Mittwoch, 31. August 2016

FILM LIST: Neuer Deutscher Film Part VI 1980-81


Neuer Deutscher Film

Part VI 1980-81
Was der Neue Deutsche Film nicht kann? Humor. Der Marktanteil deutscher Produktionen war 1981 so hoch wie seit den 60ern nicht mehr (was vor allem an der Bavaria Produktion Das Boot lag). Der Amüsierwert aber blieb gering. Theo Gegen Den Rest Der Welt bildet da die Ausnahme. Versetzen wir uns in die Zeit zurück: Die Festivals lagen den nicht mehr ganz so jungen Autoren zu Füssen. Das Publikum nicht so sehr, wie wir annehmen sollten...
Our Daily Free Stream: Ingmar Bergman - Vargtimmen (engl. subt.)

 Our Daily Free Stream: Ingmar Bergman - Vargtimmen (engl. subt.) Vargtimmen, ein sehr persönlicher Film von Ingmar Bergman, der noch heute sein eigenes Publikum finden muss. Ich fürchte, der ganz normale Kinogänger wird das Werk 2016 noch genauso ablehnen wie 1968. Vargtimmen ist schwierig und wenig erfolgreich. Bergman mutet uns einen kreativen Akt zu, unsere eigene Imagination zu gebrauchen. Seinem Film - wir misstrauen ihm. Als ich ihn letztens im Filmclub zeigte, waren nur wenige dazu bereit. Die meisten flüsterten miteinander, kamen nicht hinein in das Werk. Bergman bedient sich gotischer Legenden. Es ist die Geschichte eines Küntlers (Max von Sydow), der abgeschieden von der Welt auf einer Insel mit seiner Frau (Liv Ullmann) lebt. Auf der anderen Seite der Insel befindet sich das Schloss des Barons und seines Kreises perverser Freunde. Den Künstler plagen nachts paranoide Albträume und Schlaflosigkeit. Vargtimmen spielt vor allem während der Dämmerung, der Stunde des Wolfs. Die dunkelste Zeit unserer Seele, wenn die meisten Menschen sterben und unsere schrecklichsten Träume wahr werden. Dämonen und Geister erwachsen während dieser Stunde ungeheure Kräfte. Offensichtlich wird der Künstler langsam verrückt. Nacht für Nacht bleibt er wach, erzählt von seinen Träumen (oder sind es Erinnerungen?). Die Realität, für ihn nur ein Drahtseilakt. Wo beginnt sie und wo hört sie auf? Schleichend werden seine Träume wahr... Es gibt diese Szene, in welcher der Künster mit einem Jungen (ist es sein Sohn?) angelt. Es scheint, als würde das Kind ihn ins Wasser stossen. Als habe das Kind eine verzerrte Fratze. Der Künstler rastet aus, tötet den Jungen. Wirklich? Bergman gibt uns die Antwort nicht. Schliesslich fürchtet sich die Frau vor ihrem Gatten. Die Schlossbewohner drängen sich in das Leben des Paars, versuchen sie, auseinander zu bringen. Das Böse verdichtet sich während eines Dinners des Barons. Irgendetwas fiel vor im Leben des Künstlers. Irgendein dunkles Geheimnis in der Vergangenheit. Die Schlossbewohner scheinen das alle zu wissen und bereiten einen grausamen Scherz auf seine Kosten zu - den Bergman in surrealistischen Bildern vorführt. Die Grenzen der Logik werden zurückgelassen. Bergman dringt vor in die Tiefen des Bewusstseins. Vargtimmen könnte sich zu einem grossen Melodram entfalten. Doch ich will nicht vorgreifen. Am besten, du versuchst den Film im Sinne Bergmans zu sehen. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung)

Dienstag, 30. August 2016

Our Daily Free Stream: Gene Wilder - See No Evil, Hear No Evil


Our Daily Free Stream: Gene Wilder - See No Evil, Hear No Evil. Zum Tod von Gene Wilder! - Die gute Idee vorweg: Richard Pryor spielt eine Figur, die blind ist. Gene Wilders Charakter ist taub. Sie freunden sich an und bilden ein gutes Team. Was für Möglichkeiten könnten sich daraus ergeben! Leider müssen die Beiden in einem ziemlich stumpfsinnigen Plot über Industrie-Spionage agieren. Da gehts um einen Super-Chip, der Millionen wert ist und hinter dem eine ganze Garde an Bösewichtern her ist. Eine einzige Verfolgungsjagd von Anfang bis Ende. Interessant ist einzig der Charakter von Joan Severance: Sie verkörpert eine klassische Schönheit, die des Mordes verdächtigt wird. Das gibt ihr Gelegenheit, ihren feinen Sinn für Humor auszuspielen. Einen trockenen Humor, den ich in einer solchen Komödie gar nicht erwartet hätte! Arthur Hillers Film aber macht keine Anstalten, mit der zentralen Idee herum zu experimentieren. Man stelle sich vor, was ein echter Komiker aus dieser Konstellation alles machen könnte! Leider befinden wir uns aber in den späten 80ern, da Hollywood einen schlimmen Hang zur Klamotte hatte. Dumm auch, dass die beiden Helden des Films einfach nur nett sind. Beide sind liebenswert und freundlich. Braucht eine Komödie da nicht mehr Ecken und Kanten? Wilder habe ich überhaupt noch nie einen gemeinen Fiesling verkörpern sehen, Pryor aber könnte das. Immerhin spielte er in einem früheren Stadium seiner Karriere Mafiosi und landete über die Jahre erst im seichten Gewässer. Was für ein Film wäre das wohl geworden, in dem beide gar nicht befreundet sind, sondern durch ihre Behinderungen voneinander abhängig? Eine Zweckgemeinschaft! Womöglich sogar ein Bündnis, in dem sich beide hassen? Das hätte dieser schlappen Nummer mehr Spannung, mehr Würze verliehen! So aber bleiben uns zwei nette Typen, verfolgt von einer Rotte Computer-Gauner... (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung)

Montag, 29. August 2016

Our Daily Free Stream: Hans W. Geissendörfer - Die gläserne Zelle (engl. subt.)

 Kann man Patricia Highsmith in Frankfurt verfilmen? Man kann. Ein Architekt sass fünf Jahre unschuldig im Gefängnis. Seine Frau und sein Sohn holen ihn ab, versuchen, die Fremdheit zu überspielen. Sein Freund, ein Rechtsanwalt, besorgt ihm sogar eine neue Anstellung. Er scheint rehabilitiert. Eine Idylle? Wohl eher eine etwas verbitterte. Ganz langsam entwickelt sich aus diesem Alltag heraus ein Doppelmord... Der Hintergrund des klotzigen Frankfurts mit seinen kalten Glas-Fassaden macht diese leblose Welt nur sichtbar. Was zählt Freundschaft? Was ist überhaupt real und was resultiert aus der Einbildung des Häftlings? Wie oberflächlich ist diese Welt der fast heiter vorgebrachten Lügen? Wir erleben eine Liebe, die sich auf Hass gründet. Eine Liebe, die schliesslich explodiert. Geissendörfer ist klug genug, seinen Film jenseits gängiger Moralvorstellungen zu inszenieren. Ein Krimi ohne Moral. Fast scheint es so, als ob sich sein Film viel mehr für die technische Seite der Morde interessiert. Funktionieren Highsmith Romane aber tatsächlich so, dass Präzision mit Gleichgültigkeit verwechselt wird? (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: imdb)

FILM LIST: Neuer Deutscher Film, Part V 1978-79


Neuer Deutscher Film

Part V 1978-79
1978 wirds teuer! Nachdem sich die Autoren des Neuen Deutschen Films jahrelang mit kleinen Budgets begnügen mussten, kamen sie nun ans grosse Geld. Schlöndorff verfilmte die Blechtrommel als millionenschwere Produktion, Fassbinders Despair hatte in Cannes Premiere und man schloss sogar Frieden mit dem Erzfeind Hollywood: Wim Wenders begann mit dem Dreh von Hammett... Werner Herzogs Nosferatu mit Klaus Kinski und Isabelle Adjani - grosses, teures Kino, im Verleih der Fox. Grosses Thema des Jahres 1978: Deutschland im Herbst. In der Bunderspublik ging man davon aus, dass das Land im RAF Terror versank. Wie positionierten sich die Filmemacher? Was hatte der Neue Deutsche Film dazu zu sagen? War man überhaupt noch bereit, solche Themen anzupacken? (Wir stellen nicht die Filme, nur die links zur Verfügung. SEHT EUCH DIE LINKS SCHNELL AN, BEVOR SIE GELÖSCHT WERDEN.

Sonntag, 28. August 2016

fILM LIST: Neuer Deutscher Film - Hidden Gems

 „Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen“ - das wurde 1962 in Oberhausen verfasst. Seitdem scheint es so, als ob der aus dem Oberhausener Manifest entstandene Neue Deutsche Film noch immer den Weg weist. Damals waren die Alten: Heimatfilme, aber auch Edgar Wallace und Winnetou Filme und vor allem Helmut Käutner. Die Neuen: Kluge, Schlöndorff. Heute sind die Alten: Till Schweiger und Mathias Schweighöfer und die Neue Maren Ade. Wie in Frankreich; die Jungen bekämpfen Papas "Qualitätskino". Nicht die teuer und sorgfältig produzierten Filme, sondern kleine persönliche Fantasien mit dem Mut zu Brüchen, Fehlern, Abwegigkeiten. 1962 aber geschah erst einmal noch nichts. 26 Regisseure hatten das Manifest unterzeichnet, nur drei überhaupt einen Langfilm inszeniert. Die ersten Produktionen gerieten schliesslich genauso behäbig wie Papas Kino. Einige aber zeigten Potential: Volker Schlöndorff, Alexander Kluge, Edgar Reitz und Ulrike Oettinger. Die Intellektuellen wie Werner Schroeter, aber auch die Enthusiasten wie Klaus Lemke und Rudolf Thome. Sie bildeten den Anfang einer Bewegung, obwohl sie überhaupt nicht zusammen gehörten. Erst Anfang der 70er folgten die Stars des Neuen Deutschen Films: Fassbinder, Wenders, Herzog. Sie eint der Versuch, den Blick frei zu machen, indem sie etwas Neues probierten. Ungewöhnliche Menschen in einer ungewöhnlichen Welt. Jörg Schmidt-Reitwein, der Kameramann von Herzog, Jost Vacano der von Roland Klick, schliesslich Michael Ballhaus / Fassbinder und Robby Müller / Wenders - sie hatten grossen Anteil daran, die Welt mit regenerierter Aufmerksamkeit zu betrachten. Der Neue Deutsche Film liebt die Aussenseiter und Sonderlinge (und darf sich dabei ein bisschen auf die deutsche Literatur stützen). Zu Beginn der 80er hatte der Neue Deutsche Film seinen Höhepunkt, danach starb Fassbinder und die CDU kam an die Macht... Hier kommen die Filme, die man vielleicht noch nicht gesehen hat - die sich aber unbedingt lohnen! (Wir stellen nicht die Filme, nur die links zur Verfügung. SEHT EUCH DIE LINKS SCHNELL AN, BEVOR SIE GELÖSCHT WERDEN. 27.8.16)

Our Daily Free Stream: Vertov - The Man With A Movie Camera


Our Daily Free Stream: Vertov - Man With A Movie Camera. Leicht vorstellbar, wie sehr das Publikum im Jahr 1929, dem Jahr als Vertovs Man With A Movie Camera ins Kino kam, überfordert gewesen sein muss. Während der Stummfilm-Ära war das Publikum gewohnt, dass Einstellungen zehn Sekunden oder länger andauerten. Hier waren es zwei Sekunden - eine Geschwindigkeit, die uns moderne Blockbuster zumuten. Genau darin liegt der grosse Einfluss, den Vertov ausübte! Dziga Vertov fühlte sich eingeengt von der Tradition des Theaters. Für ihn war Kino bis dahin nur eine Fortführung der Bühne, was ihn nicht befriedigen konnte. Es war an der Zeit für einen neuen Stil! Ein Film, der so schnell voranschritt wie unser Gehirn in seinen Assoziationen! Keine Dialoge, Untertitel, kein Szenario! Eine Serie von Bildern in rasanter Abfolge, das ist The Man With A Movie Camera! Vertov folgte gezielt seinem Plan: Er wollte 24 Stunden aus dem Leben einer russischen Grossstadt vorführen. Moskau, Kiew und Odessa, drei Städte, gefilmt in vier Tagen - zusammengefasst zu einem einzigen. Es kam eine rekordartige Summe einzelner Einstellungen zustande, die von seinem Bruder, Mikhail Kaufman, geschnitten werden sollte (angeblich weigerte der sich anschliessend, je wieder mit Vertov zu arbeiten). Vertov, der während der russischen Revolution seine Karriere begann, als die Experimentierfreude im russischen Kino ihre Blüte erreichte, bezeichnete sich selbst als radikalen Künstler. Surrealismus und Avantgarde waren "State Of The Art" - noch heute wirkt Vertovs Puzzle so frisch wie in den 20ern! Und wann wurde je wieder ein solcher Versuch unternommen? Maschinen, Arbeiter, Strassen, Strände, individuelle Gesichter(...) Jeder darf das in Vertovs Film hinein interpretieren, was ihm am meisten behagt. Wovon aber handelt das Werk denn nun wirklich? Davon, wie ein Film hergestellt wird. Es gibt nur eine Figur, die durch den Film führt (aber keinen "Charakter" darstellt): The Man With The Movie Camera. Die Kamera auf seinen Schultern, marschiert er durch eine Kohlen-Miene oder befindet sich auf einem fahrenden Lastwagen. Später jagt uns ein Zug entgegen - fährt "in die Kamera hinein". Geschnitten wurde all das mit dem Verfahren des "Intercut". Manchmal stoppt das Geschehen, die "Action" wird eingefroren. Gibt es keine Kontinuität, dann doch Geschwindigkeit. Fast so, als hätte der Film sich selbst geschnitten. Eine Stilübung in Sachen Tempo! In Hollywood herrscht bis heute das Gebot des unsichtbaren Schnitts. Vertov zerstört diese Idee! Der Film handelt vor allem von sich selbst. Grossstadt- Dokumentationen, so über Berlin, gab es bereits zuvor. Vertov aber zeigt nicht EINE Stadt. Er nennt auch keinen Namen. Dadurch ist sein Fokus viel weiter. Ein Experiment, das undenkbar ist ohne Musik. Am bekanntesten die Vertonung der US Version durch Michael Nyman, welche die Rastlosigkeit von Vertovs Film unterstreicht (diese Version bieten wir in der Filmkunstbar Fitzcarraldo auf DVD an - hübsch restauriert). Vieles, was man meint, dem späteren Kino an Experimenten zuzuschreiben - vieles, vieles lässt sich in The Man With The Movie Camera entdecken - und geniessen!

Samstag, 27. August 2016

Our Daily Free Stream: Rio Reiser - Johnny West

 Our Daily Free Stream: Rio Reiser - Johnny West. Vor zwanzig Jahren verstarb Rio Reiser in Nordfriesland. Mit nur 46 Jahren. Wer seine Biographie bei KIWI gelesen hat, dem wird das Ende in Erinnerung geblieben sein: Reiser legt sich nach seinem Chartserfolg von Rio I hin zum Schlafen. Er war schwerer Alkoholiker und daran starb er auch. Besonders in Kreuzberg erinnern wir uns an ihn. Ich habe ihn einmal auf der Bühne gesehen, anlässlich eines Konzerts kurz nach der Wiedervereinigung. Dann nochmal in der FU, mitten im Winter, in Sandalen. Er hat das Rauchhaus besetzt, den Scherben ihre Stimme verliehen, die "Oranienburg" in der O-Strasse belegt. Dort wurden aus alten Kartons die Scherben Plattencover selbst gedruckt. Irgendwann pilgerte ich während der 90er sogar zu der Adresse, aber die Oranienburg war verlassen. Schliesslich haben alle auf Rio geschimpft, weil er bei CBS unterschrieb und einen Hit landete. Die Scherben hatten Angebote aller grossen Firmen, lehnten aber auch alles ab. Der Eintritt ihrer Konzerte war so gering, dass sie sich verschuldeten. Reiser zahlte die Zeche, doch geriet ins Abseits. Dass er auch ein toller Schauspieler war, sehen wir in Johnny West 1977. Roald Koller filmt ihn im Spannungsfeld von Gnade, Unschuld und Demut. Ein blasser, passiver Typ, der nur an seine Musik und sein Mädchen denkt. Johnny ist Roadie. Er arbeitet und träumt. Dann tritt Monika in sein Leben und Johnny liebt. Am Ende steht er sogar selbst auf der Bühne. Arbeit, Liebe und Aufstieg. Johnny, berauscht vom Erfolg, verbringt die Nacht mit einer Kellnerin und kehrt reumütig zu Monika zurück. Ohne Unschuld, aber irgendwie wird es mit den Beiden weitergehen... Johnny West zeigt nicht die glamoröse Welt des Pop, sondern die Welt der Arbeit. Der Roadie wird von der Band verachtet, steht ganz unten in der Hackordnung. Autobahnraststätten, kaputte Vorstädte, miefige Hotelzimmer - ein Ruhrpott Road Movie, aber kein romantisches. „Ich werde auf dich warten wie Aschenbrödel auf den Prinzen, oder wie das Märchen heisst“, schluchzt Monia als Johnny erklärt, er müsse sich fortan um seine Musik kümmern. Wasteland im Neuen Deutschen Film! Wer sich die Rio Biographie bestellt, der darf auch mal einen Blick in diesen (von der Qualität her miesen) Stream wagen. Das ist das Gegenteil von HD, aber das würde auch nicht passen zu Johnny West! Ob wir den auf DVD in der Filmkunstbar Fitzcarraldo ergattern? Leider nein. Den gibts nicht. Die Rechte liegen bei Faust-Film GmbH München. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung)

Freitag, 26. August 2016

FILM LIST: Neorealismus

 Die bedeutendste filmische Bewegung der Nachkriegszeit überhaupt, der italienische Neorealismus, war vor allem eine sozialrevolutionäre Kraft. Dem italienischen Faschismus gelang es trotz aller Anstrengungen nie, die Filmindustrie gleichzuschalten. Bereits in den letzten Jahren des Regimes gab es Filme, die schon neorealistisch aussahen: Der Mensch ist stets auf die Natur und sein Milieu bezogen, alles was im Film zu sehen ist, weist über den Film hinaus und weckt Assoziationen in der Wirklichkeit. Der Film selbst ist einem strengen Realismus verpflichtet, die Dinge werden so gezeigt wie sie sind. Man sieht keine Helden, sondern ein „Kino der Dienstboten“, welche die wahren Figuren des Lebens sind. Eine radikale Abkehr vom Hollywood Kino und seinem Heldenprinzip. Viscontis Ossessione, de S icas I bambini ci guardano (1943) und Blasettis Quattro passi tra le nuvole (1942) sind die ersten Werke des Neorealismus. Die endlosen Asphaltstrassen in Ossessione bestimmen das Klima der Gegend und verheissen darüber hinaus Freiheit. Der Spagnolo, der rätselhafte Wanderschauspieler, lebt diese Freiheit, die wenigen Worte, die der Film verliert, gewinnen einen symbolischen und prophetischen Klang. Ungeschminkte Wirklichkeit, erfasst durch die dokumentarische Kamera wurde überall in Europa zur Avantgarde des Kinos. Das Kino von Visconti oder Roberto Rossellini ist durchzogen vom lebendigen Atem der Wirklichkeit. In ihnen lebt die Hoffnung auf die Befreiung des Menschen von Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Auch die Filme des Tandems Vittorio de Sica und Cesare Zavattini sind voller Kraft und Pathos. Ladri di biciclette ist das Meisterwerk des Neorealismus schlechthin. Der Einzelne wird von der Gesellschaft gnadenlos verstossen, sobald er sich aus eigenen Kräften nicht mehr halten kann. Mitleidlos und fremd ist die Welt, rätselhaft und undurchschaubar. Nach Zavattinis Meinung sollte alle filmische Fiktion zurücktreten zugunsten dokumentarischer Sachlichkeit. (Was ihm zum Glück nicht gelungen ist). In Viscontis La terra trema wandelte sich der rohe Neorealismus zum Stil. In langsamen epischen Rhythmus sind gerade die malerischsten und raffiniertesten Einstellungen von der grössten Authentizität. Im Kino hatten die Filme kaum Erfolg, das Publikum bevorzugte unverbindliche Produktionen. Für La terra trema war nur eine Karriere in den Filmclubs drin. (Wir stellen nicht die Filme, nur die links zur Verfügung. SEHT EUCH DIE LINKS SCHNELL AN, BEVOR SIE GELÖSCHT WERDEN)

Our Daily Free Stream: Billy Wilder - Sabrina

Our Daily Free Stream: Billy Wilder - Sabrina. Billy Wilder, ein Zyniker und Philioph mit Witz! Ein Genie, das unbestreitbar zu den ganz grossen Regisseuren gehört (und davon gibts nicht mehr als eine Hand voll!). "The only rule in the movies is, there are no rules" - danach arbeitete er, der seine Karriere hier in Berlin begann. Wilder war der Erste, der drei Oscars für einen Film gewann. 21 Nominierungen, sechs davon gewonnen! Sucht man die Listen der 100 grössten Filme durch, führt Wilder die der Komödien an. Alt oder museal sind seine Komödien nie geworden! Wilders Komödien wirken heute noch genauso frisch wie an dem Tag, da sie im Kino liefen! Er hiess übrigens Samuel Wilder und wurde in einem österreichischen Dorf geboren. Seine Karriere aber begann in Berlin, dass er '33 verlassen musste (fast seine ganze Familie starb im KZ). Seine Weltkarriere ist nicht selbstverständlich: "I knew 100 words when I got off the boat". Doch das Gespür für die Konstruktion und sein Händchen für Charaktere machten es ihm leicht, sich in Hollywood durchzusetzen. Er begann übrigens nicht als ausgemachter Komödien-Regisseur. Wilder inszenierte eher düstere Werke bis er sich 1954 wandelte. Seit Sabrina hat er ausschliesslich Komödien gemacht. Wilder, Audrey Hepburn, Humphrey Bogart und William Holden. Ein Film, vollgepackt mit Hollywood Legenden! Und mit genauso trockenem wie zynischen Humor, den Wilder durch seine kunstvolle Inszenierung als Romantic Comedy erträglich macht. Bogart spielt einen hartherzigen Tycoon, Holden den nichtsnutzigen Bruder. Hepburn verkörpert die Tochter des Chauffeurs. Wer weiss, wie es weiter geht? Holden spielt ein bisschen mit dem liebeskranken Mädchen, die sich schliesslich umzubringen versucht mit Autoabgasen. Man schickt sie nach Frankreich, um Sabrina auf andere Gedanken zu bringen. Nach ihrer Rückkehr ist sie wie verwandelt: Von aussen eine europäische Dame - aber immer noch die Tochter des Chauffeurs. Holden kann seinen Augen nicht trauen, doch Sabrina wird Bogarts hartes Herz brechen... Wilders Figurenkonstellation ist nicht nur romantisch und witzig, sondern eben auch ätzend. Bogart, wie ein Roboter, der für nichts brennt, sich keine persönlichen Gefühle leistet und eine merkwürdige Melone trägt (man muss aber nur den Rand herunter klappen und hat - BOGART!). Entscheidend; sein Alter. Bogart wirkt wie ein Bestatter, der nie eine Jugend hatte. Holden dagegen, eine lächerliche Figur, der von Wilder schreckliche Schmerzen zugemutet werden, indem er (der Sohn einer Glasfabrikanten-Dynastie) sich in ein Martini Glas setzt. Ansonsten soll er durch seine Heirat günstig auf eine Firmenzusammenlegung wirken und darf in Caprios durch die Gegend jagen. Bogart buchhaltet derweilen Holdens Lebensstil. Eine Cinderella Geschichte, die an das Gute im Menschen appelliert, eine Satire, die "Klassen"-Schranken überwindet, aber auch emotionale Barrieren. Eine Begegnung der Gefühllosigkeit der neuen Welt mit dem Humanismus der alten. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung)

Donnerstag, 25. August 2016

Our Daily Free Stream: Sergio Leone - The Good, The Bad & The Ugly


Our Daily Free Stream: Sergio Leone - The Good, The Bad & The Ugly. Eine gewaltige Leere, so eröffnet sich die Landschaft vor uns. Ganz langsam kreist die Kamera, hält schliesslich inne auf einem sonnenverbrannten, verzweifelten Gesicht. Aus dem langen Shot wird ein Close-Up ohne Schnitt. Die Landschaft war nicht gänzlich verlassen, sondern besetzt durch einen Desperado. Mit dieser ersten Szene eröffnet uns Sergio Leone seine Technik und die wird er beibehalten: Unser Blick ist begrenzt durch den Bildrand. Was ausserhalb geschieht; wir wissen es nicht. Die grössten Momente in The Good, The Bad And The Ugly funktionieren so: Wir sehen es nicht, die Protagonisten auch nicht. Wir alle werden überrascht! Ob das, was geschieht, plausbel ist, kümmert Leone nicht. Er baut sein Meisterwerk auf den Trümmern der Klischees des Westerns auf. Aus Dreck wird hier Kunst hergestellt! Jeder liebt diesen Film - nur warum eigentlich? In den späten 60ern mochte man wohl noch vom Spaghetti Western sprechen, heute vergleicht man Leone mit der klassischen Oper. Dabei vergisst man, mit welch geringen Mitteln er prooduzierte: Clint Eastwood, ein Hollywood Schauspieler der zweiten Reihe, aus dem Fernsehen. Dialoge mutete man ihm kaum zu und so wirkt das Werk fast wie ein Stummfilm - aufgefüllt durch Musik und Effekten. Leone und sein Team versuchten mit grosser Anstrengung, "amerikanisch" zu wirken. Ennio Morricone scheint das mit seinem Soundtrack zu betonen und doch ist kein Hollywood Western so musikalisch (Leone selbst war für mich ironischer Weise von den deutschen Western der frühen 60ern viel mehr beeinflusst). Eastwoods Figur, ein Mann ohne Namen. Im ersten Teil nannte man ihn Joe, dann Manco, diesmal Blondie. Irgendetwas sorgt dafür, dass Leones Western wie aus einem anderen Universum kommt. Auf keinen Fall aus Hollywood. Die Darsteller, auch sie wirken fernab von einem Hollywood Cast und müssen wohl in Spanien aufgetrieben worden sein, dort wo der Dreh stattfand. Ihre Gesichter, zerfurcht von Arbeit und der Sonne. Leones Wüste, man sah sie nie zuvor im Western! Seine Filme wirken wie überhöhte Träume; grösser, brutaler, dramatischer als das Leben! Leone erzählt seine Geschichte in Bildern, nicht mit Worten. Nehmen wir die grandiose Sequenz auf dem Friedhof! In einem der Gräber ist ein Schatz versenkt. Clint Eastwood (the Good), Lee Van Cleef (the Bad), und der tolle Eli Wallach (the Ugly); sie alle sind bewaffnet und suchen. Wenn ein Mann schiesst, werden alle sterben. Leone filmt das in einer Einstellung, wir sehen die Waffen, ihre Gesichter, ihre Augen, Schweiss und Fliegen. Immer flirtet Leone mit der Parodie und auch das gehört zu seinem Stil. The Good, The Bad And The Ugly, das ist keine "Story", das sind grosse, ja groteske Gesten! Nehmen wir Clint Eastwood, der damals ein TV Star war. Wer würde für jemanden zahlen, den man auch umsonst bekam? Dennoch ergriff er seine Chance, Kinofilme zu machen! Das ging für Eastwood nur ausserhalb Hollywoods. Seine Figur spricht etwa ein Zehntel gegenüber Eli Wallachs Tuco. Der Mann ohne Namen spricht nie, Tuco hört nie auf zu quatschen. Doch was für eine Autorität verleiht Eastwood dieser Figur! Parodie? Immer nahe dran. Wallach, damals ein Hollywood Veteran, nimmt seine unterbezahlte Arbeit ernst und schafft einen unvergesslichen Charakter: Genauso lächerlich wie verzweifelt. Tuco sucht nach Freundschaft, ist aber zu verschlagen und nicht vertrauenswürdig, um eine Freundschaft einzugehen. Er ist es nicht Wert. Tuco kann einfach nicht aus seiner Haut! Auch Lee Van Cleef kennt man aus Hollywood Western, wobei er immer nur Nebendarsteller blieb. In diesem Western, in dem alle mit zusammen gekniffenen Augen herumrennen, ist er derjenige, mit den gemeinsten Augenschlitzen! Die drei Männer suchen einen Schatz, mitten im amerikanischen Civil War. Jeder der Drei besitzt aber nur eine Teilinformation. Deshalb müssen sie so lange zusammen bleiben (und am Leben) bis der Schatz geborgen ist. Überraschenderweise nimmt Leone seinen Hintergrund des Bürgerkriegs so ernst, dass wir fast einen Film-im-Film geboten kriegen über eine ausgedehnte Schlacht. Leones Visionen - grenzenlos! Er machte aus dem Italo Western sein eigenes, erhöhtes Genre! Wie gross er war, dass sehen wir vor allem in den Uncut Versionen, die ihr in unserer Filmkunstbar Fitzcarraldo im Keller leihen könnt. Im Autoren-Regal unter Sergio Leone. Bitte lasst keinen Film aus! (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung)

Mittwoch, 24. August 2016

Our Daily Free Stream: Jacques Audiard - Un Prophete (french only)


Our Daily Free Stream: Jacques Audiard - Un Prophet (french only). Das Zentrum von Un Prophete ist ein Mord - ein ungeschickter und unglaublich brutaler Mord. Wir erleben den Killer wie er zittert - ob aus Trauer, Erleichterung oder Wut wissen wir nicht. Genau das ist der Schlüssel zu Jacques Audiards grösstem Film: Wir sehen etwas und können es doch nicht verstehen. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir Zeuge von extremer Gewalt werden, die uns fremd ist. Mörder wie der in Un Prophete leben in einer anderen Welt. Der Film funktioniert als Entwicklungsgeschichte von Malik (Tahar Rahim), einem jungen Franzosen mit arabischen Wurzeln. Er kommt ins Gefängnis als Kleinkrimineller und verlässt es als geprüfter Gangster. Geboren wurde er als schüchterner, passiver Verlierer; zunächst ist ihm das wahrhaft Böse noch fremd. Alles, was er wurde, er lernte es im Gefängnis. Ich kann mich kaum erinnern, in einem Gefängnisfilm einen solchen Charakter je erlebt zu haben! Wir wissen nicht, weshalb er eingeliefert wurde, wir sind nur Zeuge, wie er seine Unschuld verliert. Hinter Gittern schliesst er sich der korsischen Gang an, die alles kontrolliert. Angeführt wird sie von Cesar Luciani (Niels Arestrup), einem Paten mit kalten Augen. Im Gefängnis wird er von Bodyguards begleitet und hat seine Spione überall. Der Neue ist nützlich für ihn, da er Zutritt zur arabischen Gang hat. Einer von ihnen soll ermordet werden. Im Grunde ganz simpel: Cesar bringt Malik bei, wie man eine Rasierklinge im Mund versteckt. Mit der soll dem Opfer die Kehle durchgeschnitten werden. Weigert sich Malik, muss er sterben. Töte oder stirb. Malik hat noch nie getötet und verpfuscht den Job. Es gibt einen Kampf und alles ist mit Blut bedeckt. Cesar aber hilft, die Tat zu vertuschen. Malik ist kein "Mann", aber ein Überlebender, der das Nötige tut. Und er lernt schnell. Über die Jahre verändert er sich, ergreift die Chance im Knast, die ihm draussen in der Gesellschaft nie vergönnt war. Er lernt wie man überwacht, eine Strategie entwickelt und sogar wie man liest. Für die Korsen aber wird er immer der "dreckige" Araber bleiben. Vielleicht ist aber auch genau das der Grund, weshalb er zu Cesars Vertrauten wird. Mallik kann nicht mehr zurück zu den Arabern. Es gibt keinen Platz für ihn, ausser den an Cesars Seite. Diese Partnerschaft mit Cesar verbessert nicht zuletzt Maliks eigene Position im Knast. Fast möchte man diese Stellung als Ende einer Bildungsgeschichte begreifen. Arestrup als Cesar ist das Ereignis von Un Prophete! In allen Filmen von Jacques Audiard gibt es diese denkwürdigen Performances, doch Cesar übertrifft sie alle! Cesar sieht alles, will aber selbst nicht wahrgenommen werden. Deshalb muss er seine Aggression steuern und kontrollieren. So lange er das beherrscht, behält er die Macht über Leben und Tod. Seine grössten Momente, sie sind meist still. Entscheidungen werden getroffen und kalt umgesetzt. Und Malik, der Neue? Ein Enigma. Wir wissen nicht, was er denkt, können es nicht einmal erraten. Vermutlich ist das die Qualität, die Audiard erreichen wollte. Nichts dringt bei ihm nach draussen und Gefühle zu verbergen ist Cesars wichtigste Lektion für Malik. Hier schliesst Audiard an die stilisierten Gangster-Klassiker der 60er an. Das ist im besten Sinne unmodern, denn viel zu viele Filme, wollen uns unbedingt aufdrücken, was die Protagonisten gerade denken und warum. Wieviel faszinierender aber ist es, im Dunkeln zu tappen? Was denkt Malik? Er ist bereit zu töten. Wir können ihn nur durch seine Taten richten. Das aber macht es furchteinflössend, denn ein Killer ohne Motive ist nur umso schrecklicher. Malik war einmal jemand, für den das Leben eine Bedeutung hatte. All das aber ändert sich während seiner blutigen Tat im Gefängnis. Nun ist er bereit für die Strasse draussen...

Dienstag, 23. August 2016

Our Daily Free Stream: Little Miss Sunshine

 Our Daily Free Stream: Little Miss Sunshine. Die blauen Augen eines Mädchens, die uns intensiv anstarren. So sehr als ob sie gleich in unseren Kopf wollten. Nur: Das Mädchen schaut gar nicht uns an. Sie starrt in einen Fernseher. Dort laufen Miss Wahlen und die Gewinnerin wird gerade gekrönt. Das Mädchen selbst befindet sich also bei den Proben. Sie will auch auf dem Podest gekrönt werden. Little Miss Sunshine, das wird schnell deutlich, ist ein Film über Träume. Und über Illusionen. Einige Tage später, nach einer merkwürdigen Reise in einem alten VW Bus von Albuquerque (das liegt in New Mexico) nach Redondo Beach / Kalifornien setzt die Realität ein. Vom Freeway aus sieht man das ziel der Reise - vor allem aber lernt man etwas über die endlosen Strecken Kaliforniens und den amerikanischen Traum. Ein Traum, der über Strassen führt, die niemals enden. Ein Luftschloss. Little Miss Sunshine schliesst an die non-konformen Road Movies der frühen 70er an, die sich so gern über den "American Dream" mockierten. Die Welt in Little Miss Sunshine ist eingeteilt in kleine Diätschritte, beruflichen Werdegang, öffentliche Anerkennung - Erfolg, der alle menschlichen Sehnsüchte dominiert. Die Hoover Familie, allen voran das Mädchen Olive (Abigail Breslin), lebt in dieser Welt. Genauso ihr Vater Richard (Greg Kinnear), der davon besessen ist, zu gewinnen, da er den Triumph eines Sieges nie kennengelernt hat. Dann ist da der Grossvater, der den Wahnsinn der Jugend zelebriert (und Heroin schnieft). Onkel Frank (Steve Carell) schliesslich, hat gerade einen Selbstmordversuch für die Liebe überlebt. Der Bruder Dwayne (Paul Dano) hat seit neun Monaten kein Wort gesprochen. nicht etwa, weil er depressiv ist, sondern Nietzsche Jünger. Dwayne hasst alles und jeden. Little Miss Sunshine wagt nun etwas Ungewöhnliches: Eingangs erleben wir ein Abendessen im Kreis der Hoovers - anschliessend wissen wir genau, wie diese Familie funktioniert. Dann gehts los: Road Trip! Eine geschliffenere Komödie als die von Jonathan Dayton und Valerie Faris dürfte wohl schwer zu finden sein! Little Miss Sunshine ist nicht nur ungeheuer witzig, sondern erzählt auch die Wahrheit. Die Schauspieler - fantastisch! Allen voran Dano, der den Teenager, der nichts als ekel empfindet, mit leblosen schwarzen Augen verkörpert. Carrell spielt einen mysteriösen Mann, von tiefer Trauer umgeben. Umhüllt wie durch einen Schleier. Je weniger er sich darum zu bemühen scheint, desto mehr müssen wir über seinen Onkel Frank lachen! Am besten seine Aussprache von Nietzsche: "Nietscha"! Der Niedergang eines Intellektuellen, der studiert hat und nunmehr in seine Einzelteile zerlegt wurde. Analyse, aber keine Gnade! Sehr lustig, vor allem aber eine authentische Charakter-Studie!

Montag, 22. August 2016

Our Daily Free Stream: Jason Reitman - Juno (germ. dubbed)


Our Daily Free Stream: Jason Reitman - Juno (german dubbed). Hier kommt Juno alias Ellen Page - Everybody's Darling! Einer der klügsten, witzigsten und berührendsten Filme, die wir in der Filmkunstbar Fitzcarraldo anbieten können! Juno beginnt mit der Respektlosigkeit einer Screwball Comedy und endet als Charakterstudie. Mit Figuren, die wir lieben gelernt haben! Schon erstaunlich, wie wir trotz der dreisten und hippen Dialoge, Juno von Grund auf kennenlernen und verstehen. Das ist ganz allein der Verdienst von Ellen Page - und gabs in letzter Zeit überhaupt eine tollere Performance als ihre? Ich denke, es ist Konsens, dass Komödie viel schwieriger ist als Drama. Es braucht einen schnellen Verstand, Selbstbewusstsein, aber auch die Gabe, zu stoppen, bevors zu viel wird. Page hat das: Die Präsenz und das Timing! Juno lebt aber auch von dem präzisen Drehbuch, in dem uns die Charaktere irgendwie immer einen Schritt voraus sind. Kurz bevor wir zu reflektieren beginnen, habens sie das schon gemacht. Juno ist wie eine Einladung an uns, nicht passiv zu schauen, sondern uns ganz einzulassen. Ellen Page, während der Dreharbeiten bereits zwanzig, spielt Juno MacGuff, gerade sechzehn. Sie versucht sich an einem sexuellen Experiment, dem ihr Freund Paulie (Michael Cera) nicht folgen kann. Klar, Juno wird schwanger und nach einer einschlägigen Erfahrung in der Abtreibungs-Klinik, entschliesst sie sich, das Kind zu behalten. Wie sie ihre Eltern darüber aufklärt, dass ist eine der Szenen, die Juno so ungewöhnlich und wundervoll machen. Bren (Allison Janney) und Mac (J.K. Simmons) sind die liebenswertesten, selbstbewusstesten und liberalsten Eltern, die ich je in einer Teenie Komödie sah. So warmherzig und humorvoll, dass wir verstehen, wie Juno selbst so werden konnte. Mit ihrer Hilfe sucht Juno Adoptiveltern (Jennifer Garner und Jason Bateman): Ein Möchtegern-Rockstar um die 40 und eine Gattin, die ihr Haus ganz nach den Schöner-Wohnen Prinzipien ausgestaltet hat. Dumm nur, dass er nicht für eine Vaterschaft bereit ist, mehr Interesse an Bands und Comics hat - sogar an Juno! Nun folgen wir Juno durch die neun Monate ihrer Schwangerschaft und scheinbar ganz nebenbei, lernen wir sie durch all ihre Sprüche und Schlagfertigkeiten kennen. Besonders warmherzig die Szenen, in denen sich Juno mit ihrem unreifen Adoptiv-Papa über Punk-Bands austauscht und Jennifer Garner als liebende Adoptiv-Mutter das Baby im Bauch fühlt! Drei Mal hab ich Juno nun gesehen und weiss, dass es einer der Filme ist, die man nie vergisst. Einige Dialoge bleiben, viele Eindrücke auch! Es ist einer dieser Filme, die ein Teil von mir geworden sind. Regisseur Jason Reitman hat keinen einzigen Fehler gemacht, nichts Abgeschmacktes, keine Szene umsonst! Alles fliesst, ist heiter und licht. Reitman ist ein angenehmer Konservativer, vertritt das Familien-Ideal auf ganz eigene Weise. Alle Figuren sind ganz sie selbst und beugen sich keinem fremden Willen - schon gar keinem Konsens. Schrullig sein - ja, bitte! Am allerschönsten, das Finale - doch ich will nicht zuviel verraten... (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung)

Sonntag, 21. August 2016

FILM LIST: Indie Comedies

 Hier kommen die beliebtesten Indie Komödien aus der Filmkunstbar Fitzcarraldo! Ich habe mal geschaut, welche Komödien wie oft auf der cinegeek angeklickt wurde (aus dem Verleih Katalog Featured Movies) und daraus diese Liste gebastelt. (Wir stellen nicht die Filme, nur die links zur Verfügung. SEHT EUCH DIE LINKS SCHNELL AN, BEVOR SIE GELÖSCHT WERDEN. 21.8.16)

Donnerstag, 18. August 2016

Our Daily Free Stream (21.8.16): Brian De Palma - Greetings

 Our Daily Free Stream (21.8.16): Brian De Palma - Greetings. Hier kommt ein früher Film von Brian De Palma, der 1968 bereits Robert De Niro als Hauptdarsteller einsetzte! Ein interessantes Werk, kein gutes. Greetings steht in der Tradition der grossen Stummfilm-Komiker und wirkt immerhin frisch und charmant. Nicht der Plot, sondern eine bestimmte Attitude hält alles zusammen: Die, was generell lächerlich ist in unserer Gesellschaft. Zwei Dinge aber braucht eine wirklich gute Komödie: Plausibilität und gute Charaktere. In Greetings gibts zwar Charaktere, aber sie erklären sich nicht aus sich selbst heraus. Wir müssen sie so hinnehmen, weil der Plot das verlangt. Sie treten auf in einer zusammenhangslosen Aneinanderreihung von Szenen, die kaum Sinn ergeben. Sollen sie wohl auch nicht! Einige Sequenzen funktionieren tatsächlich, so dass es phasenweise unterhaltsam ist. Merkwürdig aber, dass Greetings seinerzeit als Durchbruch einer neuen Generation von Filmemachern gefeiert wurde. Für mich war De Palma Ende der 60er noch nicht so weit. Dass es sich um eine "Pionierleistung" oder "experimentelles" Kino handelt ist weniger interessant. Vielmehr, dass De Palma den Weg zurück sucht zur Basis, was Komödie im Kern ausmacht. Zur Stummfilm-Ära! Mit wenig Budget einfach die Kamera raustragen, in die Strassen New Yorks und das zu filmen, was man witzig findet. Genauso habens Brian De Palma und sein Team gemacht. Sympathisch - und gar nicht so weit davon entfernt, was einige Berliner gerade probieren. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung)

Our Daily Free Stream (21.8.16): Brian De Palma - Carlito's Way

 Our Daily Free Stream (20.8.16): Brian De Palma - Carlito's Way. Zehn Jahre nach ihrem wohl grössten gemeinsamen Erfolg stellen Brian De Palma und Al Pacino ein weiteres gross angelegtes Portrait eines Gangsters vor. Carlito Brigante ist älter und auch weiser als Tony Montana. Zeitweise meint man auch, er hätte etwas mehr Glück... Carlitos (Pacino) ist New Yorker mit puertorikanischem Hintergrund. Ein grosser Dealer, der genauso grossen Respekt in der Barrio genoss, bevor er in den Knast musste. Wir lernen ihn kennen während des Prozesses, da er wegen eines technischen Fehlers des Gerichts bereits nach fünf Jahren freikommt - und nicht nach 30. Grossen Anteil daran hat sein halbseidener, zwielichter Anwalt Kleinfeld (Sean Penn). Brigante selbst hält eine grossmäulige Rede vor dem Gericht, während Kleinfeld daneben feixt. Draussen aber erleben wir einen tieferen Einblick in Carlito. Er geht durch die Strassen, in denen er einst eine Berühmtheit war. Im Angesicht von 30 Jahren Haft und der Aussicht, hinter Gittern zu sterben, beschloss er, einiges zu ändern. Brigante will sauber bleiben und Autos auf den Bahamas vermieten. Um Geld für diesen Traum zu verdienen, arbeitet er in einem Nachtclub. Dort gerät er in Kontakt mit all den Menschen, die er tunlichst meiden sollte. Mehr Punk als Gangster ist der, der sich ihm als "Benny Blanco from the Bronx" (John Leguizamo) vorstellt. In Benny sieht Carlito sich selbst wie er mal war. Seine schlimmsten Seiten. Carlito führt uns durch den Film, erzählt von seinen Hoffnungen und Träumen. Auch von seinen Strategien und Fehlern. Einer davon ist übrigens der, Kleinfeld als Anwalt engagiert zu haben. Gespielt wird er von Sean Penn wie man ihn damals noch nie gesehen hatte! Penn mit Korkenzieherlocken als genauso lächerliche wie gefährliche Figur. Eine schauspielerische Tour De Force! Ein Narzist, der jederzeit die Kontrolle, ob seiner Gier und Kokainsucht verlieren kann. Carlito dagegen will ein aufrechter Bürger werden. Er besucht seine Ex-Freundin Gail (Penelope Ann Miller), die zwar sagt, sie würde am Broadway tanzen, in Wahrheit aber in einem Strip-Club arbeitet. Man kann es wohl Liebe nennen, aber keine tiefe. Am Ende sind beide vor allem damit beschäftigt, zu überleben. Brian De Palma ist immer dann am besten, wenn er ausschweifend inszeniert, aber echte Charaktere vorführt. Hier erleben wir das schäbige Leben und eine ganze Reihe, prächtiger Gangster! Es ist faszinierend, wie ein Mann in die Welt des Verbrechens, der Nachtclubs und Damen abgleitet - trotz bester Vorsätze. Carlito will einfach nur Geld verdienen und sich dann absetzen. Seine Freunde, sein Umfeld aber sind ausnahmslos kriminell. Er kennt diese andere Welt überhaupt nicht. Am Ende wird er zu seinen Freunden halten müssen. Die besten De Palma Szenen spielen in Bahnhöfen und so ists auch in Carlito's Way. Ein phantastischer Shootout in der Grand Central Station, dort, wo die Vergangenheit so lebendig wirkt. Zuallererst ist Carlito's Way eine Charakterstudie. Das Portrait eines Mannes, der besser sein will als er es eigentlich ist. Anders als in der ersten De Palma / Pacino Zusammenkunft gehts hier aber nicht nur um Gier und Macht. Carlito ist alt genug, sich von aussen zu betrachten und seine Fehler zu analysieren. Seinem wohl vorher bestimmten Weg zu entkommen, das gelingt einem Mann in seiner Position nicht. Schritt für Schritt, Szene für Szene wird sein Schicksal besiegelt. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung)

Our Daily Free Stream (19.8.16): Brian De Palma - Blow Out


Our Daily Free Stream (19.8.2016): Brian De Palma - Blow Out. Blow Out von Brian De Palma wirkt merkwürdig vertraut und auch ziemlich verquer. Konstruiert wurde der Paranoia Thriller aus einigen Ereignissen der jüngeren amerikanischen Geschichte, angedickt mit Referenzen aus anderen Filmen und von anderen Filmemachern. Nichts desto trotz: Blow Out ist eine eigenständige, eine phanatastische Leistung! Der Titel erinnert an einen der grössten 60s Klassiker. Die Geschichte, in welcher ein Fotograf eine Leiche knipst und schliesslich seine Fotos auf den Fund hin analysiert. War da überhaupt ein toter Körper auf dem Negativ? In Blow Out spielt John Travolta den Charakter, der sich mit denselben Fragen konfrontiert sieht. Er arbeitet für eine schmierige B-Movies Produktionsfirma aus Philadelphia. Er stellt billige zynische Exploitation Filme her - ganz dem Geschmack De Palmas entsprechend! Eines nachts steht er an eine Brücke im Park. Der Schrei einer Eule und ähnliche Geräusche erfüllen die Nacht, die er aufzeichnet. Plötzlich wird er Zeuge eines Autounfalls! Das Auto stürzt von der Brücke, ein Blowout. Travolta springt hinterher, rettet ein Mädchen (Nancy Allen) und stellt später fest, dass der Fahrer des Wagens ein Präsidentschaftskandidat war. Als er sein Bandmaterial durchhört, meint er, einen Schuss zu hören, kurz vor dem Unfall. Handelt es sich um einen Mord? Er folgt der Spur von Nancy Allen, findet heraus, dass sie Gehilfin war bei einer Erpressung. Es ist wunderbar, wie sich der Plot nun verdichtet! Offenbar hat De Palma nicht nur eine Hand voller Ideen, er schwimmt im Überfluss! Wir treffen eine Reihe gewalttätiger Charaktere wie Burke (John Lithgow), während Travoltas Figur immer tiefer in dem Sumpf einer Verschwörung gerät. Für ihn steht etwas Persönliches auf dem Spiel: Seine Befähigung als Tontechniker und sein persönlicher Stolz! "I'm a sound man!" In der besten Szene von Blow Out stellt er sämtliche Ereignisse der Nacht noch einmal nach. Er folgt den Spuren seiner eigenen Aufnahme. De Palmas Technik folgt der des grössten Thriller Spezialisten aller Zeiten. Es hitchcockt ganz gewaltig! Zahlreiche Referenzen wie die Duschszene sind dem "Master of the Macabre" (De Palma) gewidmet. Er spendiert eine ganze Serie hässlicher Morde in ungewöhnlicher Umgebung und eine Jagd durch Philadelphia während die Liberty Bell anschlägt zum grossen Jubileum. Zwei Strategien von "Hitch" werden hier benutzt: Einmal seine patriotisch aufgeladenen Bilder, dann die verzweifelte Jagd innerhalb einer Menschen-Masse, die sich um den Einzelnen aber nicht weiter kümmert. All das steckt De Palmas Film aber weg und so steht Blow Out für sich allein. Die Lust an übertriebener Gewalt und Nihilismus, die sexuellen Anzüglichkeiten, ganz selbstverständlich neben dem postmodernen Zitaten-Kino - das alles ist Brian De Palma! Dafür hasst oder liebt man ihn. So vereint er die Cinephilen mit den Schaulustigen! Wohlbemerkt: Wie in seinen besten Filmen füllt De Palma das Geschehen mit dreidimensionalen plausiblen, ja interessanten Charakteren. Wir glauben gern, dass Figuren wie sie John Travolta, Nancy Allen oder John Lithgow darstellen, echt sind. Sie alle haben diese kleinen Macken, die Verschrobenheiten des Lebens. Für mich ist das der Unterschied eines guten De Palma Films zu einem grossen: Die Charaktere! Oft benutzt De Palma Schablonen, um sich ganz auf seine geliebten Oberflächenreize zu stürzen. In Blow Out gibt er sich so viel Mühe wie nur in seinen grössten Werken! Die Protagonisten benehmen sich wirklich so wie Menschen in ähnlichen Situationen. Sie folgen nicht einfach den Anforderungen eines Plots! Das Schönste aber: Blow Out wird von echter filmischer Intelligenz zusammen gehalten. In solchen Szenen wie der, da Travolta den Unfall nachstellt, werden wir auf eine Entdeckungsreise mitgenommen. Wir dürfen das herausfinden, was er rekonstruiert! Endlich sind wir einmal mehr als nur passive Zeugen des Geschehens - und das passiert nun wirklich nicht so oft im Kino. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung)
Our Daily Free Stream: Brian De Palma - Carrie


Our Daily Free Stream: Brian De Palma - Carrie. Brian De Palmas Carrie nach dem Roman von Stephen King ist ein fesselnder Horrorfilm mit schockierendem Ausgang. Vielmehr ist Carrie ein aufmerksames menschliches Portrait, denn die Hauptfigur ist ungewöhnlich für einen Horrorfilm und entspricht überhaupt nicht den gängigen Stereotypen. Carrie, ein schüchterner, hübscher und komplizierter Teenager. Ein Mädchen, wie wir sie noch aus der eigenen Schulzeit kennen. Trotzdem gibts einen Unterschied: Carrie ist ein Mensch, fähig zur Telekinese. Das ist die Fähigkeit, Dinge zu bewegen, ohne sie zu berühren. Eine Fähigkeit wie eine Reaktion aus dem schrillen religiösen Fanatismus ihrer Mutter, die sich langsam entwickelt. Carrie sieht in den Spiegel und der zerbricht. Die Mutter versucht sie zu fassen und wird zurück geschleudert auf die Couch. Dann, auf dem Abschlussball der Schule... Was die letzten 20 Minuten von De Palmas Film so unvergesslich macht, ist die Tatsache, dass er hier schonungslos und unvermeidlich auf alles reagiert, was zuvor geschah. Nichts wirkt konstruiert oder einfach hinten dran geklebt wie in billigen SciFi Filmen. Wir haben es mit einer Charakter-Studie zu tun. Mit einem Mädchen, dass wir kennen und verstehen gelernt haben. In dem Moment, da sie ihre Kräfte nutzt (oder von ihnen benutzt wird) wissen wir genau, warum. De Palma war bis dahin kaum in dieser Disziplin aufgefallen und im Grunde später auch nicht. Wir kennen von ihm mit Liebe gezeichnete Comic-Charaktere in überdrehten Filmen. Nie hätte man vermutet, dass De Palma, der sich gerne so protzig mit Oberflächenreizen begnügt, so tief gehen kann! Einen grossen Anteil daran haben mit Sicherheit Sissy Spacek als Carrie und die wahrhaft gruselige Piper Laurie als Fundamentalistin Margaret White. Gemeinsam leben sie in einem vollkommen abgeschlossenen, klaustrophobischen Haushalt. Ihre eigenen sexuellen Ängsten hat Margaret White transformiert in eine wahnsinnige Religiosität (wie wir sie im heutigen Amerika vermutlich noch viel öfter antreffen - was den Film so aktuell macht!). Fortwährend bestraft sie ihre Tochter, sperrt sie in eine mit Kruzifixen dekorierte Dunkelkammer zum Beten. Klingelt es an der Tür, hört man nach wenigen Sekunden die Mutter: "Carrie!" Normale Freundschaften sind Carrie verboten, stattdessen muss sie zu einem abstossend blutenden Jesus beten. Kein Wunder, dass Carie in der Schule so still ist. Verängstigt, aber freundlich und vorsichtig. Ein angenhmes Mädchen, dass von den Mitschülerinnen gequält wird. Sie hat lange blonde Haare, die unfrisiert herunter hängen und vor allem dazu dienen, ihr Gesicht zu verbergen. Carrie sitzt in der letzten Reihe und doch wird sie immer wieder zur Zielscheibe für ihre Klassenkameradinnen. Es ist das schönste Mädchen der Schule: Sie denkt sich einen grausamen Trick aus mit Carrie während des Abschlussballs. Carrie wiederum wird von einem populären Schüler zum Ball aufgefordert. Zunächst aus Mitleid, bald aber in ernster Absicht. Ohne vorzugreifen, lässt sich festhalten, dass Carrie ein Horrorfilm voller Wahrhaftigkeit ist. Kein künstlich gefertigter, sondern dem realistischen Horror-Kino der 70er verpflichtet. Der Schrecken entwickelt sich aus den Charakteren heraus und genauso funktionieren die echten Klassiker der Literatur! Wahrer Horror resultiert immer aus den Menschen heraus. (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: http://yianniscove.com/admin/wp-content/uploads/2012/07/pranks-carrie-590.jpeg)
Rudolf Thome - Überall Blumen


Vorgeschmack auf die tolle Rudolf Thome Doku von Serpil Turhan - Irgendwann meinte unsere ehemalige Kollegin aus der Filmkunstbar Fitzcarraldo, Seyneb Saleh, dass sie bei Thome mitspielen würde. In seinem wundervoll irrealen Liebesfilm "Das Rote Zimmer" sah man sie dann auch, schön erotisch, wie Thome Frauen am liebsten filmt. Er ist nicht nur einer meiner Lieblings-Regisseure (überhaupt!), sondern auch eine lebende Legende! Mitte der 60er begann er, bevor die Autoren des "Neuen Deutschen Films" ihre ersten Langfilme ins Kino brachten. Die mochte er auch gar nicht unbedingt, vor allem folgte er mit seiner "Münchener Gruppe" anderen Einflüssen. Nicht das Sozial-Drama, sondern die Franzosen und Amerikaner! Der frühe Thome, das ist Nouvelle Vague! Dann zog er nach Berlin und änderte seine Filmsprache. Nicht mehr Sex & Crime, sondern Leichtigkeit, ach was, Luftigkeit, zeichnen sein Werk aus! Nur vordergründig spielen seine Filme im Alltag, in Wahrheit befinden wir uns in den Höhen von Thomes ganz eigener Welt. Man achte auf die Dialoge - welcher normale Mensch spricht so? Bei ihm gibts Berufe wie den des "Kussforschers", was den Ton seiner Kunst am besten widergibt. Als Seyneb Saleh mit ihm auf der kleinen Bühne der Tilsitter Lichtspiele stand, um über den gemeinsamen Film Auskunft zu geben, merkte ich, dass Thome nicht nur seine Filmfiguren liebt, sondern auch eine enge Beziehung mit den Schauspielern hegt. Küssen wollte Seyneb ihn aber nicht vor allen Leuten (da half auch das Argument, sie wären Kollegen, nichts). Ein schönes Gespräch in diesem Plauderton, der auch Thomes Filme auszeichnet, kam dennoch zustande. Thome liebt es, Auskunft zu erteilen. Zwei Jahre später traf man sich wieder, anlässlich der Vorführung seines bis dato letzten Werks "Ins Blaue". Thome zeigt junge schöne Mädchen (und Jungs) am Mittelmeerstrand, natürlich in Italien. Ein Geniesser, das war er immer! Es geht um eine melodramatische Geschichte griechischen Ausmasses - die aber ganz beiläufig erzählt wird. Ein anderer Kollege, Thomas Groh, interviewte Thome auf der Bühne. Ein redseliger Mann, der die eigene filmische Legende so wunderbar greifbar verkauft! Eine seiner bevorzugten Schauspielerinnen, Serpil Turhan, hat nun eine Doku über den Filmemacher selbst gemacht. Die Doku lief auf der Berlinale und ist ein warmherziges und witziges Werk geworden. Ein scharfsinniger Film! Wie Thome seine alten Filme in rostigen Dosen aufbewahrt auf seinem Brandenburger Bauernhof. Wie er die Natur lebt. Wie er sich an die Produktion von Supergirl erinnert und seine Freundschaft zum einzigen deutschen Mod, Marquard Bohm. Bohm ist einer der Detektive in "Detektive" mit Uschi Obermaier und Anti-Held aus "Rote Sonne" mit eben derselben. Turhans Film handelt aber auch vom Filmemachen an der Peripherie. Thome produziert selbst, weitgehend ausserhalb des deutschen Filmbetriebs. Er, der in Frankreich bekannter ist als bei uns, muss immer noch um jede Finanzierung bangen. Ein Absurdum, dass einer der Begründer des modernen deutschen Kinos immer noch Aussenseiter ist. Oder doch eher positiv? Alles, was am deutschen Film schlecht ist, bei Thome finden wir es ganz bestimmt nicht! Alles, was wir hierzulande gern öfter sehen würden - das gibts bei Thome!
Woody Allen - Cafe Society

Ein Vorgeschmack auf den neuen Woody Allen Film, der im November startet. - Deckungsgleich in seinen Filmen und Interviews offenbart Woody Allen die Sicht eines Zynikers (er würde korrigieren: Die eines Realisten) auf den Menschen an sich in einem gott- und bedeutungslosen Universum. Nur einen Aspekt scheint er am Sein zu schätzen: Die Vergangenheit. Vermutlich ist das der Grund, weshalb besonders sein Spätwerk im Präteritum spielt. Cafe Society ist nun eines der verführerischsten Werke seines kontinierlich ablaufenden Spätwerks. Die Eröffnungsszene bestimmt den Tonfall: Ein blauer Swimming Pool mit vornehm gekleideten Menschen darum herum. Trotz Allens bekannter Antipathie gegen Los Angeles, hat der Maestro hinter der Kamera, Vittorio Storaro, seine ganz eigene Vision, wie es damals war, im Hollywood der 30er Jahre. Im Voiceover führt Allen uns selbst ein (schade, dass er nicht mehr mitspielt im Spätwerk!). Wir lernen den Talent Agenten Phil Stern (Steve Carell) kennen. Der soll sich eines befreundeten Sohns namens Bobby (Jesse Eisenberg) annehmen. Bobby, anstatt in das elterliche Juweliergeschäft einzusteigen, hat sich aufgemacht Richtung Westküste, ohne dass dieser vitale junge Mensch auch nur die geringste Ahnung hätte, was er dort überhaupt will? Nebenbei lernen wir so einige Details aus der Familie kennen - in bester Allen Manier. Jesse Eisenberg schliesslich fungiert als eine Art junge Woody Allen Ausgabe. Ein typischer New Yorker, mit unfallartigen Callgirl Erfahrungen (auch das ein Allen Motiv). Dann verliebt sich Bobby in Vonnie (Kristen Stewart, die man immer unterschätzt hat und nun als neue Allen Muse dienen darf). Unglücklich, so dass er zurückkehrt nach New York. Er steigt in das Geschäft seines Bruders Ben (Corey Stoll) ein, der ein typischer Allen Gangster ist (und was für ein aggressiver!). Bobby betreibt nun den Nachtclub Cafe Society. Die letzten Allen Filme machten eine Schwäche deutlich, die ich bei ihm nie für möglich gehalten hätte. Er stellte sich als schlampiger Autor, aber guter Regisseur heraus. Bestimmte Wendungen kamen mir so bekannt vor, dass nur seine Fähigkeit der Schauspielführung überhaupt darüber hinweg halfen. Cafe Society beruht auf einem klarer gefassten Drehbuch (obwohl mir einige Gags bekannt vorkamen, sprich: Recycled). Die Präsenz von Eisenberg und seinen Kollegen hilft aber locker darüber hinweg! Am Ende summiert Allen all die zerstörten Träume, die vergeblichen Hoffnungen und Wünsche. Er selbst spricht aus dem Off und zum ersten Mal hört er sich tatsächlich altersgemäss an. Wie ein 80jähriger Regisseur, der die Bilder kommentiert, die wir bereits zu Beginn sahen. Eine edle Gesellschaft, um einem blauen Pool versammelt. Dieses Mal aber wirkt es so wie das verlorene Paradies...

Mittwoch, 17. August 2016

Our Daily Free Stream: George Roy Hill - The Sting


Our Daily Free Stream: George Roy Hill - The Sting. Das Wort "stylish" wird gern überstrapaziert, doch in diesem Falle triffts: The Sting ist einer der "stylischsten" Filme seiner Zeit. Baujahr 1973 muss man dazufügen: Weit über seine Zeit hinaus! Unter der Regie von George Roy Hill finden hier (erneut) Paul Newman und Robert Redford zusammen - eines der besten Buddy Teams der Geschichte! Beide verkörpern Betrüger, die sich ein besonders reiches Opfer (Robert Shaw) vorgenommen haben. Ihre Methode ist dabei derart komplex, dass sie den Rahmen einer Kurzbeschreibung sprengen würde. Erfreulich, dass Hill dabei stets die Zügel fest in der Hand hält und ein Skript, auf das er sich verlassen kann. Umwege gibts keine! The Sting spielt in Chicago um 1930 - und eines der Qualitätsmerkmale des Films sind die vielen Aussendrehs. Wer die Vergangeheit spürbar machen will, suche einen Bahnhof auf. George Roy Hill hält sich an diese Faustregel und bekommt seine eindrucksvollste Sequenz in der Union Station. Chicago, eine wollüstige, quirlige Stadt, in der die Typen mit Muskeln immer wieder verlieren gegen die mit Köpfchen. Shaw gibt einen hochklassigen Zocker zwischen Chicago und New York. Die Idee Redfords: Shaw muss meinen, er würde immer gewinnen. Er muss sich sicher darin fühlen. Newman und Redford beginnen also mit ihrer Arbeit, um ihn herum eine Verschwörung anzuzetteln; Shaw zu manipulieren. Er darf nicht einmal wissen, dass die Beiden sich kennen und das macht einen grossen Teil des Charmes aus! Ein wirklich freundlicher, leichter Film, in dem Hill am liebsten den Stil und die Mode der 30er auf die Spitze treibt. Ich bin mir sicher, dass man hier recht viele Privatwitze auftun könnte! Schön auch die Idee, dass uns Newman und Redford irgendwie immer einen Schritt voraus sind. Hills Inszenierungsstil dabei ist ziemlich schräg: Er wirft sein Duo nicht einfach ins Geschehen und filmt: Action! Hill schleicht sich heran, fast wie ein dritter Trickbetrüger, der nicht auffliegen will. Manchmal wirkts so, als ob Newman und Redford einfach mal kurz bei Hills Dreh vorbei schauen würden, um gleich wieder aufzubrechen - und das ist als Lob gemeint! Kurz und gut: Eine bessere Trickbetrüger Komödie gibts nicht!

Dienstag, 16. August 2016

Our Daily Free Stream: Terry Gilliam - Brazil


Our Daily Free Stream: Terry Gilliams - Brazil. So wie Orwells 1984 eine Variation unserer Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit darstellt, genauso ist Brazil ein Spielchen mit Orwell. Brazil kreiert eine Welt, die unserer gar nicht unähnlich sieht - abgesehen davon, dass sie viel düsterer ist und einige technische Standarts schon weiter entwickelt wurden. Das politische System entspricht zum Glück auch nicht unserem. Die Gesellschaft in Brazil wird durch eine umfassende Organisation kontrolliert, so dass für den Bürger nur ein Leben voller Paranoia bleibt. Die Polizei gleicht einem Terror Kommando, um Andersdenkende zu jagen. Das Leben ist verdriesslich und gemein. Hier lebt Sam Lowry (Jonathan Pryce) sein jämmerliches Sein und arbeitet im Grunde immer am Computer-Bildschirm. Hin und wieder, wenn der Chef abwesend ist, gönnt er sich gemeinsam mit den Kollegen eine Auszeit, verdeckt den Monitur und schaut sich alte TV Klassiker an. Sam weiss genau, wie trostlos sein Leben ist. Ihm bleibt nur die Flucht in Tagträume, in denen ihm eine atemberaubend schöne Frau erscheint. Dann aber die Verwechslung: Statt des Terroristen Tuttle (Robert De Niro) wird ein unschuldiger Familienvater zu Tode gefoltert. Sam soll diesen "Unfall" für die Hinterbliebenen aufarbeiten. Bei dieser Mission trifft er auch schliesslich die Frau seiner Träume... Brazil wirkt wie ein Rückgriff auf das psychodelische Kino der 60er. Eine Anarcho Version, in der nach dem Rezept verfahren wird, einfach alles ins Monströse zu überdrehen! Regisseur und Co-Autor Terry Gilliam durfte frei schalten und walten. Ohne finanzielle Einschränkungen (was ihm danach nie wieder vergönnt sein sollte)! Gilliam inszeniert ohne jede Disziplin apokalyptische Szenarien, beeindruckende Special Effects oder traumhafte Sets! Es scheint, als hätte Gilliam all seine Fantasien niedergeschrieben, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, wie das alles auf die Leinwand gebracht werden soll. Mehr noch: Ganz gleich, ob das alles einen Sinn ergibt oder nicht. Brazil ist ein ausserordentlich schwieriger Film. Ich habe ihn nun zum zweiten Mal gesehen und konnte immer noch kaum folgen. Welche Charaktere erfüllen welchen Zweck? Wer ist wer? Klarheit ist nicht das endgültige Ziel dieser paranoiden Vision. Wir erleben sehr persönliche Momente des Autoren Gilliam, dann wieder grimmigen Humor, sich vom Geschehen zu distanzieren. Mir gefielen die simpelsten Szenen während des Büroalltags am besten. Ganz heimlich dachte ich, dass Einfachheit doch eigentlich eine Tugend ist - kein Feind, den es zu bekämpfen gilt... (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: imdb)

Montag, 15. August 2016

Our Daily Free Stream: Sa, Raimi - The Evil Dead 1981

 Our Daily Free Stream: Sam Raimi - The Evil Dead (1981). Unser ehemaliger Kollege Thomas Groh schreibt in der taz: Spekulationenüber Gewaltexzesse Warum enthält der Staat seinen mündigen Bürgernin Zeiten des Internet-streamings fiktionale Filme vor? Und wie fühlt sich der Reizdes Verbotenen an? Gedanken anlässlich eines Gerichts-beschlusses zurHorrorlegende„Tanz der Teufel“. An sich eine lapidare Meldung: Nach Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten ist der Horrorfilm „Tanz der Teufel“ nicht mehr länger nach § 131 StGB (Gewaltverherrlichung) beschlagnahmt. Da dieses De-facto-Totalverbot vom Tisch ist, bietet sich dem Rechteinhaber Sony nun die Möglichkeit, bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) eine Indexstreichung des 1981 entstandenen, 1984 erstmals per Gerichtsbeschluss eingezogenen Films zu beantragen. Einer rechtlich sicheren Veröffentlichung des Films stünde im absehbaren Erfolgsfall nichts mehr entgegen. Auch im Fernsehen könnte er dann laufen. Als dies vor Kurzem bekannt wurde, kamen manchem Horrorfan dennoch Tränen der Rührung. Denn das als Spaßprojekt unter Freunden mit einer 16-mm-Kamera im Wald realisierte Langfilmdebüt des heute längst in Hollywood angekommenen Regisseurs Sam Raimi genoss in Deutschland infolge seiner Zensurgeschichte lange Legendenstatus: Seine angeblichen Gewaltexzesse waren Gegenstand zahlreicher Schulhofspekulationen. Klandestin kursierende Videokopien der x-ten Generation galten als Trophäen mit dem Ruch des Verbotenen. Sie zeigten den Film zwar farbentgeättigt und verrauscht; doch die angestachelte Fantasie setzte dies erst richtig in Gang. Demgegenüber tritt heute eher der Charme des Handgemachten zutage; der Atmosphäre des (im Übrigen von Coen-Bruder Joel Coen montierten) Splatterklassikers tut dies keinen Abbruch. Vor diesem Hintergrund wirkt das lange währende staatliche Totalverbot nur noch absurder, als es eh schon ist, wenn ein Staat seinen mündigen Bürgern fiktionale Werke begütigend vorenthält: Das heutige Kino ist längst viel drastischer und realistischer – mitunter schon ab FSK 16. Für die Fans ändert sich eh nichts: Sie haben den Film längst zu Hause – illegal aus dem Netz oder als Sammleredition, importiert etwa aus Österreich, wo es eine ähnliche Verbotspraxis nicht gibt und DVD-Labels an deutschen Kunden gut verdienen. Auch auf gängigen Online-Videoportalen ist der Film im Nu zu finden. Die sehr deutsche, sehr bürokratische Praxis des Indizierens und Beschlagnahmens ist in der heutigen Medienkultur so possierlich und anachronistisch wie eine Videokassette, kostet aber viel Steuergeld, das woanders besser aufgehoben wäre. War die BPjM für die Videokinder der 1990er noch der Gottseibeiuns, ist sie heutigen Kids wahrscheinlich kaum mehr ein Begriff. Im Zeitalter niedrigschwelliger Zugänglichkeiten hat sie auf deren Medienkonsum keine Auswirkung. Dass Sony in Sachen „Tanz der Teufel“ plötzlich rege wird, dürfte handfeste Gründe haben: Im September nimmt Amazon die Serie „Ash vs Evil Dead“ ins Streamingangebot auf. Deren zehn Episoden bilden nach zwei Kinosequels den bereits vierten Teil von „Tanz der Teufel“ und für Sony wohl Anreiz genug, um beim Amtsgericht wegen alter Geschichten anzuklopfen. (Quelle: http://www.taz.de/!5330205/) (Wir stellen nicht den Film, nur den link zur Verfügung) (Bild: https://thatwasabitmental.files.wordpress.com/2011/01/evildead1.jpg)

FILM LIST: Fantasy Filmfest

 Ganz selten kommt mal einer in die Filmkunstbar Fitzcarraldo, der sich als ehrlicher Horror Geek ausgibt. Meistens verlangen die Gäste nach "gepflegten" Filmen. Einmal im Jahr aber ist alles anders - der Verdienst des Fantasy Filmfests! Mit ganz viel Herzblut wird hier eine Auswahl zusammengestellt, die ausserhalb der Realität angesiedelt ist: Horror, Fantasy, SciFi, Surreales und (für uns fast gleichbedeutend) Asiatisches. Nicht von dieser Welt. Alles beginnt 1987, als wir noch mit Transit aus West-Berlin reisen mussten und eine Fahrt nach Hamburg fünf Stunden dauerte. Im Gründungsjahr zeigte man noch nicht so viele Filme, was sich bis heute rapide veränderte! Recht viele Kultfilme feierten ihre Premiere auf dem Fantasy Filmfest: Delicatessen, Irreversible, Saw und sogar Pulp Fiction! Hamburg ist die Geburtsstätte des Fantasy Filmfests, Berlin kam 1992 dazu. Das ist nicht ungewöhnlich, denn zu Mauerzeiten hatten wir viel weniger grosse Events! Mittlerweile läuft das Fantasy Filmfest in sieben deutschen Städten. Das Publikum ermittelt schliesslich den Fresh Award. Klar, denn das Fantasy Filmfest bedeutet vor allem Spass - wer braucht da schon eine "akademische" Jury? Originalversionen mit Untertiteln füllen die Kinosäle! Was für eine Erfolgsgeschichte, insbesondere für ein Land, in dem Bruce Willis genauso spricht wie Gerard Depardieu! Ab dieser Woche gilt für viele: Arbeit fällt aus. Dauerkarte muss her! Es herrscht Ausnahmezustand für diejenigen, die am liebsten nachmittags Kekse essen und dazu Filme gucken. Für die Geeks. (Wir stellen nicht die Filme, nur die links zur Verfügung. SEHT EUCH DIE LINKS SCHNELL AN, BEVOR SIE GELÖSCHT WERDEN. 15.8.16)

Sonntag, 14. August 2016

Our Daily Free Stream: Ridley Scott - Blade Runner


Our Daily Free Strem: Ridley Scott - Blade Runner. Ob wir wollen oder nicht; das Remake von Dennis Villeneuve schreitet langsam voran. Hier das Original. - Das ist also "Jetzt", die Zukunft. Die Autos sehen aus wie Boxen, doch immer noch wird so etwas wie Rock'n Roll im Radio gespielt. Blade Runner eröffnet eine Zukunft 2020 in Los Angeles. L.A. sieht aus wie Tokyo und tatsächlich trinkt ein japanisches Mädchen Coca Cola. Immerhin: Es sieht sensationell aus! Die Wolkenkatzer sind noch ein Stück gewachsen und die Menschen fahren umher in Vehikles, die alles können. Fahren, fliegen, klettern. L.A., ein urbaner Dschungel. Durch die "Mean Streets", die wir kein Mal bei Tageslicht sehen, streift Harrison Ford. Er sucht eine Gruppe Replikanten, die aus der Off-World geflohen sind. Er ist ein Lakoniker, kompetent und zynisch. Sein Job: Die Replikanten aufspüren und eliminieren. Was als nächstes geschehen mag, ist nicht schwer vorauszusagen: Er verliebt sich in eine von ihnen. Sie ist nicht menschlich, doch was bedeutet das schon? Wohl deshalb trägt die Original Geschichte von Philip K. Dick den Titel "Do Androids Dream of Electric Sheep?". Vor allem geht um die Unterschiede zwischen "Mensch" und "Replikant", also "Nicht-Mensch" - um deren Erinnerung. Spielt es eine Rolle, wenn die Erinnerungen nicht die eigenen sind, sondern die Erfahrungen eines anderen? Insbesondere in dem Fall, da der Android das gar nicht weiss? Der Schauspieler Harrison Ford interessierte sich vor allem für diese Frage, wie man später in Interviews liest. Regisseur Ridley Scott legt offensichtlich den Schwerpunkt auf das Kreieren einer futuristischen Welt. Darin ist er bis heute ungeschlagen! Seine Dystopie zu gestalten war ihm noch wichtiger als sie mit plausiblen Charakteren zu füttern - ein altes Scott Problem. Visuell erstaunlich, doch die Geschichte krankt manchmal. Scotts Leistung, die Blade Runner Welt bis ins Detail zu entwerfen, mit eigener Mode und Ideen wie den Sky-Taxis - das bleibt! Wenn ich aber den hochgelobten Blade Runner heute wiedersehe, merke ich doch, dass mich etwas stört. Die Technologie erschlägt die Geschichte. Ford spielt zwar so, dass wir seinen Charakter vor Augen haben, dasselbe git für Rutger Hauer und Sen Young - der Film aber interessiert sich nicht allzu sehr dafür. Die Liebesgeschichte ist obligatorisch, wir hätten uns gewundert, hätte Scott die weggespart. Und der Höhepunkt? Mehr als ein Cliffhanger mit offenem Ausgang? Blade Runner wirkt seinen Replikanten verwandt: Der Traum vom mechanischen Menschen - nicht aus Fleisch und Blut. Doch hat ein Film, in dem die Oberfläche alles ist, keine Berechtigung? Und das ausgerechnet in den 80ern? Scott spielt mit Genres und hat womöglich den ultimativen Film Noir gemacht. Blade Runner, eine Reise ans Ende der Nacht. Hier regnet es normalerweise und der Himmel ist mit dunklen Wolken verhangen. Bestimmt wirkt Blade Runner heute sogar noch prophetischer als er es 1982war...

Samstag, 13. August 2016

FILM LIST: Philip K. Dick


Philip K. Dick

Philip K. Dick, Jahrgang 1928, gebürtig in Chicago hatte einen Lebenstraum ganz bestimmt nicht: In die Nähe von Hollywood zu kommen. Er hasste die Traumstadt. Umgekehrt verhält sichs etwas anders. Dick ist seit fast 40 Jahren einer der gefragtesten Autoren Hollywoods! Er, der einmal von sich behauptete, man müsse ihn schon am Lenkrad seines Autos festbinden, um ihn nach Hollywood zu transportieren, gleicht nun den dort herrschenden Mangel an guten Stoffen aus. Mittlerweile ist es so, dass ein Wettstreit über die noch verfügbaren Romane ausgebrochen ist, obwohl Dick über 40 davon schrieb (und noch einmal 120 Kurzgeschichten). Ironie des Schicksals: Dick schrieb ein Leben lang gegen den Untergang an, seine Erben verdienen heute Millionen. Genauso verkaufen sich seine Bücher mittlerweile wie von selbst - sogar "seriöse" Kritiker feiern Dick! Die New York Times kürte ihn zu einem der grossen psychologischen Forscher des 20. Jahrhunderts - und das obwohl SciFi Romane traditionell in die Billig-Ecke gehören. Der Feind des Menschen ist der Mensch. Kein Alien oder gar ein Marsianer. Es sind totalitäre Staaten und übermächtige Konzerne. Raffiniert und immer düster dringt Dick in diese Welt ein. Einzige verlässliche Komponente: Es wird nicht gut ausgehen. Dick selbst wähnte sich als Opfer staatlicher Verschwörungen. Ein Einbruch in sein Haus - es war für ihn kein Zufall. Er, der sich zeitweise von Hundefutter ernährte, erlebte den Kinostart von Blade Runner nicht. Dick starb vorher an Herzversagen.

Freitag, 12. August 2016

Our Daily Free Stream: Bob Rafelson - The Postman Always Rings Twice


Our Daily Free Stream: Bob Rafelson - The Postman Always Rings Twice. The Postman Always Rings Twice - und zwar das Remake von 1981, ist meisterhaft gefilmt und darin geradezu aufreizend! Technisch auf höchstem Niveau, schauspielerisch auch, mit fesselnder Atmosphäre! Dann aber, nach der Hälfte etwa, muss ich mich verirrt haben. Was will mir der Film über seine Charaktere sagen? Warum teilen wir überhaupt ihre Geschichte? War es notwendig, sie zu erzählen, da der Film doch offenbar kaum Interesse an ihren Gefühlen zeigt, geschweige denn, an sie glaubt! The Postman Always Rings Twice basiert auf dem Roman von James M. Cain und der ist, genau wie die Original Verfilmung aus dem Jahr 1946, harter Tobak! Kein Wunder, dass Bob Rafelson sich an eine Neuverfilmung machte; vor allem war es endlich möglich, die expliziten Sex- und Gewaltszenen zu zeigen. Er lag richtig. Der Film strahlt eine ungeheure physische Kraft aus, vor allem in den Liebes(?)-Szenen mit Jack Nicholson und Jessica Lange. Nicholson spielt einen Gauner, einen Hochstapler, der sich durch die Zeit der grossen Depression schlägt. Lange verkörpert eine gelangweilte Ehefrau, die gemeinsam mit ihrem viel älteren griechischen Gatten (John Colicos) einen Laden betreibt. In dem Moment, da sie sich zum ersten Mal sehen, stürzen sie sich übereinander, lieben sich animalisch. Möglicherweise töten beide den Ehemann. In Rafelsons Film stellt sich ein Mord als grosse Schwierigkeit dar, denn eine Leiche ist schwer und Blut schwer zu säubern. Irgendwann tritt noch Anjelica Huston auf, fast so, als wäre sie der Stargast eines anderen Films. Ein Triumph der Atmosphäre, in der jedes alte Auto oder Coca Cola Schild liebevoll ausgesucht wurde! Klischees werden hier mit ausgesuchtem Stilwillen erfüllt. Für die Nicholson Fraktion: Selten sah man ihn schäbiger, cleverer und getriebener. Schauspiel, an Intensität kaum zu überbieten! Dennoch: Weder fühlen wir die Tragödie, wenn der Ehemann stirbt, noch die Grösse einer romantischen Beziehung. Nichts wird erzählt über ihre Schuld oder gar ihr Schicksal. Nie kommt es mir so vor, als würde ich die Charaktere nun kennen. Sie existieren, sie essen, sie schlafen, sie bumsen. Sie agieren. Schön wärs, könnten uns Rafelson und seine Team irgendwelche Gefühle für sie vermitteln. Leider bleiben sie aber immer nur an der Oberfläche.

Donnerstag, 11. August 2016

Our Daily Free Stream: The Long Good Friday

Our Daily Free Stream: The Long Good Friday. Bob Hoskins spielt Harold Shand, einen Londoner Gangster, hart wie Stein. Sein Revier, die Docks. Mit Mafia Geld aus den USA hat er dort einen der grössten Immobilien Coups der letzten Zeit vor. Er ist klein, mit einem rundlichen Gesicht und Zähnen, die permanent knirschen. Was Harold nicht glauben kann: Auch seine Welt kann zerbrechen - und sie wird, innerhalb einer einzigen Woche. Harold Shand kommt von der Strasse, doch lebt nun in einem Penthouse. Er unterhält eine Yacht und darüber hinaus eine ansehnliche Geliebte (Helen Mirren). Obsessiv liebt er es über seine letzten zehn Jahre im Londoner Untergrund zu erzählen - bis eine Autobombe seinen Rolls Royce hochjagt. Eine zweite Bombe zerstört seinen geliebten Pub (den er selbst betreibt). Eine dritte Detonation in seinem Casino schlägt fehl. Wer ist hinter ihm her? Wer ist dieser Feind? Und warum sucht er sich ausgerechnet dieses Wochenende aus, an dem ein amerikanischer Mafioso die Geldübergabe mit ihm abwickelt? In gewisser Weise beantwortet The Long Good Friday diese Fragen. Das Sujet dieses meisterhaften, rohen Thrillers aber sind die Probleme des Harold Shand. Der Film dient als vorzügliche Charakterstudie und selten habe ich eine so lebendige Kinofigur gesehen! Harold ist von Grund auf böse, sadistisch und grausam. Er ist aber auch eine Person voller Widersprüche und manchmal verstehen wir ihn so sehr, dass wir beginnen, mit ihm zu fühlen. Kalt und hart gegenüber anderen Gangstern, doch was für ein Schwächling, wenn seine Geliebte die Stimme erhebt! Er hängt seine Feinde an Fleischerhaken auf, kopfabwärts, dann wiederum ist er ganz rührend zu den Kids in der Nachbarschaft. Ein Mann, der seinen Weg gegangen ist und stets genau weiss, was zu tun ist - bis zu diesem Moment, da er von einem gesichtslosen Feind bedroht wird. The Long Good Friday beginnt scheinbar ganz unzusammenhängend, mit einer losen Folge von Ereignissen, die nur durch ein musikalisches Thema zusammengehalten werden. Vielleicht ist alles, was geschieht auch nur ein Misverständnis durch die IRA? Die wahre Geschichte; Harold kennt sie und wir auch. Bob Hoskins SCHAUSPIEL, die energetische Inszenierung, die ergreifende Filmmusik... Ein grosser Film, in dem Harold ganz langsam lernt, wie es ist, seine eigene bittere Medizin schlucken zu müssen...

FILM LIST: Film Noir World Cinema

 Drei Genres hat uns Hollywood geschenkt: Den Western, das Musical und den Film Noir. Während die ersten beiden Genres ihre grösste Popularität feierten, als sie ins Kino kamen, erlebte der Film Noir seinen Aufstieg im nachhinein. Ein Genre, das von Kritikern so benannt und im Kreise der Cinephilen entdeckt wurde. Schwierig, überhaupt zu definieren, was Film Noir eigentlich umfasst! Das Genre der Dunkelheit, der Nacht, der Schatten und der "Mean Streets". Bevölkert werden sie von Verlierern und kleinen Gangstern. Fast immer stehen Verbrecher im Mittelpunkt, jedoch werden sie nie glorifiziert, wie es der Gangsterfilm der 30er tat. Die Verbrechen, sie passieren einfach. Aus Verzweiflung, sogar aus Versehen oder einem dunklen Antrieb. Oft sind auch Frauen beteiligt - und meistens sind sie nicht die Opfer! Alle leben in der Nacht, der Welt aus Neonlichtern, leeren Bars und einsamen Hotelzimmern. Die Frauen sind verführerisch aufgemacht in billigen Kleidern und Federboas (der Reiz der Unterschicht), die Männer tragen Hüte, Anzüge mit hochgestecktem Kragen und Krawatte. Geraucht wird immer! Niemals war diese Art von Film populärer als heute! Interessant auch, dass der Film Noir nun aus aller Welt kommt! Es ist sogar möglich, einige Zutaten wegzulassen und doch erkennbar Noir zu machen! Einige Werke dieser Liste spielen sogar im gleissenden Sonnenlicht. Es ist doch so: Wir haben die Bausteine des Film Noir verinnerlicht, wuchsen alle mit ihnen auf. Nun wollen wir damit spielen, das Genre neu entdecken!