, 30 Jahre später, noch ungewöhnlich freizügig! Der Erzähler ist übrigens der Mann im Bett. Er heisst Zorg und wird gespielt von Jean-Hughes Anglade. Er lebt mit Betty in einem Fertighaus am Strand (beide kennen sich erst seit einer Woche). Ausserhalb der Saison gibt es nur wenige Nachbarn, im Grunde sind sie allein. Zorg wird von seinem schmierigen Vermieter ausgebeutet. Offenbahr arbeitet er als eine Art Hausmeister und soll jetzt alle 30 Bungalows anstreichen - nebenbei. Betty hasst den Vermieter, schmeisst ihn nackt aus dem Haus, schüttet einen Eimer rosa Farbe über seinen Wagen und brennt eine Hütte nieder. Überhaupt: Sie ist nicht einfach. Zorg muss mit ansehen, wie sie seinen gesamten Kram aus dem Fesnter schmeisst. Plötzlich aber findet sie sein Manuskript. Ab dem Moment hällt Betty Zorg für ein Genie und umsorgt ihn. Obwohl er beteuert, dass kein Verleger Interesse habe und er auch nie wieder etwas geschrieben hätte - für Betty steht Zorgs Glanz nun ausser Frage. Wer sich nun wundert, in welcher Welt so eine Geschichte nun spielen soll? In keiner realen. Wer würde eine gewalttätige und impulsive Frau wie Betty auf Dauer ertragen? Ausserhalb des Betts funktioniert im Grunde nichts. Wer den zugrunde liegenden Roman von Philippe Djian las, weiss recht bald, dass Betty nervenkrank ist. Dem Leser wird bewusst, dass sie Arzneimittel missbraucht und sich in einer Abwärtsspirale befindet. Jeder merkt dass, ausser Zorg. Ich konnte dieser Figur immer recht wenig Interesse entgegen bringen, da er fast masochistische Züge trägt. Nur ein blinder Liebhaber? Oder ist da mehr? Die Fragen stellen sich aber nicht, da Betty Blue in einer anderen Welt spielt. Es ist Bettys Welt. Sie wird gespielt von Beatrice Dalle, um die schnell ein Kult entstand. Im Film tritt sie genauso oft nackt wie angezogen auf (dasselbe gilt für Zorg). In den 80ern kusierten zahlreiche Artikel, die Betty Blue als feministischen Film darstellten. All das zielt am Herzen des Werks vorbei: Betty Blue ist der Film von Beatrice Dalle und die wirkt am besten nackt. Betty Blue ist vor allem ein Film über ihre Kurven! Beineix greift zurück auf die Tradition der Nacktfilme, die noch eine Dekade zuvor in den Bahnhofskinos liefen. Diese Skin Flicks hatten einen bestimmten animalischen Charakter und der kommt in Bettys Wesen durch. Betty Blue markiert eine Zäsur. Der französische Arthaus Film ist nicht mehr gleichbedeutend mit Art. Arthaus im Sinne von Betty Blue bedeutet vor allem ganz viel Haut. Jeder "Cinephile" wusste das und konnte es als Schutzschild missbrauchen. Man musste sich nicht mehr entblössen und ins Bahnhofskino schleichen. Betty Blue lief ganz bequem in den Programmkinos. Ein Comic für Erwachsene - grell und obszön und unheimlich schön!

Samstag, 23. Juli 2016

Nouvelle Vague Exzess


Frankreich 70er

Nouvelle Vague Exzess
Es gibt schon genug Film Lists mit den französischen Filmen der 70er? - Es kann gar nicht genug geben! Ich bin der Meinung, dass wir Künstlern wie Bertrand Blier, Barbet Schroeder, Marco Ferreri oder Andrzej Zulawski viel zu wenig Beachtung schenken! Sie alle haben gemeinsam, dass sie sich auf der Talfahrt von Arthaus zu Exploitation befinden. Sie alle lieben das Spiel mit Tabus. Die Lust an der Provokation ist aber niemals Selbstzweck, sondern deint nur einem Ziel: Wahrhaftigkeit. Die Abgründe der menschlichen Seele, des menschlichen Seins wurden in dieser Dekade tiefer erforscht als je zuvor (oder danach). Insbesondere in Frankreich. Um was geht es in Bertrand Bliers Les Valseuses? Freiheit! Oder in Barbet Schroeders Maitresse? Grenzenlose Liebe! Wohin führen die Parabeln von Marco Ferreri? In die Apokalypse. Was erkundet der grosse Zulawski? Unsere unüberwindbaren Gegensätze. Ich liebe diese Filme! Ich liebe sie so sehr, dass ich sie gern teilen möchte! Deshalb gibts cinegeek!
Our Daily Free Stream: James Gray - Two Lovers


Our Daily Free Stream: James Gray - Two Lovers. Aus der Brooklyn Reihe. - Die Beziehung zwischen Sandra und Leonard ist merkwürdig; ich meine, sie ist von ihrer Seite aus gestört. Leonard hat ein mentales Problem und benötigt Medikamente. Es ist nichts Gravierendes, doch derzeit lebt er bei seinen Eltern. Ich denke, Sandra kennt ihn und trotzdem gesteht sie ihm, dass sie ihn liebt und helfen will. Leonard (Joaquin Phoenix) aber ist ganz auf seine inneren Dämonen fixiert. Seine Verlobte verliess ihn und deshalb sitzt er nun wieder in seinem Kinderzimmer. Er arbeitet für seinen Vater in der Wäscherei und beliefert die Kunden. Sandra (Vinessa Shaw) kommt aus der Nachbarschaft von Brooklyn und ist die Tochter der anderen Wäscherei in Familien Hand. Ihr Vater will nun das befreundete Unternehmen kaufen und deshalb wäre eine Hochzeit für beide Seiten praktisch. Leonard aber trifft Michelle (Gwyneth Paltrow) und ist gebannt! Sie ist blond, aufregend und in seinen Augen kultiviert und glamorös. Sie scheint ihn auch zu mögen und der Plot für eine traditionelle Dreiecksgeschichte wäre damit gegeben. James Grays Two Lovers ist allerdings alles andere als traditionell. Es ist ein Film mit unerhört scharfer Beobachtungsgabe und es wäre nun ein Leichtes, die Charaktere in ein Melodram zu werfen. Gray tut das nicht. Er blickt tief in sie hinein und versteht sie. Das ist seine Qualität. Die meisten von uns würden an einem bestimmten (unreifen) Punkt unseres Lebens auch Michelle vergöttern: Sie ist schön und charmant mit einem gewinnendem Lächeln. Sie hat aber keine innere Ruhe. Leonard glaubt, über einige entscheidenden Punkte hinweg sehen zu können: Michelle hat einen älteren Liebhaber und nimmt Drogen. Vermutlich sieht Leonard sich selbst als die Lösung ihrer Probleme. Es gibt aber ein Verständnisproblem seinerseits: Er verwechselt, dass sie ihn braucht damit, dass sie ihn liebt. Er verwechselt seine Gefühle mit ihren. Sandra ist auch schön und sehr nett. Ihre Familien kennen sich aber seit Jahren. Michelle dagegen eröffnet ihm eine neue Welt. Zum Glück ignoriert Gray sämtliche Klischees über Eltern im allgemeinen und insbesondere das über jüdische Mütter. Leonard und Sandra kommen beide aus liebevollen Elternhäusern und beide lieben auch ihre Eltern. Es tut deshalb umso mehr weh, zu verfolgen, wie Leonard ein geheimes Leben ausserhalb mit Michelle führen will. Leonards Eltern Ruth und Reuben Kraditor (Isabella Rossellini und Moni Monoshov) sind schon ewig verheiratet und sehr vernünftig. Natürlich wünschen sie sich ein nettes jüdisches Mädchen wie Sandra, damit ihr Sohn stabilisiert wird. Jedoch offenbart Sandras Liebe bereits in diesem frühen Stadium eine gewisse vereinnahmende Kraft. Das ist selten in Filmen. Übrigens wollen alle Eltern im Film nur das Beste für ihre Kinder. Es geht keineswegs um so etwas wie eine arrangierte Heirat. Michelle dagegen hat so viele Probleme, dass sämtliche Alarmsignale rot leuchten. Ihre Welt wirkt geradezu gefährlich für Leonard. Gray hat einen Film gemacht über Menschen, die wir kennen oder zumindest nachvollziehen können. Two Lovers ist so toll besetzt und gespielt, dass nichts künstlich erscheint. Für die Länge eines Spielfilms glauben wir in der echten Welt zu sein. Und wir nehmen so gar etwas mit davon!

Freitag, 22. Juli 2016

Frankreich New Wave 80s


Frankreich 80er

New Wave
Anfang der 80er geschah in Frankreich etwas, das zuletzt die Nouvelle Vague vermochte: Eine Zäsur. Genauer: Eine Zäsur von der Nouvelle Vague. Godard & Co arbeiteten zwar noch, aber endlich durfte eine neue Generation nachrücken: Jean-Jacques Beineix, Leos Carax oder der frühe Luc Besson. Eine neue Generation, die eine ungewohnte Ästhetik kreierte! Die Vorbilder? Comics, in Frankreich Bande Dessinee genannt - und so nennt man diese neue Bewegung. In der Ästhetik der New Wave nahm man sich die Bilderwelten zum Vorbild und glich die Realität der Filme einfach an. Und die alten? Godard und seine Mitstreiter inszenierten Poems, Gedichte in Filmform. Viel Spass beim Entdecken!
Our Daily Free Stream: Andrzej Zulawski - Possession


Our Daily Free Stream: Andrzej Zulawski - Possession. Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, Zulawskis ehemaliges "Video Nasty" in voller Länge zu sehen und in der Filmkunstbar Fitzcarraldo als Schmuckausgabe des tollen Labels Bildstörung verleihen zu dürfen (der youtube link dient den Schaulustigen, mal einen Eindruck zu bekommen. SEHEN könnt ihr den Film bei uns auf DVD in voller Schönheit!). Ich bin ehrlich begeistert! Früher fuhr ich wegen des Films zum Videodrom, doch die Antwort war jedes Mal negativ. Possession gab es nicht auf VHS. Der Grund: Isabelle Adjanis Kunst. Die mutigste schauspielerische Leistung, die je auf Celluloid gebannt wurde: Adjani im U-Bahnhof Tempelhof, possessiv, hysterisch, grandios! Possession traut sich, uns, die Zuschauer, selbst in einen Zustand der Trance zu bringen. Alles beginnt mit dem Ende einer Ehe. Anna (Isabelle Adjani) eröffnet Mark (Sam Neill), dass sie ihn verlassen wird. Sie muss, versteht aber selbst nicht genau warum. Anna ist verstört, trifft sich mit einem heimlichen Liebhaber und drückt ihre neu gewonnene Freiheit durch Akte der Gewalt aus. Mark stammelt etwas durch das Telefon und krümmt sich allein im Bett zusammen wie ein Fötus. Schon bald beginnt der Kampf. Sie schlagen sich in einem Strassencafe, Anna verstümmelt sich selbst mit einem elektrischen Küchenmesser. Der zweite surreale Akt beginnt mit der wahren Natur von Annas heimlichen Rendez-Vous. In einem verkommenen Apartment in Kreuzberg (übrigens in der Sebastianstrasse Ecke Luckauer in 36. Hier der link, wie es dort heute aussieht: https://www.youtube.com/watch?v=UnleWl52m5s). Bewohnt wird es von einem schleimigen nach Blut und Sex hungernden Monster, in dem Anna ihren neuen Partner findet, den sie nähert. Mark erlebt sein schrecklichstes Trauma als er seine Frau beim Sex mit dem Wurm beobachten muss (Carlo Rambaldi hat die Kreatur geschaffen.) Possession scheint kein Film zu sein, bei dem man reale Ereignisse als Inspiration erwartet - und doch ist genau das der Fall: Zulawski schrieb das Drehbuch nach der Trennung von seiner ersten Frau (die in seinen frühen polnischen Filmen die Hauptrolle spielte). Possession, ein Film über rasende männliche Eifersucht, aber auch über das Risiko persönlicher Freiheit. Zulawski hat seinen Film 1980 im geteilten Berlin inszeniert und macht auffällig oft Gebrauch von Weitwinkeln und Tiefenschärfe. Die erste Einstellung zeigt die Berliner Mauer, im Hintergrund die Wachsoldaten aus Ost-Berlin. Ein Mahnmal der Realität voller Gewalt und den Spannungen zwischen Ost und West (die Zulawski nur allzu gut kennt, da er selbst seine Heimat Polen verlassen musste). Die Trennung von Anna und Mark, im Film wird sie gespiegelt. Possession ist ein Werk von Furcht und tiefer Trauer. Etwas durch und durch Böses bemächtigt sich des Körpers von Anna (ist es diabolisch?). Das gipfelt in der Szene im U-Bahnhof, da Anna etwas zur Welt bringt, das sich auch Zulawski nicht traut, zu definieren. Ein Missverständnis, Zulawskis Kino als blosse Pyrotechnik misszuverstehen. Eine tiefe Beschäftigung mit den Geheimnissen der menschlichen Seele, auseinandergerissen durch ihre brutalen Widersprüche - das ist seine Intention. Zulaswki ist ein ausgesprochen romantischer Regisseur, ein passionierter Forscher dessen, was in uns zerrissen ist. Possession soll uns helfen, diesen Zustand zu überwinden trotz unserer dunklen Sehnsüchte. Tief im Innern ist Zulawskis Werk ein Film über die Suche nach Gnade.

Donnerstag, 21. Juli 2016

Brooklyn Filmreihe


Wer tief eintaucht in die sehr spezifisch cinephilen Genres, landet irgendwann beim "Brooklyn Film". Dieser berühmt und ehemals berüchtigte New Yorker Bezirk ist die Heimat Woody Allens, so dargestellt in Annie Hall. Allen prägte einen bestimmten Brooklyn-Touch, denn seitdem erwarten wir akademische Narzisten im "Brooklyn-Film". Filmemacher wie Noah Baumbach führten diese Tradition weiter. Brooklyn ist "multikulti", auch die Filme von Spike Lee spielen dort. Der Versuch einer Bestandsaufnahme.
Our Daily Free Stream: Spike Lee - Do The Right Thing


Our Daily Free Stream: Spike Lee - Do The Right Thing. Eine Brooklyn Reihe. - Nur ganz wenige Filme bleiben hängen! Nur ganz, ganz wenige Filme dringen wirklich ins Innerste vor! Als ich mir zum ersten Mal Do The Right Thing von Spike Lee im Videodrom auf VHS auslieh, war ich zu Tränen gerührt! Gleich zu Beginn der Filmkunstbar Fitzcarraldo stand fest: Do The Right Thing muss ab Tag 1 im Laden verfügbar sein! Spike Lee hatte für mich das Unmögliche geschafft: Ein Film über Rassismus, der Empathie zu allen seinen Figuren aufbaut. Er rattert nicht einfach die altbekannten Argumente herunter; er entscheidet sich nicht einmal für eine Seite. Lee blickt traurig auf dieses Ding, dass wir Rassismus nennen und das scheinbar so tief in jeder Gesellschaft verwurzelt ist. Vielleicht sogar im Menschen... Es waren übrigens nicht alle so hingerissen von Lees Film. 1989 las ich auch schlechte Kritiken. Vermutlich rührt das daher, dass Lee sich schlicht weigert, zu vereinfachen. Er beschreibt einen Tag in Brooklyn. Wir lernen die Nachbarschaft dort kennen. Ganz langsam, Schrittchen für Schrittchen, entwickelt sich die Tragödie aus dem Alltäglichen. Das Opfer Radio Raheem (Bill Nunn) ist schuldlos. Er hört mit seinem Ghettoblaster Musik. Die Lautstärke erzürnt Sal (Danny Aiello), aber auch drei ältere schwarze Herren. Hier beginnt der Eklat... Es gibt weder "Helden", noch "Bösewichter" in Do The Right Thing. Selbst ein besonnener Polizist tritt auf, als bereits ein Mob auf der Strasse wütet und eine Pizzeria in Flammen steht. Wir erleben den Tag mit allen Beteiligten und haben jeden von ihnen kennen gelenrt. Aus diesem Grund fühlen wir niemals Wut, angesichts der Katastrophe - nur Trauer. Am Ende wird einer von ihnen tot sein und ein zweiter steht vor den Trümmern seines Ladens. Wie kam es so weit? Etwa aus dem Grund, dass in der Pizzaria nur Italiener hingen und keine Schwarzen? Oder weil es überhaupt keinen Laden mit einem schwarzen Besitzer in der Strasse gibt? Antworten werden nicht geliefert. Vielleicht gibt es sogar "Helden" und "Bösewichter", aber die werden wir an diesem Tag nicht auf den Strassen Broklyns finden. Dazu müssten wir uns viel intensiver der Geschichte der schwarze Diskriminierung zuwenden. Gestern Abend sah ich den Film wieder und war verblüfft, was er für ein stilistisches Experiment er darstellt! Lee hat aus seinem grimmigen sozialkritischem Stoff eine kraftvolle Ladung mit grellen Farben, ganz viel Humor und Musik werden lassen. Manchmal wirft er auch einfach seinen Realismus über Bord, etwa wenn der lokale DJ (der junge Samuel L. Jackson) durch die Strassen marschiert als sei er die Radiostation von Brooklyn. Und romantisch ist der Film auch! Die Szene, als Sal Jade (Joie Lee) ein Stück Pizza reicht, aber nur von ihren schönen braunen Augen schwärmt. Keiner der Charaktere in Do The Right Thing ist perfekt und genauso deshalb verstehen wir sie. Denn was sind wir schon, wenn wir nicht einmal die Gefühle einer Filmfigur verstehen? Doch nichts als Gefangene unserer selbst! Man hat Spike Lee immer als wütenden Filmemacher des New Black Cinemas beschrieben. In seiner Arbeit finde ich keine Spur davon. Vielmehr ist Lee ausgesprochen fair! Eine stille Trauer ist der Grundton dieses seines besten Films. Er endet mit den Worten Martin Luther Kings und Malcolm X. Ist Gewalt wirklich notwendig?

Mittwoch, 20. Juli 2016

Our Daily Free Stream: Pretty Woman

 Our Daily Free Stream: Pretty Woman. Zum Tod von Gary Marshall. - Als Pretty Woman 1990 ins Kino kam, überraschte es, dass ein Film mit Amerikas erfolgreichstem Sex-Symbol, Richard Gere, und der Grundidee, dass sich Gere in eine Prostituierte verliebt, so niedlich und romantisch sein kann! Ja, Pretty Woman ist eines der offenherzigsten Liebesmärchen, das ich kenne! Ein Werk, dass vor Romantik glüht! Konstruiert wurde Pretty Woman aus lauter realistischen Einzelteilen. Hier haben wir den Multi-Millionär (Gere), der sich den Wagen von seinem schmierigen Freund und Partner leiht. Er bleibt auf dem Sunset Boulevard hängen und eine Prostituierte (Julia Roberts) bietet ihm an, ihn nach Hause zu geleiten. Fünf Dollar kostet eine Wegbeschreibung, zehn Dollar, wenn sie ihn selbst dirigiert. Wichtig ist die Tatsache, dass er keinen Sex sucht, sondern einfach jemanden, der ihn nach Hause bringt. Immerhin hat er erst kurz zuvor mit seiner Freundin Schluss gemacht. Ziemlich pragmatisch und geräuschlos am Telefon. Am Ende muss er Roberts in seine Hotel Suite einladen. Natürlich nicht, um Sex zu haben, aber dennoch gegen Geld - versteht sich! Julia Roberts hatte übrigens vor Pretty Woman bereits eine Oscar Nominierung als Nebendarstellerin erhalten. Ihre Schönheit, gepaart mit Intelligenz, das macht ihren Reiz aus! Wie so viele Prostituierte folgt sie dem Trick, ihr eigenes Ich aussen vor zu lassen. Sie glaubt, ihre Dienste anzubieten, sei möglich, ohne dass sie selbst involviert ist. Und Gere? Er gibt den Bösewicht der damals bereits entfesselten Finanzwirtschaft. Er kauft Firmen, zerlegt sie und verscheuert die Einzelteile. Wie genau funktioniert das? Roberts wills wissen: "But what about the people who work for those companies?" - "People have nothing to do with it. It's strictly business." - "Oh, then you do the same thing I do." So einfach. Wir haben es also mit zwei echten Charakteren zu tun - originell und glaubwürdig. Gere und Roberts arbeiten vortrefflich zusammen, wir spüren, dass sie sich nicht nur mögen, sondern ihre gemeinsame Zeit geniessen. Dummerweise aber, traut keiner von beiden diesem Gefühl. Beide wurden so oft verletzt, dass sie nicht davon ausgehen, ihr Glück zu finden. Wir erleben nun eine Liebesgeschichte, wie sie das Kino nur ganz selten hervorbringt. Elemente von Cinderella und Pygmalion werden verwoben - ausserdem gibt es einen Sub-Plot, in dem Gere die Firma eines Geschäftsmannes alter Schule (Ralph Bellamy) zerlegen will. Langsam begreifen wir, dass Geres gesamte Karriere als Rache an seinem Vater zu verstehen ist und Bellamy nimmt nun den Platz einer Vater-Figur ein. Freud hätte seine Freude daran! In einer sehr dramatischen Sequenz, gesteht Gere seinem "Freund", dass Roberts eine "Dame" ist. Mit ausgesprochen schmerzhaften Folgen... Trotz all dieser Bestandteile, ist Pretty Woman ein süsser und unschuldiger Film! Gere spielt zum ersten Mal einen Charakter, der auch schüchtern, ja sogar etwas verklemmt sein darf. Roberts legt einen vergnügten Sinn für Humor vor, der dann immer wieder durch den Film und seine Protagonisten unterdrückt werden muss. Sie soll sich schliesslich benehmen! Garry Marshall, der gerade verstarb, gelingt es, einen sehr warmherzigen Film über zwei kalte Realisten zu inszenieren. Es gab wohl frühere Drehbuch-Fassungen, die aber von Marshall und Disneys Tochterfirma Touchstone geglättet wurden. Zum Glück, denn so wurde Pretty Woman zum Märchenfilm! In einem anderen, realistischen Film, hätte dieses Paar wohl kaum zusammen bleiben können. Sie wären von den ökonomischen Realitäten um sie herum getrennt worden. Bei Pretty Woman aber ist zum Glück alles möglich!

Dienstag, 19. Juli 2016

Our Daily Free Stream: Peter Bogdanovich - The Last Picture Show


Our Daily Free Stream: Peter Bogdanovich - The Last Picture Show. In der besten Szene von Peter Bogdanovichs The Last Picture Show geht Sam The Lion mit Sonny und Billy fischen. Sie fahren raus zu einem See, den man eher als Loch bezeichnen möchte. Mitten in der texanischen Prärie. Eigentlich gibt es in dem See nur Schildkröten und gar keine Fische. Das aber ist Sam egal. Er mag sowieso keinen Fisch. "Try one?" - Sam bietet Sonny eine handgerollte Zigarre an. Dann erzählt er, wie er vor zwanzig Jahren mit dem Mädchen, das er liebte, zu diesem See fuhr. Sie schwammen und ritten mit ihren Pferden hindurch. Sams Mädchen aber war bereits verheiratet und er auch schon vor zwanzig Jahren nicht mehr jung... Während er erzählt, stellen wir fest, dass wir dem Mythos von Sams Leben zuhören. Seiner Vision von Schönheit, die ihn überhaupt am Leben erhält in der Einöde einer sterbenden Stadt: Anarene, Texas. Sam, gespielt von dem Western Darsteller Ben Johnson, ist die Seele von Anarene. Er betreibt das Diner, die Billard Halle und das Royal Theater. Die einzigen Orte, in denen überhaupt etwas los ist. Ansonsten kann man in Anarene nur früh ins Bett! Das erklärt die einsamen verzweifelten Erwachsenen der Stadt und die gelangweilten Teenager, deren einziger Zeitvertreib Sex zu sein scheint. Sams Schützlinge sind Sonny Crawford (Timothy Bottoms) und Duane Jackson (Jeff Bridges), die Helden des lokalen Football Teams. Peter Bogdanovichs Film spielt im Jahr 1951 - der Korea Krieg beginnt und die Zeit der grossen Lichtspielhäuser neigt sich dem Ende zu. Noch aber laufen Filmklassiker in Sams Royal Theater, vor allem Western. Sonny versucht im Kino an seiner plumpen Freundin herumzufummeln und Duane küsst die Schönheit von Anarene; Jacy Farrow (Cybill Shepherd). Währenddessen laufen die grossen Western Klassiker, die Texas seine Legenden verschafften. Anarene ist ein Ort an dem es entweder zu heiss oder zu kalt ist. Manchmal weht der Wind ein paar vetrocknete Büsche durch die Strassen. Bogdanovich hat dieses Szenario so eingefangen, als ob eine grosse Leere die Gebäude der Stadt umgibt. Unendliche Weite, so wie in den klassischen Western Filmen. Duane und Sonny haben beide ein Zuhause, treiben sich aber fast ausschliesslich mit ihren Autos herum. Einmal hören wir einen Vortrag ihres Lehrers (John Hillerman) über die Kraft der Schönheit, des Wahrhaftigen. In ihrem eigenen Leben aber findet sich nicht eine Spur davon. Sonny beste Erfahrung ist der Sex mit einer älteren Hausfrau. Duane dagegen wird von Jacy benutzt - während sie längst nach einem reichen Sohn aus der Nachbarschaft Ausschau hält. Schliesslich wohnt sie der Pool Party des reichen Idioten Lester (Randy Quaid) bei, wo sie sich vor allen entblättern wird... Jacys Mutter Lois (Ellen Burstyn) ist reich und immer noch attraktiv - obwohl sie die meiste Zeit auf der Couch liegt, trinkt und sich durch das Fernsehprogramm zippt. Lois ist pragmatisch, rät ihrer Tochter, doch einfach mit Duane zu schlafen, um herauszufinden, wie wenig es bedeutet. Ihr eigenes Leben ist leer, der Traum, aus Anarenes zu entkommen Vergangenheit. Im Gegensatz zu ihrer Mutter ist Jacy nichts Besonderes. Sie giert nach Sex und will sich irgendwann häuslich niederlassen. Ich denke, Bogdanovichs Film darf man bei seiner Erstaufführung im Jahr 1971 als Sensation bezeichnen. Eine Sensation, deren Wirkung bis heute nachklingt. The Last Picture Show wirkt einerseits altmodisch, andererseits aber auch sehr modern. Die Bilder sind angelehnt an die Hollywood Klassiker des Studio Systems der Vergangenheit. Bogdanovich verpasst diesen Bildern einen Soundtrack mit Popsongs, was in den frühen 70ern noch nicht üblich war. Die Songs von Hank Williams werden aber nicht einfach so eingestreut. Sie laufen dann ab, wenn eine Jukebox bedient wird: "Cold, Cold Heart". In The Last Picture Show kommentieren die Songs das Geschehen. Die Gesichter der Darsteller waren (bis auf das von Ben Johnson) noch unbekannt. Es sollten die Stars der Zukunft sein wie Jeff Bridges. Bogdanovich ist ein ungeheur ehrlicher Film gelungen! Während andere Filmemacher der New Hollywood Generation nach grösstmöglicher Freiheit strebten, zog es Bogdanovich zurück zur simplen Schönheit der grossen Western. Als ich den Film nun wieder sah, fiel mir auf, wieviele Szenen von Sex handeln - dabei aber überhaupt nicht erotisch sind. Ich denke, Sex ist für die meisten in Aanarene nur ein Mittel zum Zweck. Sie versuchen das Beste für sich herauszuschlagen - so wie Jacy. In Anarene aber zieht das Leben vorbei. Einzig Sam The Lion hütet ein Geheimnis, wie es sich anfühlt, zu lieben. Sonny und Duane werden vermutlich aufwachsen und zu viel Whiskey trinken. Vielleicht reden sie dann über die Vergangenheit. Jacy wird eine gewöhnliche Hausfrau und vermutlich Gattin eines Unternehmers. Im Abspann hebt Bogdanovich seine noch unbekannten Schauspieler extra hervor. Fast zwanzig Jahre später sollte er sie für eine Art Fortsetzung wieder vor der Kamera versammeln. Viele Filme werden als Generations Portraits seinem Beispiel folgen. Aber nur ganz wenige werden so poetisch sein wie Bogdanovichs The Last Picture Show.

Montag, 18. Juli 2016

Our Daily Free Stream: Werner Herzog - Nosferatu


Our Daily Free Stream: Werner Herzog - Nosferatu. Es sind die Farben in Werner Herzogs Nosferatu, die mir tief unter die Haut gehen! Es wäre unzureichend, sie nur als gesättigt zu beschreiben. Die Farben sind reich und schwer und tief. Die Erde, sieht sieht dreckig aus. Es gibt nur wenig Grün darin, dafür viel Nässe und Schlamm. Die Berge in Transylvanien, zerklüftet, grau, scharf. Die Innenräume werden mit Rot-, Weiss- und Brauntönen gefilmt - weiss sind vor allem die Gesichter, insbesondere das von Dracula. Ein Werk von grosser Schönheit, das aber nie versucht, uns damit zu beeindrucken. Die Reise zum Schloss des Grafen, sie wirkt episch. Nicht so als ob ein Film-Team bloss einige Szenen davon mitgeschnitten hätte. Oft zeigt Werner Herzog die Natur mit einem Unterton der Furcht in seinen Filmen. Unheimliche Schatten, tief hängende Wolken und wenig vertrauenserweckende Bauern begleiten auch Jonathan Harker auf seiner Reise. Herzog lässt sich Zeit - bevor wir dem Grafen Dracula begegnen, sehen wir die erschrockenen Gesichter der Menschen, wenn Harker nach dem Weg fragt. Herzog folgt der Struktur von Murnaus grossem Stummfilm, der wiederum auf dem Roman von Bram Stoker beruht (allerdings mussten die Namen aufgrund von Urheberrechten geändert werden). Herzog aber, darf offensichtlich die Original-Namen verwenden: Dracula (Klaus Kinski), der Grundstückskaufmann Jonathan Harker (Bruno Ganz), seine Frau Lucy (Isabelle Adjani), Dr. Van Helsing (Walter Ladengast) und der manische Renfield (Roland Topor). Zu Beginn eröffnet Renfield Harker seinen Auftrag, dass Dracula ein Objekt in der Stadt kaufen möchte. Harker nimmt die beschwerliche Reise in Kauf, weil Lucy schwanger ist. Es gibt wohl keine zweite Verfilmung, in welcher der Weg nach Transylvanien so viel Raum einnimmt. Niemand will ihm helfen, Draculas Schloss zu finden. Im Gegenteil, erwähnt er den Namen, starren die Menschen Harker entsetzt an. Die Darstellung des Grafen folgt dem Vorbild des Stummfilms. Dracula sieht nicht aus wie einer dieser modernen attraktiven Vampire. Vielmehr wie ein Tier als ein Mensch. Seine Fingernägel wirken wie Spiesse, die Ohren gleichen denen einer Fledermaus. Die beiden Vorderzähne erinnern auch an die blutsaugenden Flieger. Viele Dracula Details werden von Herzog liebevoll berücksichtigt. Einmal macht uns der Graf auf die süssen Klänge der Kinder der Nacht aufmerksam, da ein Wolf heult. Als Harker sich mit einem Messer schneidet, kann Dracula nur mühsam seine Lust unterdrücken. Schliesslich beginnt die Reise Draculas nach Bremen, dorthin wo er Land kaufen will und Lucy ihr Kind erwartet. Herzog darf als einer der einzigartigsten Filmemacher aller Zeiten gelten. Unverdächtig, ein Remake zu produzieren. Weshalb hat er aber dennoch einen der grössten deutschen Stummfilme wiederverfilmt? Ich denke, man kann es nur durch seine Liebe zum Original erklären! Ein weiterer Grund heisst Klaus Kinski. Wen könnte man sich besser in der Titelrolle vorstellen? Neben Kinski agiert Isabelle Adjani. Die französische Schönheit spielt nie "normale" Frauen, immer scheint sie wie von einem anderen Planeten. Ihr Gesicht, so weiss wie Porzellan - ein unwiderstehlicher Fang für Dracula! Und Kinski? Er gibt nicht den Verrückten vom Dienst, sondern spielt einen stillen und tief traurigen Vampir. Immer hat Kinski seine besten Leistungen gezeigt, wenn er sein Temperament zügeln konnte! Die grösste Qualität des Werks aber ist seine Schönheit! Dabei zeigt Herzog nur wenige Bilder, die aussehen wie gemalt. Stattdessen konzentriert er sich ganz aufs Geschehen. Wenn er aber mit Licht und Schatten sowie seiner poetischen Farbpalette spielt, dann raubt es mir den Atem! Nosferatu ist kein Horror Film geworden. Vieles wirkt hier ganz real. Würde ich an Vampire glauben - ich denke sie müssten so aussehen wie Klaus Kinski

Sonntag, 17. Juli 2016

Our Daily Free Stream: Beautiful Girls

 Our Daily Free Stream: Beautiful Girls. Noch ein Generation X Film in unserer Serie. - Es gibt da diese Szene in Beauttiful Girls, in welcher eine Kleinstadt-Feministin (Rosie O'Donnell) ein Penthouse Magazin hochhält und den anwesenden, ziemlich kleinlauten Freunden einen Vortrag hält. Solche Frauen, mit so schmalen Hüften und dicken Dingern gibts nicht in der Natur! Die Männer wiederum können exakt voraussagen, dass sie nie eine Beziehung mit einer Frau aus Fleisch und Blut - zumindest nicht aus ihrer Kleinstadt - anfangen würden. Sie brauchen also mehr als nur diese eine Lektion und das bekommen sie auch! Wir befinden uns mitten im kältesten Winter in einem Ort namens Knight's Ridge, Mass. Eine etwas merkwürdige Zeit, um die Highschool Reunion zu feiern, doch genau deshalb kommt Willie (Tim Hutton) zurück. Seine alten Kumpels Tommy (Matt Dillon), Paul (Michael Rapaport) und Kev (Max Perlich) malochen während des Sommers auf dem Bau und schippen Schnee im Winter. Ihr Lieblingsthema: Frauen. Die, die sie mal liebten oder gerne gehabt hätten oder diejenigen, die sie noch kriegen könnten... Alle, ausser der Frauen, mit denen sie vernünftigerweise zusammen sein sollten. Paul beispielsweise hat eine Obsession für Supermodels. Er hat sein ganzes Zimmer mit ihnen tapeziert. Sein Hund heisst Elle Macpherson. Über seine Leidenschaft hat Paul die Beziehung zu seiner langjährigen Freundin (Martha Plimpton) in den Sand gesetzt. Dann ging er eine Weile mit Sharon (Mira Sorvino) ist aber immer noch fixiert auf die Schulschönheit Darian (Lauren Holly). Sharon verletzt das: "How do I feel with you when the best years of your life were in high school?" Mittlerweile ist Sharon verheiratet, würde aber gerne eine Affäre mit Tommy eingehen (und glaubt, ihr Mann wüsste von nichts). Für Willie dagegen, ist das Leben einfach nur kompliziert. Er hat ein Mädchen in New York verlassen und ist nun zurückgekehrt nach Hause zu seinem depressiven Vater. Willie fühlt sich nun von der Nachbarin Marty angezogen. Dumm nur, dass Marty erst dreizehn Jahre alt ist. Marty wird gespielt von der jungen Natalie Portman und wir wissen sofort, was er in ihr sieht: Marty ist schön und klug und kann ihn lesen, wie ein offenes Buch. Irgendwann bemerkt er, dass er sogar eifersüchtig auf Jungs reagiert, die gerade mit dem Rad von der Schule kommen. Beautiful Girls ist aber keine komplexe Lolita-Geschichte. Der Film handelt davon, was Rosie O'Donnell den Jungs in ihrer Lektion zu sagen hat. Beautiful Girls handelt von Jungs, geblendet durch ihre Vision eines möglichen Glücks, aber ausserstande, die wundervollen Mädchen gleich nebenan zu bemerken. Ted Demme hat das mit grosser Leichtigkeit und viel Ironie inszeniert. Die Schwere der Winterlandschaft wird so etwas aufgehellt! Am schönsten fand ich, wie der Filme die Gefühle trifft, die wir füreinander haben können. Am zärtlichsten: Die Freundschaft Willies zur dreizehnjährigen Marty. Sie verlieben sich ein bisschen ineinander, was nachvollziehbar ist, weil ein so tiefes Verständnis zwischen ihnen herrscht. Dann aber entfernen sie sich voneinander - wegen des offensichtlich zu grossen Altersunterschieds. Die Beziehung wird in allen weiteren gespiegelt, die in Beautiful Girls durchgespielt werden. Alle handeln von Idealismus und Enttäuschungen. Die Männer beharren auf einer Art universalen Ideals und manchmal geben sich die Frauen selbst die Schuld daran, eben das nicht zu erreichen. Am Ende ist es Liebe, die uns auf den Boden der Tatsachen zurück holt: Wir können ein Ideal lieben. Zusammen sein können wir aber nur mit einem menschlichen Wesen. Mit all seinen Fehlern.

Samstag, 16. Juli 2016

Our Daily Free Stream: Reality Bites


Our Daily Free Stream: Reality Bites. Als eine Art Generation X Reihe. - Der Anfang: Ein paar Studienfreunde blödeln herum auf dem Dach eines Wolkenkratzers in Houston. Sie werden dabei mit einer Videokamera gefilmt, so dass wir "privates" Footage Material erleben. Sie sind genauso belanglos und langweilig, wie jeder andere auch, der vor einer Kamera Quatsch macht. Auffallend ist aber, wie wahnsinnig schlecht die Aufnahmen sind. Die Kamera schaffts nie, sie ins rechte Licht zu rücken; ständig springen sie aus dem Bildrand. Wir befinden uns mitten in einer Doku, die eine von ihnen selbst produziert. Der Lebenslauf der Freunde. Ich denke, es ist so konzipiert, dass wir diese College Abgänger während der harten Zäsur, dem Schritt ins echte Leben, begleiten sollen. Dummerweise ist keiner der Protagonisten dazu angetan, sich näher für ihn zu interessieren. Alles, was gezeigt wird, deutet von Unreife und Oberflächlichkeit. Die Amateur-Filmemacherin heisst Lelaina und wird von Winona Ryder gespielt. Sie raucht Kette und hat die Abschiedsrede am College gehalten. Nun arbeitet sie für den lokalen TV Sender. Ihre Mitbewohnerin Vickie (Janeane Garofalo) ist so etwas wie Assistant Manager. Dann gibts da noch Troy (Ethan Hawke), der einfach nur einen Ort zum Abhängen sucht, bis er einen Job findet. Ohjehmineee! Lelaina verhält sich Troy gegenüber ziemlich feindselig - ein gutes Zeichen dafür, dass sie ihn attraktiv findet (zumindest im Film). Per Unfall lernt Lelaina dann noch Michael (Ben Stiller) kennen, der Produzent ist für einen MTV ähnlichen Sender. Seine Haare liegen glatt, er hat Geld. Lelaina und Michael beginnen sich zu "daten" - Troy, der Michael ablehnt, ist sauer. Der Plot von Reality Bites sieht fortan einen Liebeskampf zwischen Troy und Michael um Lelaina vor. Michael arbeitet mit seriösen Angeboten, Troy auf der Gefühlsebene. Das Ergebnis dürfte zumindest für diejenigen, die noch nie zuvor einen Film gesehen haben, überraschend sein. Für mich steht jedenfalls fest: Troy ist ein Schwein. Unmöglich, ihn zu mögen. Hier nun die tiefen Einsichten von Reality Bites: Jeder, der arbeitet, ist ein trivialer Mensch. Jeder Unausgebildete, Arbeitslose ein Meer von tiefen Einsichten. Was aber, wenn Lelaina überhaupt keine Ahnung davon hat, wie man ein Video dreht und Troy nur ein Idiot ist? Was aber, wenn ausgerechnet der "Bösewicht" die einzig interessante Person ist? Mit Sicherheit glaubt Reality Bites, das Medium Film neu zu erfinden mit verwackelter Kamera etc. Dumm nur, dass der Film vor lauter Konventionen und Klischees fast auseinander platzt. Vermutlich ist fast alles aus anderen Filme abgeschrieben. Überraschenderweise gibt es dennoch einen Grund, Reality Bites wieder zu sehen: Die Schauspieler! Ethan Hawke, Winona Ryder und Ben Stiller, sie alle spielen echt und aufregend! Hätte man sie doch für einen besseren Film verpflichtet! Immerhin bekommt man dadurch ein Gefühl für die 90er, die Antihaltung einer verwöhnten Generation. Hier nun die Idee für ein alternatives Ende: Michael offenbart Lelaina, dass ihr Video einfach grottenschlecht ist. Abspann.

Freitag, 15. Juli 2016

John Hughes


John Hughes

Nur ganz wenige Autorenfilmer können ein so unverwechselbares und einflussreiches Werk vorweisen wie John Hughes! Er ist der Erfinder der modernen Teenager Komödie! Hughes starb an einem Herzanfall im Alter von 59 Jahren, während er mit seiner Familie durch New York spazierte. Sein ganzes Leben lang verbrachte er in der Vorstadt von Chicago. Um nicht nach Los Angeles zu müssen, argumentierte er, dass er seine Schauspieler vor allen Einflüssen fernhalten werden müsste. Durch Hughes Filme bekamen wir erst eine Vorstellung des modernen amerikanischen Teenagers. Immer spielen seine Komödien in Chicago - Ferris Bueller lebt dort genauso wie die Breakfast Club Clique wider Willen. Hughes kreierte eine Reihe von 80er Stars: Matthew Broderick, Molly Ringwald (wo war die eigentlich in den 90ern?), Emilio Estevez, Anthony Michael Hall, Ally Sheedy, Judd Nelson, MacAulay Culkin und natürlich John Candy. Einige dieser Schauspieler fasste man damals unter dem Begriff des Brat Pack zusammen, The Breakfast Club gilt gemeinhin als "Brat Pack Film". Immer nahm Hughes seine Teenies ernst, führte sie vor als Individuen mit Hoffnungen, Träumen und Ängsten. Bis dahin durfte man das Subgenre Teenie Komödie allerhöchstens als Exploitation bezeichnen. Hughes Filme aber zeigen die Schönheit des Heranwachsens! Bei ihm reden die Figuren wie echte Menschen; Hughes Filme kommen ohne Sex und Gewalt aus. Wer weiss, womöglich ist man mit 16 viel ernsthafter, als man es je wieder sein wird im Leben? Nur als Heranwachsender denkt man wirklich nach über die grossen Fragen des Lebens! Die stellen sich in Chicago ganz bodenständig. Die Menschen wachsen auf, probieren sich aus, dann gründen sie Familien und arbeiten hart. John Hughes hat nicht immer nur Teenie Komödien inszeniert oder geschrieben. She's Having A Baby war seine letzte. Zugegeben, etwas ungeschickt inszeniert, jedoch ein Brückenfilm. Fortan, im Wechsel der frühen 90er, sollte Hughes Familienfilme drehen. Am besten: Home alone und Curly Sue. Die Kinder in Hughes Filme funktionieren in etwa wie seine Teenager. Sie sind Individuen und er nimmt sie ernst. Aus der ungeheuren Flut an Hughes Produktionen, versuche ich hier, eine Art Best Of zu erstellen. Acht Filme inszenierte er selbst, ganze 37 schrieb er und 29 produzierte er. Kein leichtes Unterfangen! "Wissenschaftlich" könnten wir folgendermassen unterteilen: 1) Teenie Komödien (16 Candles, Ferris Bueller's Day Off und auch The Breakfast Club, obwohl der eher dramatisch ist). 2) Filme mit John Candy (Planes, Trains And Automobiles, Uncle Buck, The Great Outdoors). 3) Filme mit Kindern (Home Alone, Dutch, Curly Sue, Home Alone 2, Dennis - wobei nicht alle gelungen sind). Auf zum John Hughes Magister!
Our Daily Free Stream: Richard Linklater - Before Sunrise


Our Daily Free Stream: Richard Linklater - Before Sunrise. Linklaters letzter Streich Everybody Wants Some! schliesst an seine frühen Filme an, die wir so geliebt haben! Deshalb gibts heute Before Sunrise. - Es ist so niedlich, wie sich die Beiden im Zug treffen! Eine Seelenbekanntschaft - und immerhin ist das unser erotischstes Organ! Sie trinken Kaffee und unterhalten sich. Er erzählt ihr, wie er seine tote Grossmutter im Schein des Rasensprengers sah. Er ist Amerikaner mit einem europäischen Inter Rail Ticket und muss am nächsten Morgen einen billigen Flug zurück aus Wien nehmen. sie ist Französin und studiert an der Sorbonne. Jesse (Ethan Hawke) und Celine (Julie Del.py). Dann macht er ihr einen verrückten Vorschlag: Warum steigt sie nicht einfach mit ihm aus, um durch Wien zu bummeln? Ich kann mir keinen charmanteren Weg vorstellen als Jesses, wenn er Celine das fragt. Ein echter Kinomoment! Wenn beide nun nachts durch Wien laufen und diese Gespräche führen, die ich Alltagsphilosophie nenne, sind wir schon mitten drin in einem der schönsten Richard Linklater Filme. Ein Pärchen der Generation X, das aber keinesfalls der langweiligen Attitude folgt, es sei interessant, gelangweilt zu wirken. Linklater braucht für diesen Spaziergang kein Melodram und keine Sex Szenen. Before Sunrise ist ein Film, in dem ausschliesslich geredet wird. Nicht, dass jemand Jesse und Celine dabei hetzen würde. Sie lassen sich treiben und die Kamera folgt ihrer Unterhaltung, als ob das eine Doku sei. Before Sunrise ist so nahe am wirklichen Leben dran, dass ich meinte, genauso solche Gespräche auch geführt zu haben! Teilweise im ähnlichen Wortlaut! Die Eltern, Ex-Freunde, der Tod oder Musik. Das sind so ihre Themen. Achte mal auf diese wundervolle Szene in der Abhörkabine eines Schallplattenladens. Sie sieht ihn an und er sie - und beide tun so, als ob sie sich nicht heimlich beobachten würden. Wien wird weniger durch Schauplätze als durch einzelne Menschen, die sie treffen, repräsentiert. Ein Strassenkünstler, eine Wahrsagerin oder zwei Amateur Schauspieler. Als es Nacht wird, überlegen Jesse und Celine, ob sie miteinander schlafen sollen. Es gibt immerhin sehr gute Pro- als auch Kontra-Argumente... Linklater liebt die ganzen normalen Menschen. wie sie sich unterhalten und aufeinmal ins Philosophieren geraten. Das hier ist sein dritter Film und man spürt, dass hier jemand seinen ganz eigenen Stil findet.

Donnerstag, 14. Juli 2016

Our Daily Free Stream: Ingmar Bergman - Winter Light (engl. subt.) 

 Our Daily Free Stream: Ingmar Bergman - Winter Light (engl. subt.). Als die Filmkunstbar Fitzcarraldo noch in der Revaler Strasse lag, verstarb Ingmar Bergman. Bis dahin fragten nur wenige nach seinen Filmen - das änderte sich bis heute schlagartig. Denke ich an seinen Tod, verbinde ich den immer mit Nattvardsgästerna aus seiner "Silence Of god" Trilogie. Warum? Nattvardsgästerna handelt von einem Pfarrer, der nicht in der Lage ist, einem Gemeindemitglied die Angst vor dem nuklearen Holocaust zu nehmen. Eine Frau, die ihn trösten könnte, weist er zurück. Die Bilder habe ich noch heute deutlich vor Augen. Wie Bergman und sein Kameramann Sven Nykvest in einer Dorfkirche das Sonnenlicht auf seinem Weg durch den Raum festhalten. Nattvardsgästerna - ein Film über das Licht. Ich habe das Werk jetzt wieder gesehen und war überwältigt von seiner Kraft, seiner Trostlosigkeit! So viel komplexer als ich es in Erinnerung behielt! Hier geht es nicht nur um das Schweigen Gottes, sondern eines Mannes: Pastor Tomas Ericsson (Gunnar Bjornstrand). Er spricht zu uns, ist aber ausser Stande, sich oder anderen Mut zu spenden. Daneben treten auf: Jonas (Max Von Sydow), besessen vom Bösen in der Welt und Marta (Ingrid Thulin), eine Lehrerin, die den Pastor aufrichtig liebt. Als Dank empfängt sie einzig Kälte. Zwei Menschen, die sich tief verletzen. Es ist auch ein Film über Vertrauen. Algot (Allan Edwall, durch einen Unfall entstellt, scheint der Einzige zu sein, der dem Wort Gottes tatsächlich etwas für sein Leben abgewinnen kann. Visuell wird das mit rigoroser Schlichtheit dargeboten. Nykvest nutzt nicht einen Schwenk der Kamera, um einen Effekt zu erzielen. Er bleibt der Beobachter. Er zeigt. Pastor Tomas lächelt nie. Er wirkt krank, mehr noch: Kalt und nicht in der Lage, mitzufühlen. Jonas Ängsten, die Welt würde enden durch den atomaren Endschlag, begegnet Tomas in Floskeln: Wir müssen in Gott vertrauen. Während er das sagt, bemerken wir, wie sehr seine Hände zittern. Es gibt aber viel mehr als nur die Stille Gottes. Tomas schweigt gegenüber Marta. Diejenigen, die auf Hilfe hoffen, sie empfangen nur Zurückweisung und Schweigen. Ich habe mich gefragt, wie viel Bergman in der Figur des Pastores steckt? Bergman, der selbst mehrfach verheiratet war, jedoch kein Glück fand. Ist das der Aufschrei eines Künstlers, dessen Leben genauso kalt schien? Der nicht geben konnte? Wie autobiographisch Nattvardsgästerna tatsächlich ist, werden wir wohl nie herausfinden. Im Herzen ist es ein Film über einen Mann, der sich für Gott hält und versagt.

Mittwoch, 13. Juli 2016

Our Daily Free Stream: Sam Fuller - Forty Guns


Our Daily Free Stream: Sam Fuller - Forty Guns. Sam Fullers vorzüglicher B-Western Forty Guns wurde in einer Woche inszeniert und stellt für mich das Non-Plus-Ultra in einer ganz bestimmten Disziplin dar: Hier werden lustvoll Vulgaritäten mit tiefen psychologischen Einsichten gemixt. Einer der besten Filme Fullers! Jessica Drummond (Barbara Stanwyck) kann man als Katharina die Grosse Arizonas charakterisieren. Ihre Waffen: Eine Peitsche und 40 Gewehre. Sie hat sogar ihren eigenen Song: “High Ridin’ Woman", gesungen von Jidge Carroll. Jessica ist eine Meisterin der Intrige - sie spielt mit einem Marshall und einem Killer, Bonnell (Barry Sullivan). Bonnell scheint sie köstlich zu amüsieren. Fuller hat eine ganze Reihe anzüglicher Witze in den Film gepackt: Jessica spricht Bonnell auf seine Pistole an, er lächelt schmierig und antwortet: “It might go off in your face.” Jessica pariert: “I’ll take a chance.” Fuller lässt seine beiden Protagonisten schliesslich die entscheidende Frage stellen: “How are we going to get away with this?” Forty Guns ist so schön dreckig! Dann aber wechselt Fuller die Tonart und Melancholie untermalt das Geschehen. Poetisch ist das Format von Forty Guns, der in epischem Cinemascope inszeniert wurde! Vierzig Gewehre in 70mm - ein grandioser Anblick! Stanwyck, äusserst autoritär und gerissen, dominiert Forty Guns. Hier kommt eine Schauspielerin der 50er, die ihre Stunts selbst durchführt! Welche andere Darstellerin hätte die traurigen, ernsthaften Szenen im Finale besser verkörpern können? Fuller kennt die Qualitäten seines Stars und nutzt sie. Bonnell scheint das auch zu wissen: “You look upset". Sie daraufhin: “I was born upset!”. Die Ironie dieses Satzes, sie steht für Fuller und Stanwyk. Sie steht für den ganzen Film. Was für ein Meisterwerk!

Dienstag, 12. Juli 2016

Our Daily Free Stream: Step Across The Border


Our Daily Free Stream: Step Across The Border. Eine Konzertreise durch Städte wie New York und Tokyo. Hier wird improvisiert, in heruntergekommenen Hotelzimmern gehaust und das Leben genossen! Fast scheints so, als ob hier Bild und Ton unabhängig voneinander wirken. Jedenfalls unterwirft sich keines dem Anderen! Überschneidungen aber sind möglich, mal komisch, mal absurd und dann wieder einfach schön! Wer kennt den Zusammenhang zwischen Klangkunst und der Bahn? Wer ist je vorgedrungen zum Geist der Musik? Fred Firth, der Grenzgänger, der sich nicht von "Genres" oder dergleichem aufhalten lässt. Step Across The Borders eben.

Sonntag, 10. Juli 2016

In Cinema Soon: Ghostbusters


Nur 22 Prozent der youtube User mochten den neuen Ghostbusters Trailer. Hat das eine Aussagekraft? Ghostbusters nimmt sogar unter den am wenigsten "gelikten" Trailern den neunten Rang ein! Ich denke, den meisten ging es so wie mir! Ich wollte einfach die Original-Besetzung wiedersehen! Immerhin sind sie alle noch am Leben und auch noch tätig! Ich las allerdings ähnliche Kommentare von Usern, die gerade mal vier Jahre alt waren, als Ghostbusters ins Kino kam. Sei es drum, für uns alle bedeutet der Film vor allem: Kindheitsrerinnerungen! Ich teile diese wertvollen Bruchstücke meiner Entwicklung, mit Ghostbusters aufzuwachsen, voll und ganz! Damals ging ich mit Freunden in den Zoo Palast, danach direkt zum Pizzabäcker. So lief das immer, durfte man zum Ku'damm ins Kino - immerhin ein herausragendes Ereignis! Ghostbusters, das ist für mich ein Kinderspielzeug. Kein Produkt. Irgendwann lief der Film dann noch einmal im Fernsehen. Heute steht die DVD sogar aufgeklappt in der Filmkunstbar Fitzcarraldo. Unten, im goldenen Raum, dort wo unsere 80er Batterie aufgebahrt wird. Verliehen wird er allerdings nur selten. Wir scheinen unser Spielzeug vergessen zu haben und immerhin dafür kann das Remake gut sein: Die Erinnerungen wachzurufen. Ich denke, die meisten sind gar nicht wütend auf das Remake an sich, sondern den Angriff, den es auf ihre behütete Vergangenheit darstellt. Durch die Püppchen von Kenner Products hatten zuminest die Jungs unter uns längst eigene Ghostbusters Remakes kreiert. Später entwickelten wir uns zu "gereifteren" Filmfans und Ghostbusters verblich... Heute gibt es übrigens neue Ghostbusters Püppchen und vielleicht sollten wir die Sache mal so sehen: Eine ganze Generation von Jungs wird mit unseren Ghostbusters gar nichts anfangen können. Sie werden ihre eigenen entwickeln.
90s Hidden Gems


90s Hidden Gems

In der Filmkunstbar Fitzcarraldo stehen die Gäste vor den Neuheiten Regalen, alle auf der Jagd nach denselben fünf Titeln. Im Keller aber stehen so viele versteckte Perlen! In den 90ern kamen mir Filme auf einmal so ungeheuer modern vor! Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass die Patronenhülsen, die in einem John Woo Film niederregneten, irgendwann "vintage" sein würden. Viele hatten die 80er mit ihrer aufgeblasenen Hollywood Maschinerie einfach satt. Klar, wir waren nicht mehr in der siebten Klasse! Wir wollten "Indie" sehen. Was aber haben wir damals nicht gesehen? Was könnten wir heute aus den 90ern entdecken? Davon handelt diese Liste.
Our Daily Free Stream - Voces Inocentes (engl. subt.)


Our Daily Free Stream: Voces Inocentes (engl. subt.). Gerade las ich, dass Luis Mandoki einen Film über Castros Tochter, Castro's Daughter, plant. Deshalb gibts heute Voces Inocentes. "Als der Krieg ausbrach, verliess uns Papa in die USA. Mom erzählte uns, ich sei nun der Mann im Haus." Die Erzählstimme gehört dem elfjährigen Chava, der in El Barrio, El Salvador, während des Bürgerkrieges lebt. Irgendwann in den 80ern. Elf - das war zu der Zeit ein gefährliches Alter, denn mit zwölf werden Kinder zum Armeedienst eingezogen. Es gibt eine ganze Reihe von Filmen über den Bürgerkrieg in Lateinamerika. Viele handeln davon, wie die Amerikaner Unrechts-Regimes unterstützen, um kommunistische Guerillas zu bekämpfen. In Innocent Voices spielt dieser politische Hintergrund keine Rolle. Wer oder was die Regierung ist, hat keinen Wert in Barrio. Hier gibt es bewaffnete Soldaten, manche noch Jungs, die einfach zum Spass ihre Waffen abfeuern. Es gibt keine Strategie, keine Taktik in diesem Krieg. Wer nicht auf derselben Seite steht, wird getötet. Hier wächst Chava (Carlos Padilla) mit seiner Mutter Kella (Leonor Varela) heran. Wegziehen ist keine Option. Falls der Mann zurückkehrt - wie könnte er sie sonst wiederfinden? Überhaupt: Diejenigen, die nach Norden ziehen, werden einfach verschluckt. Chava versucht nun, irgendwie ein normales Leben zu führen. Er erklärt einem Busfahrer, dass er alle Stationen ausrufen soll, so dass er zur Schule findet. Die ergreifendsten Szenen sind nicht die, in denen geschossen wird, sondern die, in denen die Zwölfjährigen zur Armee eingezogen werden. Die Kinder können zu gefährlichen Soldaten heranwachsen. Sie geniessen es, eine Uniform und eine Waffe zu tragen - ohne sich der Bedeutung klar zu werden. Eine Sünde, wie diese Kinder und ihre Zukunft missbraucht werden! Die Geschichte von Chava besticht nicht, durch geballte Spannung. Chava ist nicht allein im Spannungsfeld des Krieges, sondern lebt innerhalb seiner Familie und Freunde. Der Krieg unterbricht dieses Leben immer wieder, zerstört es aber nicht. Ich hatte mir am Ende überlegt, ob diese Art von Krieg ohne Gewehre überhaupt möglich wäre? Ist es nicht viel einfacher so, jemanden zu töten? Wie ein grosser Spass?

Samstag, 9. Juli 2016

80s Hidden Gems


80s Hidden Gems

Für Kinder, die schon alles haben. Oder doch nicht? Hier kommen die 80er, die ihr womöglich schon vergessen habt! Keine Kritker-Lieblinge und keine Kassenerfolge - und doch hege ich eine stille Liebe zu diesen Beinahe-Klassikern.
Martial Arts Autorenfilme


Martial Arts Autorenfilme

zum Start von The Assassin
Als sich Ang Lee an die liebsten Filme seiner Kindheit erinnerte, entstand die Idee zu Tiger & Dragon. Mit einem viel höheren Budget und bis dahin nie gesehener Virtuosität entwickelte er sein Martial Arts Epos - ein modernes Märchen, fast wie ein Western! Zhang Yimou versuchte es diesem Vorbild gleich zu tun als er Hero sowie Hous Of Flying Dagger verfilmte. Er übertraf Ang Lee sogar, was die Opulenz der Bilder anging. Wu Ji von Chen Kaige, Yimous Mitstreiter der sogenannten fünften Generation "ernster" chinesischer Regisseure dagegen, war wohl zuviel für unsere westlichen Augen. Ein ähnliches Schicksal ereilte The Banquet, der Shakespeare Verfilmung des chinesischen Star-Regisseurs Xiaogang Feng. Wer mochte The Grandmaster des Hong Kong Stilisten Wong Kar-Wai? Und nun The Assassin des taiwanesischen Arthaus-Lieblings Hsiao-Hsien Hou? Scheinbar haben wir Schwierigkeiten damit, das zu akzeptieren, was in China überhaupt kein Problem ist: Verdienten Autorenfilmern einen Action Film abzukaufen. Hier kommen Martial Arts Filme von Autoren, die wir auch ganz anders kennen!
Our Daily Free Stream: Robert Zemeckis - Cast Away

Tom Hanks zum 60. Geburtstag! Zwei Drittel der Zeit trägt Tom Hanks Cast Away ganz allein und macht das vorzüglich. Schade nur, dass es noch andere Charaktere im Film gibt, die eher stören. Die Geschichte ist so simpel wie gewaltig, enttäuscht aber im letzten Akt und fast scheint es, als würde Robert Zemeckis seinen Film zu schlechter Letzt einer Laune opfern... Hanks spielt Chuck Noland und in seiner Branche ist Zeit Geld. Er arbeitet für Fed Ex (was der Film uns wie einen schlechten Scherz immer und immer wieder verdeutlicht) und ist dafür zuständig, dass die weltweiten Lieferungen möglichst schnell zum Kunden gelangen. Helen Hunt spielt Kelly Frears, seine Verlobte, die akzeptieren muss, dass ihr Mann bereits mit seinem Beeper verheiratet ist. Bevor er von seiner Heimat Memphis nach Sankt Petersburg aufbricht, überreicht er ihr halbherzig ein Abschiedsgeschenk, dass ihr zukünftiger Ehering ein soll. Der Rückflug von Russland in die USA aber, führt zur Katastrophe. In einem Unwetter stürzt das Flugzeug ab, Noland aber überlebt... (Wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte an dieser Stelle nicht weiter lesen.) Die eindrucksvollsten Szenen spielen alle auf der einsamen Insel, an die Noland gespült wird. Der Mann, der zuvor im Sekundentakt gelebt hat, existiert nun ohne Uhren oder überhaupt irgend etwas auf einer kleinen felsigen Insel mitten im Pazifik: Seine Hilferufe am Strand - so pathetisch und ergreifend! Wie er versucht, Feuer zu machen und sich die Hand verletzt! Wie er schliesslich eines seiner Päckchen (wieder Fed Ex!) öffnet und aus einem Volleyball ein Gesicht kreiert! Der Ball wird zu seinem Gefährten Wilson. Noland spricht mit ihm und wird Wilson mehrmals verzweifelt retten. Schnitt. Vier Jahre später erleben wir Noland als abgemagerten Überlebenden. Ein Bild seiner Verlobten und sein treuer Freund Wilson sind die einzigen, die ihn am Leben erhalten. Für mich ist es vor allem faszinierend, Noland dabei zuzusehen, wie er (mittlerweile) geschickt Fische fängt und Kokosnüsse aushöhlt. Diese Szenen geben mir mehr als ein Plot das könnte. Hanks, wenn er laut mit Wilson redet, ist wohl einer der wenigen Schauspieler, die uns allein so fesseln können! Fast scheint es, als versuche er gar nicht, unsere Aufmerksamkeit zu erhaschen (er bekommt sie sowieso!). Noland hält sich am Leben mit dem Bild seiner Verlobten und Wilson. Vielleicht hat er sein Wesen von Grund auf geändert auf der Insel, denn wir lernten ihn als Workaholic kennen, der kaum Zeit erübrigt für seine Freundin. Daran krankt das letzte Drittel. Die Beziehung Nolands wurde anfangs nur halbherzig eingeführt, nun soll sie sein Lebensinhalt sein. Wie kann Noland mit seinem Leben fortfahren, nach seiner Rettung? Wie kann Zemeckis uns ein befriedigendes Happy Ending verschaffen? Kann er das überhaupt? Was geschieht mit einem Menschen nach vier Jahren in der Wildnis?