Samstag, 30. September 2017


youtube stream: Meatballs

Der Job des Videothekars bei uns ist merkwürdig aus dem einfachen Umstand, dass er in Kreuzberg gesellschaftliches Ansehen geniesst. (Natürlich weniger, wenn man sich mit den Eltern zum Kaffee trifft.) Diese Anerkennung darf als später Erfolg der Geeks gelten und Meatballs von Ivan Reitman aus dem Jahr 1979 hat ganz grossen Anteil daran! Zum ersten Mal waren die Geeks die Helden in einem Film! Damals filmte Reitman mit Bill Murray und anderen damals wenig bekannten Schauspielern im kanadischen Wald ohne nennenswertes Budget. Keiner konnte ahnen, dass hier der Durchbruch im Bereich der Teenager Komödie entstand! Ivan Reitman und sein Co-Autor Harold Ramis gehörten über Nacht zum exklusiven Hollywood Club! (...)

Freitag, 29. September 2017

youtube stream: My Sassy Girl


Ganz früher, in den 30er Jahren, da hatten Hollywood Komödien dieses gewisse Etwas: Wenn etwas in der Luft liegt, aber kein Kuss fällt. Knisternde Erotik, die aber nie explizit wird! My Sassy Girl ist für all jene, die sich die Unschuld im Kino zurückwünschen! Aber "Vorsicht"! Die Handlung hats in sich und erfordert Konzentration! Die Geschichte des Studenten Gyun-Woo (Tae-hyun Cha), der noch bei seiner strengen Mutter lebt, beruht angeblich auf wahren Ereignissen. Eines Tages trifft er an einer U-Bahn Station SIE, (Ji-hyun Jun) - total besoffen(...)

Donnerstag, 28. September 2017

yyoutube stream: 3 Idiots

 Nachmittags eine Schale voller Kekse und dazu eine Kanne schwarzen Tee. Am besten aus Assam. Das sind die Zutaten für einen schönen Bollywood Nachmittag und wie wärs mit einem Montag? Fragt der Videothekar und ist sich dessen bewusst, wie subversiv dieses Angebot der Arbeitsverweigerung ist. Nun steigen die Gehälter selbst in Kreuzberg und morgens sieht man immer mehr junge Menschen keuchend durch den Görlitzer Park joggen. All das schlägt sich mit einem ausgelassenen Bollywood Video-Nachmittag! Wie dem auch sei. Würden wir 3 Idiots umrechnen in Hollywood Massstäbe, dann müssen wir Aamir Khan als indischen "George Clooney" begreifen. Kein Schauspieler wirkte in mehr berühmten Bollywood Produktionen mit! Genau wie sein Hollywood Pendant nutzt er seine "Starpower" auch für seriöse Produktionen, die in Indien längst zum kulturellen Allgemeingut gehören. 3 Idiots dagegen ist ein Blockbuster - nicht nur in Indien! In einer BBC umfrage zählt er zu den grössten Filmen des Jahrhunderts und bei imdb geniesst er Rang 96 der beliebtesten Filme. Wer sollte noch daran zweifeln, dass Bollywood nicht glücklich macht? Die Botschaft von 3 Idiots lautet: Sei nicht blöd, sei ein Idiot! Unter diesem Motto studiert Rancho (Aamir Khan) an einer Elite Uni(...)

Dienstag, 26. September 2017

youtube stream: Roman Polanski - Chinatown


"Are you alone?" - "Isn't everybody?"; antwortet der Privatdetektiv. Die Helden des Film Noir waren immer einsam. Sie decken die Geheimnisse von Fremden auf, während sie vor ihren eigenen davonrennen. Das ist der Typus des Film Noir: Ein Mann, der die ganze menschliche Tragödie besetzt, um zu leben. Die klassischen Helden des Film Noir sind aber nicht zwingend kalt. Sie tarnen sich unter der Maske des Romantikers, die es ihnen erlaubt, sich in schlechte Frauen zu verlieben. Böse Frauen. Sie sind viel sensibler und auch intelligenter als es an sich nötig wäre für ihren Job. Es war natürlich Bogart, der die Regeln dieses Typus festlegte und verkörperte. Für nachfolgende Schauspieler war es dann bequem, sich diesem Korsett einfach zu beugen. So als würden sie sich einen Pullover überziehen. Grosse Schauspieler aber folgen Bogarts Regeln nicht einfach nur! Sie füllen sie aus und erwecken sie zum Leben! Jack Nicholson als J. J. Gittes gelingt genau das: Er folgt Bogart, gleichzeitig aber agiert er viel netter als das Vorbild. Nicholson spielt einen netten und traurigen Mann. Wer erinnert sich nicht an das berühmte Pflaster auf Nicholsons Nase (die Polanski selbst aufschlitzte)? Ist Nicholsons Gittes ein harter Hund? Ich denke nicht. Im Gegenteil, er wirkt eher passiv. “I’m in matrimonial work"; beschreibt sich Gittes. Was bedeutet das? Was ist das für ein Wort? Gittes Metier ist der Ehebruch. Vor allem beschattet er Ehepartner. Klar, Gittes kann auch mal roh agieren, die meiste Zeit aber empfinden wir ihn als sympathisch. Wie alle Privatdetektive muss er manchmal auch wie ein Schwein handeln. Gittes aber fühlt sich in dieser Rolle überhaupt nicht wohl. Einmal fragt Gittes den Millionär Noah Cross (John Huston), wozu er überhaupt noch reicher werden müsste? Könnte er dann noch besser essen? “The future, Mr. Gitts", antwortet Cross, der sich Gittes Namen nie richtig merkt. Alles beginnt damit, dass er von einer Frau beauftragt wird, aufzudecken, dass ihr Ehemann sie betrügt. Die Spur führt ihn zu einem ausgetrockneten Fluss und der Leiche von Mr. Mulwray, der scheinbar ertrank. Dann trifft er die echte Mrs. Mulwray (Faye Dunaway). Sie lügt und langsam glaubt Gittes an einen grösseren Zusammenhang - nicht bloss an einen profanen Ehebruch... Hat es etwas mit dem San Fernando Valley zu tun, wo das Wasser künstlich abgelenkt wird, um die Orangen-Ernte zu vernichten? Gittes wandelt sich. Er wird zu einem Mann, der den Dingen auf den Grund gehen will. Einfach, weil er den allgegenwärtigen Lügen überdrüssig ist! Und wie genau steht er zu Evelyn Mulwray, die so kühl agiert, aber in den Momenten, da ihr Vater erwähnt wird, aufeinmal fragil und zerbrechlich wirkt? Gittes glaubt, er liebt sie. Dann fühlt er sich hintergangen. Er denkt, sie versteckt die Geliebte ihres Mannes. Sie gesteht, es sei ihre Schwester. Dann wiederum erzählt sie ihm, es sei ihre Tochter. Ihr Vater, der Millionär, ist ein Mann von süsslichem Charme und kleinen gemeinen Augen. Cross erklärt; “Of course I’m respectable. I’m old" und meint damit, dass sogar Politiker irgendwann rechtschaffen erscheinen. Eine Frage des Alters. Polanskis Kunstgriff besteht darin, den Millionär Cross mit dem Vater des Film Noirs, John Huston, zu besetzen. Das dürfte der Traum jedes postmodernen Filmemachers sein: Ein lebendes Zitat! Wie jeder Film Noir endet auch Chinatown mit einer Kette von Enthüllungen. Die Beziehungen unter den Charakteren sind doch ganz anders als erwartet, Gerechtigkeit erfolgt - oder auch nicht. Chinatown war damals wie ein neuer Start in Hollywood für Polanski. Nach der Ermordung seiner Frau Sharon Tate, floh er nach Europa, für Chinatown kehrte er 1974 zurück. Das schönste Kompliment, dass wir Chinatown machen können, ist doch die Tatsache, dass dieser "Neo-Noir" sich heute nahtlos einfügt in die grossen Klassiker des Genres. Wie war das noch: Endete die klassische Phase des Film Noirs wirklich 1959? Nicht 1974?

Montag, 25. September 2017

youtube stream: Milos Forman - Love Of A Blonde


Milos Forman darf für sich in Anspruch nehmen, die Kunst des Filmemachens ein Stück weiter gebracht zu haben. Wann aber hat man schon mal die Möglichkeit, sein tschechisches Frühwerk anzusehen? Love Of A Blonde ist ein herrlicher Film, eine bittersüsse Komödie und eine subtile Gesellschafts-Satire! Genau der richtige Film für einen so verregneten Montag wie heute! Wer aus der Vorstadt kommt, der versteht die Geschichte von Andula ( Hana Brejchová) auch nur umso besser! Andula arbeitet in einer Schuhfabrik. Sie lebt ein langweiliges, eintöniges Leben und ist der Auffassung, dass nur eine Liebes-Affäre Veränderung schaffen kann (man bedenke; in der CSSR nach dem Krieg kamen auf jeden Mann 16 Frauen!). Ganz offensichtlich, traut sich Andula nicht selbst zu, ein interessantes, anregendes Leben zu führen! Aber Andula ist noch gänzlich unerfahren und deshalb geht sie mit jedem mit, der sie anflirtet. Eine ganze Reihe scheusslicher Dates folgt, bis Andula endlich den Richtigen findet: Milda (Vladimír Pucholt), den Pianisten aus Prag. Dann aber trifft sie seine Eltern und auf einmal ist alles doch ganz anders als Andula sich das erträumt hatte... Die Kunst von Milos Formans Komödie besteht darin, die richtige Balance zwischen Verzweiflung und Hoffnung zu finden. Ist das Leben Andulas nicht furchtbar? Und wissen wir nicht in jedem Moment, was kommen mag (ganz anders als Andula)? Wer weiss, vielleicht ist es ganz unmöglich für Andula, die erste Jugendliebe zu finden? Immerhin lebt sie unter einem totalitären Regime und ist eben nicht frei!(...)

Sonntag, 24. September 2017

youtube stream: Das Weisse Rauschen 


"Wer das weisse Rauschen sieht, der wird sofort wahnsinnig. Ausser wenn er schon wahnsinnig ist. Dann wird er normal." - Ein schönes Zitat, das mir Tobias Amann in Erinnerung rief, als er letztens ein Bier bei uns in der Videothek trank. Eigentlich spricht er nicht gern über Das Weisse Rauschen, da sein Partner Hans Weingärtner den Ruhm ungern teilen wollte. Nach der Unterhaltung wollte ich mir Das Weisse Rauschen jedenfalls noch einmal ansehen und erinnerte mich an den Aufbruch des deutschen Films damals in den frühen 00er Jahren, an den x-filme Verleih und natürlich Daniel Brühl. Er verkörpert Lukas, der neu ist in der grossen Stadt und in die WG seiner Schwester zieht. Lukas weiss, hier fängt das echte Leben an! Sofort stürzt er sich hinein in die Nacht. Er führt sich chemische Substanzen zu, die er gar nicht so genau kennt. Ich finde das immer bemerkenswert. Ein Experiment am eigenen Leib mit ungewissem Ausgang. Meistens überwiegt das Gefühl, den Körper erfolgreich herausgefordert zu haben. Manchmal aber hört man auch Stimmen, so wie Lukas. Ein Horror! Lukas fühlt sich verfolgt. "Paranoide Schizophrenie", nennen die Ärzte das. Lukas muss gegen sich selbst kämpfen, gegen die eigene Wahrnehmung. Ein Kampf, der ihn bis an die spanische Atlantikküste treibt. Dort findet er etwas, was ihn retten könnte: Das weisse Rauschen...

Samstag, 23. September 2017


youtube stream: Jean-Luc Godard - Vivre Sa Vie

So gern wäre ich manchmal in den 60ern aufgewachsen! Ich hätte im Regen vor einem Programmkino für 30 Pfennig angestanden und auf die nächste Vorstellung von Vivre Sa Vie gewartet. Vielleicht hätte ich den Original Godard auf einem Filmfestival sehen können! Wie er solche Dinge sagt: "Das Kino, das ist nicht die Station. Es ist der Zug..." Oder war es umgekehrt? Egal. Ich hätte einfach zugehört und genickt, so wie die Anderen auch. Jeder liebte seine Filme! So wie wir alle in den 90ern über "Tarantino" diskutierten, hätten wir über Godard geredet. Wie er die Kamera um 360 Grad dreht, auf einmal anhält und alles zurückfährt! Einfach, um uns zu beweisen, dass ers kann! Heute wird an seinem Denkmal gekratzt. War er etwa überbewertet? Kunstfilme sind schliesslich "out" - oder nicht? Nun, ich kann euch mal die Verleihzahlen von unserer Videothek durchgeben: Godard, Godard und nochmal Godard! Vor allem sein Frühwerk wird geliehen und nochmal geliehen! Vivre Sa Vie nimmt dabei den ersten Rang ein. Heute ist es für mich wieder so weit. Vivre Sa Vie muss rein in meinen DVD Spieler. Nach fünf Minuten ists um mich geschehen. Ich bewege mich nicht. Ich starre auf den Monitur. Bis es vorbei ist. Ich meine, auch erst nach dem Abspann wieder richtig durchzuatmen! Ein ganz toller Film! Einer der tollsten überhaupt! Erzählt wird die Geschichte von Nana (Anna Karina). Anna Karina war damals Godards Frau. Fast durchsichtig wirkt sie mit ihrem Porzellan Gesicht, ihren vorsichtig blickenden Augen, ihrem schwarzen Haar, das wie ein Helm um den Kopf anliegt und ihren schicken Kleidern. Wir wissen ja, die Nouvelle Vague braucht schöne Frauen und coole Typen, die ununterbrochen rauchen! Auch Anna Karina raucht immer. Sie verkörpert eine junge Pariserin. Der Vorspann zeigt ihr Gesicht erst seitlich, dann frontal. Von Anfang bis zum Ende wird der Film sie beobachten, versuchen, ihr Gesicht zu lesen. Auf, dass wir nichts verpassen! Keine einzige Regung! Dazu die Musik von Michel Legrand, die plötzlich stoppt und dann mit dem nächsten Motiv fortfährt. So als wollte die Musik uns Anna Karina erklären. Aber sie scheitert und beginnt von vorn. Im nächsten Bild sehen wir sie, Nana, von hinten. Sie spricht mit Paul. Wir erfahren, dass Paul ihr Mann ist. Sie verliess ihn und das gemeinsame Kind. Nun hat sie vage Vorstellungen, was als nächstes kommt. Vielleicht geht sie ins Kino. Godards bevorzugter Kameramann Raoul Coutard zeigt erst Nana, dann Paul. Sie zoomt vor und zurück, ist auf Nanas Hinterkopf gerichtet, dann leuchten ihre Gesichter im Spiegel. Unterteilt wird Vivre Sa Vie in dreizehn solcher Bilder, die altmodischen Romanen entsprechen. Nana versucht, den Schlüssel zu ihrer Wohnung aus dem Büro des Concierges zu klauen, wird aber erwischt und abgeführt auf die Strasse. Sie hat kein Zuhause und kein Geld. Ist das ihr Fehler oder ihr Schicksal? Warum verliess sie Paul? Hegt sie keine Gefühle für ihr Kind? Nana geht ins Kino, wo Dreyers "The Passion Of Joan Of Arc" läuft. Natürlich. Auch in Dreyers Film geht es um eine Frau, die von Männern verurteilt wird. Sie trifft einen Typen in einer Bar, der Fotos von ihr schiessen will. Es gibt einen Streit um einen 1000 Franc Schein. Die Polizei kommt. Dann schlägt Nana den Weg in die Strasse der Huren ein und lässt sich von einem Freier kaufen. Küssen aber darf er sie nicht. Die Kamera bleibt ihr immer auf den Fersen. In einem Plattenladen diskutiert Nana mit einem Kunden. Die Kamera wendet sich plötzlich ab und blickt aus dem Fenster. Dann trifft Nana Raoul, ihren Zuhälter. Ein Lächeln wünscht er sich von ihr. Die Kamera verharrt erst auf ihr, dann auf ihm. Nana verweigert das Lächeln; die Kamera wendet sich ab von Raoul und hält wiederum auf Nana. Das ist mehr als nur "Style". Die Kamera zeigt uns, wie Menschen andere Menschen anschauen. Sie macht uns das bewusst. Dann das berühmteste Bild: Nana raucht, während ein Kunde sie umarmt. Sie blickt über seine Schulter. Ihre Augen sind ganz leer. Später wird sie von Raoul geküsst. Sie atmet den Rauch ihrer letzten Zigarette aus. Was fängt man schon an in diesem Paris? Man hängt herum in Bars, wünscht sich, mehr Geld zu haben. Prostitution wird in Frankreich übrigens "La Vie" genannt, was dem Titel seine Bedeutung verleiht. Schliesslich mündet Vivre Sa Vie in einem Thriller - so wie wir das aus Godards erstem grossen Film kennen. Was aber macht die Kamera? Sie richtet sich auf den Boden. Sie blickt einfach weg. Sie ignoriert das Ende des eigenen Films. Wer erinnert sich noch an das Gespräch Nanas mit dem Philosophen im Cafe? Er erzählt ihr die Geschichte eines Mannes, der davon rennt vor der Gefahr. Er rennt und rennt, bis er ins Grübeln kommt und anhält. Genau das tötet ihn. Der Mann denkt zum ersten Mal nach und stirbt. Und Nana? Wird sie sterben, sobald sie zum ersten Mal innehält? Voller Neugier folgt sie den Ausführungen des alten Mannes. Wir erleben ihre neugierigen, grossen Augen, die bis dahin jedes Gefühl zurückwiesen! Zuvor erzählte Paul die Geschichte des Huhns. Nimmt man die äussere Hülle des Huhns, behält man den Innenteil. Nana ist nichts als äussere Hülle(...)

Freitag, 22. September 2017

youtube stream: Jacques Tati - Playtime

 Playtime existiert, wie nur ganz wenige Meisterwerke, in sich geschlossen und bildet ein grosses Ganzes. Selbst Jacques Tatis Alter Ego Monsieur Hulot scheint nur durch Zufall in dieses Parallel-Universum hineingestolpert zu sein. Tati verzichtet auf einen klassischen Plot, dafür wird das Geschehen von Zufällen vorangetrieben. Es gibt nicht nur ein paar Hauptfiguren, sondern Hundertschaften. Anstatt einer Komödie wohnen wir etwas bei, das man als wunderliche Beobachtung begreifen könnte. Kein Genre wird zitiert, aber auch kein neues erfunden. Stattdessen erleben wir, wie ein Filmemacher wohl die Welt aus seiner Innen-Perspektive beobachtet. Das Innere nach aussen gekehrt. Damals, 1967, war Playtime der teuerste französische Film aller Zeiten; produziert in "Tativille", einer eigens erbauten Studiolandschaft. Immerhin gibts in Tativille einen Flughafen, Hochhäuser und einen eigenen Kreisverkehr! Dafür verzichtete Tati auf eine Geschichte als auch auf Dialoge (die meisten werden in Englisch gehalten, daher verlinken wir den Post ohne Untertitel). Was ist schon der Mensch angesichts dieser modernen Architektur? Was stellt er dar in einer dieser Megastädte? Playtime nimmt keine eigene Sichtweise dazu ein. Alle Überlegungen finden hinter der Kamera statt. Tati hat sein Projekt auf 70mm gefilmt, um noch das winzigste Detail ausleuchten zu können. Er präsentiert den grösstmöglichen Ausschnitt, wie ein Suchbild, in dem wir fast kirre werden. Einiges mögen wir entdecken, dafür verpassen wir aber wieder anderes - Playtime sollte deshalb einige Dutzend Male angesehen werden. Zwei oder drei Mal, das reicht niemals aus! Der Kritiker Rosenbaum bezweifelte, dass es in Playtime um die Angst des Menschen vor der Moderne geht. Vor allem gehts Tati, nach Rosenbaum, um die Anzahl der Möglichkeiten des modernen Menschen und die sind - wie sollte es anders sein? - auch sehr witzig! So viele Möglichkeiten allein in einem Einkaufszentrum und dann all die verschiedenen Beziehungen zwischen diesen Möglichkeiten! Staunend betrachten wir ein Heer von Fremden. Erfahren wir dabei überhaupt etwas über Monisuer Hulot? Wie immer trägt Tatis berühmter Charakter Regenmantel und Hut; wie immer beisst er auf eine dicke Zigarre. Wir müssen uns vorstellen, dass Hulot zehn Jahre nicht mehr auf der Leinwand erschienen war. Hulot selbst hat sich nicht verändert; die Welt um ihn herum aber sehr! Eine Welt aus Stahl und Beton, mit modernen Büros, Fahrstühlen und Air Condition. Es ist eine Welt aus Glas und natürlich zerbricht Hulot auch so eine Glastür. Einzelne verwirrende Momente des Films zu erklären, würde aber Playtime nicht gerecht werden. Playtime ist ein mysteriöser, magischer Film! Geh doch einfach so da ran, dass du ihn das erste Mal ansiehst als Vorbereitung für das zweite Mal. Dann schau dir das Vorwort der Criterion Pressung von Terry_Jones an, der uns Jacques Tatis grossen Bankrott durch Playtime nahebringt. Immerhin war Playtime ein gigantischer Misserfolg, der den Filmemacher sein Haus, seinen Besitz und die Rechte an seinen früheren Filmen kostete. Ein bisschen kenne ich dieses Gefühl durch mein gigantisches Kinoprojekt, das vor der Gründung der Filmkunstbar Fitzcarraldo scheiterte - doch das ist natürlich nichts gegenüber Tatis Pleite mit Playtime. Es mag lechtsinnig wirken auf dich oder auf mich - nicht aber auf einen Träumer!

Mittwoch, 20. September 2017

youtube stream: The Man Of The Year

 Man stelle sich einmal vor, die Kinder aus "City Of God" wären über fünfzehn Jahre alt und ganz normale Bürger. Das ist die Welt aus The Man Of The Year, dem genauso draufgängerischen wie stilsicheren Debüt von José Henrique Fonseca. Fast könnte man meinen, hier würde man nicht nur den Mann des Jahres, sondern sogar den Film des Jahres erleben! Ganz so gut ist The Man Of The Year dann natürlich doch nicht, obschon sehr beeindruckend! Im Zentrum steht Maiquel (Murilo Benicio), der eine typische Kneipen-Wette verliert und daraufhin seine Haare blond färben muss. Als er seine blonde Pracht den trinkenden Kumpels in der Bar präsentiert, wird er von einem zwielichten Burschen von der Strasse angegriffen. Der Schläger bietet ihm einen Kampf draussen vor der Tür an. Eines kommt zum anderen und so erschiesst Maiquel den Typen. Landet er direkt im Gefängnis? Im Gegenteil. In Rio De Janeiro ist das Leben billig und nur Kugeln sind noch billiger zu haben!(...)

Dienstag, 19. September 2017

youtube stream: Alfred Hitchcock - Rear Window

 Der Held in Hitchcocks Rear Window ist gefangen. Er sitzt im Rollstuhl mit gebrochenem Bein. - Und wir sind auch gefangen - in der Perspektive des Helden. Tag und Nacht verbringt er damit, schamlos die Geheimnisse seiner Nachbarn auszuspionieren. Und wir teilen seine Obsession. Natürlich wissen wir, dass das falsch ist. Doch sind wir nicht alle Voyeure; wir, die wir gerne Filme ansehen? Der Mann auf der Leinwand folgt also derselben Tätigkeit wie wir im Publikum: Durch eine Linse betrachtet er das Privatleben von Fremden. Der Mann ist ein bekannter Fotograf namens L.B. Jeffries. Seine Verlobte nennt ihn schlicht "Jeff". Verkörpert wird er von James Stewart. Stewart spielt im Gipsverband, der bis zu seiner Hüfte reicht. Nie verlässt er sein Apartment und empfängt ausschliesslich zwei Besucher. Seine Pflegerin Stella (Thelma Ritter), die ihm Ärger vorhersagt: "The New York State sentence for a Peeping Tom is six months in the workhouse". Desweiteren seine Verlobte Lisa Fremont (Grace Kelly), ein elegantes Modell, die auch Kleider entwirft. Der Blick durch Jeffs Fenster offenbart die Sicht in zahlreiche weitere Apartments. Langsam ist Jeff regelrecht vertraut geworden mit dem Leben seiner Nachbarn, so lange beobachtet er sie schon. Er folgt den einsamen Abendessen von Miss Lonelyhearts, die für imaginäre Besucher den Tisch deckt. Oder Miss Torso, die echte Parties schmeisst. Es gibt das Paar, deren Hund in einem Korb in den Garten hinabgelassen wird. Und Thorvald (Raymond Burr), dessen Frau den ganzen Tag im Bett verbringt. Eines Tages scheint sie einfach verschwunden zu sein; gleichzeitig entdeckt Jeff Anhaltspunkte wie einen Koffer. Jeff verdächtigt Thorvald, seine Frau ermordet zu haben... Hitchcock zeigt all das mit einer radikalen Methode. Jeff beobachtet Thorvald durch das Vergrösserungsglas seiner Kamera. Er folgt jedem Schritt des Verdächtigen mit seiner Linse. Wir sehen dabei immer nur das, was auch Jeff sieht. Jeff sitzt in seinem Rollstuhl, verfolgt das Geschehen durch seine Linse, im Grunde genommen fast so wie in einem Film. Er zieht seine Schlüsse ganz ohne Worte, anhand der Bilder - und wir mit ihm. Rear Window gleicht dem Experiment, diverse "Shots" zu sammeln, die Jeff so zusammensetzt, bis er an einen Mord glaubt. Rear Window spielt mit der Faszination des Voyeurismus, dass Menschen observiert werden, die nichts davon ahnen. Jeffs Leidenschaft wird wiederum von seiner kühlen blonden Freundin kommentiert. Wohl bemerkt; Grace Kelly als "Hitchcock Blondine" hat nicht die Funktion eines Playmates. Sie, Lisa, ist Teil der Lösung dieses Puzzles. Lisa liebt Jeff tief und innig, der aber, weist sie von sich. Wie könnte es ein Model mit ihm in der Wildnis aushalten, während er fotografiert? Oder hat Jeff einfach nur Angst vor Lisa? Immerhin symbolisiert sein Gipsbein, dass Jeff beeinträchtigt ist. Hitchcock liebt solche männlichen Charaktere; wir erinnern uns an Scotty, der unter Höhenangst litt... Lisa bedient Jeff von vorn bis hinten. Der aber liebt es vor allem, seine Nachbarn mit der Kamera zu beobachten. Seine gesamte Aufmerksamkeit verwendet er darauf, Bilder zusammen zu setzen, so dass sie einen Fall ergeben. Er ist von dem besessen, was er aus der Ferne observiert, nicht davon, was er in seinen Armen halten könnte. Wir müssen uns die Wahl von James Stewart für diese Rolle vor dem Hintergrund vorstellen, dass Stewart während der 30er Jahre als romantischer Liebhaber berühmt wurde. Hitchcock modelliert nun Stewarts dunkle Seite - und die war für das Publikum der 50er ganz neu! Jeff ist kein Moralist und auch kein Detektiv. Er liebt es, andere zu beobachten. Die spannendsten Momente sind die, in denen es Jeff verwehrt ist, selbst zu agieren. Er ist durch seinen Gips schlicht nicht in der Lage, einzugreifen. Lisa ans seiner Seite wirkt cool, doch in wenigen Momenten spüren wir, wie verletzt sie ist. Sie liebt schöne Kleider und Champagner; Dinge, denen Jeff keinerlei Aufmerksamkeit schenkt. Lisa beugt sich über ihn, um ihn zu küssen, aber Jeff scheint überhaupt nicht empfänglich für Lisas Schönheit. Schliesslich müssen wir erleben, wie sich Lisa anstelle von Jeff in Gefahr begibt. Was auch immer geschieht, er ist in der Distanz ausserstande, sie zu beschützen. Er kann sich nicht bewegen. Er (und wir!) sehen die Gefahr voraus und können nicht eingreifen. Unfähig, zu handeln. Hitchcock hat einmal den Unterschied zwischen "Surprise" und "Suspense" beschrieben: Explodiert eine Bombe unverhofft unter dem Tisch, nennt er das "Surprise". In dem Moment aber, da wir wissen, dass sich eine Bombe unter dem Tisch befindet, nennt er das "Suspense". "Surprise" kann uns einen kurzen Moment des Schreckens verschaffen. Rear Window aber bereitet die "Suspense" durch den gesamten Film hindurch vor. Momente werden gesammelt, die im Finale den Thriller ergeben. Eine Methode, die 1954 als Unterhaltung konzipiert worden war und von uns heute als "Kunst" betrachtet wird.,

Sonntag, 17. September 2017

youtube stream: Yorgos Lanthimos - The Lobster


Jeden Tag fragt ihr uns nach The Lobster. Nur wegen The lobster (und wir tun das gern!) brechen wir unsere eiserne Regel, dass die Filmkunstbar Fitzcarraldo nur eine Kopie pro Film kauft. Schliesslich sind wir ja auch eine griechische Bar, oder nicht? Yorgos Lanthimos stellt die Speerspitze dar der griechischen Neuen Welle. Seine Filme sind gezeichnet von Sadismus und Grausamkeiten. Die Lacher in seinen "Komödien" (sofern es welche sind), bleiben einem im Hals stecken. The Lobster ist sein erster Film, der in englischer Sprache inszeniert wurde und Stars wie Colin Farrell, Rachel Weisz und Lea Seydoux bietet. The Lobster lebt aber wie die früheren Filme des Regisseurs von seinen künstlichen Dialogen und eingebauten Elementen wie Tanz oder künstlerischer Performances. Sein Stil jedenfalls wurde durch die Übersetzung ins Englische nicht beeinträchtigt. Der Plot spielt in der Zukunft. Alleinstehende Menschen (gleichwohl ob verwitwet, geschieden oder eben alleinstehend) werden geladen in ein geräumiges Anwesen an der Küste, neu eingekleidet und bekommen 45 Tage Zeit, einen Partner zu finden. Verfehlen sie diese Aufgabe, verwandelt man sie in ein Tier. Wir erleben nun wie der neue Gast David (Colin Farrell) eintritt mit einem Hund (der früher mal sein Bruder gewesen war). Falls unser Held ebenfalls sein Ziel verfehlt, muss er sich entscheiden, in welches Tier er verwandelt werden will. Er wählt einen Hummer(...)
youtube stream: Billy Wilder - The Apartment


Über die Weihnachtsfeiertage und zu Silvester existiert eine tiefe Kluft der Melancholie zwischen denen, die einen Platz gefunden haben, an dem sie bleiben möchten, und denen, die das nicht haben. Genau daraus zieht Billy Wilders The Apartment seinen Reiz. Er spielt während der Jahreszeit, in der die Tage kurz sind und die Strassen kalt. Nach der Arbeit können einige nach Hause zu ihren Familien, während andere noch nicht einmal einen Weihnachtsbaum haben. Vielleicht ist es so, dass diesen einsamen Menschen besonders in der Weihnachtsnacht bewusst wird, dass ihnen etwas gestohlen wurde, an das sie seit der Kindheit hängen... Jack Lemmon als C.C. Bxter ist so ein einsamer Mensch. Ironie des Schicksals: Sein Single-Apartment ist nicht immer frei, denn dort erlaubt er seinen Vorgesetzten aus der Firma, sich mit ihren Liebschaften zu vergnügen (Gegenwert: Beförderung). Während sein Nachbar glaubt, Mr. Mixter sei ein unermüdlicher Liebhaber, läuft er den Gehweg auf und ab und blickt nach oben zu seinem erleuchteten Apartment. Als Billy Wilders Dramödie 1961 ins Kino kam, kannte man noch die Wendung des "organized man". Baxter ist so einer; ein kleines Rad, der täglich zur gleichen Zeit von einer grossen seelenlosen Firma als Arbeitskraft geschluckt wird. Er hat keine Frau und keine Familie. Eines Tages aber fasst er sich ein Herz und fragt das "Lift Girl" Miss Kubelik (Shirley MacLaine) aus seiner Firma nach einem Date. Leider aber ist sie die Geliebte des Bosses Mr. Sheldrake (Fred MacMurray). Der ist verheiratet und verspricht ihr, sich bald scheiden zu lassen... Wilders Drehbuch funktioniert als Gradwanderung aus Farce und Melodram. Es mag sein, dass Baxter und Miss Kubelik ehrliche Gefühle füreinander haben, die einmal zu Liebe werden können. Beide glauben aber an das Konzept des "Chefs" - er als Assistent, sie als Ehefrau (die sie nie werden wird). Unmöglich für beide zu erkennen, dass der "Boss" in Wahrheit eine verlogene Ratte ist. The Apartment ist ein Schwarzweiss Film, der während der Feiertage spielt, doch immer umgibt Einsamkeit die Protagonisten. Schön an der Rolle Miss Kubelik die Tatsache, dass sie kein leichtgläubiges Mädchen ist, die auf die süssen Worte des Chefs hereinfällt. Sie wurde schon vorher oft belogen - dummerweise will sie aber den Worten Glauben schenken! Beide, Baxter und Miss Kubelik, sind nicht dumm. Beide sind Relisten und ganz unmerklich nähern sie sich einander an bis zum umwerfenden Ende: “Shut up and deal”. Wie die grossen Komödien von Billy Wilder ist The Apartment kein Produkt seiner Zeit, sondern wirkt auch heute unmittelbar. Wilders Humor ist immer noch bissig - viel mehr als man bei so einer Geschichte erwartet hätte! Dennoch beobachtet Wilder voller Sensibilität und das macht The Apartment zu einer Komödie für Erwachsene. Immer gibt es die Zwänge aus Arbeit und Lebenserwerb, die Wilders Paar daran hindern, abzuheben. In den meisten Filmen arbeiten die Protagonisten nicht. In The Apartment ist die Arbeit alles.

Samstag, 16. September 2017


youtube stream: Arthur Penn - The Missouri Breaks

Mit 91 Jahren verstarb gestern, am 15.9.2017, Harry Dean Stanton über den Blondie einmal sang: "I want to dance with Harry Dean Drive through Texas in a black limousine I want a piece of heaven 'fore I die." Harry Dean Stanton mit seinen dünnen Lippen und tiefliegenden Augen, die vor allem Einsamkeit und oft auch Verzweiflung ausdrückten. Seine besten Rollen drückten eine Leere aus, in die man alles Mögliche hinein interpretieren mochte: Nachdenklichkeit? Trauer? Geduld? Für mich gehört Harry Dean Stanton genauso auf den Rücken eines Pferdes als auch ins Gefängnis. Er ist der Mann, der allein aus der Wüste kommt, ohne seinen Namen zu kennen. Ein Cowboy, eine verlorene Seele, ein grosser Romantiker. Harry Dean Stanton war ein Schauspieler, der nicht spielen musste. Sein Gesicht war die Geschichte, wie es Sam_Shepard einmal ausdrückte. Wer mich nun fragt, wo Harry Dean Stanton überall mitspielte, wird mich erst einmal nachdenken lassen müssen. So viele Nebenrollen! Wer erinnert sich beispielsweise an The Missouri Breaks? In diesem Anti-Western spielt Marlon Brando den Kopfgeldjäger Robert E. Lee Clayton. Ein exzentrischer, parfürmierter Mann mit merkwürdigen Klamotten, die nicht zum wilden Westen passen wollen(...)

Freitag, 15. September 2017


youtube stream: Alfred Hitchcock - Psycho

Bereitwillig gab Hitchcock Auskunft darüber, dass er Psycho wie einen billigen Exploitation Film drehen wollte und deshalb arbeitete er einfach mit seiner TV Crew zusammen. Alles in Schwarzweiss geschossen; lange Passagen ganz ohne Dialoge. Sein Budget war auch für das Jahr 1960 gering. Es dürften Antworten sein, die seinem Bewunderer und Fragensteller Francois_Truffaut gefallen mussten. Kein Hitchcock Film aber hatte je mehr Einfluss! "I was directing the Viewers"; erklärt Hitchcock. Pures Kino! Ein Satz, den wohl jeder Filmemacher gern sagen würden. Immerhin bot Hitchcock ein Ende an, dass 1960 für Angst und Schrecken sorgte. Ein Ende, das nicht verraten werden durfte! Niemand sollte hereingelassen werden, der zu spät ins Kino kam, befahl Hitchcock medienwirksam. Marion (Janet Leigh), seine Heldin, war überhaupt nicht die Hauptdarstellerin! Mittlerweile dürfte wohl jeder das Geheimnis von Psycho gelüftet haben und trotzdem ist Hitchcocks Mutter aller Psychothriller immer noch furchteinflössend. Hitchcock beginnt mit der Geschichte Marions, dann führt er ihre Beziehung zu Norman (Anthony Perkins) ein. Die Ausgangssituation ähnelt so vielen Hitchcock Filmen: Die Schuld eines Menschen wie du und ich, befangen in einer kriminellen Situation. Marion lernen wir in einem schäbigen Hotelzimmer zusammen mit ihrem Liebhaber Sam Loomis (John Gavin) kennen. Sam ist ausserstande, Marion zu heiraten, da er Alimente zahlt. Durch diese Konstellation glaubt ein schmieriger Hotelgast, Marion wäre käuflich für Geld. Sie, die Unschuldige, er das Opfer und gleichzeitig eine verachtenswerte Figur. Marion flieht auf einer einsamen Strasse nach Fairvale, Kalifornien. Sie fühlt sich beobachtet und wir glauben, dass wir bereits drin sind in der Rahmenhandlung, die nun bis zum Ende von Psycho forterzählt werden wird... Verängstigt und kraftlos fährt sie in einem Regenschauer an die Seite und entdeckt Bates Motel. Zum ersten Mal trifft sie auf Norman Bates und Hitchcock gibt sich an dieser Stelle wirklich Mühe, uns diese Begegnung eindringlich zu zeigen. Wir glauben, dass es wohl fortan um Marion und Norman gehen müsste... Im Hintergrund hört Marion die scharfe stimme von Normans Mutter. Sie bezweifelt, dass Norman an diesem Ort bis ans Ende seiner Tage bleiben sollte. Er berührt sie. Und auch Norman hegt Gefühle für Marion. Das ist der Grund, weshalb sie sterben muss. Während Norman Marion in Unterwäsche beobachtet, glauben wir, dass es eine dieser erotischen Geschichten sein mag. Oder hatte irgendwer unter euch den Eindruck, dass wir einem Mord beiwohnen? Die Musik von Bernard Herrmann aber deutet etwas Unheimliches an und plötzlich fliesst Blut! Nicht viel Blut und Hitchcock filmt es in Schwarzweiss, aber doch genug, um uns zu schockieren. Wer mehr über die Produktion nachliest, erfährt, dass Hitchcock dem Publikum bewusst kein rotes Blut vorsetzen wollte. Wer mal das Remake von Psycho ansieht, weiss, warum. Die Duschszene in Psycho ist wohl die berühmteste Slasher-Sequenz der Filmgeschichte - und zwar, weil die Situation an sich, die Kunst von Hitchcocks Regie, viel stärker wirken als bildliche Details. Perkins schafft es dabei, uns den komplexen Charakter von Norman wirklich nahe zu bringen. Zunächst sympathisieren wir mit ihm (genau wie Marion), doch bald bemerken wir, dass mit dem freundlichen jungen Mann etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Schliesslich ist Marion tot und wir identifizieren uns mit Norman. Nicht etwa, weil wir auch jemanden erstechen könnten, wohl aber, weil wir nach der Tat Schuld und Reue empfinden würden. So wie Norman. Wir beobachten Norman, wie er Marions Leiche in ihrem Auto im Sumpf versenkt. Noch eine ganze Weile starrt Norman auf den Morast, bis der Wagen gänzlich verschwunden ist. Und unsere Gefühle dabei? Wir WOLLEN, dass der Wagen versinkt, genau wie Norman. So kommts, dass Psycho längst eine neue Hauptfigur hat: Norman Bates. Der Rest von Psycho entspricht einem grossen Melodram mit zwei effektiven Schocks: Dem Tod des Privatdetektivs Arbogast (Martin Balsam) sowie das Aufdecken der Identität von Normans Mutter. Für aufmerksame Zuschauer aber hält Hitchcock noch eine weitere Überraschung parat. Oder sind die Erklärungen des Psychologen über Normans gespaltene Persönlichkeit nicht nahe dran an einer Parodie? Psycho rührt an unseren Urängsten und genau deshalb, wirkt er bis heute nach und geriet nie in Vergessenheit. Kennt nicht jeder die Furcht, einfach unvermittelt ein Verbrechen zu begehen? Aus Impulsivität? Hat nicht jeder Angst vor der Polizei? Und fürchtet nicht jeder die Übergriffe eines Wahnsinnigen? Und trägt nicht jeder die Sorge in sich, die eigene Mutter zu enttäuschen?

Donnerstag, 14. September 2017

youtube stream: Liegen Lernen


Die erste Liebe ist nicht sexuell, sie ist idealistisch! Das hat "Liegen lernen" verstanden! Unser (Anti-)held aus "Liegen Lernen" verliebt sich, während SIE, Britta, eine flammende Rede als Schulsprecherin hält, die sich gegen jeden Missstand in der Welt richtet. Als Schulsprecherin verspricht sie, diese Dinge anzugehen. Während sie redet, starrt Helmut auf ihre Lippen... Es ist die EINE erste Liebe, die einen auch schon mal während ganzer sechzehn Jahre verfolgen kann! Nebenbei; während der sechzehn Jahre zwischen 1982 und 1998, in denen Helmut Kohl regierte. "Liegen lernen", das ist keine Beziehungskomödie, denn der Protagonist Helmut (Fabian Busch) lebt beziehungslos. In seinem Leben gehts um nichts und so betrachtet, stellt es ein schönes Abbild der 80er dar. Wenn am Ende des Jahrzehnts dann die Berliner Mauer fällt, wirkt das in "Liegen Lernen" auch konsequent wie ein Witz. Irgendwann blickt Helmut zurück. Warum kann er nicht lieben? Warum ist er nur so ein Arschloch?(...)

Mittwoch, 13. September 2017

youtube stream: The End Of The Tour


Das ist die Geschichte eines Genies, das begleitet wird von einem weniger begabten Künstler. Die Promo-Tour von David Foster Wallace, der gerade "Infinite Jest" veröffentlichte und David Lipsky, der für den "Rolling Stone" schreibt. Ein kultureller Gigant und ein Reporter, der davon träumt, eines Tages ähnliche Höhen künstlerischer Weihe zu erleben. Zum Glück ist The End Of The Tour aber eines nicht: Ein Biopic über David Foster Wallace! Wallace (Jason Segel) spielt im Grunde auch nur die zweite Hauptrolle. Im Fokus erleben wir Lipsky (Jesse Eisenberg), der genauso begeistert wie eifersüchtig "Infinite Jest" aufsaugt. Hier folgt offensichtlich einer seiner Obsession! Lipsky selbst allerdings hat erst eine Veröffentlichung geschafft und hofft nun, durch seine Verbindung zu Wallace seine Karriere zu begünstigen. Hier treten zwei an zum Tanz, Wallace und Lipsky. Der Eine horcht den Anderen aus über seine Erfahrungen und die Bedeutung des Begriffs "Authentizität". Eine komplexe Beziehung, die sogar für beide Figuren in verschiedenen Genres erzählt wird(...)

Dienstag, 12. September 2017

youtube stream: Am Ende kommen Touristen


Ich habe weder Wehr- noch Zivildienst gemacht, daher fehlt mir womöglich der Zugang zu den Erfahrungen von Sven, dem Zivi. Der Zivildienstleistende muss sich seinen Ausbildungsplatz selbst suchen, was teilweise gar nicht so leicht ist. Vor allem dann nicht, wenn man achtzehn ist und ganz andere Dinge im Kopf hat! Sven sucht auch etwas unmotiviert. Eine Stelle ist noch frei: In Ausschwitz, wo es einen Holocaust Überlebenden zu betreuen gilt. Früher wurden abgemagerte Menschen hier durch die Schleusen getrieben, heute stürmen Schulklassen vor das Schild "Arbeit macht frei" für ein Gruppenfoto. Das ist das Szenario von "Am Ende kommen Toruisten". Ein unerträgliches, aber passend kurz vor den Wahlen 2017, wenn eine schweigende Wählerschaft heimlich das Kreuz bei einer Partei machen wird, die mit Ausschwitz nichts mehr am Hut haben will. Kann man dem Leid von Millionen Menschen überhaupt angemessen gedenken? Genau das ist die Frage, die sich Robert Thalheim in seinem zweiten Film stellt. Keine leichte! Im Zentrum steht Sven (Alexander Fehling), der seine Stelle als Zivi genauso antritt, wie man das wohl macht: Unwillig. Was will er auch dort in Oswiecim, Polen? Svens Aufgabe wird die Betreuung von Stanislaw Krzeminski (Schauspielerlegende Ryszard Ronczewski), dem Ex-Häftling, der immer noch auf dem Gelände lebt. Stanislaw aber wehrt ab. Wozu braucht er einen Zivi, der ihn aus der Kneipe holt? Immerhin kann er jetzt auch mal einen Deutschen herumkommandieren. Wir wissen natürlich längst, das Stanislaw zur Bewährungsprobe für Sven werden wird. Das ist das Schöne an Thalheims Film: Es geht ums Erwachsenwerden, ums Miteinander, um die Liebe. Und um Ausschwitz(...)

Montag, 11. September 2017

youtube stream: Emir Kusturica - Underground


Ich bin schockiert, ich bekomme einen Lachkrampf! Ich habe gerade Emir Kusturicas Underground gesehen. Den Titel bitte wörtlich nehmen. Es war einmal... während des Einmarsches der Nazis in Maribor, als ein kleiner Schutzbunker, gegen die deutschen Besatzer ausgehoben, sich zu einem verblüffenden Tunnelsystem ausweitet. in 169 Filmminuten werden sämtliche Hauptstäde Europas miteinander verbunden. Berlin, Balkan, Athen, die Subroute. Man öffnet den Gullideckel und liest "Dem deutschen Volke" am Reichstag. Dan kriecht man beim bosnisch-kroatischen Massaker wieder ans Tageslicht. Unten ist ein wahnsinnig dichter Verkehr, was zu hoher Schadstoffbelastung führt (Hitler ist schuld daran, der die Ventilatoren falsch bemessen hat). Unten gibt es Marko, den Verbrecher und seine Frau. Gegen Ende erleben wir sie standesgemäss im Mercedes. Ein Dealer im Rollstuhl, verdiente Genossen Titos, ein Schimmel und eine Landschaft wie von Hieronymos Bosch. Wir sind also mittendrin in Kusturicas Welt, die - "Underground!" - bis in die Untiefen der Seele vordringt(...)

Sonntag, 10. September 2017

youtube stream: Oskar Roehler - Agnes und seine Brüder

 Das hier ist DER Film über die siebenjährige Phase der rot-grünen Regierung! Wer weiss das noch, wie das ganze Land lebendig wurde nach der sechszehnjährigen Amtszeit Kohls? Nun, heute können wir das ja wieder nachvollziehen... Vordergründig ist Agnes und seine Brüder eine Komödie, hintergründig ein einziges Coming Out: Alle so mühsam nach aussen errichteten Fassaden fallen in sich zusammen, zum Vorschein kommt die Unfähigkeit, miteinander umzugehen, ja Empathie füreinander zu empfinden. Im Mittelpunkt stehen drei Brüder und ihre Suche nach dem, was ihnen vermeintlich zusteht: Glück. Wir erleben drei Vereinsamte, das Ende jeder Partnerschaft oder familiären Bindung. Agnes (Martin Weiß) hat für die Liebe sein Geschlecht umwandeln lassen. Natürlich vergeblich. Hans-Jörg (Moritz Bleibtreu) ist ein sexsüchtiger Bibliothekar, der aufgrund seiner Obsession arbeitslos wird. Da er an das weibliche Geschlecht einfach nicht herankommt, versucht er sich als Pornodarsteller(...)

Freitag, 8. September 2017

Filmkunstbar Fitzcarraldo im Tagesspiegel

 Videotheken in der Krise Warten aufs Revival Zwischen Ausbeutung und innovativen Geschäftsideen: Wie Videotheken auf den Boom von Amazon, Netflix & Co. reagieren. Sophie Krause. Im „Fitzcarraldo“ in der Reichenberger Straße trifft man einen gut gelaunten Martin Schuffenhauer. Der Besitzer der Kreuzberger Videothek hat gerade seine Bar geöffnet, es ist 17 Uhr. Man kann schlechtere Arbeitszeiten haben als er. Die Bar im Erdgeschoss, bestehend aus zusammengewürfelten Filmrequisiten, Kunstblumen und Lametta, vergleicht er mit einem „explodierten Weihnachtsgeschenk“. Im Keller stehen mehr als 10 000 DVDs, akribisch nach Genre und Herkunftsland sortiert, in handbeschrifteten Regalen. Seit 2012 ist das „Fitzcarraldo“, zuvor als „Videothek Roderich“ bekannt, eine Filmkunstbar. Schuffenhauers Strategie: „Die Bar soll das Geld verdienen, aber ich investiere immer weiter in Filme und kaufe sogar noch mehr dazu.“ Die Filme sind sein Hobby, die Bar sein Broterwerb. Gerade laufe der Verleih gut, erklärt er selbstgewiss. Den Kunden dämmere, dass die Auswahl von Streaming-Anbietern wie Netflix und Amazon sehr begrenzt sei, glaubt Schuffenhauer. Viele Arthouse-Filme und Klassiker würden dort schlicht fehlen. „Woher willst du deine Filme bekommen, wenn du gezielt etwas suchst?“ Auch auf illegalen Streaming-Seiten, die Filme kostenlos anbieten, gäbe es nicht alle Titel. Dennoch seien offenbar viele Kunden bereit, sich Filme mit schlechter Bildqualität sogar auf dem Smartphone anzusehen. Weil die Kunden ausbleiben, stehen viele Videothekare vor der Wahl, sich selbst auszubeuten oder einen Nebenerwerb zu finden, der ihre Miete sichert. Ein Patentrezept sucht man vergebens. Die Kult-Videothek „Traumathek“ in Köln etwa rettete sich durch Patenschaften und Spenden. Doch Geschäftsmodelle wie die „Filmkunstbar“ gefallen nicht jedem, gleichen sie doch einem Verrat an der Zunft. Schuffenhauer meint: „Ein Videothekar hat ja etwas Soziopathisches. Der kann nicht mit Menschen umgehen, guckt Filme und isst nachmittags Kekse. Ein Barkeeper dagegen muss gesellig sein.“ Im „Fitzcarraldo“ ist er der einzige Videothekar, der die Kunden beraten kann. Seine Angestellten sind Barkeeper. Wenn er einen Film nicht hat, schickt Schuffenhauer seine Kunden ins „Videodrom“, Berlins älteste Programmvideothek. Dass deren Inhaber Karsten Rodemann vom Getränkemixen und Onlineverleih nichts hält, ist in der Branche weitgehend bekannt. Das Videodrom lebt von seinem Ruf, von Rodemanns Expertise und seiner immensen Auswahl aus über 30 000 Filmen. DVD-Bestand auf 2 000 Titel minimiert Seit Jahren singen Journalisten den Abgesang der Videotheken. Anne Petersdorff, Inhaberin der Lichtenberger Kiez-Videothek „Madeleine und der Seemann“, möchte deshalb erst nicht mit der Presse sprechen, schließlich sei zum Thema Videothekensterben alles gesagt. Ohnehin sei die „Madeleine“ keine richtige Videothek mehr, sondern ein Café mit Softeis, Kinderspielecke und gelegentlichen Filmvorführungen, sagt sie. Ihren DVD-Bestand hat Petersdorff auf 2 000 Titel minimiert, nur noch Kinderfilme, die nach wie vor gut laufen, und ausgewählte Neuheiten verleiht sie. Vor einem halben Jahr wollte sie die „Madeleine“ schließen, doch die Nachbarschaft stand hinter ihr. Die Umwandlung in ein Café bedeutet für Petersdorff die Aufgabe des Traums, vom unhaltbaren Filmverleih leben zu können, und den Neuanfang als Gastronomin mit kleinem, gepflegtem Filmbestand. Sofas und Tischchen ersetzen nun die Filmregale, ein Konzept, das man so ähnlich auch aus einigen Buchläden kennt. Angesichts der Konkurrenz im Netz resigniert Petersdorff. Gelegentlich seien Kunden gekommen und hätten ein DVD-Regal abfotografiert, um die Filme dann vermutlich zu Hause zu streamen. „Dagegen kann ich nichts machen.“ Ähnlich pragmatisch sieht es Franziska Tettschlag, Inhaberin der Videothek „Filmfreund“ auf der gegenüberliegenden Seite der S-Bahn-Trasse. Viele Kunden wüssten gar nicht, dass ihr Eckladen in der Corinthstraße eine Videothek sei. Von außen sieht der „Filmfreund“ aus wie ein Spätkauf mit Internetcafé. Die gelernte Kostümschneiderin hält sich mit einer integrierten Postfiliale, Getränkeverkäufen und Lotto über Wasser. Als Späti versteht sie ihren Laden nicht, die Getränke und Snacks wurden eher unfreiwillig vom Videotheken- zum Späti-Inventar. Früher, das heißt zu DDR-Zeiten und nach der Wende, verkauften Tettschlag und ihr Mann Schallplatten. Tettschlag war dabei, als alle wichtigen Speichermedien ausstarben. In einem Durchgangszimmer und im hinteren Raum stehen DVD-Regale. Viele Filme hat Tettschlag verkauft, an einigen Titeln hängt sie. Etwa 50 bis 100 Filme verleiht Tettschlag monatlich, rund 3000 Filme zählen noch zu ihrem Bestand. „Ich glaube nicht, dass man den Verfall der Videotheken aufhalten kann“, sagt sie. Nur wer seinen Kunden zusätzliche Angebote schaffe, könne überleben. Auch in anderen Städten haben sich Videotheken ihre langen Öffnungszeiten zunutze gemacht und ihre Läden zum Spätkauf erweitert. Das funktioniert: Immer wieder betreten Kunden den „Filmfreund“, kaufen Getränke oder spielen Lotto. In der Branche glauben viele an ein Revival der Videotheken. Doch Experten warnen vor voreiligen Schlüssen: „Die Prognose, dass Videotheken zu den Liebhaber-Plattenläden der nächsten Jahre werden, ist mit Vorsicht zu genießen“, sagt Tobias Haupts, Filmwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. „Das betrifft vielleicht sogenannte Kult-Videotheken wie die ,Traumathek‘, das ,Videodrom‘ und ähnliche. Das ist aber kein Versprechen für die Zukunft.“ Krisensituationen habe es schon in den 80er und 90er Jahren gegeben, so Haupts, auch Ende der Nullerjahre seien die Videotheken totgesagt worden: „Jetzt haben wir 2017, und es sieht zwar schlecht aus, aber es gibt sie noch.“ Auch Beiprogramme wie Snackangebote oder Cafés hätten Videotheken schon immer geführt, erinnert Haupts, „aber ob das die Videotheken retten wird, weiß ich nicht.“ Franziska Tettschlag ist mit Prognosen vorsichtig. Sie erkennt noch keine DVD-Nostalgie. „Fitzcarraldo“-Chef Schuffenhauer hingegen ist sich sicher: „Irgendwann werden die Leute sagen: ‚Da gab es doch dieses tolle Medium, diese silbernen Scheiben, und Videotheken waren doch total nett. Man wurde beraten und es war keine Maschine!‘“ Vielleicht gibt es das „Fitzcarraldo“, den „Filmfreund“ & Co. dann immer noch. - Vielleicht? Nein. Mit Sicherheit, sage ich.

Donnerstag, 7. September 2017


Wenn du Mr. Long mochtest, dann gefallen dir auch... Der Alltag ist ein wichtiges Thema japanischer Filme. Das ist nicht nur in dem tollen Comeback von SABU so, sondern generell. In Mr. Long taucht ein Profi-Killer unter, irgendwo in der Vorstadt von Tokyo. Dort wird er nicht für seine Reflexe des Tötens bewundert, sondern weil Mr. Long ein begnadeter Koch ist. Das einfache Leben - ist es nicht das wahre Leben? Recht viele japanische Filme haben dem schrillen Ton der 60er und 70er abgeschworen und orientieren sich an den Klassikern. Vor allem an Yasujiro Ozu, den ich für den grössten (nicht nur) japanischen Regisseur aller Zeiten halte. Deshalb finden sich auch nur stille japanische Filme in dieser Film List. Fast so still wie Mr. Long, der so gut wie überhaupt nicht spricht.

Mittwoch, 6. September 2017

FILM LIST: Lucky Logan +Heist Movies

 Steven Soderbergh kehrt nach fünf Jahren Kino-Abstinenz zurück auf die grosse Leinwand! Er, der einst mit Sex, Lies And Videotape das kommerzielle Indie Kino der 90er begründete, geht mit Lucky Logan gänzlich neue Wege der Filmproduktion. Vereinfacht ausgedrückt, finanzierte Soderbergh seinen Film durch einen Vorschuss. Deshalb konnte er auf das Geld der Hollywood-Industrie gänzlich verzichten. Ein echter Coup! Lucky Logan bricht mit herkömmlichen Heist Movies, dadurch, dass hier keine eleganten Räuber von der Ost-Küste auftreten. Sein Film spielt in Georgia und wir tauchen ein in die Welt des White Trash. Invaliden, Hilfsarbeiter und ganz und gar unglamoröse Knackis lassen immer wieder die Frage offen, ob DIE so einen komplexen Raub überhaupt schaffen können? Dazu gibts die besten Heist Movies der letzten Jahre. Gesammelt für einen wahren DVD Marathon!

Dienstag, 5. September 2017

youtube stream: Allein (engl. subt.)


Nach dem Sex verändert sich Maria und wirft ihren Liebhaber aus der Wohnung. Körperliche Gier verkehrt sich in heftige Abwehr: "Du verschwindest jetzt. Alles klar?" Offenbar ist er (Richy Müller) dieses Spiel aber bereits gewohnt und kennt die Diskrepanz aus körperlicher Zuneigung, Angst vor Zurückweisung und dem Wankelmut seiner Freundin - nein Liebhaberin. Ist es pathologisch? Der Film verfolgt die Frage so wenig wie der Liebhaber. "Ich ruf dich am Donnerstag an"; sagt er und geht. Stück für Stück erahren wir mehr über Maria. Früher war sie mal bei einem Therapeuten. Sie hegt eine schwierige Beziehung zu ihrem Vater. Sie verletzt sich selbst mit Rasierklingen, trinkt zuviel und probiert zu viele Drogen(...)

Montag, 4. September 2017

youtube stream: The Man Who Copied (engl. subt.)

 Eine Freundin brachte mir mal einen ganzen Stapel brasilianischer DVDs mit, die man so leicht nicht findet im Internet. The Man Who Copied ist die Komödie darunter, die von euch am meisten geliehen wurde! Es ist die Geschichte eines einfachen Copyshop Mitarbeiters, der sich verliebt und deshalb Geldscheine kopiert. Gespielt von Lazaro Ramos, der diese Rolle mit viel Humor und Elan trägt. Das Zentrum eines Films, der mal Komödie, dann Sozial-Drama und schliesslich sogar zu einem Thriller mutiert! Das alles in zwei Stunden - ambitioniert oder etwas aus den Fugen geraten(?). Unser Held heisst Andre und er zeichnet imaginäre Cartoons, kann aber nur einen Job finden, für den er auf die "Start"-Taste einer Kopiermaschine drücken darf. Das bringt ihm um die 600 Euro im Monat ein (mal umgerechnet), wofür Andre nicht allzu viel erwarten darf. Seine Kollegin, die sexy Blondine Marinez (Luana Piovani), erklärt ihm genau was Frauen begehren: Geld, um ihr Leben zu ändern! Deshalb verabredet sie sich auch nur mit einem frustrierten Geschäftsmann (Pedro Cardoso). Andre dagegen verliebt sich in Silvia (Leandra Leal), ein ganz normales Mädchen von nebenan. Er beobachtet sie, spioniert ihr mit dem Fernglas hinterher. Andre findet aber nicht den Mut, Silvia auch anzusprechen(...)

Sonntag, 3. September 2017

Unser Sonntags youtube stream: Richard Linklater - Dazed And Confused


Die Jahre zwischen 13 und 18, das sind die quälendsten Jahre im ganzen Leben. Für die Meisten unter uns, wenn sie ehrlich sind. Natürlich erinnern wir uns voller Nostalgie an diese Phase und blenden das ganze Leid einfach aus. Richard Linklaters Dazed And Confused hat diese Nostalgie verstanden. Linklater hat einen Film gemacht über den letzten Schultag und die lange Nacht danach. Sonst gehts um nichts und doch alles! Im Grunde handelt Dazed And Confused von Menschen selbst. Wir befinden uns mitten in einer Kleinstadt in Texas. Alles dreht sich darum, die High School hinter sich zu lassen und nach vorn zu blicken. Auf die Zeit in der Uni. Zumindest müsste so die Gebrauchsanleitung des "Heranwachsens" funktionieren, würde es sie geben. Wir folgen einer ganzen Gruppe von Teenagern, Mädchen und Jungs, beliebt oder unpopulär. Sie fahren herum, hängen ab, trinken Bier und unterhalten sich über Wahrheiten der Adoleszenz (in denen gehts um Lust & Sex, um Kämpfe und generell darum, dieser Phase kurz vor dem Erwachsenenalter eine Bedeutung beizumessen, die sie eigentlich gar nicht hat): "If I ever say these were the best years of my life"; sagt einer der Teenies; "remind me to kill myself." Linklater verzichtet auf so etwas wie einen Plot. Es geht nicht darum, ob der Held sein Mädchen bekommt oder der Nerd seine Jungfräulichkeit verliert. Es geht auch nicht darum, ob der Schläger selbst endlich mal verprügelt wird. Dazed And Confused endet nicht mit einem grossen Knall, sondern einem stillen Moment voller Wahrheit. Die wird uns zum Glück aber nicht aufgedrückt! Linklaters Film spielt in der Vergangenheit, 1976, und allein dadurch wird uns bewusst, wie sehr andere Teenie Filme diese Phase überhaupt romantisieren! Linklater stellt uns ein paar Charaktere vor, mit denen wir ein bisschen Zeit verbringen dürfen. Alles wird simultan erzählt, was Linklater so gut beherrscht wie sonst kaum jemand! Es ist so, als erhaschten wir einen flüchtigen Blick hier und dort, folgen diesem und dann jenem Charakter. Eine Methode der stillen Beobachtung, die natürlich jede der Figuren limitiert. Besonders gefiel mir, wie die Rituale der "Männlichkeit" dargestellt werden. Wie die Jungs Bier saufen und voreinander angeben, wie sie sich möglichst dümmliche Vorbilder suchen, um sich selbst als Aussenseiter zu stilisieren. Ganz so, als hätten sie das Kleingeistige in so einer Gruppe überhaupt nicht reflektiert!

Samstag, 2. September 2017

FILM LIST: 40 Jahre Deutscher Herbst

 Vor vierzig Jahren ging man davon aus, dass es die junge BRD nicht mehr lange machen wird. Die Nation erledigt von jungen Menschen, die töten und Bomben legen. Kennen wir das nicht auch heute? Wir, die wir zu Zeiten des "islamistischen" Terrors leben? Uns Geeks interessiert aber natürlich vor allem, wie das damals filmisch aufgearbeitet wurde. In dieser Film List findest du deshalb sämtliche Filme der 70er und 80er zum Thema. Ganz nebenbei auch eine schöne Sammlung des Neuen Deutschen Films!