Our Daily Free Stream: Alexander Sokurov - Russian Ark (engl. subt.).
Our Daily Free Stream: Alexander Sokurov - Russian Ark (engl. subt.). Im
Kino läuft Francofonia an, der wie eine Fortführung wirkt zu Sokurovs
barocken Russian Ark - den wir heute deshalb zeigen: Jede Rezension von
Russian Ark beginnt mit Sokurovs Methode, diesen Wahnsinn inszenieren
(oder sollte man präzisieren: begleiten) zu können: Drei Jahrhunderte
russischer Geschichte in der Eremitage. 96 Minuten ohne Schnitt, gedreht
in einer einzigen kontinuierlichen, digitalen Steadycam-Aufnahme vom
Kameramann Tillmann Büttner. Durch den "One Take" wird es möglich, in
einem Fluss zu erzählen, so dass wir uns unwillkürlich mit der Stimme
aus dem Off identifizieren. Das Handeln der auftretenden Figuren
verliert sich dagegen meist in Andeutungen. Es ist auch schlicht
unmöglich, alle auftretenden Gestalten (in Originalkostümen) zuzuordnen:
Peter, der Grosse, Zar Nikolaus, Katharina... Wie ein Fragment werden
hier die historischen Ereignisse inszeniert - und wer würde nicht
behaupten, dass auch unser historisches Wissen nur lückenhaft sei?
Obwohl wir alles in einem Cut erleben, geht es wohl trotzdem weniger um
die Einheit von Zeit und Raum - eher stolpern wir durch die Geschichte.
Schliesslich trifft unsere Stimme aus dem Off noch auf einen
heruntergekommenen Marquise aus dem 19. Jahrhundert, der fortan mit ihr
polemisiert: Es geht um Petersburg als einzige europäische Stadt,
Russlands Unfähigkeit, sich dem Westen anzuschliessen oder den lieblosen
Umgang des Landes mit der Kunst. Die 70jährige Soviet-Herrschaft wird
übrigens einfach übersprungen. Nur die Gegenwart taucht auf und wird
verkörpert vom Museums-Direktor. Das grosse Finale stellt eine Ballnacht
während des Monarchenfests 1913 dar und mit den Tanzenden entfernt sich
die Kamera vom Geschehen. Ich denke, den meisten Zuschauern wird es
ergehen wie mir und vollkommen ausreichen, Russian Ark als originelle
und wunderschöne Idee anzusehen. Böse Zungen mögen hinterfragen, ob
Russian Ark uns überhaupt interessieren würde, wäre der Film nicht in
einem Take gedreht? Schliesslich erfahren die einzelnen Szenen keine
Steigerung, keine Inszenierung in diesem Sinne und kommen auch nicht auf
den Punkt. Russian Ark nicht mehr als eine Tour De Force? Für mich aber
reicht es aus, den Film als das stehen zu lassen, was er ist: Eine
Sammlung von Bildern und Gedanken. Eine schöne Möglichkeit,
abzuschweifen, wenn das furchtbare Schicksal Russlands auf ausgelassene
Tanz-Szenen trifft - fast ironisch anmutend. In diesem Sinne ist es
genauso relevant, was Sokurov nicht zeigt (wir aber doch alle wissen):
Die Barbarei der Soviet-Herrschaft - Und ist es nicht genau das, was uns
allen sofort einfällt, wenn wir an Russland denken? Russian Ark ist
kein Stück Politik, sondern ein filmischer Tagtraum.
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